Hintergrund

Zur Diagnose des PCOS (polyzystisches Ovarsyndrom) werden neben den Definitionen der NIH (National Institutes of Health) oder der AES (Androgen Excess Society) meist die sog. Rotterdam-Kriterien der ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) herangezogen [1]. Danach sollen mindestens 2 der 3 unten aufgeführten Kriterien vorhanden sein:

  • Oligo‑/Amenorrhö,

  • Hyperandrogenämie/Hyperandrogenismus,

  • typisches sonographisches Bild der Ovarien bei Erwachsenen.

Das PCOS ist eine der häufigsten Erkrankungen im reproduktiven Alter. Die weltweite Prävalenz liegt – in Abhängigkeit von den diagnostischen Kriterien – zwischen 5 und 12 % (Tab. 1).

Tab. 1 Weltweite Prävalenz des PCOS [2]

Aufgrund der hohen Varianz des Phänotyps kommt es häufig zu einer verzögerten Diagnose; bis zu 70 % der betroffenen Frauen bleiben undiagnostiziert.

Je nachdem welche Symptome im Vordergrund stehen, gibt es klinisch unterschiedliche Erscheinungsformen des PCOS. Für viele Frauen führt vor allem die Hyperandrogenämie/der Hyperandrogenismus zu erheblichem Leidensdruck. Als Hyperandrogenämie wird eine vermehrte Bildung und Sekretion männlicher Hormone bei der Frau bezeichnet. Unter Hyperandrogenismus versteht man die klinischen Symptome (Hirsutismus [Ferriman-Gallwey-Score ≥ 8], Akne, Effluvium bzw. androgenetische Alopezie) bei verstärkter Androgenwirkung [3]. Grundsätzlich ist ein Hyperandrogenismus auch bei normalen Androgenspiegeln möglich, sofern es trotz normwertiger Androgen-Serumkonzentration zu den entsprechenden Symptomen kommt.

Vor allem der Hyperandrogenismus führt zu erheblichem Leidensdruck

Hyperandrogenämie bzw. Hyperandrogenismus betreffen bis zu 78 % aller Patientinnen mit PCOS [4]. Die Erfassung der biochemischen Veränderungen und auch der klinischen Symptome ist mitunter schwierig, da zum einen die Bestimmungsmethoden zur Androgenmessung variieren, zum anderen aber auch Ethnizität, Gewicht und Alter einen Einfluss auf die Ausprägung der Symptomatik haben [5, 6].

Zur Messung des freien Testosterons steht bislang kein guter Assay zur Verfügung. Daher wird üblicherweise zusätzlich zur Bestimmung des Gesamttestosterons auch der Spiegel des Sexualhormon bindenden Globulins (SHBG) ermittelt, um daraus den Anteil des freien Testosterons ableiten zu können, den freien Androgenindex: FAI = 100 × (Gesamttestosteron/SHBG) [7]. Im IdealfalI sollte die biochemische Diagnostik mittels Flüssigchromatographie mit Massenspektrometriekopplung („liquid chromatography/mass spectrometry“, LC/MS) als hochwertigem Analysesystem erfolgen [6]. Dies wird in der Praxis aufgrund der höheren Kosten und der geringen Verfügbarkeit jedoch nur sehr selten umgesetzt.

Kardiovaskuläre und metabolische Risikofaktoren

Neben den oben genannten Symptomen lassen sich bei vielen Frauen mit PCOS kardiovaskuläre oder metabolische Risikofaktoren nachweisen. Die internationale Leitlinie empfiehlt daher, bei allen PCOS-Patientinnen kardiovaskuläre Risikofaktoren abzuklären (z. B. BMI [Body-Mass-Index], Hüftumfang, Blutdruckmessung; Tab. 2). Bei Übergewicht bzw. Adipositas wird zusätzlich auch ein Nüchternlipidprofil empfohlen [6].

