Prognostische und prädiktive Parameter bei ovarieller Stimulationsbehandlung

Um den Erfolg oder Misserfolg einer ovariellen Stimulationsbehandlung abschätzen zu können, sind eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung erforderlich. Diese sind im Folgenden aufgeführt und werden jeweils genauer erläutert. Letztendlich geht es darum, sowohl eine Unterstimulation durch eine zu niedrig geschätzte Gonadotropindosis als auch eine Überstimulation durch eine zu hoch geschätzte Gonadotropindosis zu verhindern. Die Erhebung aller für die Dosisfestlegung relevanten prädiktiven Marker mittels Anamnese und gynäkologischer Untersuchung erlaubt in der Regel eine sichere Behandlung. Nichtsdestotrotz zählt die ovarielle Stimulation zu den größten Herausforderungen der Reproduktionsmedizin.

Alter

Das Alter verhält sich umgekehrt proportional zur im Rahmen einer IVF(In vitro-Fertilisation)- oder ICSI(intrazytoplasmatische Spermieninjektion)-Behandlung im Mittel zu gewinnenden Zahl von Eizellen. Grundsätzlich erwartet man, dass sich bei Frauen < 30 Jahren eine hohe Zahl von Eizellen gewinnen lässt. Im Alter von 30–35 Jahren geht man von einer mittleren Eizellzahl aus. Bei Frauen > 35 Jahre erwartet man eine eher niedrige Eizellzahl bzw. muss entsprechend die Gonadotropindosis erhöhen, um eine bestimmte Anzahl von Eizellen zu erhalten.

Alter allein ist ein äußerst unzuverlässiger prädiktiver Marker zur Festlegung der Gonadotropindosis

Allerdings stellt das Alter allein einen äußerst unzuverlässigen prädiktiven Marker zur Dosisfestlegung dar, da sich die Ovarialreserve interindividuell erheblich unterscheiden kann und sich so manchmal auch bei Frauen über 35 viele Eizellen gewinnen lassen [1].

AMH

Das AMH (Anti-Müller-Hormon) wird von den Granulosazellen der Eierstöcke gebildet und seine Höhe korreliert mit der Zahl der in den Ovarien vorhandenen und damit potenziell rekrutierbaren Follikel. Dies bezeichnet man auch als Ovarialreserve. Prinzipiell kann man zwischen einem erhöhten, einem normalen, einem erniedrigten, einem stark erniedrigten und einem sehr stark erniedrigten AMH-Wert unterscheiden (Tab. 1). Verschiedene Faktoren können die Höhe des AMH beeinflussen. Beispielsweise verringert Rauchen oder die Einnahme eines oralen Kontrazeptivums den AMH-Wert [2]. Auch Frauen mit Anorexie oder Zustand nach Essstörung haben ein signifikant verringertes AMH [3], Frauen mit PCOS (polyzystisches Ovarsyndrom) dagegen höhere AMH-Werte [4]. Hier wird deutlich, dass man sich nicht nur auf das Labor verlassen, sondern auch die Klinik beachten sollte.

Tab. 1 Beurteilung der verschiedenen AMH-Bereiche

FSH

Ein erhöhtes FSH (follikelstimulierendes Hormon) zeigt eine eingeschränkte Ovarfunktion an, die mit einer reduzierten Ovarialreserve einhergeht. Dabei ist zu beachten, dass man das FSH nur am Zyklusanfang (Zyklustag 1–5) valide beurteilen kann, da beispielsweise periovulatorisch vermeintlich perimenopausale FSH-Serumspiegel vorliegen können. Als normal gelten zu Beginn des Zyklus FSH-Serumspiegel von 3–12 mIU/ml. Werte > 12, aber kleiner 18 mIU/ml deuten auf eine eingeschränkte Ovarialfunktion hin. FSH-Werte ≥ 18, aber kleiner 30 weisen auf eine stark eingeschränkte Ovarialfunktion hin. Bei FSH-Werten ≥ 30 spricht man von einem perimenopausalen Hormonstatus.

