Einleitung und Problematik

In unserem vorausgehenden Artikel [1] konnten wir darstellen, welche Tarifvertragsänderungen auf urologische Kliniken zukommen, um die Arbeitsbedingungen in den Kliniken zu verbessern. Die rechtliche Verantwortung für die Ausformulierung dieser Tarifvertragsänderungen, für die kommunalen Kliniken in der Fassung vom 1. Januar 2021 [2], für die Universitätskliniken in der Fassung vom 7. März 2020 [3], tragen die Tarifparteien, namentlich die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), entsprechende private Klinikträger sowie die Gewerkschaft Marburger Bund. Zu diesen Tarifvertragsänderungen gehörte auch eine Begrenzung und strengere Regulierung der ärztlichen Arbeitszeiten.

Der nun vorliegende Folgeartikel beschäftigt sich mit den rechtlichen Konsequenzen chronischer Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz in der Medizin, insbesondere aber in chirurgischen Fächern wie der Urologie. Der Artikel gibt neben Begriffsdefinitionen zunächst eine Übersicht über geltendes Recht und Sanktionierungen von Verstößen und beleuchtet Zuständigkeiten sowie Ausnahmeregelungen. Abschließend werden Lösungsansätze und Hinweise präsentiert, die leitenden Ärzten als Hilfestellung dienen können.

Sanktionen bei Arbeitszeitverstößen

Bei Arbeitszeitverstößen sieht das Arbeitszeitgesetz (ArbZG; [4]) die Sanktionierung des Arbeitgebers durch Bußgelder und in bestimmten Fällen sogar die Verhängung von Freiheitsstrafen vor. Nach § 22 ArbZG kann jeder Arbeitszeitverstoß (insbesondere Überschreitung der Höchstarbeitszeit; Nichtgewährung oder Gewährung von zu kurzen Ruhepausen; Nichtgewährung oder Gewährung von zu kurzen Mindestruhezeiten; keine ordnungsgemäße Erfassung und Aufbewahrung der Arbeitszeiten) durch die Aufsichtsbehörden als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 € geahndet werden (lediglich für den Nichtaushang eines Exemplars des Arbeitszeitgesetzes maximal 5000 €). Der Gesetzgeber hat die maximale Höhe der Bußgelder mit Wirkung seit dem 01.01.2021 verdoppelt (vorher betrug das maximale Bußgeld 15.000 € bzw. 2500 €).

Wann liegt ein Arbeitszeitverstoß vor?

Um zu beurteilen, ob ein Arbeitszeitverstoß vorliegt, kommt es im Bereich der Krankenhäuser immer auf die Bestimmungen im anwendbaren Tarifvertrag an. Denn die anwendbaren Tarifverträge sehen zulässigerweise abweichende Regelungen zur Höchstarbeitszeit und Ruhezeiten vor; § 7 ArbZG erlaubt die Festlegung abweichender Regelungen per Tarifvertrag. Zudem gilt für viele Ärzte die sog. Opt-out-Regelung. § 7 Abs. 2a, 7 ArbZG erlaubt tarifliche Regelungen, nach denen die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 48 h dauernd überschritten werden kann, wenn regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst geleistet wird und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. § 10 Abs. 5 des TV-Ärzte/VKA (anwendbar im Bereich der kommunalen Krankenhäuser; die in den Universitätskliniken und Privatkliniken anwendbaren, ebenfalls vom Marburger Bund verhandelten Tarifverträge enthalten ähnliche Regelungen) sieht die Möglichkeit der sog. Opt-out-Regelung vor mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 56 h (Referenzzeitraum zur Berechnung des Durchschnitts: 6 Monate gemäß § 10 Abs. 6 TV-Ärzte/VKA; in Universitätskliniken 58 h für Bereitschaftsdienststufe I und 54 h für Bereitschaftsdienststufe II; in privaten Kliniken teilweise 60 h). In begründeten Einzelfällen können auf Landesebene separate Tarifverträge geschlossen werden, die bis zu 66 h pro Woche vorsehen. Damit die Opt-out-Regelung Anwendung findet, muss der Arzt schriftlich sein Einverständnis erklärt haben, allein die Bestimmung im Tarifvertrag reicht nicht aus [5]. Eine erteilte Einwilligung kann gemäß § 7 Abs. 7 ArbZG mit einer Frist von 6 Monaten schriftlich widerrufen werden und dem Arbeitnehmer dürfen keine Nachteile entstehen bei Nichterteilung oder Widerruf der Einwilligung. Relevant ist also immer, ob die im Tarifvertrag vorgesehenen Grenzen (unter Beachtung der Opt-out-Regelung, sofern anwendbar) überschritten werden und nicht die im Arbeitszeitgesetz geregelten Grenzen.

