Die postpartale Hämorrhagie (PPH) ist für ein Viertel aller maternalen Todesfälle weltweit verantwortlich [2], in den meisten „low income countries“ ist sie die häufigste Ursache maternaler Todesfälle [3]. Lebensbedrohliche postpartale Blutungen betreffen in der westlichen Welt etwa 2 von 1000 Geburten [4, 5]. Dabei steht die uterine Atonie an erster Stelle bei den Ursachen für eine PPH. Epidemiologische Daten zeigen eine Zunahme von postpartalen Hämorrhagien seit 1995 [6], parallel mit einer Zunahme an atonen Blutungen. Neben der Identifizierung von vermeidbaren Risikofaktoren spielt der Einsatz von Kontraktionsmitteln bereits bei der Vermeidung, aber auch bei der Behandlung von postpartalen Blutungen eine wesentliche Rolle.

Kontraktionsmittel sind wesentlich zur Prävention sowie zur Therapie postpartaler Blutungen

Am Termin wird die Gebärmutter über die Uterinarterien und Kollateralen zu den Ovarialgefäßen mit 500–1000 ml/min durchblutet. Nach der Geburt kommt es durch hohe endogene Oxytocin- und Prostaglandin F-Spiegel zu uterinen Kontraktionen und Vasokonstriktion. Die Kontraktionen des Myometriums sind die Hauptdeterminanten für die Ablösung der Plazenta und die Hämostase [7]. Kontrahiert sich der Uterus nicht und bleibt stattdessen aton, wird die Kontrolle des Blutverlustes zu einer Herausforderung. Durch den gezielten Einsatz von kontraktionsfördernden Medikamenten kann der Blutverlust nach der Geburt reduziert werden.

Die verschiedenen Uterotonika unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Wirkungsweise, ihres Nebenwirkungsprofils und ihres Einsatzgebietes.

Kontraktionsmittel

Erste Wahl in der Prävention: Oxytocin und Carbetocin

Oxytocin

Oxytocin ist ein natürliches Hormon, dessen griechischer Name seine wichtige Bedeutung für die Geburt durch die Stimulation der Uteruskontraktion aufzeigt: „okys“ bedeutet schnell, leicht, „tokos“ Geburt.

Oxytocin wird in den neurosekretorischen Neuronen des paraventrikulären Hirnkerns gebildet und gespeichert. Gewisse Stimuli, wie Bruststimulation, zervikale und vaginale Dehnung, führen zu einer Freisetzung von Oxytocin in den Hypophysenhinterlappen. Von dort wird Oxytocin pulsatil in den systemischen Kreislauf abgegeben. Zusätzlich wird aus dem supraoptischen Hirnkern Vasopressin, das dem Oxytocin strukturell ähnlich ist, freigesetzt und gelangt auf demselben Weg in den Blutkreislauf. Oxytocin bindet peripher am Oxytocinrezeptor der Myometriumzelle und fördert verschiedene Mechanismen, die zum Kalziumeinstrom und dadurch zu einer Kontraktion führen. Zudem reguliert Oxytocin eine Synchronisation der Myometriumzellen durch Zunahme von „gap junctions“. Ein endogener Feedback-Mechanismus sorgt ante- und postpartal für die Regulation der Oxytocinkonzentration [8, 9]. Im Verlauf der Schwangerschaft nehmen die Oxytocinrezeptoren zu und erreichen eine 12-fache Konzentration am Termin bei Wehenbeginn. Die Konzentration an Oxytocinrezeptoren ist im Fundus und Corpus uteri höher als im Bereich des unteren Uterinsegmentes, im Bereich der Zervix ist sie am geringsten [10]. Außerdem wirkt es auf die Myoepithelzellen der Brustdrüsen kontraktil und löst die Milchejektion aus.