BMI

Der BMI (Body-Mass-Index) verhält sich indirekt proportional zum Ansprechen der Eierstöcke auf eine Gonadotropinstimulation. Dies liegt daran, dass sich durch eine erhöhte Menge von Körperfettgewebe das Verteilungsvolumen der Stimulationsmedikamente erhöht und weniger Wirkstoff in den Ovarien ankommt. Das gleiche gilt auch für Gewebsflüssigkeiten (z. B. bei Lipödem). Gegebenenfalls muss hier eine i.m.-Injektion oder eine Injektion in Körperregionen mit geringerer Gewebemenge (z. B. Extremitäten) erwogen werden. Der BMI allein stellt aber auch keinen verlässlichen prädiktiven Parameter für die Festlegung der Dosis der Gonadotropine dar, da Frauen mit PCOS ein erhöhtes AMH, aber in 80 % der Fälle auch einen erhöhten BMI aufweisen [5].

Lebensstilfaktoren

Hier sind in erster Linie Risikofaktoren für ein verringertes ovarielles Ansprechen wie Rauchen, Ernährung (Essstörung) oder eine verringerte körperliche Aktivität zu nennen [6]. Zudem gibt es in letzter Zeit vermehrt Hinweis darauf, dass auch einige Mikronährstoffe wie Vitamin D, ungesättigte Fettsäuren oder Androgene einen Einfluss auf die Eizellzahl bzw. Konzeptionsrate haben können. Eine Folsäuresubstitution (mindestens 400 μg täglich) sollte sowieso bei allen Frauen mit Kinderwunsch bereits präkonzeptionell erfolgen.

Vorerkrankungen

Auch eingenommene Medikamente oder frühere Erkrankungen und Therapien (z. B. Chemotherapie) können einen Einfluss auf die Eizellzahl und Eizellqualität haben.

Bei Endometriose mit Ovarbeteiligung kann die Ovarreserve teils erheblich reduziert sein, besonders nach früherer operativer Endometriomentfernung. Deshalb wird die operative Behandlung rezidivierender oder beidseitiger Endometriome nicht mehr empfohlen [7].

Vorbehandlungen

Vorangegangene ovarielle Stimulationsbehandlungen sind ein gutes Orientierungsmaß für die Behandelnden und erlauben meist eine gute Abschätzung des Ansprechens der Eierstöcke auf die Gonadotropine. Dabei sollte jedoch auch beachtet werden, wie lange die Behandlungen zurückliegen, da sonst ggf. das Alter einen größeren Einfluss auf die Ovarialreserve hat.

Gynäkologischer Untersuchungsbefund

Im Mittelpunkt steht hierbei der gynäkologische Ultraschall. Beurteilt werden sollten neben dem Uterus und den Tuben beide Ovarien. Hier wird zur Prädiktion des Ansprechens auf die Stimulationsbehandlung der antrale Follikelcount (AFC) bestimmt. Dabei werden alle antralen Follikel < 10 mm beider Eierstöcke zu Zyklusbeginn (1.–5. Zyklustag) addiert. Dieser kann jedoch täuschen, da er nicht gleichbedeutend mit der Zahl der heranreifenden Follikel und der gewonnen Eizellen ist. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der „follicular output rate“ (FORT). Wenn beispielsweise eine Kinderwunschpatientin einen AFC von 10 hat, sich aber nach der ovariellen Stimulationsbehandlung nur 5 Eizellen gewinnen lassen, beträgt die FORT 0,5 [8].

Merke

Man spricht manchmal auch von den 3 As der Reproduktionsmedizin (Alter, AMH und AFC), weil diese 3 Parameter eine große Rolle spielen, um das Behandlungsergebnis antizipieren zu können.