Ein Beispiel: Gemäß § 3 ArbZG beträgt die maximale tägliche Arbeitszeit 10 h. § 10 Abs. 2 des TV-Ärzte/VKA erlaubt eine tägliche Höchstarbeitszeit von bis zu 24 h, sofern mindestens die 8 h überschreitende Zeit als Bereitschaftsdienst abgeleistet wird. Arbeitet ein Arzt 25 h am Stück (einschließlich Bereitschaftsdienst), wird die zulässige Arbeitszeit um 1 h überschritten und im Falle einer Kontrolle auf dieser Grundlage ein Bußgeld verhängt.

Bei den Mindestruhezeiten gibt es Sonderregelungen für die in der Regel von Fach- bzw. Oberärzten (Tarifgruppen Ä2-Ä4) ausgeübten Rufbereitschaftsdienste (sog. Hintergrunddienste). Für Bereitschaftsdienste gelten auch in diesen Tarifgruppen dagegen die allgemeinen Regelungen ohne Möglichkeit der Verkürzung von Ruhezeiten. Nach § 5 Abs. 1 ArbZG beträgt die gesetzliche Mindestruhezeit 11 h. In Krankenhäusern kann sie auf 10 h verkürzt werden, wenn jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von 4 Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens 12 h ausgeglichen wird (§ 5 Abs. 2 ArbZG). Darüber hinaus kann die Mindestruhezeit auf bis zu 5,5 h verkürzt werden und zu einem anderen Zeitpunkt ausgeglichen werden, wenn die Arbeitnehmer gleichzeitig Rufbereitschaft leisten und hierbei zur Arbeitsleistung herangezogen wurden für maximal 5,5 h (§ 5 Abs. 3 ArbZG). Das bedeutet, wenn im Rahmen einer Rufbereitschaft eine Inanspruchnahme von insgesamt maximal 5,5 h stattfindet, reicht es aus, wenn mindestens einmal 5,5 h ununterbrochene Ruhezeit gewährt werden. Soweit diese Anforderung (mindestens 5,5 h ununterbrochene Ruhezeit) erfüllt ist, kann der Arzt nach dem Rufbereitschaftsdienst wieder seinen normalen Arbeitstag aufnehmen und unmittelbar den nächsten Dienst antreten, ohne eine zusätzliche Ruhezeit einhalten zu müssen [6]. Zur Berechnung der Höchstgrenze von 5,5 h Einsatzzeit während der Rufbereitschaft werden alle Einsätze während des Rufbereitschaftsdienstes summenmäßig addiert [7]. Überschreiten die Einsatzzeiten während des Rufbereitschaftsdienstes 5,5 h, muss der Arzt vor Antritt des nächsten Dienstes eine Mindestruhezeit von 10 h (verbunden mit späterem Ausgleich) einhalten. Einen Zeitraum, innerhalb dessen der Ausgleich der durch die Rufbereitschaft verkürzten Ruhezeit zu erfolgen hat, legt das Gesetz nicht fest. Gleichwohl muss dies innerhalb angemessener Zeit geschehen [7]. Der Ausgleich kann auch während anderer Rufbereitschaftszeiten, insofern keine Arbeitsleistung während dieser Zeit erbracht wird, erfolgen [8]. Die vorgenannten Regelungen gelten für alle Ärzte (außer Chefärzten) unabhängig von ihrer tariflichen Einstufung. Auch der Abschluss von AT-Verträgen (außertarifliche Arbeitsverträge) kann Arbeitszeitverstöße nicht verhindern, da auch für Ärzte mit einem AT-Arbeitsvertrag weiterhin dieselben gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften gelten. Lediglich für Chefärzte gilt das Arbeitszeitgesetz gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nicht.