Das synthetisch hergestellte Oxytocin ist in seiner chemischen Zusammensetzung und seiner physiologischen Reaktion gleich wie das endogene Oxytocin. Es ist kostengünstig und wird als First-line-Uterotonikum eingesetzt. Es ist das am häufigsten verwendete Uterotonikum zur Geburtseinleitung, bei Wehenschwäche und postpartal in der Prävention und Therapie der PPH. Unmittelbar nach Abnabelung werden 3–5 IU („international units“) Oxytocin i.v. als Kurzinfusion über ca. 5 min gegeben. Als Bolusinjektion haben sich bereits adäquate Uteruskontraktionen nach der Gabe von 0,5–1 IU/ml Oxytocin nach 3 min gezeigt [11]. Der Wirkungseintritt bei intravenöser Applikation liegt innerhalb von 60 s bei einer Halbwertzeit von 4–10 min, bei intramuskulärer Applikation (maximal 10 I.E.) liegt der Wirkeintritt mit 3–5 min etwas später. Oxytocin muss kühl bei 2–8 °C gelagert werden.

Nach langhaltender und hoher Oxytocingabe zur Wehenunterstützung unter der Geburt kann eine Rezeptorsättigung auftreten. Eine Fall-Kontroll-Studie bei vaginaler Geburt zeigte, dass sowohl eine hohe Gesamtdosis (>4 IU) als auch die Dauer der maximalen Dosis (>210 min) von antepartal gegebenem Oxytocin das Risiko für eine PPH um das 2‑Fache erhöhte [12]. Inwieweit das Risiko einer PPH bei Sectio durch die antepartale Oxytocingabe erhöht ist, wird zurzeit in einer randomisierten, kontrollierten Studie (RCT) untersucht [13].

Oxytocin hat neben Nausea, Erbrechen und Kopfschmerzen relevante hämodynamische Nebenwirkungen, bedingt durch Vasodilatation bei höheren Dosen.

Hämodynamische Veränderungen sind u. a.:

  • Abfall des mittleren arteriellen Blutdrucks,

  • Reflextachykardie und

  • Erhöhung des in der Schwangerschaft bereits physiologisch erhöhten Herzminutenvolumens [1].

Bei mütterlicher Hypotension und kardiovaskulären Vorerkrankungen sind nach Bolusapplikation von Oxytocin Myokardischämien und Todesfälle beschrieben [14]. Jonsson et al. [15] zeigten in einer randomisierten Studie, dass bei einer Bolusgabe von 10 IU Oxytocin nach Sectio caesarea bei 29 % aller Frauen eine ST-Streckensenkung, bei 13 % eine Angina pectoris und bei 4,5 % eine Troponinerhöhung als Zeichen einer kardialen Ischämie auftraten. Diese Nebenwirkungen sind bei der Bolusgabe deutlich ausgeprägter als bei einer Kurzinfusion mit 5 IU über 5 min. Allerdings wurden in retrospektiven Daten auch vermehrter Blutverlust und die Notwendigkeit von manuellen Plazentalösungen nach der Kurzinfusionsgabe beschrieben [16]. Bei gleichzeitiger Anwendung von Medikamenten mit QT-Zeit-Verlängerung und Antihypertensiva ist aufgrund der Nebenwirkungen eine kontinuierliche Kreislaufüberwachung der Patientin notwendig. Bei hohen Dosierungen von Oxytocinbolus (>20 IU) kann eine Kreuzreaktion mit Vasopressin auftreten und zu einer Hyponatriämie im Sinn eine „Wasserintoxikation“ führen.

Die intramyometrale Gabe von 20 Einheiten Oxytocin bei Sectio caesarea führt zu einer ausgeprägteren hypotensiven Reaktion als die intravenösen Bolusgabe (5 IU) und wird nicht empfohlen [17].

Carbetocin

Carbetocin ist ein synthetisches Oxytocinanalogon mit einer langen Halbwertzeit von 40 min und mit einer dadurch langanhaltenden Uteruskontraktion [18, 19]. Es bindet kompetitiv an den Oxytocinrezeptor. Es existieren eine hitzestabile und eine -labile Form. Bisher ist es ausschließlich zur Anwendung bei der Sectio in Regionalanästhesie nach Entwicklung des Kindes und als einmalige Gabe von 100 μg i.v. alternativ zu Oxytocin zugelassen.

