Anamnese

Eine 28-jährige Frau (Gravida II Para 0) präsentierte sich in der 30. SSW (Schwangerschaftswoche) mit unterperiodenstarker Blutung und Bauchschmerzen in der geburtshilflichen Ambulanz.

Als sich die Patientin 8 Monate zuvor aufgrund einer Missed Abortion in der sonographisch 7. SSW vorstellte, zeigte sich nebenbefundlich eine septierte Ovarialzyste rechts von 7 cm. Eine sonographische Kontrolle dieser Zyste wurde 3 Monaten später beim Facharzt empfohlen. In der Kontrolle zeigte sich damals ein unauffälliger Befund.

Aufnahmebefund in der 30. SSW

  • Spiegeluntersuchung: Vulva und Vagina unauffällig, Portio zentriert mit zirkulärer Ektopie, Fluor albus, keine Abgänge, keine vaginale Blutung, Hämorrhoiden – gereizt, blutend auf Kontakt, Nativpräparat Reinheitsgrad I

  • Palpation: Abdomen prall, diffuser Druckschmerz im gesamten Abdomen

  • Unauffällige Biometrie, Fetus in Schädellage

  • Transvaginalsonographie: Zervixlänge 31 mm, stabil auf Pressversuch, innerer Muttermund frei

Diagnostik

Bildgebung

Im transabdominalen Ultraschall zeigte sich ein großer zystischer Adnexbefund mit einer Ausdehnung von etwa 27 × 18 cm (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Adnexbefund (Stern) in der transabdominalen Sonographie in der 30. SSW (Schwangerschaftswoche)

In der Magnetresonanztomographie (MRT) wurde eine große, 27 × 23 × 29 cm messende, zystische Raumforderung mit multiplen, intraläsionalen Septierungen beschrieben, ausgehend vom rechten Ovar und die Mittellinie weit nach links überschreitend (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Adnexbefund (Stern) und Fetus (Kreis) in der MRT (Magnetresonanztomographie) in der 31. SSW (Schwangerschaftswoche)

Labor

Im Aufnahmelabor (Blutbild, Entzündungs‑, Leber- und Nierenfunktionsparameter) zeigten sich keinerlei Auffälligkeiten, geringgradige, am ehesten schwangerschaftsbedingte Erhöhung des CA 125 mit 36,4 U/ml (Normbereich 0–35 U/ml) und des AFP (α-Fetoprotein) mit 168 lU/ml (Normbereich 0–5,8 lU/ml; [1]). Der Tumormarker HE4 war mit 44 pmol/l (Normbereich 0–70 pmol/l) normwertig, ebenso die LDH (Laktatdehydrogenase) mit 194 U/l (Normbereich 20–247 U/l).

Wie lautet Ihre Diagnose?

Weiteres Procedere

Es folgte die stationäre Aufnahme zur fetalen Lungenreifeinduktion. Nach abgeschlossener fetaler Lungenreifeinduktion in der 30 + 3 und 30 + 4 SSW, konnte die Patientin nachhause entlassen werden. Kurzfristige Verlaufskontrollen in der Schwangerenambulanz wurden vereinbart. In der 31 + 3 SSW klagte die Patientin über progrediente Ruhedyspnoe, Zunahme des Bauchumfangs sowie abdominale Schmerzen. Es erfolgt die erneute stationäre Aufnahme. Aufgrund der Verschlechterung des klinischen Zustandsbildes bestand akuter Handlungsbedarf. Da in Zusammenschau der im Voraufenthalt erhobenen Befunde (MRT, Tumormarker) am wahrscheinlichsten von einem benignen Befund auszugehen war und aufgrund der Gestationswoche eine Verlängerung der Schwangerschaft sinnvoll erschien, wurde der Patientin eine sonographisch gezielte Punktion als Alternative zur operativen Sanierung angeboten.

