Hintergrund

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hat der Chirurg Ernst A. Codman mit der „end result idea“ und der darunter zu verstehenden Aufforderung, Ergebnisse nach medizinischen und chirurgischen Interventionen retrospektiv zu evaluieren, den Grundstein der heutigen MuM(Morbiditäts- und Mortalitäts)-Konferenzen (MuM) gelegt [1]. Fast 100 Jahre später haben Kohn et al. [2] mit ihrer Publikation „To Err is Human: Building a Safer Health System“ das Schweigen um medizinische Fehler gebrochen und damit den Weg für MuM-Konferenzen im heutigen Sinne geebnet und die systemische Fehleranalyse und Patient*innensicherheit in den Fokus gerückt. So definieren sich MuM-Konferenzen heute als regelmäßige, interprofessionelle und idealerweise auch interdisziplinäre, strukturierte Fallbesprechungen von vermeidbaren und/oder unerwünschten Ereignissen. Das Ziel der MuM-Konferenz ist die Sicherstellung eines zeitnahen und kontinuierlichen Verbesserungsprozesses durch individuelles und organisationales Lernen. Zusammenarbeit und Sicherheitskultur sollen gestärkt werden und letztlich steht die Verbesserung von Behandlungsqualität und Patientensicherheit im Zentrum [3, 4]. Die moderne MuM-Konferenz dient somit sowohl als medizinische Weiterbildung als auch als Instrument zur Systemanalyse und -verbesserung [5].

Die Rahmenbedingungen für die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit in Spitälern und Kliniken sind hoch komplex und entsprechend auch potenziell fehleranfällig. Einerseits spielt die Teamarbeit in der Medizin eine essenzielle Rolle, andererseits sind Bereitschaft und Kompetenz zur gemeinsamen Zusammenarbeit weder einfach noch naturgegeben. Potenzielle Hindernisse gibt es viele: Vorurteile gegenüber anderen Berufsgruppen/Disziplinen, der Zeitdruck im klinischen Alltag, hierarchische Strukturen (beispielsweise traut sich oftmals Personal in Ausbildung nicht, die Vorgesetzten zu hinterfragen oder es besteht Unklarheit darüber, welche Klinik den Lead über die Patientin hat), unterschiedliche Annahmen, wie man zusammenarbeiten soll, um nur einige Beispiele zu nennen [6,7,8]. Um ungünstige, fehleranfällige Konstellationen zu erkennen, müssen Teams dafür sensibilisiert werden, dass diese in komplexen Systemen wie dem Spital vorkommen.

Ein Ziel der MuM-Konferenzen ist die Verbesserung von Behandlungsqualität und Patientensicherheit

Die Klinik für Geburtshilfe bietet die ganze Palette an Komplexität von interdisziplinärer und interprofessioneller Zusammenarbeit bei emotionsgeladenen Vorstellungen der Patientinnen und immer wieder auch in Notfallsituationen. Für eine gut funktionierende und kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit, aber auch für eine kontinuierliche Verbesserung von Abläufen bedarf es stetiger Arbeit. Die MuM-Konferenz reiht sich dabei in eine Reihe von Maßnahmen ein, welche maßgebend zur Verbesserung von Zusammenarbeit, Behandlungsqualität, Patientensicherheit und Sicherheitskultur sowie zur Erweiterung relevanter Wissens- und Handlungskompetenzen beitragen.

Im Folgenden wird dieser Artikel die Voraussetzungen, Herausforderungen, einen möglichen Ablauf und einige klinische Beispiele der MuM-Konferenz beleuchten.

Schaffen einer Sicherheitskultur

Um Systemfehler zu entdecken, analysieren und Verbesserungen ableiten zu können, braucht es eine Kultur, die es erlaubt, repressionsfrei über unerwünschte Ereignisse zu sprechen. Um eine solche Sicherheitskultur zu schaffen, braucht es wiederum Rahmenbedingungen und Regeln, die durch alle Hierarchieebenen eingehalten werden [3]. Fehler erfolgen meist aus einer Kombination von verschiedenen Umständen und Handlungen. Das Bild des „Schweizer-Käse-Modells“ veranschaulicht diese Kombinationen gut ([9, 10]; Abb. 1). Katastrophen passieren, wenn Fehler auf verschiedenen Ebenen „durchs Loch fallen“, also verschiedene Ebenen und Kontrollmechanismen nicht funktionieren.

