Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags …

  • kennen Sie die wichtigsten Aspekte der Betreuung von Mehrlingsschwangerschaften.

  • können Sie Mehrlingsschwangerschaften bezüglich ihrer Chorionizität und Amnionizität korrekt bestimmen.

  • kennen Sie die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik bei Mehrlingsschwangerschaften.

  • kennen Sie die Unterschiede in der Betreuung der verschiedenen Mehrlingsschwangerschaften.

Einleitung

Mehrlingsschwangerschaften gehen sowohl für Mutter als auch für die Feten mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Schwangerschaftskomplikationen einher. Eine korrekte Datierung und Klassifizierung der Chorionizität und Amnionizität im ersten Trimenon bilden die essenzielle Grundlage für eine optimale Schwangerschaftsbetreuung, da sowohl die pränatale Betreuung als auch der ideale Geburtszeitpunkt und -modus davon abhängig sind.

Hintergrund

Die starke Zunahme von Mehrlingsschwangerschaften in den vergangenen Jahrzehnten erklärt sich durch das steigende mütterliche Alter und die Verbreitung der Fortpflanzungsmedizin. In Deutschland machten Mehrlingsgeburten 2021 knapp 2 % aller Lebendgeburten aus [1]. In Abb. 1 ist eine Übersicht zu den Geburtszahlen von Mehrlingen im Vergleich zur Gesamtanzahl der Lebendgeburten in den vergangenen rund 50 Jahren in Deutschland dargestellt [1].

Abb. 1
figure 1

Übersicht der Geburtenstatistik in Deutschland: Bei etwa stabiler Anzahl Lebendgeburten hat sich die Rate an Zwillingsgeburten ich in den letzten rund 50 Jahren fast verdoppelt [1]

Das Vorliegen von mehr als einem Feten sowie der damit verbundenen größeren plazentaren Masse (Abb. 2) resultieren in einem höheren Risiko für Schwangerschaftskomplikationen (z. B. Frühgeburt, schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, Präeklampsie), die nicht nur häufiger, sondern oft auch ausgeprägter sind als bei Einlingsschwangerschaften. Mortalität und Morbidität von Mehrlingsschwangerschaften sind vor allem auf das hohe Frühgeburtsrisiko, welches direkt mit der Anzahl Feten korreliert, und das Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht zurückzuführen. Das durchschnittliche Gestationsalter (GA) bei Geburt liegt für Zwillinge bei 36 SSW (Schwangerschaftswochen), für Drillinge bei 32 SSW und für Vierlinge bei 31 SSW [2]. Die Frühgeburtenrate < 34 und 32 SSW liegt für Drillinge bei 56 % und 34 % im Vergleich mit 16 % und 8 % bei Zwillingsschwangerschaften. Drillinge und Vierlinge haben ein 4‑ bzw. 8‑fach höheres Risiko, < 29 SSW geboren zu werden, als Zwillinge [3]. Auch die Mortalitätsrate steigt mit Anzahl der Feten. Drillinge haben dabei ein 50 % höheres Mortalitätsrisiko als Einlinge oder Zwillinge [4].

Abb. 2
figure 2

Vierlinge (8 SSW [Schwangerschaftswochen])

Auch für werdende Mütter geht die Mehrlingsschwangerschaft mit einem höheren Risiko einher. In den USA ist das mütterliche Sterberisiko bei Zwillingsschwangerschaften mit 0,024 % 3,5-fach und bei höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften mit 0,18 % 26-fach so hoch wie bei einer Einlingsschwangerschaft (0,007 %; [5]). Zudem ist auch das Risiko für eine schwere akute maternale Morbidität, die einer intensivmedizinischen Betreuung bedarf, wie z. B. Uterusruptur, Eklampsie oder postpartale Hämorrhagie, bei Mehrlingsschwangerschaften 4 × höher als bei Einlingsschwangerschaften (2,8 vs. 0,7 %; [6]).