Tab. 2 Erfassung kardiovaskulärer und metabolischer Risikofaktoren

Auch die Bestimmung des HoMA-IR-Indexes kann bei PCOS hilfreich sein

Unabhängig vom BMI haben Frauen mit PCOS ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Insulinresistenz mit gestörter Glukosetoleranz, Typ 2 Diabetes mellitus sowie – im Falle einer Schwangerschaft – Gestationsdiabetes [8].

Die Testverfahren zum Nachweis einer Insulinresistenz weisen in der routinemäßigen Anwendung methodische Unschärfen auf. Bislang wird empfohlen, als Screening die Messung der Nüchternglukose und des HbA1c zu veranlassen [6]. Zudem soll ein oraler Glukosetoleranztest (75-g-oGTT) durchgeführt werden. Bei Frauen mit PCOS kann auch die Bestimmung des HoMA-IR(Homeostatic Model Assessment for Insulin Resistance)-Indexes hilfreich sein [9].

Im Falle einer Schwangerschaft sollte der oGTT noch vor der 20. Schwangerschaftswoche erfolgen, sofern zuvor kein oGTT durchgeführt wurde.

Ätiologie des PCOS

Die Ursache des PCOS ist bis heute nicht endgültig geklärt. Es gibt Hypothesen zu den pathophysiologischen Mechanismen, die zur Ausprägung des PCOS beitragen, ebenso wurden die endokrinen Veränderungen beim PCOS umfassend diskutiert. Aus der Mikrobiomforschung ergeben sich nun völlig neue Ansätze zum Verständnis der Pathophysiologie des PCOS.

Mit der Entwicklung moderner Sequenziertechniken (Next Generation Sequencing, NGS) kann die mikrobielle Besiedlung eines Habitats umfassend analysiert werden. Damit ließen in den letzten Jahren fundamental neue Erkenntnisse zur Bedeutung des Mikrobioms für die Entstehung chronischer Erkrankungen gewinnen.

Aus der Mikrobiomforschung ergeben sich neue Ansätze zum Verständnis der Pathophysiologie des PCOS

Die bisherigen Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und der Entstehung des PCOS sollen im Folgenden dargestellt werden.

Das Mikrobiom

Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die ein Lebewesen natürlicherweise – ohne Auslösung von Krankheitssymptomen – besiedeln. Der Mensch besitzt etwa 3 × 1013 Körperzellen und beherbergt 3,8 × 1013 bis 1014 Bakterien, davon die Mehrzahl im Darm (ca. 1011/g Faeces; [10, 11]). Das metabolische Potenzial der Bakterien entspricht dem der Leber. Nach heutigem Kenntnisstand enthält die Gesamtheit dieser Bakterien deutlich mehr Gene als der Mensch (ca. 9 vs. 23.000 Mio.; [12]). Neben Bakterien sind Viren einschließlich Bakteriophagen sowie Pilze natürliche Besiedler des Menschen.

Es gibt Autoren, die das Mikrobiom des Menschen als eigenes „Organ“ betrachten, dessen Organismen in einem bestimmten Gleichgewicht zueinander stehen [13]. Solange diese Homöostase aufrechterhalten wird, dient dies der Gesundheit des Menschen. Eine Verschiebung des Gleichgewichts führt zu entsprechenden Krankheitszuständen, die sich sowohl als akute als auch als chronische Erkrankung manifestieren können.

Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und PCOS

Tremellen und Pearce [14] wiesen erstmals auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines PCOS und Veränderungen in der Darmflora hin. Die Autoren postulierten, dass Veränderungen des intestinalen Mikrobioms zur Auflockerung der „tight junctions“ der Epithelzellen des Darms führen. Dadurch kommt es zum Einstrom von Lipopolysacchariden (LPS, Endotoxin) der Zellwand von Proteobakterien (Gram-negative Bakterien, wie z. B. Escherichia coli) mit nachfolgender Aktivierung des Immunsystems und zur Entwicklung einer niederschwelligen Inflammation mit erhöhten TNF‑α und CRP(C-reaktives Protein)-Spiegeln [15, 16]. Dies kann in weiterer Folge zur Entwicklung einer Insulinresistenz mit chronisch erhöhten Insulinspiegeln führen. Erhöhte Insulinspiegel werden als ein wesentlicher Pathomechanismus bei der Entwicklung einer Hyperandrogenämie angesehen.

