Einleitung

Das Interesse an derzeit den Nachwuchs repräsentierenden Generationen ist weiterhin ungebrochen, ergibt zumindest eine Abfrage über den Online-Dienst Google Trends. Gleichermaßen erfährt eine Auseinandersetzung mit dem ärztlichen Nachwuchs in der wissenschaftlichen Literatur zunehmende Beachtung [1]. Um an dem Diskurs über den zukünftigen ärztlichen Nachwuchs zu partizipieren, ist es unabdingbar, sich bereits vorab die Anforderungen Medizinstudierender zu vergegenwärtigen. Nach einer bundesweiten Onlinebefragung aller medizinischen Fakultäten an 9079 Medizinstudierenden werteten Kasch et al. 21 Fragen zur zukünftigen Arbeitsplatzwahl und zur erwarteten Arbeitsplatzzufriedenheit aus und beschrieben 5 die Erwartungshaltung charakterisierende Faktoren [2].

Eine Auseinandersetzung mit dem ärztlichen Nachwuchs wird in der Literatur zunehmend beachtet

Darüber hinaus nimmt die Berücksichtigung unterschiedlicher Generationencluster im Gesundheitswesen an Fahrt auf [3,4,5,6], und die Sensibilisierung gegenüber den Anforderungen und Bedürfnissen der jungen Ärztegeneration rückt fächerübergreifend in den Vordergrund [7,8,9,10,11]. Zunehmend erreicht die Auseinandersetzung mit der nachfolgenden Generation auch das Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe [10, 12,13,14,15]. Dabei bedarf es stetiger Anstrengungen, um die Generationencluster in diesem Fachgebiet weiterhin zu charakterisieren, Arbeitsbedingungen und -belastung inklusive deren Auswirkungen auf den ärztlichen Nachwuchs zu eruieren, Weiterbildung und Nachwuchsförderung zu optimieren und praxistaugliche Lösungen in den Klinikalltag zu implementieren.

Zielsetzung

Im Hinblick auf die Notwendigkeit einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem ärztlichen Nachwuchs trägt diese Arbeit dazu bei, dessen Stimmung in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu erfassen, dem wachsenden Interesse an der Generation Z gerecht zu werden, gleichzeitig für die junge Generation zu sensibilisieren und zum aktiven Mitgestalten zu ermutigen.

Methoden

Zwischen Januar und Oktober 2021 wurde eine deskriptive Querschnittstudie unter Verwendung einer selbsterarbeiteten Umfrage online an Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bzw. Fachärztinnen und -ärzten mit Anstellung an einer Klinik im Bereich der Norddeutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (NGGGFootnote 1) durchgeführt. Mit Hilfe des deutschen KrankenhausverzeichnissesFootnote 2 wurden die Kliniken mit einer Abteilung für Frauenheilkunde und/oder Geburtshilfe im Einzugsgebiet der NGGG kontaktiert. Unterstützend wurden die jeweiligen Berufsverbände sowie die Onlinefortbildung Gyn To GoFootnote 3 angeschrieben, um das Umfrageangebot zu verbreiten. Der Fragebogen umfasst 81 Fragen und gliedert sich in 6 Abschnitte: 1. Allgemeines, 2. Arbeitsbedingungen und -belastung, 3. Weiterbildung, 4. Freie Zeit, Gesundheit und Familie, 5. Rekrutierung und Bindung sowie 6. Sonstiges. Für eine gültige Wertung sollten die Fragen des Abschnitts Allgemeines beantwortet worden sein. Analog zu Mitchell ordneten wir die Jahrgänge 1980 bis 1994 der Generation Y und die der Jahrgänge 1995 bis 2009 der Generation Z zu [11]. Je nach Fragestellung erfolgten die Beantwortungen per Nominal‑, Ordinal- oder Intervallskala sowie darüber hinaus per diverser Auswahlmöglichkeiten oder als Freitext. Darstellung und anonymisierte Auswertung erfolgten mit dem Softwaretool SurveyMonkey®Footnote 4. Mehrfachteilnahmen wurden mittels IP(Internet-Protokoll)-Adressprüfung ausgeschlossen, waren aber letztendlich von den teilnehmenden Personen unter Einhaltung der Teilnahmebedingungen abhängig. Aus Gründen der Übersicht wurde durchweg das generische Maskulinum verwendet. Die Auswertung erfolgt für jede einzelne Frage. Die komplette Auswertung der Umfrage ist dem Anhang zu entnehmen (s. Zusatzmaterial online).

