Bei jederschwangeren Frau werden im ersten Trimenon eine Blutgruppenbestimmung und ein Screening auf irreguläre Antikörper durchgeführt, daher sind wir täglich mit der Interpretation dieser Befunde konfrontiert. Werden irreguläre Antikörper nachgewiesen, ist das Wissen über das weitere Vorgehen für das Ungeborene essenziell.

Hintergrund

Hämolytische Erkrankungen von Feten und Neugeborenen können durch eine maternale Alloimmunisierung mit Produktion von Antikörpern (AK) gegen Antigene der fetalen Erythrozyten verursacht werden. Eine Alloimmunisierung aufgrund einer Rhesusinkompatibilität ist, trotz der standardisierten, ante- und postpartalen Anti-D-Immunglobulin-Gabe eine seltene, meist schwerwiegende Komplikation in der Schwangerschaft. Bei schweren Verlaufsformen kommt es zu einer fetalen Anämie, welche unbehandelt zu einem Hydrops fetalis und intrauterinen Fruchttod führen kann [1].

Ziel der Screeninguntersuchung ist, eine Alloimmunisierung frühzeitig zu erkennen

Gemäß den Mutterschafts-Richtlinien als auch den Richtlinien in der Schweiz gehört die serologische Bestimmung der maternalen Blutgruppe und Durchführung des Antikörpersuchtestes zu den Standarduntersuchungen im ersten Trimenon [2, 3]. Im Rahmen der Blutgruppenbestimmung werden sowohl das Rhesusantigen (RhD-Antigen) mit Nachweis von Rhesusvarianten („RhD weak“, „partial RhD“) als auch das Kell-Antigen bestimmt. Ziel ist es, eine Alloimmunisierung frühzeitig zu erkennen, in Risikoschwangerschaften eine engmaschige fetale Ultraschallüberwachung durchzuführen und bei Notwendigkeit eine rechtzeitige Intervention zu ermöglichen.

Blutgruppensysteme

Blutgruppen sind genetisch festgelegte Merkmale von Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten. Seit der Entdeckung der ersten Blutgruppenantigene des AB0-Systemes durch Landsteiner 1901 sind bislang über 300 Blutgruppenantigene bekannt. Die Oberfläche der roten Blutkörperchen ist mit Antigenen der ABO-Blutgruppe, aber auch mit Antigenen weiterer Blutgruppensysteme, wie Rhesus, Duffy, Kidd, Kell, MNS und Lutheran, besetzt. Gemäß der International Society of Blood Transfusion ist das Rhesus-Blutgruppensystem sehr heterogen, es besteht aus bislang 55 unabhängigen Antigenen [4]. Die Prävalenz der Blutgruppenantigene variiert in Abhängigkeit der Ethnizität. Hinsichtlich des RhD-Antigens liegt in der kaukasischen Bevölkerung in 15–20 % eine RhD-Negativität vor, bei Frauen afrikanischer Abstammung dagegen bei lediglich 3–8 % [5].

Blutgruppenbestimmung und Antikörpersuchtest

Die Bestimmung der AB0- und RhD-Antigene und auch der Nachweis von irregulären AK mittels AK-Suchtest sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im ersten Trimenon durchgeführt werden. Gemäß den deutschen Mutterschafts-Richtlinien ist ein weiterer Antikörpersuchtest bei allen Schwangeren bei 23 1/7–26 6/7 Schwangerschaftswochen (SSW) durchzuführen. Zum Nachweis irregulärer AK wird der indirekte Coombs-Test eingesetzt. Dabei wird das Patientenserum mit Testerythrozyten mit bekannten Blutgruppenantigenen vermischt und mit Coombs-Serum versetzt. Bei einer Agglutination binden die im Patientenserum vorhandenen AK mit den entsprechenden Antigenen auf den Testerythrozyten.

Rhesusprophylaxe

Bei Vorliegen einer Rhesuskonstellation, d. h. einer RhD-negativen Schwangeren, besteht die Möglichkeit, eine Alloimmunisierung zu verhindern. Essenziell hierbei ist, dass noch keine irregulären AK der Spezifität Anti‑D vorliegen, demzufolge der Antikörpersuchtest negativ ist. Die Prävention liegt hier in der standardisierten Verabreichung einer Anti-D-Immunprophylaxe, welche in Deutschland und in der Schweiz zwischen 28 und 30 SSW verabreicht wird [2, 3].