Erhöhte Insulinspiegel sind ein Pathomechanismus bei der Entwicklung einer Hyperandrogenämie

Das intestinale Mikrobiom ist bei Frauen und Männern in der Zusammensetzung unterschiedlich [17, 18]. Bei Männern korrelieren die relativen Anteile von Acinetobacter, Dorea, Ruminococcus und Megamonas signifikant mit dem Testosteronspiegel, während bei Frauen die relativen Anteile von Slackia und Butyricimonas mit dem Östradiolspiegel in Zusammenhang stehen [19]. Frauen ohne PCOS unterscheiden sich von Männern beispielsweise in den relativen Anteilen bestimmter Bakterienarten wie Catenibacterium (Korrelation mit Inflammation) und Kandleria (Korrelation mit dem Androgenspiegel), wohingegen Frauen mit PCOS ähnliche Anteile von Keimen in der Darmflora wie Männer aufweisen [20].

Prinzipiell hat die Darmschleimhaut bei Frauen im Vergleich zu Männern eine dickere Mukusschicht, was mit einer verbesserten Darmbarriere einhergeht. Damit verbunden sind ein verminderter Einstrom von Endotoxinen und eine geringere inflammatorische Antwort des Immunsystems. Dies führt wiederum zu einer erhöhten Glukosetoleranz sowie zum Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen und zu einer tendenziell verzögerten Entwicklung eines Typ 2 Diabetes mellitus [21] – Erkrankungen, die in einem engen pathophysiologischen Zusammenhang mit der Entwicklung des PCOS stehen. Bei Frauen mit PCOS sind die Zonulinkonzentrationen im Serum erhöht, dies weist auf eine Störung der „tight junctions“ („leaky gut“) hin. Dadurch kommt es zum Einstrom von LPS und zur Entwicklung einer Insulinresistenz [22].

Verminderte Diversität des Mikrobioms bei PCOS

Zur Beschreibung der Diversität des Mikrobioms wird der Shannon-Index (α-Diversität) herangezogen. Er beschreibt die „Vielfalt“ der Mikroorganismen in einem Habitat. Im Vergleich zu Frauen ohne Adipositas und ohne PCOS ist bei Frauen mit PCOS und Adipositas der Shannon-Index, d. h. die Artenvielfalt der Darmflora, signifikant reduziert (p < 0,01). Dabei fällt auf, dass die relativen Anteile von Bacteroides, Escherichia, Blautia, Parabacteroides, Weissella und Granulicatella erhöht sind, während andere Arten mit positiven Auswirkungen für die Steuerung des Stoffwechsels (Akkermansia, Alistipes, Coprococcus, Ruminococcus) in deutlich reduzierter Zahl nachweisbar sind [23].

Diese verminderte α‑Diversität beim PCOS korreliert signifikant (p < 0,05) mit einem erhöhten Testosteronspiegel [24]. Ein erhöhter Testosteronspiegel wiederum korreliert positiv mit den Serumspiegeln von hs-CRP („high sensitivity CRP“) und LBP (Lipopolysaccharid-bindendes Protein als Marker eines Endotoxineinstroms; [16]). Daraus resultiert eine „silent inflammation“ (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Darstellung der pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen metabolischen und inflammatorischen Prozessen beim polyzystischen Ovarsyndrom. GLP „Glucagon-like peptide“, DPP Dipeptidylpeptidase, Abbau von GLP, DPP-4IDPP-4-Inhibitor, LPS Lipopolysaccharid/Endotoxin, TMAO Trimethylamin-N-Oxid, FXR Farnesoid-X-Rezeptor (Gallensäuren), TGR5 „Takeda G‑protein coupled receptor 5“, GLP‑1 RA GLP-1-Rezeptoragonist, SCFA kurzkettige Fettsäuren