Ergebnisse

Insgesamt wurden 141 Fragebögen erfasst, von denen die meisten (n = 122) ausgewertet werden konnten. 19 Fragebögen wurden unzureichend beantwortet. Die charakterisierenden Merkmale der Teilnehmenden zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Charakterisierung der teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte

Arbeitsbedingungen und -belastung

39 % (n = 46) beurteilen ihre Arbeitsbedingungen als gut, 44 % (n = 52) als mittelmäßig (Abb. 1a), 28 % (n = 33) schätzen ihre Arbeitsbelastung als sehr hoch, 56 % (n = 67) als hoch ein (Abb. 1b). 63 % (n = 75) beurteilen ihre Einarbeitung zu Berufsstart bzw. zu Beginn einer neuen Rotation höchstens als ausreichend (Abb. 1c). 68 % (n = 81) gaben an, mit ihrem Einkommen zufrieden zu sein, 33 % (n = 39), es in Bezug auf ihre geleistete Arbeit und Verantwortung für angemessen zu halten. Zwei Drittel der Befragten (n = 81) arbeiten wöchentlich 40–59 h (Abb. 1d), 53 % (n = 63) präferieren eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 30–39 h, weitere 32 % (n = 38) 40–49 h. 63 % (n = 75) bevorzugen eine flexible Arbeitszeit. 90 % (n = 108) halten ihre gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitspausen nicht ein, und wenn, verlassen 58 % (n = 7) dabei den Arbeitsplatz nicht. 91 % (n = 108) leisten regelmäßig Überstunden, wobei die durchschnittlichen wöchentlichen Überstunden zu 84 % (n = 100) zwischen einer und 10 h betragen. Diese entstehen in 87 % (n = 103) durch nicht in der regulären Arbeitszeit erledigte Dokumentation, in 82 % (n = 97) durch die Patientinnenversorgung. Personalmangel geben 62 % (n = 74) als Überstundengrund an (Abb. 1e). Der Anteil delegierbarer, nichtärztlicher Tätigkeiten wird von 33 % (n = 39) auf < 25 %, von 52 % (n = 62) auf 25–50 % beziffert. Die Hälfte der Befragten (n = 60) verbringt 25–50 % ihrer täglichen Arbeitszeit mit Dokumentieren, weitere 38 % (n = 45) 50–75 % dieser Zeit (Abb. 1f). 44 % (n = 52) sind zufrieden mit dem Führungsstil ihres Chefarztes, für 21 % (n = 25) hat der Chefarzt und für 30 % (n = 36) haben die Oberärzte eine Vorbildfunktion. 92 % (n = 109) wünschen sich regelmäßige Oberarzt- bzw. Chefarztvisiten. Zu 62 % (n = 74) finden regelmäßige Chefarzt-, zu 53 % (n = 65) Oberarztvisiten statt. 47 % (n = 56) fühlen sich in ihrer Arbeit wertgeschätzt, und 53 % (n = 63) sind zufrieden mit ihrer beruflichen Situation. Bei Unzufriedenheit werden als die 3 häufigsten Gründe mit 77 % (n = 43) mangelnde Weiterbildung, mit 73 % (n = 41) fehlende Wertschätzung der eigenen Arbeit und mit 71 % (n = 40) zu hoher Dokumentationsaufwand genannt. Die kollegiale Zusammenarbeit bewerten 30 % (n = 35) als sehr gut, 50 % (n = 59) als gut, für 67 % (n = 79) leidet sie unter der Arbeitsbelastung.

Abb. 1
figure 1

Arbeitsbedingungen und -belastung. a Wie beurteilen Sie Ihre Arbeitsbedingungen? b Wie schätzen Sie Ihre subjektiv empfundene Arbeitsbelastung ein? c Wie beurteilen Sie Ihre Einarbeitung als Berufsanfänger bzw. zu Beginn einer neuen Rotation? d Wie hoch fallen Ihre durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden aus (exkl. Dienste, inkl. Überstunden)? e Was sind die Gründe der anfallenden Überstunden (Mehrfachnennung)?: Patientenversorgung; Nicht in der regulären Arbeitszeit erledigte Dokumentation; Operationen; Studienbetreuung; Dienstplanung; Personalmangel; Andere Tätigkeiten f Wie groß schätzen Sie Ihren Anteil der Dokumentation in Bezug auf Ihre tägliche Arbeitszeit ein?