Gonadotropinrezeptor-Polymorphismus

Immer wieder lässt sich beobachten, dass einige Patientinnen unerwartet schlecht auf die Gonadotropin-Behandlung ansprechen. Seit 2005 hat man ein Korrelat dafür gefunden, den FSH-Rezeptorpolymorphismus. Ein Genpolymorphismus auf Exon 10 bewirkt hier an der FSH-Rezeptordomäne einen Austausch der Aminosäure Asparagin zu Serin an Kodon 680. Ist eine Aminosäure Asparagin durch Serin ausgetauscht (FSHR Asn/Ser), benötigt die Patientin eine etwas höhere FSH-Dosis. Sind beide Aminosäuren Asparagin durch Serin ausgetauscht (FSHR Ser/Ser), so werden deutlich höhere FSH-Dosen erforderlich [9]. Rund 25 % aller Frauen haben hierzulande den FSH-Rezeptorpolymorphismus FSHR Ser/Ser [10].

Prinzipiell gilt, dass die Gonadotropindosis umso höher gewählt wird, je geringer man das Ansprechend der Eierstöcke erwartet. So wird man in der Regel bei einem AMH-Wert ≤ 1 maximal stimulieren. Dies bedeutet die Gabe von bis zu 300 IE (internationale Einheiten) FSH; es existieren keine Daten, dass eine weitere Steigerung der FSH-Dosis zu einer Steigerung der Eizellzahl führt [11]. Einige Zentren wie das spanische IVI geben sogar nur 225 IE FSH als Maximaldosis. Auch bei Zustand nach einseitiger Ovarektomie oder einem BMI > 30 wird man eine höhere FSH-Dosis wählen.

Es gibt keine Evidenz dafür, dass eine FSH-Dosis >300 IE zu einer Steigerung der Eizellzahl führt

Eine grobe Orientierungshilfe zur Festlegung der individuellen Gonadotropindosis im Rahmen einer IVF-/ICSI-Behandlung unter Berücksichtigung der prädiktiven Marker für die ovarielle Stimulation bietet Tab. 2. Die Dosis muss allerdings für jede Patientin sehr individuell anhand aller Parameter abgewogen werden, da eine Patientin beispielsweise gleichzeitig einen hohen AMH-Wert und einen hohen BMI haben kann. In vielen Fällen wird man sich dann für Dosierungen zwischen den vorgegebenen Stufen 125–225–300 IE entscheiden.

Tab. 2 Festlegung der individuellen Gonadotropindosis im Rahmen einer IVF-/ICSI-Behandlung unter Berücksichtigung der prädiktiven Marker für die ovarielle Stimulation

Arten der Stimulationsbehandlung, Stimulationsmedikamente und -protokolle

Arten der ovariellen Stimulation

Es werden monofollikuläre (Ziel: Heranreifen eines oder maximal zweier Follikel ≥ 15 mm) und polyfollikuläre (Ziel: Wachstum von mehr als 2 Follikeln) Stimulation unterschieden.

Monofollikuläre Stimulation

Die monofollikuläre Stimulation kommt im Rahmen des VZO (Verkehr zum Optimum) oder einer IUI (intrauterine Insemination) zum Einsatz. Aber auch bei der IVF oder ICSI kann nach individueller Aufklärung des Kinderwunschpaars eine monofollikuläre Stimulation zur Anwendung kommen („IVF/ICSI naturelle“; [12]). Dies kann entweder der Fall sein, wenn eine Frau eine stark verringerte Ovarialreserve bei regelrechter Ovarialfunktion hat und auch nach hochdosierter Gonadotropinstimulation nur wenige Follikel reifen würden. Hierbei muss jedoch die nach dem 38. Lebensjahr deutlich erhöhte Aneuploidierate der Eizellen beachtet werden.

Zu beachten ist die nach dem 38. Lebensjahr deutlich erhöhte Aneuploidierate der Eizellen

Alternativ kommt diese Strategie auch bei Frauen < 25 Jahren zum Einsatz, die noch keine finanzielle Unterstützung von der gesetzlichen Krankenkasse erhalten und damit Medikamentenkosten sparen können.