Abb. 1
figure 1

Das Schweizer-Käse-Modell nach James [10]. Katastrophen passieren, wenn Fehler auf verschiedenen Ebenen „durchs Loch fallen“

Notwendig ist eine Kultur, die es erlaubt, repressionsfrei über unerwünschte Ereignisse zu sprechen

Während der MuM-Konferenz sollen genau diese Umstände und Handlungen analysiert und die Mitarbeiter*innen dazu angeleitet werden, nicht nach „Schuldigen“ zu suchen, sondern die „Systemperspektive“ einzunehmen [3]. Dabei können Fragen hilfreich sein: Was hat am System nicht funktioniert? Was kann an den Prozessen und Strukturen optimiert werden? Optimal werden Ansichten, Erfahrung und Fachwissen von verschiedenen Quellen/Mitarbeitern auf verschiedenen Hierarchiestufen und von verschiedenen Berufsgruppen in die Systemperspektive eingebunden.

Der Umgang mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten wird oft als unangenehm wahrgenommen und führt zur Vermeidung von Konfliktsituationen. Demgegenüber ist das Ansprechen von Meinungsverschiedenheiten, gerade bei fachlichen Entscheidungen, jedoch sehr wichtig, um schlechte Entscheidungen zu verhindern oder verfahrene Angewohnheiten im klinischen Alltag zu hinterfragen. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Etablierung einer „speak up“ Kultur. Hier geht es darum, offen und unverzüglich auszusprechen, wenn jemand einen möglichen Fehler erkennt oder Zweifel hat. In einer gut funktionierenden „speak up“ Kultur ist es nicht nur erlaubt, sondern wird es sogar begrüßt, wenn quer durch alle Hierarchie- und Berufsstufen Situationen oder Entscheidungen hinterfragt werden. Letztlich kann genauso verhindert werden, dass Fehler auf verschiedenen Stufen passieren, wie im „Schweizer-Käse-Modell“ durch alle Löcher fallen und es letztlich zur Katastrophe kommt.

Ganz grundsätzlich bildet eine vertrauensvolle Kommunikation immer die notwendige Basis für den Umgang mit Meinungsverschiedenheiten, die Schaffung der Sicherheitskultur ganz allgemein, aber insbesondere auch während der MuM-Konferenzen. Am UniversitätsSpital Zürich verweisen wir in diesem Zusammenhang gerne auf das „Vegas-Prinzip“, d. h. der Schutz der involvierten Personen und Mitarbeiter*innen ist von zentraler Bedeutung: „What happens in Vegas, stays in Vegas“. Emotionen, persönliche Anmerkungen oder Namen werden nicht nach außen getragen.

Ablauf der MuM-Konferenz

MuM-Konferenzen werden sehr unterschiedlich durchgeführt [11]. International haben Vincent et al. das wohl bekannteste Protokoll zur Aufarbeitung und Analyse von vermeidbaren oder unerwünschten Fällen publiziert, dessen neuste Überarbeitung unter dem Namen „London-Protokoll“ bekannt ist [12, 13]. Am UniversitätsSpital Zürich basiert der Ablauf der MuM-Konferenz auf den Leitfaden Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen der Stiftung Patientensicherheit, Schweiz, sowie auf dem Leitfaden M&MK der Bundesärztekammer, Deutschland [3, 4].

Folgend finden sie unsere Tipps und Tricks.

Tipps und Tricks

Vorbereitung der MuM-Konferenz

  1. 1.

    Implementierung einer MuM-Konferenz

    Vor der erstmaligen Durchführung einer MuM-Konferenz lohnt es sich, in der hauseigenen HR(„human resources“)-Abteilung abzuklären, wer für das Qualitätsmanagement zuständig ist. Selbst in Spitälern, in denen regelmäßige MuM-Konferenzen (noch) nicht als Standard gefordert werden, gibt es in den meisten Fällen Qualitätsbeauftragte, welche eine entsprechende Aus- und Weiterbildung erhalten haben und bei der Einführung von MuM-Konferenzen nach bestimmten Standards unterstützend wirken können.