Weiterbildung

81 % (n = 95) beurteilen die Weiterbildung an ihrer Klinik schlechter als gut (Abb. 2a). Ein strukturierter Weiterbildungsplan fehlt in 81 % (n = 96). 74 % (n = 87) sind der Meinung, dass sie die Fähigkeiten, die sie während ihrer bisher absolvierten Weiterbildungszeit erlernt haben, in gleicher Weise effektiver hätten erlernen können. Ein Oberarzt-Mentoren-Programm ist in 27 % (n = 32) etabliert. Weiterbildungsgespräche finden für 47 % der Befragten (n = 56) jährlich statt und werden von 40 % (n = 46) als konstruktiv empfunden (Abb. 2b).

Abb. 2
figure 2

Weiterbildung (a, b) und freie Zeit, Gesundheit und Familie (c, d). a Wie beurteilen Sie die an Ihrer Klinik vorhandene Weiterbildung? b Finden regelmäßige Weiterbildungsgespräche, wie gefordert, einmal jährlich statt? c Tendieren Sie eher zu einer Work-Life-Balancea oder zu einer Work-Life-Separationb? d Welchen Stellenwert nimmt Ihre Gesundheit für Sie gegenüber dem Berufsalltag ein? Die Gesundheit weist für mich gegenüber des Berufs nach dem Grundsatz „Gesunde Ärzte für gesunde Patienten“ eine übergeordnete Bedeutung auf; Es besteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen meiner Gesundheit und meinem Beruf; Meine Gesundheit ist für mich von untergeordneter Bedeutung; Darüber habe ich mir bisher noch keine Gedanken gemacht. aFlexibler bzw. fließender Übergang zwischen Privat- und Berufsleben, bKlare Trennung zwischen Privat- und Berufsleben

Freie Zeit, Gesundheit und Familie

49 % (n = 58) bevorzugen eine ausgewogene Work-Life-Balance (Abb. 2c). Für 32 % (n = 37) nimmt die eigene Gesundheit einen übergeordneten Stellenwert ein, für 32 % (n = 38) besteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen eigener Gesundheit und Beruf, und 16 % (n = 19) ordnen diese dem Beruf unter (Abb. 2d). 28 % (n = 32) benannten ihre Belastung am Arbeitsplatz ursächlich für eine Krankmeldung. 81 % (n = 95) präferieren mehr freie Zeit gegenüber mehr Einkommen, 8 % (n = 9) bevorzugen die Auszahlung von Überstunden, 50 % (n = 59) die Vergütung als Freizeitausgleich, 41 % (n = 48) eine Kombination aus beidem. 65 % (n = 76) sehen ihr Privatleben durch ihre Arbeitsbelastung negativ beeinträchtigt. 25 % (n = 29) beurteilen die Arbeitsbedingungen an ihrer Klinik als familienfreundlich. Ein Wechsel in die Teilzeit stellt für 69 % (n = 82) unabhängig vom Sozialleben eine Option dar.

Rekrutierung und Bindung

21 % (n = 24) ist die DGGG(Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe)-Nachwuchskampagne GYN-WERDEN geläufig. 64 % (n = 75) der Kliniken bieten keine Angebote an, um Nachwuchs zu rekrutieren (Abb. 3), 26 % (n = 30) geben an, ihre Klinik fördere Angebote, um sie im Arbeitsverhältnis zu halten. Als die 3 häufigsten Beweggründe, sich an einer Klinik zu bewerben, werden mit 47 % (n = 55) Wohnortnähe, mit 39 % (n = 45) das Operations- und Leistungsspektrum und mit 38 % (n = 44) die Geburtenzahl angegeben. 88 % (n = 102) wären bereit, bei anhaltender Unzufriedenheit den Arbeitgeber zu wechseln.

Abb. 3
figure 3

Rekrutierung und Bindung. Gibt es an Ihrer Klinik Angebote, wie beispielsweise die DGGG(Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe)-Summer-School, um Nachwuchs zu rekrutieren?

Sonstiges

In 66 % (n = 77) kodieren Ärzte ohne adäquate Kenntnisse Diagnosen und Prozeduren. 44 % (n = 51) wussten bei Einstellung, was die Opt-Out-Regelung beinhaltet. 51 % (n = 59) unterschrieben diese. In 28 % (n = 33) war die Unterzeichnung der Regelung Voraussetzung für die Einstellung. In 21 % (n = 24) bietet die Klinik eine Supervision zur Verarbeitung belastender Erlebnisse an.