Letztlich gibt es bei monochorialen Mehrlingen auch spezifische Komplikationen wie z. B. das fetofetale Transfusionssyndrom (FFTS) oder die selektive intrauterine Wachstumsretardierung (sFGR). Die richtige Klassifikation der Mehrlingsschwangerschaft, die Früherkennung der Komplikationen sowie ein richtiges Management derselben vermögen die Risiken für ein schlechtes Outcome zu minimieren [7].

Cave

Bei Mehrlingsschwangerschaften ist das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen größer und oft auch ausgeprägter als bei Einlingsschwangerschaften.

Ultraschall im ersten Trimenon

Die Ersttrimestersonographie ist, nicht zuletzt um Mehrlingsschwangerschaften frühzeitig zu erkennen, ein wichtiger Pfeiler der Schwangerschaftsbetreuung (Abb. 1). Die korrekte Bestimmung der Anzahl Feten, des Schwangerschaftsalters, sowie das Festlegen der Chorionizität und Amnionizität bilden die Grundlage für eine optimale Schwangerschaftsbetreuung.

Merke

Die korrekte Bestimmung der Anzahl Feten, des Schwangerschaftsalters, sowie das Festlegen der Chorionizität und Amnionizität bilden die Grundlage für eine optimale Schwangerschaftsbetreuung von Mehrlingen.

Diagnose

Die Anzahl der Feten lässt sich sonographisch ab der 7. SSW darstellen, indem die Fruchtsäcke und Embryonalanlagen gezählt werden. Hinweisend kann in den frühen SSW auch sein, wenn mehr als ein Dottersack zu sehen ist.

Bestimmung des Schwangerschaftsalters

Das Schwangerschaftsalter wird auch bei Mehrlingen, sofern keine Sterilitätstherapie erfolgte, mittels Messung der Scheitel-Steiß-Länge (SSL) zwischen 11 0/7 und 13 6/7 SSW bestimmt [8, 9]. Hierzu soll die SSL des größeren Feten verwendet werden, da eine ungleiche plazentare Verteilung, Anomalien oder ein auffälliger Karyotyp eines Feten schon im ersten Trimester zu diskordantem Wachstum führen können [10, 11].

Chorionizität und Amnionizität

Die Chorionizität lässt sich schon ab der 7. SSW bestimmen, muss aber spätestens bis 14 SSW festgelegt, dokumentiert und mit Bild in der Patientenakte hinterlegt werden. Erfolgt dies nicht zeitgerecht und korrekt, steigt das Risiko der Fehlklassifikation mit jeder SSW um 10 % an [12]. Beim geringsten Zweifel sollte deshalb rechtzeitig eine Zuweisung an einem spezialisierten Zentrum erfolgen. Es konnte gezeigt werden, dass dadurch die richtige Klassifikation einer Zwillingsschwangerschaft um über 50 auf 95 % gesteigert werden [13].

Merke

Die Chorionizität und Amnionizität muss zwingend bis 14 SSW festgelegt, dokumentiert und mit Bild in der Patientenakte hinterlegt werden.

Zeigen sich sonographisch 2 klar getrennte, von Trophoblast umgebene Fruchthöhlen, liegt eine dichoriale diamniote (di-di) Schwangerschaft vor. Ende des ersten Trimenons resultiert daraus das typische Lambda-Zeichen (Abb. 3), da nur noch plazentaseitig ein Choriondreieck zwischen die beiden Amnionblätter zieht. In 7 % der Fälle verschwindet das Lambda-Zeichen nach 20 SSW [14].

Abb. 3
figure 3

Dichoriale diamniote Schwangerschaft mit Lambda-Zeichen (12 SSW [Schwangerschaftswochen])

Cave

In 7 % der Fälle verschwindet das klassische Lambda-Zeichen bei di-di-Zwillingen nach 20 SSW. Die Schwangerschaft lässt sich sonographisch dann nicht mehr von einer mo-di-Schwangerschaft unterscheiden.