Eine verminderte α‑Diversität im Darmmikrobiom korrelierte mit einem erhöhten Testosteronspiegel

Diese chronisch inflammatorische Reaktion ist neben erhöhten Testosteronspiegeln auch durch verminderte Östrogenspiegel sowie eine reduzierte Bildung kurzkettiger Fettsäuren („short-chain fatty acids“, SCFA), wie etwa Butyrat, durch intestinale Bakterienarten bei Frauen mit PCOS erklärbar [25]. Durch einen Mangel an Butyrat sinkt die Produktion von IL-10 (Interleukin-10) durch Treg-Zellen (regulatorische T‑Zellen) was dazu führt, dass vermehrt proinflammatorische Interleukine, z. B. IL-17A, durch Th17-Zellen (T-Helferzellen) freigesetzt werden [26,27,28]. Diese erhöhten IL-17A-Spiegel korrelieren positiv mit der Konzentration von Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) im Blut [29].

Insulinresistenz und Androgene

In Zusammenhang mit dem PCOS ist die Entwicklung einer Insulinresistenz mit erhöhten Insulinspiegeln von Bedeutung. Chronisch erhöhte Insulin- und IGF-1-Spiegel („insulin like growth factor 1“) steigern die Androgensynthese.

Darüber hinaus stimuliert TNF-α in vitro die Proliferation von Thekazellen mit LH(luteinisierendes Hormon)-abhängiger Produktion von Androstendion und Testosteron [30]. Gleichzeitig vermindert Insulin die Synthese von SHBG in der Leber, woraus eine Zunahme der bioverfügbaren Androgene resultiert [30].

Gallensäurenstoffwechsel

Bei Frauen mit PCOS finden sich hohe Anteile von Bacteroides vulgatus bei gleichzeitig verminderten Konzentrationen an sekundären Gallensäuren (Tauro- bzw. Glycin-Desoxycholsäure) im Darm. Sekundäre Gallensäuren binden an den nukleären Farnesoid-X-Faktor (FXR) sowie an den membrangebundenen „Takeda G‑protein coupled receptor 5“ (TGR5) der L‑Zellen des Darms. Damit steuern sie zusammen mit SCFA die Freisetzung von GLP‑1 („glucagon-like peptide 1“; [31]).

Der Mangel an sekundären Gallensäuren trägt damit zur Entwicklung eines Typ 2 Diabetes mellitus bei.

Rolle des Trimethylamin-N-Oxid (TMAO)

TMAO entsteht in der Leber aus Trimethylamin (TMA), ein Molekül, das im Kolon durch Abbau beispielsweise von Carnitin durch Bakterien entsteht [32,33,34,35]. Insbesondere Bakterienarten wie Escherichia coli, Klebsiella species (spp.), Citrobacter spp., Enterobacter spp. und andere Bakterienarten, deren Zellwand hohe Anteile an Lipopolysacchariden (Endotoxin) aufweisen, sind daran beteiligt [36, 37].

Erhöhte TMAO-Spiegel korrelieren mit einer gesteigerten Thrombozytenaggregation, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems über atherosklerotische Veränderungen der Blutgefäße, Typ 2 Diabetes mellitus und Einschränkungen der Nierenfunktion [32,33,34,35, 38]. Bei Frauen mit PCOS werden höhere Serumspiegel TMAO, sowie eine positive Korrelation zwischen TMAO und Testosteron gefunden [29, 39]. TMAO-Spiegel beeinflussen somit beim PCOS nicht nur die Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen und Typ 2 Diabetes mellitus, sondern auch die Höhe der Testosteronkonzentration.

