Zusammenfassung
Hintergrund
Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) sind seit wenigen Jahren in der Uroonkologie zugelassen. Real-world-Erfahrung zu Nutzen und Risiken bei neuartigen Nebenwirkungen liegt kaum vor.
Material und Methoden
In einer retrospektiven Analyse wurden an zwei Krankenhäusern in Deutschland von 2016–2021 Patienten erfasst, die aufgrund eines metastasierten Nierenzell- (NCC) oder Urothelkarzinoms (UCA) eine ICI-Therapie erhielten. Es wurde das radiologische Ansprechen, das progressionsfreie Überleben (PFS) sowie Nebenwirkungen, die zu einer Therapieunterbrechung führten, erhoben. Das onkologische Ansprechen wurde den Zulassungsstudien gegenübergestellt.
Ergebnisse
Bei 145 Patienten (111 Männer [77 %] und 34 Frauen [23 %]) wurden 1185 ICI-Zyklen appliziert. 64 (44,1 %) Patienten mit NCC und 81 (55,9 %) Patienten mit UCA erhielten eine ICI-Therapie. Von 141 Patienten mit Verlaufsbildgebung wurde ein objektives Ansprechen bei 21,3 % (n = 13) der Patienten mit NCC und 20,0 % (n = 16) mit UCA beobachtet (mediane Ansprechdauer 14,9 (3,0–51,3) Monate). Das PFS betrug bei Patienten mit NCC im Median 5,3 Monate und mit UCA 4,8 Monate. ICI-assoziierte Nebenwirkungen mit der Notwendigkeit einer Therapieunterbrechung wurden bei 17,2 % der NCC- und 20,9 % der UCA-Patienten beobachtet. Hierbei handelte es sich am häufigsten um renale (5,5 %: Nephritis) und gastrointestinale (4,8 %: Kolitis, Diarrhö) Nebenwirkungen. 22 (15,1 %) Patienten mussten deshalb hospitalisiert werden.
Schlussfolgerung
Diese Real-world-Erfahrung kann die patientenzentrierte Beratung in der Therapieentscheidung unterstützen. Weitere Studien zu prognostischen Faktoren sind notwendig. Therapieunterbrechungen sind häufig und das Nebenwirkungsspektrum erfordert eine interdisziplinäre Behandlung.
Abstract
Background
Immune checkpoint inhibitors (ICI) have been approved in uro-oncology for a few years. Real-world experience regarding benefits and risks with novel side effects are rare.
Materials and methods
In a retrospective analysis, all patients who received ICI therapy due to metastatic renal cell carcinoma (NCC) or urothelial carcinoma (UCA) were enrolled at two maximum care hospitals in Germany between July 2016 and May 2021. Radiologic response, progression-free survival (PFS), and adverse events leading to treatment interruption were collected. Oncologic response was compared to randomized controlled trials.
Results
In all, 1185 ICI cycles were administered to 145 patients (111 men [77%] and 34 women [23%]): 64 (44.1 %) patients with NCC and 81 (55.9%) patients with UCA received ICI therapy. Of 141 patients with radiological follow-up, an objective response was observed in 21.3% (n = 13) of patients with NCC and 20.0% (n = 16) with UCA (median duration of response 14.9 months [3.0–51.3]). Median PFS was 5.3 months in patients with NCC and 4.8 months with UCA. ICI-associated adverse events requiring treatment interruption were observed in 17.2% patients with NCC and 20.9% with UCA. These were most commonly renal (5.5%: nephritis) and gastrointestinal (4.8%: colitis, diarrhea) adverse events. Hospitalization was required for 22 (15.1%) patients.
Conclusion
This real-world experience may support patient-centered consultation in treatment decision-making. Further studies on prognostic factors are needed. Therapy interruptions are frequent and the spectrum of side effects requires interdisciplinary treatment.
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Hintergrund und Fragestellung
Innerhalb der letzten Jahre stellen die Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) einen der Haupterfolge der aktuellen Tumortherapie zur Behandlung des metastasierten Nieren- (NCC) und Urothelkarzinoms (UCA) dar. Beide Tumoridentitäten gelten als besonders immunogen [1]. Im Gegensatz zur klassischen Chemotherapie unterstützen ICI das Immunsystem beim körpereigenen Angriff auf den Tumor [2]. Mit dem Einsatz der ICI wachsen die Anforderungen an onkologisch tätige Urologen. Diese bestehen darin, das ICI-spezifische Tumorverhalten, aber auch ein vollkommen neues ICI-assoziiertes Nebenwirkungsspektrum zu managen. Nur so kann eine präzise Indikationsstellung und sichere Behandlung gewährleistet werden.