Findet sich nur eine Fruchthöhle mit 2 Embryonen, liegt eine monochoriale Schwangerschaft vor. Bei monochorialen diamnioten Schwangerschaften liegen die beiden Amnionblätter glatt aufeinander und bilden so eine feine Trennwand zwischen den Feten. Initial sind die beiden Amnionblätter meist noch etwas vom Chorionblatt abgelöst, wodurch sich sonographisch das Bild eines leeren Lambda-Zeichen oder eines Mercedesstern-Zeichens zeigt (Abb. 4). Sobald die Amnion- und Chorionblätter vollständig verschmelzen bildet sich das typische T‑Zeichen (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Monochoriale diamniote Schwangerschaft mit Mercedesstern-Zeichen (10 SSW [Schwangerschaftswochen])

Abb. 5
figure 5

Monochoriale diamniote Schwangerschaft mit T‑Zeichen (14 SSW [Schwangerschaftswochen]). a führender Zwilling, b zweiter Zwilling

Bei monoamnioten (mo-mo) Schwangerschaften, die ca. 4 % aller monochorialen Schwangerschaften ausmachen, lässt sich auch bei 10–14 SSW keine Trennwand zwischen den Embryonen darstellen (Abb. 6). Typischerweise zeigt sich eine Amnionhöhle mit 2 eng zusammenliegenden Nabelschnuransätzen oder einer Nabelschnurverdrillung (Abb. 7). Die Messung der Membrandicke und das Zählen der Membranschichten zwischen den Feten sind keine zuverlässigen Diagnosekriterien [14].

Abb. 6
figure 6

Monochoriale monoamniote Schwangerschaft: fehlende Trennwand (9 SSW [Schwangerschaftswochen])

Abb. 7
figure 7

Monochoriale monoamniote Schwangerschaft mit typischer Nabelschnurverdrillung

Teilt sich die Zygote erst nach dem 13. Tag post conceptionem, resultieren siamesische Zwillinge (Abb. 8). Art und Ausmaß der Verbindung kann sehr variieren und geht entsprechend mit unterschiedlichsten Prognosen einher. Wichtig sind eine frühzeitige Diagnose und eine entsprechende Beratung des Paares.

Abb. 8
figure 8

Siamesische Zwillinge (13 SSW [Schwangerschaftswochen])

Eine weitere für monochoriale Schwangerschaften spezifische Diagnose des ersten Trimesters ist die TRAP(„twin reversed arterial perfusion“)-Sequenz. Typischerweise fehlen hier bei einem Feten das Herz, Kopf und die obere Extremität (Acardius acranius). Eine arterioarterielle Anastomose, vom zweiten, „pumpenden“ Feten kommend, gewährleistet die Durchblutung des Acardius acranius. Die Mortalität für den pumpenden Feten liegt, ohne Trennung der beiden Kreisläufe mittels Lasertherapie, bei > 50 %[15].

Da Mehrlingsschwangerschaften mit hohen Komplikationsraten und großen psychosozialen Belastungen einhergehen können, kann sich die Frage nach einer fetalen Reduktion stellen. Die Reduktion einer Drillingsschwangerschaft auf Zwillinge kann zu einer Schwangerschaftsverlängerung von ca. 3 Wochen führen, geht gleichzeitig aber mit einer Abortrate von 5–7 % einher [16]. Es empfiehlt sich, vorgängig ein umfassendes Aneuploidie-Screening durchzuführen. Die Entscheidungsfindung des Paares kann selbstverständlich sehr unterschiedlich sein und hängt vom sozialen Hintergrund und Glaubenseinstellungen ab.

Merke

Beim geringsten Zweifel zur Chorionizität und Amniozität von Mehrlingsschwangerschaft soll großzügig eine frühe Zuweisung ans spezialisierte Zentrum erfolgen.

Aneuploidie-Screening bei Mehrlingen

Heutzutage stehen uns verschiedene Optionen des Aneuploidie-Screenings zur Verfügung, welche unabhängig von der Anzahl Feten umfassend besprochen werden müssen. Bei multizygoten Mehrlingen ist das Risiko einer Chromosomenstörung für jeden Fetus gleich groß wie bei einer Einlingsschwangerschaft. Für die Schwangerschaft multipliziert sich das Risiko somit um die Anzahl Feten. Monochoriale Mehrlinge haben, bis auf wenige Ausnahmen, den gleichen Karyotyp.