Die standardisierte postpartale Anti-D-Immunprophylaxe von nichtimmunisierten Schwangeren wurde erstmals systematisch in Schweden 1969 durchgeführt [6]. Damit konnte das Risiko der RhD-Alloimmunisierung von 13 auf 1 % gesenkt werden [7]. Nach der Einführung der präpartalen Anti-D-Immunprophylaxe, welche routinemäßig ebenfalls zwischen 28 und 30 SSW verabreicht wurde, konnte das Risiko der RhD-Alloimmunisierung weiter auf 0,2–0,3 % gesenkt werden [6]. Zur Anti-D-Rhesusprophylaxe wird 300 µg humanes Anti-D-Immunglobulin intravenös oder intramuskulär verabreicht. Je nach Ausmaß der Exposition kann die Dosierung der Anti-D-Immunprophylaxe berechnet werden. Dabei wird postuliert, dass eine Fertigspritze Anti‑D 30 ml eingeschwemmtes fetales Blut neutralisiert. Die Applikation der Anti-D-Immunprophylaxe sollte innerhalb von 72 h nach dem Ereignis erfolgen und ist alle 12 Wochen bis zur Geburt zu wiederholen. Postpartal sollte die Anti-D-Immunprophylaxe ebenfalls nach 72 h erfolgen. Falls diese unterlassen wurde, sollte sie dennoch bis 14 Tage nach der Geburt respektive fetomaternaler Transfusion nachgeholt werden [3]. Bei wiederholten Risikosituationen hinsichtlich einer Alloimmunisierung hat eine Anti-D-Immunprophylaxe wahrscheinlich entsprechend individueller Beurteilung auch nach kürzerem Intervall zu erfolgen.

Nach Geburt oder Ereignis einer möglichen fetomaternalen Makrotransfusion (= Transfusion > 25 ml Fetalblut) wird 24–48 h nach Anti-D-Gabe die ausreichende Dosierung mittels Antikörpersuchtest überprüft [3]. Bei einem negativen Resultat erfolgt die Berechnung der übergetretenen Fetalblutmenge mittels Kleihauer-Bethke-Test (Anteil [‰] fetaler Erythrozyten × 5 = ml transfundiertes Blut). Es wird die entsprechende Menge an Anti-D-Immunglobulin verabreicht und es folgt erneut ein Nachweis des Antikörperüberschusses nach 24 h. Bei Bedarf sind weitere Anti-D-Gaben notwendig.

Bestimmung der fetalen Blutgruppe

Bereits 1997 konnte gezeigt werden, dass „cell free fetal DNA“ (cffDNA) aus mütterlichem Blut zur Bestimmung der fetalen RhD-Blutgruppe geeignet ist [8]. Große Studien zwischen 2006 und 2008 zeigten, dass die fetale RhD-Bestimmung im mütterlichen Plasma sehr zuverlässig ist [9, 10]. Die nichtinvasive Testung des fetalen RhD-Status basiert auf einer real-time PCR(Polymerasekettenreaktion)-Methode und weist eine diagnostische Genauigkeit von > 99 % auf, mit einer hohen Spezifität und Sensitivität. Basierend auf diesen erfolgreichen Studien wurde die fetale RhD-Genotypisierung erstmals 2010 national in Dänemark als Screening für Rh-negative Schwangere eingeführt [11]. In Deutschland und der Schweiz ist die fetale RhD-Genotypisierung an cffDNA seit 2020 als Kassenleistung zugelassen [2, 3]. Für die fetale RhD-Bestimmung im mütterlichen Plasma ist eine ausreichende Menge an cffDNA notwendig. Ihre Konzentration steigt kontinuierlich im Schwangerschaftsverlauf an [12]. In den letzten Jahren konnte nachgewiesen werden, dass die fetale RhD-Bestimmung auch aus Blutentnahmen im ersten Trimenon möglich ist [13]. Die Sensitivität wird mit 99 % bei 10–11 SSW und mit 99,9 % ab 25 SSW angegeben [11]. Gemäß den deutschen Mutterschafts-Richtlinien ist die Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors frühestens ab der 11 0/7 SSW möglich. In der Schweiz wird die Bestimmung zwischen 18 und 24 SSW empfohlen [3].

Mit der pränatalen fetalen Blutgruppenbestimmung eröffnen sich folgende Vorteile: Ein gezielter Einsatz der RhD-Immunprophylaxe bei RhD-negativen Schwangeren mit RhD-positiven Feten ist möglich, und nicht notwendige präpartale Anti-D-Immunprophylaxen werden vermieden und eingespart. Dies schützt die RhD-negative Schwangere zudem vor potenziellen Infektionskrankheiten (wie Hepatitis- und HIV[„human immunodeficiency virus“]-Infektionen), da RhD-Immunglobuline als Blutprodukt klassifiziert sind und humanen Ursprunges sind.