Nierenzellkarzinom
In Deutschland werden pro Jahr ca. 15.500 Neuerkrankungen sowie 5000 Todesfälle durch das NCC erfasst [3]. Nach abgeschlossener positiver Phase-III-Studie (CheckMate 025, [4]) mit einer signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens im Vergleich zu Everolimus wurde Nivolumab als erster ICI für das metastasierte NCC in der Zweitlinienbehandlung nach Progress unter Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) im November 2015 von der European Medical Agency (EMA) zugelassen. Aufgrund der positiven Ergebnisse der CheckMate-214-Studie erfolgte die Zulassung der Kombination der beiden ICI Nivolumab (PD-1-Antikörper) und Ipilimumab (CTLA-4-Antikörper) für die Erstlinienbehandlung des metastasierten und lokal fortgeschrittenen NCC anschließend im Januar 2019 [5]. Die nächste Zulassung folgte mit der Kombination der TKI mit ICI [6, 7]. Zu den aktuell zugelassenen und getesteten Kombinationen zählen u. a. Pembrolizumab mit Axitinib, Ipilimumab mit Nivolumab und seit neuestem auch Axitinib und Avelumab.
Urothelkarzinom
Das UCA ist weltweit der neunt-häufigste Tumor und stellt eine der aggressivsten Tumorentitäten mit einem 5‑Jahres-Gesamtüberleben von nur 5 % im metastasierten Stadium dar [8]. In der Erstlinientherapie sind im metastasierten Stadium sowohl Pembrolizumab als auch Atezolizumab zugelassen, sofern ein positiver Immunstatus und Kontraindikationen für Cisplatin vorliegen [10]. Als Zweitlinienmedikamente sind die ICI Atezolizumab, Nivolumab [9] und Pembrolizumab [11] von der EMA zugelassen. Zudem gewinnt bei immer häufiger angewandten Immuntherapien aktuell die Erhaltungstherapie mit ICI zunehmend an Bedeutung.
Die Übertragung von Nutzen und Nebenwirkungen der ICI von Phase-II/III-Studien auf ein klinisch repräsentatives Patientenkollektiv sind unklar. Dies sind Gründe für die Notwendigkeit von Real-world-Daten aus der Routineversorgung.
Ziel dieser Studie war es das Ansprechen von ICI bei Patienten mit metastasiertem NCC und UCA in einer Real-world-Kohorte im Vergleich zu den Zulassungsstudien und die Therapieunterbrechungen durch immuntherapieinduzierte Nebenwirkungen darzustellen. Dadurch sollen die partizipative Entscheidungsfindung im metastasierten Stadium vor Beginn einer Immuntherapie und die Abwägung gegen eine beste supportive Therapie verbessert werden.
Design und Untersuchungsmethoden
In der retrospektiven Analyse wurden alle Patienten erfasst, die bei metastasiertem NCC oder UCA im Zeitraum zwischen Juli 2016 und Mai 2021 an der Klinik für Urologie und Urochirurgie der Universitätsmedizin Mannheim und am Krankenhaus der Maximalversorgung Klinikum Ludwigshafen eine ICI erhielten. Das letzte Daten-Update der Nachverfolgung wurde am 12.05.2021 vorgenommen. Die Analyse wurde durch die Ethikkommission II der Universität Heidelberg und die Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz genehmigt (Studiennummer 2015-549N-MA). Die Daten des Klinikums Ludwigshafen wurden anonymisiert zur Verfügung gestellt, weshalb Daten mit Personenbezug nicht erfasst werden konnten.
Eingeschlossen wurden alle Patienten, die mindestens einen Zyklus Pembrolizumab, Pembrolizumab + Axitinib, Ipilimumab + Nivolumab, Nivolumab oder Atezolizumab erhalten haben.
In einer Cloud-basierten Datenbank (Climedo Health GmbH, Deutschland) wurden demographische, klinische, laborchemische und histopathologische Patientencharakteristika sowie ICI-induzierte Nebenwirkungen (NW), die zu Therapieunterbrechungen und/oder Hospitalisierung führten, anonymisiert erfasst. Die Entscheidung zur Therapieunterbrechung war angelehnt an die CME Fortbildung von Oppel-Heuchel und Grimm [28].