Die Höhe der TMAO-Konzentrationen ist u. a. von der Ernährungsform abhängig: ein hoher Anteil an Cholin, Carnitin und Betain, gesättigten Fettsäuren (33–42 % der zugeführten Energie) sowie Getränke mit hohem Gehalt an Fructose („Western diet“) führen zu relativ hohen TMAO-Spiegeln. Dies verändert im Vergleich zu einer ballaststoffreichen Ernährungsform die Zusammensetzung der Darmflora dahingehend, dass die Anteile an Proteobakterien stark zunehmen, also Arten, die sowohl TMA produzieren als auch Endotoxin freisetzen [40].

Therapieoptionen

Aus dem oben Gesagten ergibt sich ein komplexer Zusammenhang zwischen dem intestinalen Mikrobiom und dem PCOS. Diese Erkenntnisse tragen zum Verständnis der pathophysiologischen Zusammenhänge bei. Gleichzeitig eröffnet dies interessante Therapiemöglichkeiten. Neben den bekannten Optionen zur endokrinologischen Intervention (Gabe von Antiandrogenen, Zyklusregulation durch kombinierte orale Kontrazeptiva [KOK], ovarielle Stimulation mit Letrozol etc.) besteht die Möglichkeit der therapeutischen Intervention zum Beispiel durch Veränderung des Ernährungs- und Lebensstils mit nachfolgender Gewichtsreduktion.

Gewichtsreduktion

Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Anteil an Körperfett und chronisch inflammatorischen Prozessen [41, 42]. Rezente Studien zeigen, dass durch Gewichtsabnahme die Darmwandpermeabilität signifikant abnimmt, begleitet von einer Senkung des Nüchternblutzuckers und einem Rückgang von Entzündungsparametern (IL‑6) [43]. Gleichzeitig mit der Gewichtsreduktion erhöhen sich die relativen Anteile von Akkermansia muciniphila, einer Bakterienart, der eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Durchlässigkeit der Darmwand sowie des Glukosestoffwechsels zukommt [44]. Je niedriger der Anteil an A. muciniphila im intestinalen Mikrobiom ist, desto höher ist die Durchlässigkeit mit Einstrom von Endotoxin und nachfolgender Induktion einer niederschwelligen chronischen Inflammation. Die durch Gewichtsreduktion erzielte Zunahme des Anteils von A. muciniphila führt somit zur Abnahme der Darmwandpermeabilität und damit zu einer Verminderung des Einstroms von Endotoxinen in den Kreislauf [45].

Gleichzeitig korreliert A. muciniphila positiv mit der Anzahl der L‑Zellen mit Produktion von GLP‑1, das neben anderen Eigenschaften einen entscheidenden Einfluss auf den Glukosestoffwechsel hat [46].

Bei Frauen mit PCOS sind die Serumkonzentrationen von GLP‑1 auch durch erhöhte Spiegel von Dipeptidylpetidase‑4 (Abbau von GLP-1) typischerweise erniedrigt. Erste Daten weisen darauf hin, dass die Gabe von GLP‑1 bei Frauen mit PCOS zu einer Verbesserung der Zyklizität und damit auch der Fertilität führt [47, 48].

Eine Restriktion der Nahrungsaufnahme auf den Zeitraum zwischen 8 und 16 Uhr (Intervallfasten) über 6 Wochen bei übergewichtigen Frauen mit PCOS kann zu einer signifikanten Reduktion des BMI, des hs-CRP, des HoMA-Index und des Gesamttestosterons sowie zu einer Zunahme des SHBGs führen [49].

Metformin

Metformin, ein Biguanidderivat, wird seit vielen Jahren in der Therapie des Typ 2 Diabetes mellitus, aber auch bei Frauen mit PCOS und Insulinresistenz eingesetzt (CAVE „off-label-use“; [50]).