Polyfollikuläre Stimulation

Die polyfollikuläre Stimulation (bewusste Induktion des Wachstums von mehr als einem Follikel) kommt bei IVF- und ICSI-Behandlungen zum Einsatz. Außerdem wird sie zur Fertilitätsprotektion aus medizinischer Indikation (Kryokonservierung von Eizellen oder Embryonen) sowie aus nichtmedizinischer Indikation („social freezing“) angewendet.

Stimulationsmedikamente

Monofollikuläre Stimulation

Die Stimulationsmedikamente können oral oder subkutan verabreicht werden. Orale Stimulationsmedikamente sind Clomifen 50–100 mg oder Letrozol vom 3.–7. oder 5.–9. Zyklustag. Alternativ kommen auch gentechnisch hergestellte rekombinante oder urinäre Gonadotropine zum Einsatz. Diese werden subkutan verabreicht, beginnend ab dem 1.–4. Zyklustag.

Clomifen

Clomifen ist ein selektiver Estrogenrezeptormodulator, der durch eine partiell antiestrogene Wirkung die hypophysäre Ausschüttung von endogenem FSH fördert. Dadurch kommt es zum Follikelwachstum. Der Wirkstoff ist zugelassen zur Follikelreifung und Ovulationsinduktion bei normogonadotropen anovulatorischen Zyklen, z. B. bei ovarieller Hyperandrogenämie. Theoretisch kann es auch Patientinnen mit ovulatorischen Zyklen gegeben werden. Ein Benefit ist hier jedoch nicht belegt [13].

Durch die partiell antiestrogene Wirkung weist Clomifen zahlreiche Eigenschaften auf, die sich negativ auf die Konzeptionswahrscheinlichkeit auswirken (z. B. Verschmälerung des Endometriums, Dysmukorrhö mit erschwerter Passage der Spermien durch die Zervix). Diese negativen Effekte werden teilweise durch gehäuft zu beobachtendes polyfollikuläres Wachstum kompensiert, was jedoch zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft nach Clomifenstimulation führt. Weitere seltenere Clomifen-Nebenwirkungen sind eine ovarielle Zystenbildung, Kopfschmerzen oder Farbsehstörungen, was zum Absetzen bzw. Wechsel des Präparats veranlassen sollte. Auch Einzelfälle einer Überstimulation unter Clomifen wurden in der Literatur beschrieben [14].

Tritt trotz 5‑tägiger Clomifenstimulation kein Follikelwachstum auf, kann man nach 1–2 Wochen erneut 50 mg Clomifen täglich für 5 Tage geben. Rund 25 % der Patientinnen reagieren nicht adäquat auf Clomifen (sog. Clomifenresistenz; [15]).

Letrozol

Letrozol ist ein Aromatasehemmer, der eigentlich zur endokrinen Therapie des hormonrezeptorpositiven Mammakarzinoms zugelassen ist. Die Anwendung im Rahmen der Kinderwunschbehandlung erfolgt im Off-label-Use nach entsprechender Aufklärung des Paars. Fünfzig Tabletten kosten etwa 25 €, was vergleichbar mit Clomifen ist. Letrozol unterdrückt durch die Hemmung der Aromatase die periphere Biosynthese von Estrogen, was eine Senkung der Estradiol-Serumspiegel und reflektorisch eine Erhöhung der FSH-Ausschüttung durch die Hypophyse bewirkt. Antiestrogene Effekte sind auch vorhanden, aber nicht so ausgeprägt wie beim Clomifen. Zudem treten nachweislich weniger Mehrlingsschwangerschaften nach Letrozol-Stimulation auf [16]. Deshalb wird das Medikament in der 2018 von der ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) veröffentlichten neuen Leitlinie zum PCOS als Erstlinientherapie bei Kinderwunsch aufgeführt [17]. Eine Studie ergab nach Anwendung von Letrozol ein erhöhtes Risiko für urogenitale Fehlbildungen beim Feten. Eine Metaanalyse mehrerer Studien konnte dieses Risiko aber nicht mehr bestätigen [18]. Bei etwa einem Viertel der Patientinnen liegt eine Letrozolresistenz vor [19].