Nach Gabe von Carbetocin zeigen sich dieselben hämodynamischen Veränderungen wie bei Oxytocin: Abfall des systolischen Blutdrucks und Anstieg der maternalen Herzfrequenz [1]. Eine Gabe als Kurzinfusion hat den gleichen Effekt auf die Uteruskontraktion wie die Bolusgabe, jedoch weniger kardiale Nebenwirkungen, Carbetocin ist jedoch nur für die Prävention und nicht für die Therapie der PPH zugelassen.

Kontraindikationen für die Anwendung von Carbetocin sind Präeklampsie/Eklampsie, Überempfindlichkeit auf Oxytocin, Nieren- oder Lebererkrankungen, schwerwiegende kardiovaskuläre Erkrankungen, Epilepsie und die Anwendung zur Wehenauslösung vor der Geburt.

Prostaglandin E1/E2 als Second-line-PPH-Therapie

Misoprostol

Misoprostol ist ein synthetisches hitzebeständiges E1-Prostaglandin. Haupteinsatzgebiet ist die Behandlung von Geschwüren des Magens und Duodenums. Der Einsatz in der Geburtshilfe bei der Prävention und Behandlung von Blutungskomplikationen nach der Geburt, zur Weheneinleitung und beim Schwangerschaftsabbruch erfolgt im sog. Off-label-Use. Es steht neu seit 2015 (wieder) auf der „Model List of Essential Medicines for Treatment of PPH“ der WHO (World Health Organization; [20]). Die Applikation ist oral, sublingual oder rektal möglich. Die Wirkung tritt unabhängig von der Applikationsart nach etwa 20 min ein.

Zur Prävention einer PPH werden 400–600 μg p.o. empfohlen, wenn Oxytocin nicht zur Verfügung steht. Zur Therapie der PPH wird Misoprostol in einer Dosierung von 800–1000 μg rektal, 600 μg oral oder 400–800 μg sublingual nur bei fehlender Verfügbarkeit von Oxytocin oder anderen Uterotonika empfohlen [21]. Die sublinguale Applikation erreicht am schnellsten die höchste Spitzenkonzentration, ist aber auch mit den stärksten Nebenwirkungen assoziiert. Außerdem kann eine Aspirationsgefahr bei instabiler Situation bestehen [22]. Eine wichtige Rolle spielt Misoprostol in Ländern mit begrenzten Ressourcen, da die Kosten gering sind und die Lagerung ohne Kühlungsbedarf im Vergleich zu anderen Medikamenten einfach ist.

Als Nebenwirkungen können Schwindel und Kopfschmerzen auftreten. Shivering, Diarrhö und Fieber werden vor allem in höheren Dosierungen (ab 600 μg) und bei sublingualer Applikation beobachtet.

Kontraindikationen sind eine bekannte Überempfindlichkeit gegen Misoprostol, andere Inhaltsstoffe oder Prostaglandine.

Sulproston

Bei starker Blutung oder nach Therapieversagen von Oxytocin kommt vor allem Sulproston, ein Prostglandin-E2-Derivat, zum Einsatz, das über einen Infusomaten mit 500 μg in 500 ml Infusionslösung bei Bedarf bis maximal 500 ml/h verwendet werden darf. Die Tagesdosis darf 1500 μg nicht überschreiten. Die Gabe muss mittels einer Dauerinfusion erfolgen. Eine Bolusgabe oder die intramyometrale Gabe sind nicht zugelassen.

Sulproston führt im Gegensatz zu Oxytocin zu Dauerkontraktionen. Es kann nach vaginaler Geburt und nach Sectio gegeben werden. Sulproston sollte im Kühlschrank gelagert und im Fall einer schweren PPH griffbereit sein.

Zu den Nebenwirkungen zählen u. a. Spasmen in Ober- und Mittelbauch, Bronchokonstriktion, Druckerhöhung im Pulmonalkreislauf bis hin zum Lungenödem, Bradykardien und Myokardischämien. Besondere Vorsicht ist daher bei vorbestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren geboten.