Merke

Die Aufklärung über die verschiedenen Optionen des Aneuploidie-Screenings muss unabhängig von der Anzahl der Feten erfolgen.

Ersttrimestertest (ETT)

Die Ersttrimester-Aneuploidie-Risikoberechnung bei Mehrlingsschwangerschaften basiert neben dem mütterlichen Alter auf der Messung der Nackentransparenz (NT) bei einer SSL zwischen 45–84 mm. Bei multichorialen Schwangerschaften kann die Berechnung für jeden Feten einzeln erfolgen. Bei monochorialen Schwangerschaften wird der Durchschnittswert der NT-Messung herangezogen [17]. Eine diskordant erhöhte NT (> 20 %) oder eine SSL-Differenz > 10 % werden als Frühmarker für die Entwicklung eines FFTS oder sFGR im weiteren Schwangerschaftsverlauf diskutiert [17, 18].

Nichtinvasiver pränataler Test (NIPT)

Weiter kann der NIPT als Aneuploidie-Screeningmethode auch bei Zwillingen angeboten werden. Hierbei werden zellfreie „fetale“ DNA-Bruchstücke (cfDNA) aus dem mütterlichen Blut vervielfältigt und für die häufigsten numerischen Chromosomenanomalien getestet. Entscheidend für die Durchführbarkeit des NIPTs ist, wie bei den Einlingsschwangerschaften, eine cfDNA-Fraktion > 4 % pro Kind. Bei Zwillingen sollte diese idealerweise über 8 % liegen [19]. Die Trisomie-21-Detektionsrate des NIPTs ist heute für Zwillings- und Einlingsschwangerschaften vergleichbar, bei jedoch höherer Rate an Testversagen [20]. Bei höhergradigen Mehrlingen kann der NIPT bisher nicht standardmäßig angeboten werden.

Invasive Diagnostik

Die invasive Diagnostik gilt bis heute als „Goldstandard“ der pränatalen, genetischen Untersuchung. Besteht der Wunsch der Eltern nach maximaler pränataler Abklärung, kann nach entsprechender Aufklärung über die Risiken und Kosten, eine Chorionzottenbiopsie (CVS) oder eine Amniozentese (AC) angeboten werden. Liegen sonographische Auffälligkeiten (Fehlbildungen oder NT > 95. Perzentile) oder ein auffälliges NIPT-Resultat vor, sollte über die medizinische Indikation einer invasiven Abklärung zur fetalen Chromosomenuntersuchung und Mutationsscreening aufgeklärt werden.

Zweittrimestersonographie

Allen Mehrlingsschwangeren sollte ein Fehlbildungsscreening mittels Ultraschall zwischen 18–22 SSW angeboten werden. Die Fehlbildungsrate liegt bei Mehrlingen bei ca. 6 % [21].

Im Rahmen der Zweittrimestersonographie soll zudem allen Frauen mit einer Mehrlingsschwangerschaft eine Zervixlängenmessung angeboten werden. Eine Zervixinsuffizienz tritt in Zwillings- und Drillingsschwangerschaften 6‑ bzw. 14-fach häufiger auf als in einer Einlingsschwangerschaft [22]. Beträgt bei Zwillingsschwangeren die Zervixlänge < 25 mm bei 23 SSW, so liegt die Sensitivität für eine Frühgeburt bei 28 SSW bei 100 % und bei 30 SSW 80 % [23]. Bei Drillingen ist die Vorhersage einer Frühgeburt anhand der Zervixlänge mit 41 % deutlich schlechter [24]. Auch lange Zervixlängenmessungen sollten daher immer in Zusammenschau des klinischen Gesamtbildes evaluiert werden.

Pränatale Betreuung

Dichoriale Schwangerschaften

Bei dichorialen Schwangerschaften ohne zusätzliche Risiken sind klinische und sonographische Kontrollen (mit Biometrie und Doppler-Ultraschalluntersuchung) alle 4 Wochen empfohlen [25]. Bei zusätzlichen Risikofaktoren muss das Management entsprechend angepasst werden.