Merke

Unter Letrozol-Stimulation werden sehr niedrige Serumestradiol-Spiegel gemessen, die nicht zur Größe des Follikels passen.

Gonadotropine

Geläufig sind hier Dosen von 50–62,5 IE FSH (Gonal® oder Puregon®), FSH+LH (luteinisierendes Hormon; Pergoveris®) oder 75 IE HMG (humanes Menopausengonadotropin, Menogon® oder Menopur®). Bei Frauen mit PCOS werden zum Teil jedoch höhere Gonadotropindosen benötigt, ebenso bei Adipositas. Dreihundert internationale Einheiten kosten etwa 160–180 €. Seit einigen Jahren sind die Gonadotropine auch als Biosimilars mit einer Preisersparnis von rund 15–20 % auf dem Markt.

Polyfollikuläre Stimulation

Der Therapiestandard ist die sog. kontrollierte ovarielle Hyperstimulation („controlled ovarian stimulation“, COS). Zum Einsatz kommen die gentechnisch hergestellten Gonadotropine FSH, FSH+LH oder HMG in einer Dosis von in der Regel 125–300 IE täglich. Insbesondere Frauen über 35 Jahre profitieren von der Hinzugabe von LH zu FSH. LH besitzt multiple günstige Effekte auf die Eizellqualität. Es wirkt antiapoptotisch, erhöht die follikuläre Kompetenz und fördert die Follikelrekrutierung im Ovar [20]. Von einer normalen Reaktion der Eierstöcke spricht man, wenn sich bei der Follikelpunktion zwischen 7 und 17 Eizellen gewinnen lassen. Bei < 7 punktierten Eizellen liegt ein verringertes ovarielles Ansprechen auf die Gonadotropine („low response“) vor, bei > 17 Eizellen ein verstärktes Ansprechen („high response“).

Unter Berücksichtigung der oben genannten prädiktiven und prognostischen Parameter sollte für jede Patientin individuell vor Therapiebeginn die Gonadotropindosis festgelegt werden. Da das antizipative Festlegen der optimalen Gonadotropindosis zu den größten Herausforderungen in der Reproduktionsmedizin gehört, hat die Firma Ferring im Jahr 2017 das rekombinante FSH-Präparat Follitropin‑δ (REKOVELLE®; Ferring Pharmaceuticals, Saint-Prex, Schweiz) eingeführt. Hier wird anhand des AMH-Werts und des Körpergewichts der Patientin die individuelle Stimulationsdosis festgelegt und mit einem Fertigpen appliziert [21].

Stimulationsprotokolle

Monofollikuläre Stimulation

Üblich ist die Gabe von Clomifen 50–100 mg oder Letrozol 2,5–7,5 mg vom 5.–9. Zyklustag. Durch eine Gabe vom 3.–7. Zyklustag versucht man, antiestrogene Nebenwirkungen zu mindern. Es erfolgt eine Zykluskontrolle (Ultraschall und Laborkontrolle von Estradiol, Progesteron und LH) am 10.–12. Zyklustag. Wenn sich ein präovulatorischer Follikel und Hormonstatus zeigen, erfolgt die Ovulationsinduktion mit HCG (humanes Choriongonadotropin: 5000 IE Brevactid® oder 250 μg Ovitrelle®).

Im Falle einer Clomifen- oder Letrozolresistenz erfolgt der Umstieg auf Gonadotropine. Hier erfolgt ab dem 1.–4. Zyklustag nach Ausschluss einer Ovarialzyste und Kontrolle von Estradiol und Progesteron die Stimulation mit in der Regel FSH (oder FSH und LH bei LH-Mangel). In der Regel folgt nach 7 Tagen eine Zykluskontrolle und ggf. die Ovulationsinduktion. Abb. 1 zeigt das Schema der monofollikulären Stimulation.