Methylergometrin

Bei Methylergometrin handelt es sich um ein halbsynthetisches Medikament, das aus dem Mutterkornalkaloid Ergometrin hergestellt wird. Die Dosierung beträgt 0,1 mg, es sollte langsam intravenös verabreicht werden und verursacht ebenfalls eine uterine Dauerkontraktion. Die orale Applikationsform ist seit 2011 in Deutschland nicht mehr erhältlich [23]. Methylergometrin ist bei verstärkter postpartaler Blutung nach vaginaler Geburt und nach Sectio zugelassen, wird aber aufgrund des Nebenwirkungsprofils mit schweren mütterlichen Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen, Koronarspasmen, Myokardinfarkten und Angiopathie in den meisten deutschen und Schweizer Kliniken auch nicht mehr verwendet [24,25,26,27]. Weitere Nebenwirkungen sind Nausea, Erbrechen, Kopfschmerzen und Abdominalbeschwerden.

Wichtige Kontraindikationen sind vorbestehende und schwangerschaftsassoziierte Hypertonie, Präeklampsie/Eklampsie, ischämische Gefäßerkrankungen, schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Migräne, Raynaud-Syndrom und Sepsis. Die aktuellen Leitlinien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) empfehlen eine sorgfältige Risikoabwägung und einen äußerst vorsichtigen Einsatz von Methylergometrin [28]. Ergometrin muss gekühlt bei 2–8 °C gelagert werden.

Einzel- und Kombinationstherapien zur PPH-Prävention im Vergleich

Gemäß einer Cochrane-Metanalyse [29] sind Kombinationstherapien mit Ergometrin plus Oxytocin bzw. Carbetocin und Misoprostol plus Oxytocin die wirksamsten Kombinationen zur Prävention einer PPH. Die Kombinationen aus Ergometrin plus Oxytocin und Misoprostol plus Oxytocin zeigen aber auch die höchsten Nebenwirkungsraten mit Übelkeit, Hypertonie, Fieber und Shivering. Carbetocin weist das günstigste Nebenwirkungsprofil auf. Im Vergleich mit Oxytocin verhindert Carbetocin mehr Fälle von PPH, allerdings ist die Studiengröße klein und die Studienqualität gering. Die Kostenanalyse hinsichtlich Carbetocin bleibt derzeit unklar [29].

Anwendungsbereiche von Uterotonika

Die medikamentöse Therapie der PPH mit Kontraktionsmitteln muss in 2 Gruppen aufgeteilt werden, da im Wesentlichen zwischen der Prävention und der Therapie der postpartalen Hämorrhagie unterschieden wird.

Prävention der postpartalen Hämorrhagie

Die Prävention der PPH ist essenziell, um eine sichere Plazentationsperiode zu gewährleisten. Mit einer aktiven Leitung der Plazentaperiode („active management of third stage of labor“) sollen die zügige Plazentalösung und ein niedriger Blutverlust erreicht werden. Entscheidend hierfür ist der Einsatz von 3–5 Einheiten Oxytocin in einer Kurzinfusion nach Geburt des Kindes [30,31,32]. Dadurch können bis zu 79 % der verstärkten Blutungen post partum im Hochrisikokollektiv verhindert werden und es müssen keine weiteren Uterotonika verabreicht werden [33, 34].

Eine Oxytocinkurzinfusion nach der Geburt kann Blutungen im Hochrisikokollektiv verhindern

Die Gabe von Uterotonika liefert auch einen wichtigen Beitrag zum „patient blood management“, indem schwere Anämien und die Notwendigkeit für Bluttransfusionen vermieden werden können.

Die Ergebnisse aus der Cochrane-Analyse zeigen signifikante Vorteile beim Einsatz von Uterotonika:

  • Reduktion des Blutverlusts unter der Geburt,

  • Reduktion der schweren PPH (Blutverlust >1000 ml),

  • Reduktion der schweren Anämie postpartal (Hämoglobin <9 g/dl),

  • Reduktion von Bluttransfusionen und

  • Reduktion der Gabe von zusätzlichem Uterotonikum innerhalb 24 h nach der Geburt.

Die i.v.-Applikation sollte der i.m.-Applikation vorgezogen werden, da der Blutverlust und die Rate an Bluttransfusionen geringer sind, und eine Verlegung auf die Intensivstation seltener erforderlich ist [35].