  2. 2.

    Korrekte Fallauswahl

    Spannend sind vor allem Fälle, welche nicht auf „einem einzelnen individuellen Fehler“ basieren, sondern welche vom systemanalytischen Gesichtspunkt interessant sind. Es hat sich gezeigt, dass die Bereitschaft, Probleme interprofessionell (etwa Ärzteschaft, Hebammen, Pflegefachpersonen auf der Wochenbettstation) zu analysieren, diskutieren und verbessern, steigt, wenn im Vorfeld alle Berufsgruppen in die Auswahl und Planung der Fälle involviert sind.

  3. 3.

    Vorbereitung des zu präsentierenden Falles

    Es ist natürlich von Vorteil, wenn die beim zu besprechenden Fall involvierten Mitarbeiter*innen den Casus vorstellen. Dabei sollte gerade bei jüngeren Teammitgliedern diesen auch jeweils erfahrenere Kolleg*innen (etwa Oberärzt*innen oder Fachexpert*innen Pflege) zur Seite gestellt werden und im Vorfeld auch klar benannt werden. Dies erhöht aufgrund der größeren Erfahrung nicht nur die Qualität der Präsentation, es hilft gerade auch im hierarchischen System Krankenhaus den jüngeren Teammitgliedern, Unterstützung und Rückendeckung im Raum zu wissen. Gerade bei interprofessionellen Fällen, welche ja die Mehrheit darstellen werden, ist auch eine vorgängige Koordination zwischen den vorstellenden Berufsgruppen wichtig (zeitlicher Ablauf des vorgestellten Casus, Sicht der Pflege, Sicht der Ärzteschaft, …), nicht zuletzt auch, um eine zeitlich ausufernde Länge der Präsentationen zu vermeiden. Bei der Systemanalyse des Falles (Punkt 4) im Vorfeld soll die präsentierende Person durch deren Mentor oder den MuM-Konferenz-Verantwortlichen unterstützt werden, wobei an diesem Punkt Inputs von allen beteiligten Personen wertvoll sind.

  4. 4.

    Vorbereitung der Fehler- und Ursachenanalyse mit Systemfaktoren und kognitiven Verzerrungen [3, 14].

    Die möglichen Systemfaktoren sind gemäß London-Protokoll:

    • Patient (Zustand, Sprache, Kommunikation, Persönlichkeit, soziale und kulturelle Faktoren),

    • Faktoren der Behandlung (Vorhandensein und Genauigkeit von Untersuchungsergebnissen, Vorhandensein und Verwendung von Vorgaben/Entscheidungshilfen),

    • Individuelle Faktoren der Mitarbeitenden (Kenntnisse, Fachkompetenz, physische/psychische Gesundheit),

    • Teamfaktoren (Kommunikation, Teamstruktur, Führung, Struktur),

    • Arbeitsbedingungen/Umwelt (Personalausstattung/Qualifikation des Personals, Arbeitsbelastung, Design, Ausrüstung/Geräte, administrative Unterstützung, Umgebungsbedingungen, Lärm etc.),

    • Organisations- und Managementfaktoren (finanzielle Ressourcen/Einschränkungen, Standards, Organisationsstruktur, Sicherheitskultur) sowie

    • Kontext der Institution (wirtschaftliche und rechtliche Bedingungen, Gesundheitspolitik, Verbindungen mit externen Organisationen).

  5. 5.

    Wahl eines geeigneten Termins

    Es soll möglichst vielen Teammitgliedern einer Klinik die Gelegenheit gegeben werden, an der MuM-Konferenz teilzunehmen. Erfahrungsgemäß ist dies der Fall, wenn die MuM-Konferenz im Zeitraum des Wechsels zwischen 2 Dienstschichten (Früh‑/Spätdienst) oder über Mittag mit dezidierter Empfehlung/Erlaubnis, Sandwiches mitzubringen, stattfindet. Auch eine Planung mit ausreichender Vorlaufzeit, insbesondere, wenn verschiedene Disziplinen involviert sind, ist zu empfehlen.