Punktion des Adnexbefundes

Es wurde ausführlich darüber aufgeklärt, dass trotz fehlenden Malignitätshinweises in den vorliegenden Befunden ein Restrisiko für einen malignen Befund bestehe. Des Weiteren wurde über die deutliche Verschlechterung der Prognose bei Verschleppung maligner Zellen durch eine Punktion oder Zystenruptur gesprochen.

Die Patientin entschied sich für die Punktion, welche in der 31 + 6 SSW komplikationslos, transabdominal in Lokalanästhesie durchgeführt wurde. Es wurden 3850 ml seröse, bernsteinfarbene Flüssigkeit punktiert. In der zytologischen Aufarbeitung konnten keine malignen Zellen nachgewiesen werden, eine Entitätszuordnung war nicht möglich. Post punctionem gab die Patientin deutlich rückläufige Beschwerden an. Die Punktion wurde sowohl in der 32 + 2 als auch in der 34 + 3 SSW aufgrund von Beschwerdeprogredienz wiederholt. Es wurden weitere 5700 ml punktiert.

Geburtseinleitung

Im weiteren Verlauf kam es erneut zur Zunahme des Bauchumfanges. Die Symptome wie Bauchschmerzen und Dyspnoe aggravierten, weshalb die Geburt in der 36 + 0 SSW medikamentös mit Dinoproston 10 mg vaginal (Propess®; FERRING Arzneimittel, Kiel) gefolgt von Misoprostol 200 µg vaginal (Misodel®; FERRING Arzneimittel, Kiel) eingeleitet wurde. Bei fehlendem Geburtsfortschritt und suspektem CTG (Kardiotokogramm) in der frühen Eröffnungsperiode wurde die Indikation zur sekundären Sectio caesarea in der 36 + 2 SSW gestellt.

Therapie

Die sekundäre Sectio caesarea mit Adnexektomie rechts wurde per Pfannenstiel-Laparotomie in Allgemeinnarkose durchgeführt.

Nach Eröffnung der Faszie und des Peritoneums kam der Uterus unauffällig zur Darstellung, es erfolgte die quere transisthmische Uterotomie.

Es wurde ein lebensfrischer, reifer Knabe geboren: Gewicht 2995 g, (55. Perzentile), Länge 50,0 cm, KU (Kopfumfang) 34,0 cm. Apgar 10/10/10, NA-pH (arterieller Nabelschnur pH-Wert) 7,33, BE („base excess“) −0,8.

Ein Hervorluxieren des Uterus vor die Bauchhöhle war nach der Kindesentwicklung nicht möglich. Der riesige Adnexbefund zeigte sich an der Uterusseitenwand sowie im Bereich des Lig. falciforme hepatis adhärent und reichte bis in den Oberbauch. Nach Adhäsiolyse wurden eine Tabaksbeutelnaht gelegt, die Zyste inzidiert, etwa 4000 ml Inhalt abgesaugt und die Tabaksbeutelnaht wieder verschlossen. Im Anschluss erfolgt die Adnexektomie rechts (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Adnexbefund intraoperativ nach Punktion des Zysteninhalts

Histologie und Zytologie

Die histologische Aufarbeitung ergab das Vorliegen eines 18 × 16 cm großen, muzinösen Zystadenoms mit unauffälliger Tube ohne Anhalt für das Vorliegen eines malignen invasiven Prozesses (Abb. 4). Die postoperative zytologische Untersuchung ergab keinen Anhalt für Malignität im Zysteninhalt. Eine nähere Entitätszuordnung war zytologisch nicht möglich.

Abb. 4
figure 4

Histologische Aufarbeitung des Adnexbefundes, muzinöses Zystadenom ohne Malignitätshinweis (Hämatoxylin-Eosin-Färbung)

Postoperativer Verlauf

Mutter und Kind konnten am 3. postoperativen Tag in gutem Allgemeinzustand nachhause entlassen werden.

In der Kontrolle nach einem Jahr zeigte sich sonographisch ein unauffälliges Ovar links. Des Weiteren gab die Patientin an, völlig beschwerdefrei zu sein.