Ursachen für eine Alloimmunisierung

Eine Alloimmunisierung kann nach Bluttransfusion oder fetomaternaler Transfusion, aber auch als aktive Immunisierung bei fehlenden klinischen Hinweisen auf eine fetomaternale Transfusion auftreten. Obwohl maternaler und fetaler Kreislauf sehr gut getrennt sind, kann es während einer Schwangerschaft zu einem Übertritt von fetalen Erythrozyten in den mütterlichen Kreislauf kommen. Bereits eine fetale Blutmenge von 0,1 ml im mütterlichen Kreislauf kann eine RhD-Alloimmunisierung verursachen [14].

Während der Schwangerschaft können fetale Erythrozyten in den mütterlichen Kreislauf übertreten

Die Mehrzahl der Alloimmunisierungen ist auf vorausgehende Schwangerschaften zurückzuführen. Das RhD-Antigen ist auf fetalen Erythrozyten bereits 38 Tage nach Konzeption detektierbar [15]. Bei 3–11 % der Frauen, die aufgrund eines Abortes in der Frühschwangerschaft behandelt werden und bei 45 % aller Frauen nach Geburt im dritten Trimenon kommt es zu einer fetomaternalen Transfusion. Ereignisse, die bei einer RhD-negativen Schwangeren mit RhD-positivem Feten zu einer Alloimmunisierung führen können und daher einer Rhesusprophylaxe bedürfen, sind in Tab. 1 aufgelistet [3].

Tab. 1 Schwangerschaftsereignisse mit der Indikation für eine Rhesusprophylaxe bei Rh(Rhesus)D-negativen Schwangeren

Die häufigste Alloimmunisierung ist durch die Spezifität Anti‑D verursacht, obwohl die Prävalenz durch die Anti-D-Immunprophylaxe deutlich gesenkt wurde. Dies wird gefolgt von Anti-Kell, Anti‑c und Anti‑E [16]. Zudem können Alloantikörper der Systeme M, Duffy und Kidd auftreten, die selten präpartale Komplikationen verursachen [16, 17].

Anti‑D und Anti-Kell sind hoch immunogen und können schwere hämolytische Verläufe verursachen

Anti‑D und Anti-Kell besitzen eine hohe Immunogenität und können sehr schwere hämolytische Verläufe bei Feten verursachen [18]. Durch Bindung der AK an die entsprechenden Erythrozytenantigene des Feten kommt es zu einer immunkomplexvermittelten Zerstörung der fetalen Erythrozyten mit Abbau im retikuloendothelialen System der fetalen Milz. Anti-Kell wird in 0,1 % der Schwangerschaften gefunden [19]. Anti-Kell-AK zerstören zudem erythrozytäre Vorstufen im Knochenmark, wodurch die hämatopoetische Antwort auf eine Anämie verringert wird [20].

Das Risiko, eine fetale Anämie zu verursachen, ist von mehreren Faktoren abhängig. Eine Rolle spielt dabei die Spezifität des Alloantikörpers und die Antikörperkonzentration. Das Risiko einer fetalen Anämie in Abhängigkeit der Spezifität des Alloantikörpers zeigt Tab. 2 [21].

Tab. 2 Risiko einer fetalen Anämie in Abhängigkeit von der Spezifität des Alloantikörpers [21]

Ein weiterer Faktor für das Risiko einer fetalen Anämie ist die Antikörperkonzentration. Daher wird bei Nachweis eines irregulären Antikörpers jeweils eine Antikörpertiterbestimmung durchgeführt. Je höher die Antikörperkonzentration in der Titerbestimmung ist bzw. im Verlauf der Schwangerschaft wird, desto höher ist das Risiko einer fetalen Anämie.

Management beim Nachweis von Alloantikörpern

Beim Nachweis von mütterlichen Alloantikörpern stellen sich 3 zentrale Fragen:

  • Ist der Alloantikörper mit einem hohen Risiko für eine hämolytische Anämie vergesellschaftet?

  • Sind auf den Erythrozyten des Feten die korrespondierenden Antigene ausgeprägt?

  • Zeigt der Fet Zeichen einer hämolytischen Anämie?

Das Vorgehen beim Nachweis von mütterlichen irregulären AK ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Vorgehen bei irregulären Antikörpern. MoM „multiple of median“, MCA-PSV A. cerebri media-„peak systolic velocity“, SSW Schwangerschaftswochen, US Ultraschall

Beim Vorliegen von Alloantikörpern werden regelmäßige Titerkontrollen im Abstand von 4 Wochen diskutiert [21,22,23]. Ein ansteigender Titer deutet auf eine vermehrte Antikörperproduktion hin, ab einem Antikörpertiter von 1:32 (bei Anti-Kell ab einem Titer von 1:8) steigt das Risiko für eine fetale hämolytische Anämie deutlich an [24, 25].