Höhe der Bußgelder in der Praxis

Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI), ein koordinierendes Gremium bestehend aus Vertretern der obersten Arbeitsschutzbehörden aller Bundesländer, hat einen Bußgeldkatalog erlassen, der fortlaufend aktualisiert wird. Nach der aktuellen 2. überarbeiteten Auflage aus März 2020 [9] beträgt das Bußgeld z. B. bei Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit bis zu 1 h je Arbeitnehmer 80 €, bei Überschreiten von mehr als 1 h je angefangene weitere halbe Stunde 100 €. Wird der wöchentliche Durchschnitt von maximal 48 h (bzw. die nach Tarifvertrag zugelassene Grenze) überschritten, werden für jede angefangene Stunde der Überschreitung 600 € fällig. Für jede nicht gewährte Ruhepause muss der Arbeitgeber 400 € zahlen. Dadurch, dass der gesetzliche Bußgeldrahmen mit Wirkung zum 01.01.2021 verdoppelt worden ist, ist davon auszugehen, dass die Behörden auch die Regelsätze entsprechend verdoppeln und dies voraussichtlich bei der nächsten Aktualisierung an die aktuelle Gesetzeslage anpassen werden. Dieser Bußgeldkatalog ist eine verwaltungsinterne Richtlinie, die für die Gerichte keine Bindungswirkung hat. Jedoch orientieren sich die Aufsichtsbehörden, die gemäß § 17 Abs. 3 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG; [10]) im Rahmen der nach ihrem Ermessen festzusetzenden Höhe des Bußgeldes immer auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der verantwortlichen Person berücksichtigen müssen, in der Praxis an den festgelegten Regelsätzen. Jede Geldbuße, die über 200 € hinausgeht, wird gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 3 Gewerbeordnung (GewO) in das Gewerbezentralregister eingetragen [11].

Wer haftet?

Verantwortlich für Arbeitszeitverstöße ist nach dem ArbZG der Arbeitgeber, also in Krankenhäusern der Krankenhausträger. Neben dem Krankenhausträger besteht aber auch für Chefärzte ein persönliches Haftungsrisiko, wenn sie von der Klinikleitung mit der Personalplanung beauftragt werden. Dies gilt auch im Falle einer Subdelegation der Personalplanung vom Chefarzt auf den Oberarzt. Eine solche Beauftragung durch die Klinikleitung muss jedoch ausdrücklich erfolgen, was in der Praxis nicht immer eindeutig ist.

Beispielhaft sei hier eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Jena vom 02.09.2010 [12] genannt, welcher der folgende Sachverhalt zugrunde lag: Dem Chefarzt der Abteilung eines Kreiskrankenhauses wurden 83 dokumentierte Verstöße gegen die Regelung zur täglichen Höchstarbeitszeit vorgeworfen. Die Aufsichtsbehörde erließ einen Bußgeldbescheid in Höhe von 6387,50 €, nach Einspruch des Arztes verurteilte das Amtsgericht ihn zu einem Bußgeld in Höhe von 2000,00 €. Das OLG hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung zurück, da das Amtsgericht die Verantwortung des Chefarztes für die Kontrolle der Arbeitszeiten nicht ausreichend festgestellt hatte, insbesondere nicht die Bestimmungen des Dienstvertrags geprüft hatte. Die vom Amtsgericht angeführte Verantwortung für die Erstellung der Dienstpläne und den Einsatz der unterstellten Ärzte reicht nach Auffassung des OLG Jena allein nicht aus, um von einer ausreichenden ausdrücklichen Beauftragung auszugehen. Zudem hatte das Amtsgericht argumentiert, der Chefarzt sei befugt gewesen, im Falle von Personalmangel darauf hinzuwirken, gegebenenfalls durch Umstrukturierung, Verkleinerung bzw. Zusammenlegung von Abteilungen eine gesetzeskonforme Arbeitszeit zu ermöglichen, ohne dies jedoch ausreichend zu belegen. Zugleich stellt das OLG Jena klar, dass eine etwaige Einwilligung der Ärzte, freiwillig länger zu arbeiten, den Chefarzt nicht entlasten kann.