Diskussion

Dieser Fallbericht stellt das Management einer 28-jährigen Gravida II Para 0 mit großem, zystischem, symptomatischem Adnexbefund in der 30. SSW dar. Nach bestmöglichem Ausschluss von Malignitätskriterien mittels Sonographie, Tumormarker und MRT sowie unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher Aufklärung der Patientin wurde die Zyste punktiert. Durch mehrmalige Punktion der Zyste konnten die Symptome wie Dyspnoe und Bauchschmerzen vorübergehend reduziert und die Schwangerschaft bis in die 36 + 0 SSW prolongiert werden.

Die Inzidenz von Adnexbefunden in der Schwangerschaft liegt zwischen 0,1 und 2,4 % [1]. Diese werden meist sonographisch als Zufallsbefund im ersten Trimenon diagnostiziert [2]. Der Anteil an Corpus-luteum-Zysten, die bis ins zweite Trimenon persistieren, beträgt 13–17 % aller zystischen Adnexbefunde in der Schwangerschaft. Weitere Differenzialdiagnosen sind benigne zystische Teratome (Inzidenz 7–37 %), seröse Zystadenome (5–28 %), muzinöse Zystadenome (3–24 %), Endometriome (0,8–27 %), Paraovarialzysten (<5 %) und Leiomyome (1–2,5 %). Das Auftreten von malignen Adnexbefunden, einschließlich Befunde mit niedrigmaligner Potenz, liegt etwa bei 1–8,9 % aller Adnexbefunde in der Schwangerschaft [2, 3].

Es ist zu beachten, dass neben dem Malignitätsrisiko auch die Gefahr einer Torsion (1–22 %) und Ruptur (0–9 %) besteht. In der Spätschwangerschaft kann eine große Zyste außerdem ein Geburtshindernis darstellen und das Auftreten einer Wehendystokie (2–17 %) verursachen [2].

Diagnose: Muzinöses Zystadenom

Das Management wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Der aktuelle Konsens lautet, auch asymptomatische Adnexbefunde nach dem ersten Trimenon zu resezieren, wenn eines der folgenden Kriterien zutrifft: Ausdehnung >10 cm, zystisch oder solide Befunde, papilläre Auflagerungen oder Septierung [1, 4, 5].

Es besteht bisher kein Konsens, welche Operationsmethode (Laparoskopie vs. Laparotomie) jene mit dem geringsten Risiko bezüglich intrauterinem Fruchttod, vorzeitigem Blasensprung, Wehentätigkeit und thromboembolischem Ereignis ist [2, 3].

Schmeler et al. erwähnen, dass die Sonographie eine akkurate Methode zur Abgrenzung von benignen und malignen Befunden darstellt und in ausgewählten Fällen auch die Observanz eine vertretbare Alternative zur antepartalen Operation darstellt [3]. Hutt et al. berichten von 2 Patientinnen mit großen Ovarialzysten, welche in der Schwangerschaft sonographisch gezielt punktiert wurden. Bei einer Patientin wurde die Zyste sogar sub partu punktiert. Beide Frauen konnten vaginal entbinden [6].

Die Erhebung von Tumormarkern wird aufgrund der Streuungsbreite und der physiologischen Auslenkung in der Schwangerschaft zur Bewertung von Adnexbefunden während der Schwangerschaft nicht empfohlen [1, 3].

Fazit für die Praxis

  • Dargestellt wurde der Fall einer 28-jährigen Gravida II Para 0 mit großem, symptomatischem Adnexbefund in der 30. SSW (Schwangerschaftswoche).

  • In ausgewählten Fällen kann – bei fehlenden Malignitätskriterien sowie strenger Nutzen-Risiko-Abwägung – eine Punktion in Erwägung gezogen werden.

  • Bei der vorgestellten Patientin konnten somit das Frühgeburtlichkeitsrisiko gesenkt und das fetale Outcome verbessert werden.