  6. 6.

    Klare Rollenverteilung

    Es sollte in jeder Klinik eine MuM-Konferenz-verantwortliche Person geben, welche durch die Klinikleitung festgelegt wird. Die Konferenz wird jeweils durch diese Person einberufen. Für eine funktionierende Fehlerkultur ist es aber selbstredend unerlässlich, dass diese von der Klinikleitung auch entsprechend vorgelebt wird mit entsprechender Unterstützung sowohl der MuM-Konferenz als solcher aber auch der Funktion der MuM-Konferenz-verantwortlichen Person. Die MuM-Konferenz-verantwortliche Person moderiert typischerweise die MuM-Konferenz und fungiert als „keeper of the format“ (s. unten); wichtig ist, dass die vorstellende Person nicht auch die moderierende Person ist.

Während der MuM-Konferenz

  1. 1.

    Zu Beginn: Kommunikation der Regeln

    Die MuM-verantwortliche Person muss nicht nur zu Beginn der ersten MuM-Konferenz, sondern bei jeder MuM-Konferenz aufs Neue, auf die Grundregeln hinweisen. Die MuM-verantwortliche Person moderiert, fungiert als „keeper of the format“ und lenkt wo nötig die Diskussion auf geordnete Bahnen. Die Prinzipien der MuM-Konferenz sind:

    • klarer Ablauf und Struktur (Einführung, ggfs. Rückmeldung von letzter MuM-Konferenz, Fallvorstellung, Systemanalyse mit Diskussion, gemeinsames Ableiten von Massnahmen) mit Zeitvorgaben (Tab. 1).

    • Basis für vertrauensvolle Kommunikation: das „Las Vegas-Prinzip“ („what happens in Vegas, stays in Vegas“). Es sollen heikle Informationen, insbesondere persönliche Informationen, nicht nach aussen getragen werden. Ein geschützter Rahmen ist unerlässlich für MuM-Konferenzen (und eigentlich für jede Fehlerkultur).

    • Zusicherung, dass es nicht um die Suche Schuldiger geht, sondern um die Analyse, wies es überhaupt zu so einem Ereignis kommen konnte und was wir daraus lernen können.

    • Zusicherung und Ins-Gedächtnis-Rufen, dass wir der Überzeugung sind, dass jedes Teammitglied sein Bestes gibt, intelligent ist, fähig ist in dem, was er tut, und sich verbessern will. Auch wenn eine Handlung retrospektiv betrachtet falsch gewesen sein mag, dürfen wir annehmen, dass das Teammitglied zu diesem Moment aus guten Gründen so gehandelt hat und das Beste für die Patientin gewollt hatte („wir handeln alle nach bestem Wissen und Gewissen“).

    • Es gibt meist nicht nur „die eine“ Ursache für eine unsichere oder falsche Handlung; die MuM-Konferenz eröffnet ein Fenster in das System, und durch Systemanalyse wollen wir uns verbessern und zukünftige Pläne verhindern.

    • Hinweis, dass wirklich jedes Teammitglied (über alle Berufsgruppen und Hierarchiestufen hinweg) sich äußern darf und sich äußern soll, falls Unklarheiten bestehen oder Verbesserungsvorschläge wahrgenommen werden (am Beginn der MuM-Konferenzen trauen sich jüngere Teammitglieder oftmals nicht, sich zu äußern – gerade diese sollen von der MuM-verantwortlichen Person ermuntert werden).

  2. 2.

    Falldarstellung

    Die Kunst liegt hier darin, diesen Part möglichst kurz zu halten, ohne jedoch relevante Informationen zu unterschlagen. Die Verwendung einer Timeline ist für eine zügige Darstellung der Geschehnisse oftmals hilfreich. Wer war wann wo? Gab es Vorgaben der Klinik, wie in entsprechenden Situationen zu handeln ist? Wie erfolgte die Kommunikation? War die Dokumentation ausreichend? Wo gab es Zeitverluste und warum? Gab es bei Zweifeln ein „speak up“ oder wurden die Zweifel nicht laut geäußert? Wenn nein, warum nicht, wie wird „speak up“ in der Klinik gehandhabt?