Aus dieser Gerichtsentscheidung folgt, dass bei klarer vertraglicher Aufgabenübertragung durchaus ein Haftungsrisiko für Chefärzte besteht. Chefärzte müssen sich dem bewusst sein und bei festgestellten Arbeitszeitverstößen so früh wie möglich Alarm schlagen. Klinikleitungen müssen darauf achten, in den entsprechenden Dienstverträgen mit ihren Chefärzten die Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften sorgfältig und klar zu dokumentieren, um in einem Fall von durch den Chefarzt geduldeten Verstößen Maßnahmen ergreifen zu können und im Falle einer Verurteilung der Klinikleitung (diese bleibt als Arbeitgeber in jedem Fall verantwortlich) gegebenenfalls den Chefarzt in Regress nehmen zu können. Dem Chefarzt ist die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften natürlich nur dann möglich, wenn ihm vom Krankenhausträger genügend Personal zur Verfügung gestellt wird. Können die Dienste mit dem ihm zur Verfügung gestellten Personal nicht im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes abgedeckt werden, sollte der Chefarzt den Krankenhausträger schriftlich auf diesen Umstand hinweisen und um mehr Personal bitten, um sich im Rahmen einer Prüfung durch die Aufsichtsbehörden entlasten zu können [13]. Der Chefarzt ist jedoch nicht verpflichtet, neben der Klinikleitung unmittelbar Aufsichtsbehörden einzuschalten. Durch die Information an die Klinikleitung ist diese verantwortlich und muss Abhilfe schaffen.

Strafrechtliche Risiken

Werden die Arbeitszeitverstöße vorsätzlich (d. h. bewusst und zumindest unter billigender Inkaufnahme) begangen und dadurch Gesundheit oder Arbeitskraft eines Arbeitnehmers gefährdet (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG) oder beharrlich wiederholt (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG), handelt es sich gar um Straftaten und den Verantwortlichen (Klinikleitung und/oder Chefärzten) drohen eine Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätze. Kann kein Vorsatz nachgewiesen werden, beträgt die Strafe für fahrlässig begangene Taten maximal 6 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätze.

Konkrete Gesundheitsgefährdung

Ob eine durch den Arbeitszeitverstoß verursachte konkrete Gefährdung der Gesundheit des betroffenen Arztes vorgelegen hat, richtet sich insbesondere nach dem Grad der Beanspruchung, der übermäßigen Dauer der Arbeitszeit sowie der Nichteinhaltung von Ruhezeiten und Pausen [14]. Grundsätzlich ist nach der juristischen Kommentarliteratur schon eine deutliche Übermüdung ausreichend für eine solche Gefährdung, sofern diese nicht auf dem außerbetrieblichen Verhalten des Arbeitnehmers beruht, das dem Arbeitgeber nicht anzulasten ist [15].

Beharrliche Wiederholung

Wann eine „beharrliche Wiederholung“ im Sinne des ArbZG vorliegt, wird im Einzelfall vom jeweiligen Gericht beurteilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der beharrlichen Wiederholung gewerberechtlicher Verstöße [16], die nach einhelliger Auffassung in der juristischen Literatur auch bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG Anwendung findet [17, 18], stellt nicht jede Wiederholung einer Ordnungswidrigkeit bereits eine Straftat dar. Der Begriff der „beharrlichen“ Wiederholung von Verstößen setzt vielmehr ein besonders hartnäckiges Verhalten voraus, durch das die rechtsfeindliche Einstellung des Täters gegenüber den in Frage kommenden gesetzlichen Normen deutlich wird, obwohl er schon wegen der Folgen vorangegangener Zuwiderhandlungen Erfahrungen gesammelt haben müsste. Dazu bedarf es nicht zwingend eines vorangegangenen abgeschlossenen Bußgeldverfahrens oder einer strafrechtlichen Sanktion wegen der gleichen Zuwiderhandlung.

So ist das Landgericht Saarbrücken in einem 2016 entschiedenen Fall z. B. von einer beharrlichen Wiederholung ausgegangen bei einem Arbeitgeber, der insgesamt sechs Arbeitnehmer für jeweilige Zeiträume zwischen ca. 1 und 4 Monaten über die Grenzen der zulässigen Arbeitszeit hinaus beschäftigte und keine Ruhepausen gewährte [19]. Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, wobei der Arbeitgeber dort neben den Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz noch wegen Betruges sowie Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (jeweils Strafrahmen bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe) verurteilt worden ist.

Ausnahmsweise Überschreitung der Arbeitszeit in Notfällen?

