Als charismatisches Vorbild, Vorreiter der fetomaternalen Medizin, Mentor und Freund hat Erich Saling Generationen von „Perinatologen“ im In- und Ausland geprägt [1].

Er hinterfragte Physiologie und Pathophysiologie von Schwangerschaft und Geburt, realisierte viele Ideen zum Wohl des Kindes und faszinierte sowohl sein Team als auch nationale und internationale innovationsfreudige Kolleg*innen.

„Meilensteine“ der Perinatalmedizin wurden durch Saling und Arabin bereits 1988 zusammengefasst [2]:

  • Der Beginn der Perinatalmedizin beruhte auf einer systematischen Vorgehensweise

  • Die Perinatalmedizin bewirkte enorme Verbesserungen in Diagnostik und Therapie

  • In der Geschichte des Faches ist die Geschwindigkeit dieser Entwicklungen einzigartig

Bei Themen seiner Arbeit und deren Ausstrahlung kam es nicht nur darauf an, wer den Ton angab, sondern auch, ob ein Resonanzboden aus Mitarbeiter*innen oder Anhänger*innen aus Tönen Musik machte.

Erste Schritte in Richtung Kind, Fetalblutanalyse und Sauerstoffsparschaltung

In den 1960er-Jahren war eine pränatale Abschätzung perinataler Sauerstoffunterversorgung des Kindes innovativ. Professor Saling stellte zunächst ein transportables Intubationsset für Neugeborene vor. Weltweit bekannt ist „seine“ Fetalblutanalyse (FBA), mit der zunächst eine transfusionspflichtige Anämie diagnostiziert wurde.

Die Kombination von FBA und Amnioskopie mit spektrophotometrischer Untersuchung des Fruchtwassers wurde 1961 national und 1967 international publiziert [3, 4]. Hierdurch wurde die perinatale Mortalität von 0,6 auf 0,3 % reduziert, nach Einführung des Kardiotokogramms (CTG) 1968 bis auf einen Wert von 0,05 %. Durch die FBA konnten falsch-positive CTG-Ergebnisse in ca. 50 % korrigiert werden [5]. Schrittweise fand die pränatale Bestimmung des Säure-Basen-Status internationale Beachtung und erschien 2006 in den Classic Pages in Obstetrics and Gynecology als Nachdruck. Die transkutane pCO2-Messung hat sich allerdings nicht durchgesetzt [6].

Die beschriebene Sauerstoffsparschaltung wurde in den 1980er Jahren durch Doppleruntersuchungen fetaler Gefäße in der Frauenklinik Neukölln untermauert [7]. Alle Ergebnisse wurden in einem Buch mit einem Vorwort von Erich Saling publiziert [8].

Frühgeburtsprophylaxe

Auch die Verhinderung von Frühgeburten anhand eines Infektausschlusses und mittels eines operativen Verschlusses des Muttermunds wurde ein Steckenpferd von Professor Saling. Eine evidenzbasierte Studie in Skandinavien wurde vorzeitig wegen mangelhafter Erfolge abgebrochen, trotzdem wird die Methode in Deutschland bei einer Frühgeburtsanamnese auch in Kombination mit anderen Methoden noch erfolgreich durchgeführt [9].

Neurologische und sensorische Entwicklung

Professor Saling beschäftigte sich auch mit der sensorischen fetalen Entwicklung. Mit dem Neurophysiologen Thomas Blum untersuchte er erste Veränderungen magnetischer Felder des fetalen Gehirns nach akustischen Stimuli [10]. Mit Birgit Arabin machte er intrauterine Tonaufnahmen, die sogar Theater- und Musikaufführungen inspirierten, und interessierte sich noch im September 2021 für die laufenden Studien der Clara Angela Foundation mit der Stiftung der Berliner Philharmoniker zum Aufbau einer verbesserten Stressresilienz bei Schwangeren.

Gesundheitspolitik

Triebfeder von Erich Saling war es auch, die Prä- und Perinatalmedizin als eigenständige Subspezialisation in Forschung, Lehre und Klinik voranzubringen [11]. Von 1964 an verbreitete er seine Kenntnisse durch Kurse in Berlin, nach 1967 auch durch die Organisation nationaler und internationaler Kongresse. Typisch waren Abenddiskussionen und Kongressbände, in denen man heute noch „Klassiker“ perinatologischer Pionierleistungen nachlesen kann.

Erich Saling gründete die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM), die Deutsche Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM) sowie die European Association for Perinatal Medicine (EAPM) und wurde als Emeritus Präsident der International Academy of Perinatal Medicine (IAPM).

Persönliches

Auch wenn Erich Saling kämpferisch erschien, war er ein humorvoller Unterhalter und war fürsorglich gegenüber seiner Frau, seinen Söhnen und der größer werdenden Schar an Enkeln und Urenkeln.

Legendär waren seine Gartenfeste zum Geburtstag, bei denen Familie und Mitarbeiter*innen bunt gemischt und zu verschiedensten Spielen engagiert wurden. Er erinnerte sich an alle Geburtstage, seine Korrespondenz zu Festtagen war persönlich und bunt (Abb. 1).

Abb. 1
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Professor Erich Saling bei seinem 96. Geburtstag zuhause am 21. Juli 2021. (Foto: privat, mit freundl. Genehmigung der Clara Angela Foundation)

Er inspirierte 4 Habilitand*innen, Joachim Wolfram Dudenhausen, Klaus Goeschen, Stephan Schmidt und Birgit Arabin. Viele seiner Schüler*innen haben die ersten Schritte, die sie mit ihm machen durften, intellektuell weiterverfolgt (s. Literaturliste). Vor allem lebt er in ihren Herzen weiter, auch fehlen schon jetzt seine sonore fröhliche Stimme und sein verschmitztes Lächeln.

Es erfüllt uns mit Dankbarkeit, mit ihm gemeinsam Schritte der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung geteilt zu haben, und wir werden unser Bestes tun, seine Botschaften in die Zukunft zu unseren fachlichen Kindern, Enkel*innen und Urenkel*innen weiter zu tragen.