Diskussion

Über Google Trends lässt sich im Verlauf der letzten 10 Jahre eine exponentielle Zunahme der Generation-Z-bezogenen Suchanfragen aufzeigen. Zeitgleich sank zumindest in Bezug auf die Suchanfragen das Interesse an der Generation Y. Schon Shatto et al. resümierten 2016 folgerichtig: „Much has been written about teaching Millennials; however, little has been discussed about Generation Z“ [16]. Bereits 2008 wurde die voraussichtliche Einstellung von nach 1995 geborenen Ärztinnen und Ärzten ab dem Jahr 2017 erwartet [11]. Somit bestand ausreichend Zeit, sich mit dieser Generation auseinanderzusetzen und auf das gesteigerte Interesse zu reagieren. Der Anteil dieser Generation an der deutschen Erwerbsbevölkerung im Jahr 2020 wird auf 9,5 % geschätzt [17] – in akademisierten Berufen dürfte dieser deutlich niedriger ausfallen. Im Gesundheitswesen und deren akademisierten Spezialisierungen müssen wir uns derzeit damit begnügen, durch Erhebung des gegenwärtigen Zustandes überwiegend anhand der Generation Y Erkenntnisse auf deren Nachfolger zu antizipieren. Diese Annahme übertragen wir auf die Frauenheilkunde und Geburtshilfe, einem Fachgebiet, in dem die Mehrheit der Beschäftigten weiblich ist (Tab. 1; [18]). Schmidt et al. erarbeiteten Lösungsvorschläge für die Anforderungen der Generation Y an den Arbeitsplatz Krankenhaus. Hierzu zählen Maßnahmen für Rekrutierung, Motivation, Ausbildung, Entwicklung und Bindung von Personal [10]. Sie können als Orientierungshilfe herangezogen werden. Die meisten Maßnahmen erzielen große Wirkung bei geringem Aufwand. Für den Fachbereich Frauenheilkunde und Geburtshilfe besteht hier immenses Optimierungspotenzial.

Für den Fachbereich Frauenheilkunde und Geburtshilfe besteht immenses Optimierungspotenzial

Erhebungen der Arbeitsbedingungen und -belastungen angestellter Ärztinnen und Ärzte werden regelmäßig im MB(Marburger Bund)-Monitor veröffentlicht [8, 19]. Unsere Rückmeldungen stützen den zuletzt 2019 erhobenen Trend, dass die Arbeitsrahmenbedingungen als unzureichend und die Arbeit selbst als übermäßige Belastung empfunden werden. Auch die wöchentliche Arbeitszeit verbleibt hoch, wie bereits 2015 durch das junge Forum festgestellt wurde [12, 19]. Insbesondere bei der tatsächlichen Wochenstundenzahl wünschen sich die Kolleginnen und Kollegen eine Veränderung. Bereits jetzt besteht eine hohe Nachfrage an Teilzeitstellen [8] – für die Mehrheit der befragten Ärztinnen und Ärzte eine attraktive Alternative. Immerhin geben 70 % den Wunsch nach Reduktion der Wochenarbeitszeit an. Sogar Vergütungseinbußen scheinen zugunsten der körperlichen und seelischen Gesundheit sowie einem ausgeglichenen Sozialleben akzeptiert zu werden. Noch arbeiten zwei Drittel der Befragten in Vollzeit. Unter Berücksichtigung des Teilnehmendenalters und des Frauenanteils sollten die Arbeitgeber diese Sichtweise ernst nehmen [10]. Eine hohe Wochenarbeitszeit, Überstunden, die Work-Life-Imbalance, die Diskrepanz zwischen Einkommen und Verantwortung, die negativen Auswirkungen der Arbeit auf das Privatleben sowie ein zunehmendes Gesundheitsbewusstsein nähren einen Circulus vitiosus. Dies treibt den Nachwuchs in die Teilzeit, zumal mehr Arbeit bei gleichzeitig mehr Einkommen keinen Anreiz bietet. An dieser fatalen Entwicklung können Arbeitgeber kein Interesse haben. Die anfallenden durchschnittlichen wöchentlichen Überstunden bergen möglicherweise weniger Konfliktpotenzial als vielmehr deren Ursachen: Der während der regulären Arbeitszeit nicht zu bewältigende Wust an Dokumentation kombiniert mit dem hohen Anteil delegierbarer, nichtärztlicher Tätigkeiten bei gleichzeitigem Personalmangel und zu gewährleistender Patientinnenversorgung wird gerade die Generation Z nicht hinnehmen, da diese besonders viel Wert auf sinnhafte Arbeit legt [14, 17, 20]. Dies ist gleichermaßen auf das Kodieren von Diagnosen und Prozeduren ohne adäquate Kenntnisse übertragbar. Der Führungsstil einer Chefärztin bzw. eines Chefarztes ist bedeutender denn je, um angesichts der mittlerweile stark voneinander divergierenden Anforderungen den einzelnen Generationenclustern innerhalb einer Klinik gerecht zu werden. Vorreiter auf dem Gebiet der Mitarbeiterführung waren Bass und Avolio, die das Full Range of Leadership entwickelten [21]. Dieses Führungsmodell soll das gesamte Spektrum des Führungsverhaltens abbilden [3, 5, 22, 23]. Seine Kenntnis kann für Führungskräfte angesichts der Umfragewerte im Klinikalltag hilfreich sein. Es gilt darüber hinaus, die Stärken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern, was zuletzt während der COVID-19-Pandemie vernachlässigt wurde, um die emotionale Mitarbeiterbindung aufrechtzuerhalten. Gerade Personal mit einer hohen emotionalen Mitarbeiterbindung ist engagiert, loyal und produktiv und weist wenige Fehltage sowie eine geringe Fluktuation auf [24]. Die Wertschätzung der als Ärztin oder Arzt in Weiterbildung erbrachten Arbeit hat enorm an Bedeutung gewonnen, wird in der Realität jedoch nicht ausreichend gewürdigt [10, 17]. Der Wunsch nach kontinuierlichen Chef- oder Oberarztvisiten ist unverkennbar, ermöglichen diese einen generationenübergreifenden Austausch, gewährleisten als Bedside-Teaching eine Supervision, fördern die Weiterbildung und stellen dadurch die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicher.