Sonographische Überwachung bei Risiko für eine fetale Anämie

Besitzt eine Schwangere relevante Alloimmunantikörper mit dem Risiko für eine fetale Anämie ist eine Zuweisung an ein Perinatalzentrum oder zu einem fetomaternalen Spezialisten mit engmaschiger sonographischer und dopplersonographischer Überwachung des Feten indiziert.

Zur Überwachung und Frühdiagnostik der fetalen Anämie ist die dopplersonographische Messung der „peak systolic velocity“ (PSV) der A. cerebri media (MCA) die sensitivste nichtinvasive Methode [26]. Bei einer fetalen Anämie besteht in allen Blutgefäßen als Resultat der verminderten Blutviskosität und des gesteigerten kardialen Outputs ein erhöhter Blutfluss. Bei einer MCA-PSV > 1,5 MoM („multiples of median“) konnte gezeigt werden, dass bei nichthydropen Feten alle Fälle einer mittelschweren bis schweren fetalen Anämie erkannt wurden [26]. Weitere sonographischen Hinweiszeichen einer fetalen Anämie sind eine Kardiomegalie mit/ohne AV(Atrioventrikular)-Klappeninsuffizienz, Auftreten einer Hepato‑/Splenomegalie, ein Polyhydramnion und, im Falle einer ausgeprägten Anämie mit erschöpften fetalen Kompensationsmechanismen, ein Hydrops fetalis mit Perikarderguss und Aszites (Abb. 2a, b).

Abb. 2
figure 2

Fet mit Anämie bei 28 4/7 Schwangerschaftswochen: a Aszites, b Kardiomegalie, c MCA (A. cerebri media), PSV („peak systolic velocity“) 92 cm/s (> 1,5 MoM [„multiples of median“]), d Darstellung der MCA-PSV im Verlauf. Hb Hämoglobin; Hkt Hämatokrit

Therapie der Wahl bei mittelschwerer bis schwerer fetaler Anämie ist die intravaskuläre intrauterine Transfusion. Sie wurde bereits 1981 von Rodeck et al. beschrieben [27]. Ultraschallgesteuert wird dabei bestrahltes, 0 RhD negatives, Zytomegalie- (CMV-) freies Blut per Chordozentese direkt in die Umbilikalvene gespritzt.

Fallbeispiel aus der Praxis

Zuweisung einer 39-jährigen II-Para bei 28 4/7 SSW mit Verdacht auf eine fetale Anämie bei Rhesusinkompatibilität mit einem Anti-D-Titer von 1:1024. Sonographisch zeigte sich der Fet perzentilengerecht mit Kardiomegalie und Aszites (Abb. 2a, b). Dopplersonographisch lag die systolische Spitzengeschwindigkeit der A. cerebri media (MCA-PSV) bei 92 cm/s (> 1,5 MoM; Abb. 2c). Damit wurde die Indikation zur intrauterinen fetalen Transfusion gestellt (Abb. 2d). Im Schwangerschaftsverlauf war eine weitere intrauterine Transfusion notwendig (Abb. 2d), beide Transfusionen wurden problemlos durchgeführt. Bei 36 6/7 SSW wurde aufgrund erneut ansteigender MCA-PSV-Werte die Indikation zur Geburtseinleitung gestellt. Es kam zur Spontangeburt eines gesunden Knaben bei 37 2/7 SSW mit einem Geburtsgewicht von 2860 g (36. Perzentile), APGAR 8-9-10 und einem Nabelschnurarterien-pH von 7,38.

Postpartal zeigte das Neugeborene eine mikrozytäre hypochrome Anämie mit einem Hämoglobinwert von 72 g/l und einem Hämatokrit von 20 %, sodass eine erneute Bluttransfusion durch die Neonatologie verabreicht wurde.

Fazit für die Praxis

  • Rh(Rhesus)D-negative Schwangere sollen über die Möglichkeit der molekulargenetischen fetalen RhD-Bestimmung aus cffDNA („cell free fetal DNA“) aufgeklärt werden.

  • Vorteil der fetalen RhD-Bestimmung ist ein gezielter Einsatz der pränatalen Anti-D-Immunprophylaxe zwischen 28 und 30 SSW (Schwangerschaftswochen).

  • Bei vorliegenden irregulären Antikörpern und einem erhöhten Risiko für eine fetale Anämie ist eine Zuweisung in ein Perinatalzentrum oder zu einem fetomaternalen Spezialisten indiziert.

  • Die Messung der MCA (A. cerebri media) ist die Methode der Wahl, um eine fetale Anämie zu erkennen.