    Zu einzelnen konkreten Punkten:

    • Anamnese: nur für die Komplikation relevante Angaben (natürlich anonymisiert)

    • Indikation für die Intervention(en): Denkprozesse hinter Entscheiden sollen dargelegt werden

    • Labore und bildgebende Verfahren: nur relevante Laborwerte und Bilder

    • Ablaufbeschreibung: Beschreibung von technischen oder physiologischen Details im Zusammenhang mit dem Ereignis

    • Erkennung und Management der Komplikation: Wann wurde die Komplikation wie erkannt, und was wurde unternommen, um das Ereignis zu bewältigen?

  3. 3.

    Systemanalyse

    Nun erfolgt die Systemanalyse, welche im Vorfeld durch das vorstellende Team bereits vorbereitet wurde. Die Systemanalyse soll im Plenum diskutiert werden und allen Anwesenden soll die Möglichkeit gegeben werden, eigene Punkte in Bezug auf die Systemfaktoren oder die kognitiven Verzerrungen anzubringen.

  4. 4.

    Diskussion

    Die Diskussion ist das Herzstück jeder MuM-Konferenz. Dem Moderator kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Einerseits müssen die oben angeführten Grundregeln vorgelebt und, wo nötig, durchgesetzt werden. Andererseits muss darauf geachtet werden, dass sich die Gruppe nicht zu früh auf einen „bequemen“ Konsens einigt, welcher eine tiefgründigere und eventuell auch unbequemere (System‑)Analyse eines Problems behindern könnte. Dabei ist es auch wichtig, verschiedene Sichtweisen (verschiedene Berufsgruppen, verschiedene Hierarchiestufen) einzuholen. Es muss vermieden werden, schlechte Ereignisse bestimmten Personen zuzuschreiben, und es ist darauf hinweisen, dass viele Ereignisse im Nachhinein analysiert viel klarer sind als zu früheren Zeitpunkten, wenn oftmals gewisse Informationen noch gar nicht verfügbar waren oder aus diversen Gründen eventuell auch nicht abgerufen werden konnten.

    Die 3 Leitfragen für die moderierte Diskussion sind:

    • Gibt es Verständnisfragen zum Fall?

    • Was finden Sie einleuchtend? Was sehen Sie anders? Was fehlt in der Voranalyse?

    • Braucht es eine Maßnahme und wo könnten wir ansetzen?

  5. 5.

    Gemeinsames Ableiten von Maßnahmen

    Es sollten gemeinsam nötige Maßnahmen identifiziert und definiert werden. Wenn keine Maßnahmen abgeleitet werden können, sollten mindestens Lernbotschaften herausgearbeitet und ebenso protokolliert werden.

  6. 6.

    Evaluation

    Diese kann durch einen kurzen Fragebogen erfolgen, welcher am Ende verteilt wird und anonym ausgefüllt werden kann. Ein Beispiel für einen derartigen Fragebogen, wie er am UniversitätsSpital Zürich in Verwendung ist, findet sich in Abb. 2.

Tab. 1 Ein klar definierter Ablauf mit Zeitvorgaben hilft der Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz die nötige Struktur zu geben
Abb. 2
figure 2

Beispiel eines Feedback-Fragebogens für Teilnehmende einer Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz am UniversitätsSpital Zürich. (Mit freundl. Genehmigung, ©UniversitätsSpital Zürich, alle Rechte vorbehalten)

Nach der MuM-Konferenz

Neben dem Verfassen eines Protokolls und der Analyse der Feedback-Fragebögen ist hier vor allem die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen zu nennen. Die Umsetzung erfordert ja typischerweise einiges mehr an Zeit und Aufwand als die bloße Identifikation des zu verändernden Bereichs. Umso wichtiger ist es aber, die erfolgte Umsetzung in der folgenden MuM-Konferenz zu berichten: Die Mitarbeiter können sehen, dass die in die MuM-Konferenz investierte Zeit nicht vergebens war, sondern tatsächlich zu einem Wandel beitragen kann.