Bei anhaltender Unzufriedenheit scheut der Nachwuchs keinesfalls davor zurück, den Arbeitgeber zu wechseln. Umso verwunderlicher ist, dass Kliniken Angebote nicht ausschöpfen, um Personal zu rekrutieren, auszubilden und zu binden.

Zu fördern sind die Stärken von Mitarbeitenden auch im Hinblick auf die emotionale Bindung

Die Disruption der Lernkultur im Fach der Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist anerkannt [25,26,27,28]. Der umfangreiche Weiterbildungskatalog sowie die Spezialisierungsmöglichkeiten zeichnen die Frauenheilkunde und Geburtshilfe aus [29]. Warum wird dieser Trumpf nicht ausgespielt? Die Weiterbildungsqualität ist ausbaufähig [13]. Ein strukturierter Weiterbildungsplan – bei Weitem keine Selbstverständlichkeit [30] – trägt zur Effektivität der fachärztlichen Ausbildung bei, an der es derzeit mangelt [10]. Bereits zu Berufsstart oder zu Beginn einer neuen Rotation fehlen effiziente Einarbeitungskonzepte. Dabei kann ein Oberarzt-Mentoren-Programm die Weiterbildung positiv verstärken [10, 17]. Auch Weiterbildungsgespräche erzielen positiv verstärkende Effekte und wirken nachhaltig [10, 17]. Diese finden zwar, wie gefordert, einmal jährlich und seltener häufiger statt, lassen aber konstruktive Kritik vermissen. Die Generation Z wünscht sich kontinuierliche Rückmeldungen, zumindest einmal alle 3 Monate. Das bisher etablierte Jahresgespräch verkommt zum Auslaufmodell [17].