Abb. 1
figure 1

Schema des Ablaufs einer monofollikulären ovariellen Stimulation

Polyfollikuläre Stimulation

Es gibt 2 geläufige Stimulationsprotokolle: das sog. kurze Antagonistenprotokoll und das lange Agonistenprotokoll. Beim Antagonistenprotokoll wird wie bei der monofollikulären Gonadotropinstimulation am 1–4. Zyklustag mit der Gonadotropinstimulation begonnen. Am 5. oder 6. Stimulationstag wird eine Zykluskontrolle durchgeführt und bei einer Größe des Leitfollikels ≥ 13 mm ein GnRH-Antagonist (Ganirelix oder Cetrorelix) einmal täglich hinzugegeben. Dies bezeichnet man als flexibles Protokoll, da man über den Beginn mit dem GnRH-Antagonisten flexibel je nach klinischem Befund entscheidet. Davon kann man das fixe Protokoll abgrenzen, bei dem immer am 6. Stimulationstag mit dem GnRH-Antagonisten gestartet wird. Laut Studienlage ist das fixe Protokoll dem flexiblen überlegen [22]. Am 9. Stimulationstag erfolgt eine weitere Zykluskontrolle, und bei mindestens 3 Follikeln > 17 mm bzw. einem Leitfollikel ≥ 20 mm wird die Ovulation induziert mit HCG (10.000 IE Brevactid® oder 250 μg Ovitrelle®) oder 2 × 0,1 mg Triptorelin. Die Auslösung des Eisprungs mit Triptorelin (sog. Triggern) wurde konzipiert, um ein OHSS (ovarielles Hyperstimulationssyndrom) als schwerste Komplikation einer Stimulationsbehandlung zu verhindern [23]. Von einem drohenden OHSS muss man ausgehen, wenn der Serumestradiol-Wert am Tag der Ovulationsinduktion > 3000 pmol/l liegt oder sich sonographisch ≥ 18 Follikel zeigen. Vierunddreißig bis 38 h nach Auslösen des Eisprungs wird die Follikelpunktion geplant.

Beim Agonistenprotokoll beginnt man am 20./21. Zyklustag des Vorzyklus postovulatorisch mit der täglichen Gabe eines GnRH-Agonisten (z. B. 0,1 mg Triptorelin oder 0,15 mg Buserelin). Dieser führt nach einer initial agonistischen Wirkung am GnRH-Rezeptor (Flare-up-Effekt) zu einer Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse und verhindert so eine vorzeitige Ovulation. Zirka eine Woche nach Beginn mit dem GnRH-Agonisten setzt die Regelblutung ein. Nach einer Zykluskontrolle und nach sonographischem Zystenausschluss erfolgt die Gonadotropinstimulation unter Fortführung des GnRH-Agonisten. Am 5. oder 10. Stimulationstag werden erneut Zykluskontrollen durchgeführt, und bei mindestens 3 Follikeln > 17 mm oder einem Leitfollikel ≥ 20 mm werden die Ovulation ausgelöst und 34–38 h später die Follikel punktiert. Meist dauert die Stimulation im Agonistenprotokoll etwas länger als im Antagonistenprotokoll. Dafür erfolgt das Follikelwachstum häufig synchroner. Das Antagonistenprotokoll zeigt Abb. 2, das Agonistenprotokoll Abb. 3.

Abb. 2
figure 2

Antagonistenprotokoll im Rahmen der polyfollikulären Stimulation

Abb. 3
figure 3

Agonistenprotokoll im Rahmen der polyfollikulären Stimulation

Merke

Das Antagonistenprotokoll sollte in jedem Fall bei erhöhtem Risiko für ein OHSS (z. B. bei PCOS) eingesetzt werden. Es gilt wegen der Praktikabilität als das Standardprotokoll im Rahmen der ovariellen Stimulationsbehandlung.