Monochoriale Schwangerschaften

Monochoriale Schwangerschaften haben ein ca. 25 %iges Risiko, schwangerschaftsspezifische Komplikationen zu einwickeln. Hierzu gehören das FFTS (Auftreten in ca. 10 %), die Anämie/Polyzythämie-Sequenz („twin anemia polycythemia sequence“, TAPS; spontanes Auftreten in ca. 3–5 %) oder die schweren sFGR (Auftreten in ca. 10 %; [7]). Daher sind bereits ab 16 SSW mindestens alle 2 Wochen Ultraschall- und Doppleruntersuchungen auf Frühzeichen dieser Komplikationen angezeigt. Hierbei ist wichtig, die tiefsten vertikalen Fruchtwasserdepots sowie die Trennwand zwischen den Feten darzustellen. Oft ist die Zusammenarbeit mit einem Perinatalzentrum sinnvoll, damit auch rechtzeitig eine allfällige Therapie in Abhängigkeit des Schwangerschaftsalters, wie z. B. die Laserkoagulation der plazentaren Gefäße oder aber die Lungenreifungsinduktion, durchgeführt werden kann. Ab 28 SSW wird bei einer monoamnioten Schwangerschaft eine engmaschigere Überwachung empfohlen, so dass auch die prophylaktische Hospitalisation diskutiert werden kann.

Höhergradige Mehrlinge

Bei höhergradigen Mehrlingen ist die Betreuung am spezialisierten Zentrum sicherlich sinnvoll und mindestens alle 2 Wochen mit Ultraschall- und Doppleruntersuchungen indiziert. Oft ist ein prophylaktische oder auch therapeutische Hospitalisation nötig.

Prävention der Frühgeburt

Bisher gibt es keine erwiesenen medikamentösen oder interventionellen Versorgemaßnahmen, die bei asymptomatischen Mehrlingsschwangeren mit erhaltener Zervix die Frühgeburtsrate reduzieren können (Tab. 1). Eine kürzlich veröffentlich randomisierte Studie (EVENT) untermauert, dass es bei Zwillingsschwangerschaften keine generelle Empfehlung für eine prophylaktische Gabe von Progesteron gibt [26]. Eine prophylaktische Cerclage bei Zwillingsschwangerschaften ist ebenfalls nicht indiziert (Tab. 1; [25, 27]).

Tab. 1 Zusammenfassung der Empfehlungen zur primären und sekundären Prävention der Frühgeburt bei Zwillingsschwangerschaften

In der Sekundärprophylaxe, d. h. bei Zervixverkürzung ≤ 25 mm, wird die Gabe von Progesteron (200–400 mg/Tag vaginal oder oral) in den Leitlinien der schweizerisch/deutschen und österreichischen Fachgesellschaft (SGGG/DGGG/ÖGGG) empfohlen, dies basierend auf einer Meta-analyse von 2017, die zeigen konnten, dass damit das Frühgeburtsrisiko vor 34 SSW sowie die neonatale Mortalität und Morbidität reduziert werden können [25, 28]. Bei Zwillingsschwangeren mit einer Zervixlänge ≤ 25 mm konnte bisher durch Cerclage kein Benefit im perinatalen Outcome erzielt werden [29]. Bei einer Zervixverkürzung < 15 mm hingegen, führt die Cerclage zu einer 6‑ bis 8‑wöchigen Verlängerung der Schwangerschaft [30]. Bei offener Zervix konnte ebenfalls ein klarer Nutzen der Cerclage bezüglich neonataler Morbidität und Mortalität sowie in der Verlängerung der Schwangerschaft gezeigt werden (Tab. 1; [31]).

Ob eine Pessareinlage das Frühgeburtsrisiko bei Zwillingsschwangeren reduzieren kann, wird bisher kontrovers diskutiert. Bei einer Zervixverkürzung < 25 mm vor der 32. SSW, kann ein Pessar aber niederschwellig angeboten, da abgesehen von vermehrtem Ausfluss keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind [25].