Prävention nach vaginaler Geburt

Hinsichtlich des Risikos für PPH, Dauer der Plazentaperiode, Plazentaretention oder postpartalem Blutverlust besteht kein signifikanter Unterschied, ob Oxytocin vor oder erst nach Geburt der Plazenta gegeben wird [36]. Die WHO empfiehlt, die Gabe von Uterotonika innerhalb einer Minute nach Geburt des Kindes [37]. Die über viele Jahre postulierten und gängigen zusätzlichen Maßnahmen in der Plazentaperiode mittels kontrolliertem Zug und Abklemmen der Nabelschnur führen zu keiner signifikanten Reduktion des Blutverlusts [38]. Hitzestabiles Carbetocin i.m. erwies sich in einer Nichtinferioritätsstudie in der Prävention der PPH ebenso sicher und effektiv wie Oxytocin, das gekühlt werden muss. In Zukunft könnte das noch nicht auf dem Markt befindliche hitzestabile Carbetocin ein probates Mittel in Ländern sein, in denen Medikamente mit Hitzelabilität nicht angewendet werden können [39].

Ob die Oxytocingabe allein, eine Kombination von verschiedenen Uterotonika oder eine Kombination mit Tranexamsäure, einem Antifibrinolytikum, bei Frauen mit erhöhtem Risiko für eine PPH sinnvoll ist, bleibt zur Zeit in Diskussion, auch wenn Daten aus Metanalysen zeigen, dass eine Kombination effizienter ist und die frühzeitige Gabe von Tranexamsäure die Rate an PPH reduziert [41].

Prävention nach Sectio

Nach der Geburt des Kindes mittels Sectio caesarea sollte entsprechend dem Expertenkonsensus der aktuellen AWMF-Leitlinie [28] ebenfalls eine PPH-Prophylaxe mit Kontraktionsmittel durchgeführt werden. Hierfür stehen entweder Oxytocin oder Carbetocin zur Verfügung. Carbetocin scheint dabei Oxytocin hinsichtlich des Einsatzes weiterer therapeutischer Maßnahmen überlegen zu sein [42].

Therapie der postpartalen Hämorrhagie nach vaginaler Geburt und nach Sectio

Die WHO definiert einen Blutverlust von ≥500 ml unabhängig vom Geburtsmodus als PPH.

Im deutschsprachigen Raum werden jedoch je nach Geburtsmodus adaptierte Grenzen empfohlen:

  • Blutverlust von ≥500 ml nach vaginaler Geburt und

  • Blutverlust von ≥1000 ml nach Sectio caesarea.

In bis zu 60 % tritt eine verstärkte Nachblutung ohne Vorliegen von Risikofaktoren auf, so dass neben der beschriebenen Prävention bei jeder Frau unmittelbar postpartal eine engmaschige Überwachung notwendig ist, um frühzeitig die Blutung zu erkennen und zu handeln. Die uterine Atonie ist der häufigste Grund für eine PPH.

Der Einsatz von Uterotonika steht an erster Stelle bei der Behandlung der PPH, da durch die Kontraktion des Uterus die Wundfläche und der Querschnitt der transmuralen Gefäße signifikant reduziert werden können mit konsekutiv reduzierter Blutung.

Uterotonika stehen bei der Behandlung der PPH an erster Stelle

Ursachen für eine uterine Atonie sind [43]:

  • vorausgehende Erkrankungen und maternale Faktoren wie Präeklampsie, Adipositas, Alter, Ethnizität (z. B. hispanoamerikanisch; [44, 45]),

  • lokale Infektionen oder azidotische Veränderung des uterinen Gewebes wie Chorioamnionitis,

  • gestörte Aktin-Myosin-Interaktion durch Überdehnung des Uterus, z. B. Polyhydramnion, Mehrlinge, Makrosomie,

  • funktionelle Downregulation von Oxytocinrezeptoren durch lange Einleitungsdauer oder hohen Einsatz von Wehenmitteln während der Geburt [46] und

  • Blockierung der uterinen Kontraktilität durch gleichzeitige Anwendung von wehenhemmenden Medikamenten.