Die Wirksamkeit von Metformin ist nur bei oraler Gabe gegeben. Metformin führt im Kolon zu einer positiven Veränderung des Mikrobioms, z. B. zu einer Zunahme des Anteils von A. muciniphila [51,52,53]. Darüber hinaus wird durch Metformin der Abbau von GLP‑1 inhibiert. Zusätzlich werden die hepatische Glukoneogenese sowie das hepatische Fettgewebe reduziert.

Im Mausmodell resultiert die Gabe von Metformin in einem signifikanten Abfall des Testosteronspiegels sowie einem Rückgang des Endotoxinspiegels. Gleichzeitig zeigen sich auch Veränderungen des intestinalen Mikrobioms mit Abnahme der Anteile von Proteobakterien (Endotoxin) und der Zunahme von Bifidobakterien [54]. Bei Frauen mit PCOS und Übergewicht resultiert nach den Ergebnissen einer Metaanalyse die Einnahme von Metformin in einer Verminderung des BMI, des Taillenumfangs, der FSH(follikelstimulierendes Hormon)- und LH-Spiegel, des Testosterons sowie des LDL(„low-density lipoproteins“)-Cholesterins [55].

Klinisch verbessern sich durch Metformin die Zyklizität sowie die Ovulationsrate. Ebenso ist das Ansprechen auf eine ovarielle Stimulation (bei Kinderwunsch) besser [56, 57]. Darüber hinaus lässt sich durch Metformingabe das Risiko zur Entwicklung eines ovariellen Überstimulationssyndroms im Zusammenhang mit einer ovariellen Stimulation deutlich reduzieren.

Ballaststoffe

Die Ernährung bei Frauen mit PCOS spielt in der Therapie eine entscheidende Rolle. Untersuchungen bei Ratten weisen auf den negativen Einfluss einer Ernährung mit hohen Anteilen raffinierter Kohlenhydrate auf den Reproduktionstrakt mit der Entwicklung PCOS-ähnlicher Veränderungen hin [58].

Tatsächlich scheint nach einer Metaanalyse eine Diät mit einem niedrigen glykämischen Index bei PCOS von Vorteil zu sein: Absenkung des HoMA-Indexes, Verminderung der Nüchternblutglukose, des Gesamtcholesterins, des LDL-Cholesterins sowie der Triglyzeride, Reduktion des Taillenumfangs sowie des Gesamttestosterons (alle p < 0,05; [59]).

In der „praktischen Anwendung“ lässt sich nachweisen, dass beispielsweise im Vergleich zu einem Abendessen mit Weißbrot der Verzehr von Vollkornbrot mit einer signifikanten Zunahme des GLP-1-Spiegels korreliert [60]. Ebenso führt die Umstellung der Ernährungsform auf eine mediterrane Diät (kaltgepresstes Olivenöl, Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkornprodukte, Gemüse und Früchte, Fisch, mäßiger Genuss von Rotwein und Verminderung des Fleischkonsums) bei Frauen mit PCOS zu einer Reduktion des CRP-Spiegels sowie des HoMA-Indexes [61, 62].

Probiotika

Bei Frauen mit PCOS führt die Gabe eines Probiotikums mit dem Stamm Bifidobacterium lactis V9 zu erhöhten Konzentrationen von SCFA sowie zu einer Steigerung der Freisetzung von PYY (Peptid YY) und Ghrelin, welche über die Darm-Hirn-Achse in einer Abnahme von LH sowie des LH/FSH-Quotienten resultiert [25].

Positive Wirkungen eines weiteren Probiotikums aus verschiedenen Bakterienstämmen (Lactobacillus acidophilus, L. reuteri, L. fermentum, Bifidobacterium bifidum) plus 200 µg/Tag Selen waren bei Gabe über 12 Wochen im Vergleich zur Kontrollgruppe zu sehen: eine signifikante Verbesserung des Hirsutismus sowie eine signifikante Abnahme von hs-CRP- und Testosteronspiegeln [63].