Nach § 14 Abs. 1 ArbZG kann ausnahmsweise die Höchstarbeitszeit überschritten werden bei vorübergehenden Arbeiten in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind. Das Krankenhaus kann sich jedoch nur in ganz seltenen Fällen auf diese Ausnahmevorschrift berufen. Denn nach der Rechtsprechung müssen die ärztlichen Dienste in Krankenhäusern so organisiert werden, dass medizinische Notfälle im Rahmen der gesetzlich zulässigen Arbeitszeiten bewältigt werden können, z. B. durch versetzte Dienste oder Schichtdienste. Bei strukturellen Mängeln des Dienstplans kann sich der Arbeitgeber nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 14 ArbZG berufen [20]. Eine rechtlich zulässige Überschreitung der Höchstarbeitszeit ist lediglich möglich z. B. bei Katastrophenfällen oder einem Massenunfall [17].

Verjährung von Arbeitszeitverstößen

Die durch Arbeitszeitverstöße begangenen Ordnungswidrigkeiten verjähren seit Anhebung des Bußgeldrahmens zum 01.01.2021 in 3 Jahren nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG, für Arbeitszeitverstöße bis einschließlich dem 31.12.2020 beträgt die für Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldrahmen bis maximal 15.000 € maßgebliche Verjährungsfrist von 2 Jahren gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG [21]. Handelt es sich um eine Straftat (vorsätzliche Begehung oder beharrliche Wiederholung), beträgt die Verjährung ebenfalls 3 Jahre nach § 78 Abs. 3 Nr. 5 Strafgesetzbuch (StGB; [22]).

Fazit

Die genannten Beispiele machen klar, dass die Verteilung der Zuständigkeiten hinsichtlich der Arbeitszeiten im betroffenen Betrieb essentiell ist, um Geldstrafen und im schlimmsten Falle Freiheitsstrafen zu vermeiden. Es gilt zu klären, wer im konkreten Fall von beharrlichen Arbeitszeitverstößen haftet, nämlich Klinikträger, Klinikleitung oder der Chefarzt/Abteilungsleiter. Dazu muss geklärt sein, ob eine klare Aufgabenübertragung zur Personalplanung von der Klinikleitung auf den Chefarzt vorliegt.

Die Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer sollte, wie oben beschrieben, regelmäßig durch den Chefarzt geprüft und an die Klinikleitung gemeldet werden. Eine dauerhafte Berufung auf die Ausnahmevorschrift § 14 Abs. 1 ArbZG (Arbeitszeitgesetz) ist nur bei Katastrophen oder Massenunfällen anwendbar und stellt daher keine dauerhafte Entlastung dar.

Die Implementierung von Dienstmodellen, die eine freiwillige Verlängerung der Dienstzeit über die tariflich vorgesehene Arbeitszeit voraussetzen (z. B. sog. Opt-out-Regelungen), sollte zwischen allen beteiligten Parteien (Geschäftsführung, Personalabteilung, Chefarzt, Ober- und Assistenzärzten) schriftlich vereinbart werden. Diese ist damit dann für alle Unterzeichnende bindend.

Festgestellte Arbeitszeitverstöße sollten der Klinikleitung so früh wie möglich gemeldet werden. Sind diese durch akuten oder chronischen Personalmangel bedingt, sollte hierauf im Falle der Meldung explizit hingewiesen werden. Vorausgehend ist zu prüfen, ob strukturelle Mängel im Dienstplan vorliegen oder die Verstöße durch eine Umstellung der Dienstmodelle, wie wir sie bereits im vorausgegangenen Artikel vorgestellt hatten, behoben werden können. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass es dadurch zu einer erheblichen Verschlechterung der ärztlichen Weiterbildungsmöglichkeiten bzw. Ausbildung kommen kann, so dass auf Dauer die Vereinbarkeit von arbeitszeitgerechter Weiterbildung nur mit ausreichender personeller Ausstattung der Kliniken zu stemmen scheint. Dies steht z. T. diametral zu ökonomischen Interessen im Gesundheitswesen und stellt damit ein schier unlösbares Dilemma dar. Hier bedarf es aus der Sicht des Arbeitskreises in naher Zukunft struktureller Änderungen im Fallpauschalen (DRG) basierten, stationären Sektor.

Wir werden uns dieser Diskussion und möglichen Lösungsansätzen, auch vor dem Hintergrund des kürzlich etablierten, strukturierten Weiterbildungscurriculums (WECU) der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU), in einem dritten Artikel widmen.