Merke

Triptorelin als Trigger für die Ovulation wirkt meist nicht bei hypogonadotropem Hypogonadismus.

Merke

Die Stimulationsbehandlung mit Gonadotropinen sollte nicht mehr nach dem 4. Zyklustag begonnen werden, insbesondere bei Patientinnen > 35 Jahre, da es hier durch den erhöhten FSH-Grundtonus zu einer Entkoppelung des Wachstums des Leitfollikels kommen und sich womöglich kein polyfollikuläres Follikelwachstum erzielen lässt.

Merke

Letrozol 2,5 mg kann vom 1. Zyklustag an bis einen Tag vor der Ovulationsinduktion im Rahmen der ovariellen Stimulationstherapie zur Fertilitätsprotektion bei hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom gegeben werden, um einer möglichen Förderung des Tumorwachstums durch die erhöhten Estrogenspiegel entgegenzuwirken.

Sonderfälle der ovariellen Stimulation

Polyfollikuläre Stimulation bei stark eingeschränkter Ovarialreserve (Poseidon 4)

Bei zu erwartendem geringem Ansprechen auf die Gonadotropine kann als individuelles Vorgehen eine Stimulation mit Clomifen 50 mg oder besser 100 mg vom 3.–7. Zyklustag erfolgen. Bei Clomifenresistenz kann man 2,5–7,5 mg Letrozol vom 3.–7. Zyklustag verwenden. Additiv kann optional noch eine zusätzliche niedrigdosierte Gonadotropinstimulation ab dem 7. Zyklustag erfolgen (z. B. mit 50 IE FSH +25 IE LH). Die Ovulationsinduktion sollte bei einer geringen Follikelzahl < 3 generell mit HCG erfolgen [24].

Lutealphasenstimulation

Bei Patientinnen mit stark eingeschränkter Ovarreserve bietet sich die sogenannte Doppelstimulation an. Nach polyfollikulärer ovarieller Stimulation im Antagonistenprotokoll und 4 Tage nach der Follikelpunktion erfolgt in der Lutealphase eine erneute polyfollikuläre Gonadotropinstimulation. Durch die ovulationshemmende Wirkung des endogenen Progesterons ist jedoch in der Lutealphase – anders als in der Follikelphase – nicht die Gabe eines GnRH-Antagonisten notwendig. Alle gewonnen Eizellen müssen nach der Fertilisation kryokonserviert werden [25].

PPOS

Aufgrund der Beobachtung, dass endogenes Progesteron die Ovulation hemmt, wurde das Konzept der „progestin primed ovarian stimulation“ entwickelt. Hierbei verabreicht man ab dem zweiten Zyklustag parallel zur Gonadotropinstimulation täglich ein Gestagen (z. B. 10 mg Medroxyprogesteronacetat, 10–20 mg Dydrogesteron oder 100–200 mg mikronisiertes Progesteron). Da in jedem Fall von PPOS eine Kryokonservierung der Eizellen erfolgen muss, eignet sich diese Strategie für Patientinnen mit ovarieller Stimulation zur Fertilitätsprotektion oder sehr ausgeprägtem PCOS [26].

Fazit für die Praxis

  • Die ovarielle Stimulationstherapie entscheidet über den Erfolg reproduktionsmedizinischer Behandlungen. Sie ist sehr individuell, und das Ansprechen der Eierstöcke auf die Stimulationsmedikamente lässt sich nicht in jedem Fall vorhersagen. Deshalb sind die Kenntnis der prädiktiven Marker und ein engmaschiges Therapiemonitoring essenziell.

  • Der von uns vorgestellte Übersichtsartikel soll klinisch tätigen Reproduktionsmediziner(inne)n eine Hilfe im Arbeitsalltag bieten, um Unterstimulationen und erfolglose Behandlungen einerseits sowie Überstimulationen und eine Gefährdung der Gesundheit der Patientin andererseits möglichst zu verhindern.