Die Wichtigkeit von Rückmeldungen zur vergangenen MuM-Konferenzen lässt sich nicht genug betonen

Somit kann die Wichtigkeit einer Rückmeldung zur vergangenen MuM-Konferenz gar nicht genug betont werden; sollten die vereinbarten Maßnahmen noch nicht umgesetzt worden sein, lohnt sich hier eine Information, warum dies der Fall ist und welche Schritte geplant sind, um dies zu ändern.

Beispiel einer Maßnahme nach MuM-Konferenz mit Signalwirkung

Der Fall war aus medizinischem und systemanalytischem Gesichtspunkt sehr interessant. Unter anderem war es durch eine Verschachtelung von Umständen – lückenhafte Kommunikation, Corona-Maßnahmen, sprachliche Barriere, bauliche Maßnahmen auf dem Spitalgelände (ganz im Sinne des Schweizer-Käse-Models) – zu einer Verzögerung der Ankunft einer schwangeren Frau in unserer Gebärabteilung gekommen, mit Folgen für Mutter und Kind. Eine der beschlossenen Maßnahmen der MuM-Konferenz war, dass die Beschilderung zur Gebärabteilung verbessert werden muss. In der Nachbearbeitung der Maßnahme ist daraus auch eine neue Signaletik mit Piktogramm entstanden (Abb. 3). Ein solcher Fall hat sich seither glücklicherweise nicht wiederholt.

Abb. 3
figure 3

Maßnahme einer Mortalitäts- und Morbiditätskonferenz. Neue Signaletik für die Klinik für Geburtshilfe am UniversitätsSpital Zürich. (Mit freundl. Genehmigung, ©UniversitätsSpital Zürich, alle Rechte vorbehalten)

Online MuM-Konferenzen

Die COVID(„coronavirus disease“)-Pandemie hat uns gelehrt, dass auch Online-Formate von Sitzungen und Rapporten von hoher Qualität und gutem Austausch durchführbar sind [15, 16]. Dies gelang auch für MuM-Konferenzen. Eine interne Auswertung am UniversitätsSpital Zürich ergab hierzu eine gute Resonanz, und es konnten keine Unterschiede in den Endbewertungen der MuM-Konferenzteilnehmer*innen festgestellt werden [17]. Idealerweise ist bei der Online-MuM-Konferenz die Rollenverteilung zwischen der aktiven MuM-Moderation sowie dem technischen Support und Chat klar geregelt. Eine der wesentlichen Erfahrungen mit Online-MuM ist, dass die Moderation noch gezielter eingesetzt werden muss, um die klare Struktur des MuM-Ablaufes, die transparenten „Spielregeln“ und die aktive Einbindung verschiedener Perspektiven zu gewährleisten [17].

Für manche Teilnehmer kann das Online-Format die Hemmschwelle für eine aktive Beteiligung senken

Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass das Online-Format die Hemmschwelle für eine aktive Beteiligung einiger Teilnehmer senken kann [16].

Glücklicherweise sind in der Zwischenzeit Präsenzfortbildungen wieder Alltag. Die gesammelten Erfahrungen können aber weiterhin gewinnbringend, im Sinne von Hybridveranstaltungen, umgesetzt werden [16]. Diese Möglichkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit, Fälle mit Gästen aus anderen Kliniken, Instituten und verschiedenen Berufsgruppen zu besprechen und somit zusätzlich auszuweiten, was dem interdisziplinären Ansatz der MuM-Ziele entspricht. Natürlich ist es, nicht zuletzt zur Wahrung des „Vegas-Prinzips“ bei Online-MuM-Konferenzen sehr wichtig, dass der virtuelle Raum nur geschützt zugänglich ist.

Fazit für die Praxis

  • Durch eine kontinuierliche Verbesserung von Prozessen und Strukturen trägt eine gut umgesetzte MuM-Konferenz (Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz) zur Patientensicherheit und Behandlungsqualität bei.

  • Sie gliedert sich somit in eine Reihe von sicherheitsrelevanten Maßnahmen ein, die in jeder Klinik zur Routine gehören sollte.