Voraussetzung für die Wirksamkeit von Uterotonika bei Atonie sind der Zeitfaktor sowie das Erkennen von anderen Ursachen, die zur PPH beitragen. Additiv werden Uterotonika zur Förderung der Kontraktilität auch in der Kombination mit mechanischen oder chirurgischen Methoden nach Behandlung anderer Ursachen für eine PPH gegeben. Eine Übersicht über die gängigsten Uterotonika in der Therapie der PPH zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Übersicht über gängige Uterotonika in der Therapie einer PPH

Folgender Einsatz von Uterotonika, so wie er auch im D‑A-CH-Algorithmus beschrieben ist, hat sich bewährt:

  1. 1.

    i.v.-Gabe von Oxytocin 3–5 IU (ggf. Gabe einer weiteren Dosis)

  2. 2.

    Parenterale Gabe von Oxytocin (40 IU in 500 ml isotonischer Lösung mit 125 ml/h) außer bei Notwendigkeit einer Flüssigkeitsrestriktion

  3. 3.

    Falls die Gabe von Oxytocin nicht erfolgreich war, Infusion von Sulproston

  4. 4.

    Falls kein Sulproston verfügbar ist, Gabe von 800 μg Misoprostol rektal oder 600 μg oral

Erste Wahl ist meist Oxytocin. Hiervon dürfen maximal 6 IU unverdünnt langsam intravenös appliziert werden. Risikoärmer ist die Applikation von 3–5 IU in 10 ml Natriumchlorid 0,9 % als i.v.-Kurzinfusion. In einer Dauerinfusion können zusätzlich 10–40 IU Oxytocin in 500–1000 ml Ringerlaktatlösung verabreicht werden [47, 48].

Der rechtzeitige Wechsel auf Sulproston kann ein Qualitätsindikator für das Geburtshilfeteam sein

Die Gabe von Carbetocin bei PPH ist derzeit noch nicht ausreichend durch Studien belegt und wird daher nur in Einzelfällen beschrieben [42].

Bei Versagen bzw. Nichtansprechen von First-line-Uterotonika soll ohne zeitliche Verzögerung die Gabe von Oxytocinrezeptoragonisten gestoppt und auf Prostaglandine umgestellt werden [49], wobei hier meist Sulproston zum Einsatz kommt. Sulproston mit seinen geringen Nebenwirkungen und dem guten Wirkprofil wird häufig zu spät eingesetzt. Es kann sogar als Indikator für die Qualität des geburtshilflichen Teams gewertet werden, wenn bei einer schweren PPH der rechtzeitige Wechsel auf Sulproston erfolgt [40]. Misoprostol mit seinem verzögerten Wirkeintritt sollte nur bei Fehlen anderer Möglichkeiten verwendet werden. Eine Cochrane-Metaanalyse zeigte, dass in der First-line-Therapie die Gabe von Oxytocin effektiver und nebenwirkungsärmer war als die von Misoprostol. Wenn zuvor jedoch schon Uterotonika zur Prophylaxe eingesetzt worden waren, war der Effekt beider Medikamente vergleichbar [50].

Fazit für die Praxis

  • Eine engmaschige Überwachung nach jeder Geburt ist wichtig, da eine PPH auch ohne Risikofaktoren auftreten kann.

  • Zur Prävention der PPH werden 3–5 Einheiten Oxytocin in einer Kurzinfusion während ca. 5 min nach Geburt des Kindes gegeben. Nach Sectio steht auch Carbetocin, ein Oxytocinagonist mit längerer Halbwertzeit, in einer einmaligen Gabe von 100 μg i.v. als Kurzinfusion zur Verfügung.

  • Zur Behandlung der PPH werden Uterotonika wie folgt angewendet:

    1. I.v.-Gabe von Oxytocin 3–5 IU als Kurzinfusion oder unverdünnt langsam i.v. (ggf. Gabe einer weiteren Dosis)

    2. Parenterale Gabe von Oxytocin (40 IU in 500 ml isotonischer Lösung mit 125 ml/h)

    3. Bei Nichtansprechen: Oxytocininfusion stoppen und Sulprostoninfusion beginnen

    4. Falls kein Sulproston verfügbar ist: 800 μg Misoprostol rektal oder 600 μg oral

  • Achtung: Die Anwendung aller Uterotonika bei Patientinnen im hämorrhagischen Schock führt zu verstärkten hämodynamischen Nebenwirkungen.