Eine Work-Life-Balance mit fließendem Übergang zwischen Privat- und Berufsleben, geprägt durch flexible Arbeitszeiten, wird generell von der Generation Y bevorzugt, wohingegen eine Work-Life-Separation mit klarer Trennung zwischen Privat- und Berufsleben die „Zler“ ansprechen soll. Diese Annahme kann, unter Berücksichtigung des geringen Anteils der zwischen 1995 und 2009 Geborenen innerhalb der Studienpopulation, anhand dieser Umfrage nicht bestätigt werden. Scholler et al. propagieren, dass diese Separation ein Mythos sei, was einmal mehr die Heterogenität der Generationencluster betont [17, 20, 26]. Bereits während des Medizinstudiums, der entscheidenden Phase der Aneignung des ärztlichen Habitus, der Einstellung zur eigenen Gesundheit und Krankheit, werden angehende Mediziner gegenüber den gesundheitlichen Risiken des späteren ärztlichen Berufslebens und der Bedeutung der Selbstfürsorge sensibilisiert [31,32,33,34,35]. An dieser Stelle seien diverse Initiativen der Universität zu Lübeck für die Förderung des Studierens bei guter psychosozialer Gesundheit erwähnt [32]. Im Angesicht dieses Gesinnungswechsels wurde 2017 der Begriff Wohlbefinden zur Genfer Deklaration des Weltärztebundes hinzugefügt [36,37,38,39]. Auch das Beschlussprotokoll des 122. Deutschen Ärztetages formuliert diesbezüglich klare Forderungen [31, 39, 40]. Es gilt heute mehr denn je, den ärztlichen Habitus zu überwinden. Derzeit spiegelt sich die Vernachlässigung der Selbstfürsorge unter anderem in der Missachtung der gesetzlichen Arbeitspausen, der akzeptierten Ausweitung des Arbeitszeitgesetzes im Rahmen der Opt-Out-Regelung, der ausufernden Bürokratie oder der hohen Arbeitsbelastung wider. Zunehmend rückt der Erhalt der ärztlichen Gesundheit in den Fokus, dennoch bedarf es weiterer Anstrengungen [40]. Die Generation Z hat den Stellenwert der eigenen Gesundheit sowie des eigenen Wohlbefindens und deren Schlüsselfunktion als Indikatoren der Qualität der Versorgung von Patientinnen und Patienten längst erkannt [11, 32, 41].

Zunehmend rückt der Erhalt der ärztlichen Gesundheit in den Fokus

Nachwuchsrekrutierungsprogramme wie die DGGG-Summer-SchoolFootnote 5 bleiben trotz des offensichtlichen Erfolges eine Rarität [42, 43]. Selbst die aktuelle DGGG-Nachwuchskampagne GYN-WERDENFootnote 6 ist nur wenigen ein Begriff. Die Nachwuchsrekrutierung über das praktische Jahr scheinen viele Kliniken nicht auszuschöpfen. Immerhin gilt es als erwiesen, dass bereits die Famulatur die späteren Berufsentscheidungen nachhaltig beeinflusst [44].

Limitation

Die auf ein geographisches Gebiet beschränkte Umfrage mit geringer Teilnehmendenzahl kann die Repräsentativität der Studienpopulation beeinträchtigen, zumal derzeit in akademisierten Berufen erst wenige „Zler“ beschäftigt sind. Es blieb daher bei einer rein deskriptiven Auswertung. Die Anzahl der für diese Erhebung kontaktierten Ärztinnen und Ärzte und damit auch die Rücklaufquote sind unbekannt. Streng genommen hängt die Teilnahme an dieser Umfrage von der Einhaltung der Teilnahmebedingungen ab. Durch die Verbreitung der Umfrage über Gyn To Go wurden sicherlich auch Ärztinnen und Ärzte außerhalb Norddeutschlands erreicht, obwohl diese nicht den Einschlusskriterien entsprachen. Die Beantwortungen könnten durch teils nichtvalidierte, möglicherweise suggestive Fragen beeinflusst und durch einerseits motivierte, andererseits frustrierte Ärztinnen und Ärzte entsprechend verzerrt worden sein. Das durch Lockdowns geprägte Pandemiejahr 2021 kann sich ebenfalls auf die Beantwortungen ausgewirkt haben.

Fazit für die Praxis

  • Die Generation Y hat die längste Zeit den ärztlichen Nachwuchs repräsentiert. Der Übergang zur Generation Z hat begonnen.

  • Demographischer Wandel, Fachkräftemangel, zunehmende Ökonomisierung und Arbeitsverdichtung sorgen weiterhin für verbesserungswürdige Arbeitsbedingungen.

  • Das Streben nach einem ausgeglichenen Sozialleben überwiegt.

  • Es besteht eine hohe Arbeitsbelastung junger Ärztinnen und Ärzte in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

  • All dies wirkt sich nachweislich negativ aus auf ihre Weiterbildung, ihre Gesundheit und ihr Privatleben sowie auf die Nachwuchsförderung.

  • Gleichzeitig dominieren Forderungen nach Teilzeit, Sinnhaftigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wertschätzung und Selbstfürsorge den Nachwuchs. An konstruktiven Lösungskonzepten mangelt es nicht. Ausbildende Kliniken müssen sich diesen Herausforderungen stellen.