Es handelt sich hierbei sicherlich um vorläufige Daten, jedoch lassen die Studienergebnisse erkennen, dass es durch Veränderung des Darmmikrobioms möglich erscheint, einen klinisch bedeutsamen Einfluss auf endokrine Prozesse zu nehmen, die zur Entstehung und Ausprägung des PCOS beitragen.

Präbiotika und andere Nahrungsergänzungsmittel

Im Tierversuch mit PCOS-Ratten reduziert Berberin eine Insulinresistenz und senkt den Testosteronspiegel [64]. In einer Metaanalyse von klinischen Studien scheint Berberin einer Metformingabe bei der Verminderung einer Insulinresistenz, der Verbesserung einer Dyslipidämie sowie der Senkung des Testosteronspiegels ebenbürtig zu sein [65].

Auch die Gabe von 2 × 500mg/Tag Quercetin bei PCOS hat einen positiven Effekt: über die Zunahme der Expression von Adiponectin-Rezeptoren, was zu einer Beeinflussung der Insulinsensitivität führt [66].

Eine Nahrungsergänzung mit Phytoöstrogenen (Isoflavon) in Form von Genistein (2 × 18 mg/Tag) resultiert nach 3 Monaten bei PCOS in einer Reduktion der LH-, Testosteron- und der DHEAS(Dehydroepiandrosteronsulfat)-Spiegel [67].

Die Einnahme von 50 mg/Tag Sojaisoflavonen über 12 Wochen führte bei Frauen mit PCOS zur Reduktion der Insulinspiegel und des HoMA-Indexes sowie zu einer Verminderung des FAI und der Serumtriglyzeride [68].

Ein ähnlicher Effekt bei PCOS wurde bei der täglichen Gabe von 200 µg Chrom (als Chrompicolinat) über 8 Wochen auf den Insulinspiegel sowie den HoMA-Index zusammen mit einer Reduktion des hs-CRP-Spiegels sowie einer günstigen Auswirkung auf Akne und Hirsutismus beobachtet [68, 69].

Der regelmäßige Verzehr von Lakritze verringert bei gesunden Frauen den Testosteronspiegel und kann als adjuvante Therapie bei Hirsutismus und PCOS in Erwägung gezogen werden [70].

In Tierversuchen zeigen sich bei der Gabe von Inulin bzw. Resveratrol (letzteres eventuell auch in Kombination mit Metformin) positive Effekte mit Besserung der ovariellen Histologie bzw. einer Suppression der inflammatorischen Marker [54, 71].

Fazit für die Praxis

  • Das PCOS (Syndrom polyzystischer Ovarien) gehört zu den häufigsten Endokrinopathien überhaupt, die weltweite Prävalenz wird auf 5–12 % geschätzt, die Ursache ist bis heute unbekannt.

  • Der klinische Phänotyp zeigt eine hohe Variabilität, entsprechend unterschiedlich sind auch die Therapiekonzepte.

  • Neben den endokrinologischen Aspekten rücken zunehmend die für das PCOS charakteristischen metabolischen Veränderungen in den Fokus des Interesses.

  • Veränderungen des Darmmikrobioms haben einen Einfluss auf die Entstehung und den klinischen Verlauf des PCOS.

  • Daraus ergeben sich sowohl diagnostische Hinweise als auch neue Therapieoptionen: So wirken sich eine Gewichtsreduktion, der Einsatz von Metformin, eine Modifikation der Ernährungsform sowie Prä- und Probiotika auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms und darüber auf Ausprägung und Verlauf des PCOS aus.

  • Zu erwarten ist, dass die Analyse des Darmmikrobioms in Zukunft zu den empfohlenen diagnostischen Verfahren zählen wird, um daraus die o. g. therapeutischen Maßnahmen abzuleiten.