Für höhergradige Mehrlingsschwangerschaften gibt es keine Empfehlungen für die sekundäre Prophylaxe der Frühgeburt.

Droht eine Frühgeburt, sollte vor der 34 SSW eine Lungenreifungsinduktion durchgeführt werden.

Geburtsmodus und -zeitpunkt

Bei unkomplizierten, diamnioten Zwillingsschwangerschaften, unabhängig der Chorionizität, > 32 SSW, mit führendem Zwilling in Schädellage, ohne Kontraindikationen oder Wachstumsdiskrepanz kann eine vaginale Geburt angestrebt werden [32]. Ein ausführliches Aufklärungsgespräch über die möglichen Komplikationen, insbesondere der Notfallkaiserschnitt bei Zwilling B, ist im Vorfeld einer vaginalen Zwillingsgeburt empfohlen. Ist eines der obigen Kriterien nicht erfüllt, ist die Entbindung per Sectio indiziert. Bei mo-mo Zwillingen und höhergradigen Mehrlingen ist die Entbindung per Kaiserschnitt empfohlen [2].

Den Empfehlungen für den optimalen Geburtszeitpunkt von Mehrlingen, liegen mehrere Metaanalysen zum Risiko einer Totgeburt bei unkomplizierten mono- oder dichorialen Zwillingen zugrunde. Dabei konnte gezeigt werden, dass durch eine Entbindung bei 37 SSW im Vergleich zum exspektativen Vorgehen eine signifikante Reduktion der schweren, ungünstigen kindlichen Outcome erzielt werden kann [33, 34, 35]. Bei monochorialen Schwangerschaften ist ein Trend, jedoch ohne Signifikanz in Totgeburten (Risikodifferenz 2,5/1000) bereits nach 36 SSW vorliegend [34]. Resultierend darauf sind die Leitlinien folgendermaßen formuliert: Bei unkomplizierten dichorialen Zwillingen soll die Entbindung zwischen 37 + 0 und 38 + 0 SSW und bei unkomplizierten monochorialen diamnioten Zwillinge zwischen 36 + 0 und 37 + 0 SSW erfolgen [32]. Für den optimalen Entbindungszeitpunkt bei unkomplizierten monochorialen monoamnioten Zwillingen liegen keine randomisierten Studien vor. Die Leitlinien empfehlen im Expertenkonsens die Entbindung zwischen 32 + 0 und 32 + 6 SSW [2, 32].

Bei höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften wird der Entbindungszeitpunkt entsprechend dem Schwangerschaftsverlauf und den möglichen Komplikationen individuell bestimmt.

Fazit für die Praxis

  • Zwillings- und Mehrlingsschwangerschaften gelten als Risikoschwangerschaften, die regelmäßige Kontrollen durch erfahrene Pränataldiagnostiker und/oder Geburtshelfer erfordern.

  • Die korrekte Bestimmung der Anzahl der Feten, des Schwangerschaftsalters sowie das Festlegen von Chorionizität und Amnionizität bilden die Grundlage für eine optimale Schwangerschaftsbetreuung von Mehrlingen.

  • Als nichtinvasives pränatales Screening kann Zwillingsschwangeren neben der NT(Nackentransparenz)-Messung auch ein NIPT (nichtinvasiver pränataler Test) angeboten werden.

  • Bei unkomplizierten monochorialen Zwillingsschwangerschaften ist ab 16 SSW (Schwangerschaftswoche) alle 2 Wochen, bei dichorialen Zwillingsschwangerschaften alle 3–4 Wochen eine Schwangerschaftskontrolle einschließlich Ultraschall indiziert.

  • In der sekundären Prävention der Frühgeburt von Zwillingsschwangerschaften haben sowohl Progesteron als auch die Cerclage ihren Stellenwert.

  • Geburtsmodus und -Zeitpunkt hängen von Chorionizität und Amnionizität sowie des Schwangerschaftsverlaufes der Mehrlingsschwangerschaft ab.