Erhoben wurden das onkologische Ansprechen (objektive Ansprechrate [ORR], das progressionsfreie Überleben [PFS] und das Gesamtüberleben [OS]). Das Tumoransprechen wurde nach regelmäßigen Staging-Untersuchungen alle 10–12 Wochen entweder im interdisziplinären Tumorboard oder in fachurologischen Sprechstunden beurteilt. Als ORR wurde das komplette (CR) oder teilweise Tumoransprechen (PR) als bestes Tumoransprechen entsprechend der Zulassungsstudien bezeichnet. Hierbei wurde das PR als radiologische Minderung der Tumorlast ohne Erreichen einer kompletten Remission definiert. Die CR hingegen wurde nur bei vollständiger Remission als solche gewertet. Das OS und das PFS wurden mittels Kaplan-Meier-Methode geschätzt. OS und PFS wurden definiert als Zeitpunkt der Immuntherapieerstgabe bis zum Todeszeitpunkt oder bis zum Tumorprogress. Die statistischen Analysen wurden mit Hilfe von SPSS Statistics, Version 24.0 (IBM Corporation, USA) und JMP14 (SAS Institute, Cary, NC 27513-2414, USA) erstellt. Die so ermittelten Ergebnisse wurden denen der Zulassungsstudien gegenübergestellt.
Ergebnisse
Bei 145 Patienten (111 Männer [77 %] und 34 Frauen [23 %]) wurden 1185 Zyklen mit ICI appliziert und konnten in die Analyse eingeschlossen werden. Das mediane Alter der 122 Patienten der Mannheimer Kohorte betrug 69 (Range, 40–90) Jahre. Die Hälfte der Patienten (55 %) hatten einen ECOG-Score von 0–1. Die klinisch-pathologischen Patientencharakteristika und die applizierten ICI-Regime sind in Tab. 1 dargestellt. Insgesamt erhielten 64 Patienten (44,1 %) mit NCC und 81 (55,9 %) Patienten mit UCA einen ICI. In der Kohorte der NCC erhielten 57 % der Patienten die ICI als Erstlinientherapie, wohingegen der Großteil der Patienten mit UCA (77,8 %) zuvor schon mit einer Chemotherapie behandelt worden war.
Nebenwirkungen mit Therapieunterbrechungen und/oder Hospitalisierung
Die ICI-induzierten Nebenwirkungen mit der Notwendigkeit einer Therapieunterbrechung wurden bei etwa jedem 5. Patienten beider Tumorentitäten (17,2 % NCC; 20,9 % UCA) beobachtet und sind in Tab. 2 dargestellt. Es traten am häufigsten renale (5,5 %: Nephritis) und gastrointestinale (4,8 %: Kolitis, Diarrhö) Nebenwirkungen auf.
Onkologisches Ansprechen
Bei Patienten mit schon durchgeführter Verlaufsbildgebung nach Beginn der ICI (n = 141) konnte eine ORR von 21,3 % (n = 13) in der Gruppe der NCC und 20,0 % (n = 16) in der Gruppe der UCA beobachtet werden. Abb. 1 zeigt den klinischen Verlauf der Patienten mit objektivem Ansprechen: eine CR war bei 3,3 % (n = 2) der Patienten mit NCC und bei 2,5 % (n = 2) der Patienten mit UCA zu verzeichnen; ein PR bei 18,0 % (n = 11) und 17,5 % (n = 14). Bei Patienten mit CR und PR lag die mediane Dauer des Therapieansprechens bei 14,9 (3,0–51,3) Monaten. In Tab. 3 und 4 zeigt sich darüber hinaus, dass die Mehrzahl der Patienten unter ICI im NCC und UCA zumindest eine stabile Erkrankung hatten, auch wenn eine ORR bildmorphologisch nicht nachweisbar war.
Das progressionsfreie Überleben betrug bei Patienten mit NCC 5,3 Monate und mit UCA 4,8 Monate (Abb. 2). Das mediane OS wurde noch nicht erreicht.
Die eigenen Real-world-Daten sind vergleichend zu den entsprechenden Zulassungsstudien in Tab. 3 und 4 dargestellt.
Bei den Patienten mit UCA zeigte sich unter Zweitlinientherapie mit Pembrolizumab (27,1 % vs. 21,1 %) oder Nivolumab (18,2 % vs. 20,7 %) eine annährend gleiche oder sogar bessere ORR der ICI (Tab. 4).
Diskussion
Die Therapiealgorithmen des NCC und UCA befinden sich in einem stetigen Wandel mit neuen Mono- oder Kombinationstherapien [4,5,6, 11,12,13]. Die Zulassungsstudien sind für die Real-world-Population bedingt repräsentativ. Viele der randomisiert kontrollierten Studien sind hoch selektiv und die eingeschlossenen Patienten haben häufig ein deutlich geringeres Risikoprofil [14]. In der Literatur finden sich nur sehr limitierte Real-world-Daten in Bezug auf die ICI-Anwendungen in der Urologie [25, 26].
Beim Vergleich der NCC-Patientenkohorte mit den Zulassungsstudien fällt auf, dass die Real-world-Patienten der vorliegenden Kohorte im Schnitt 6 Jahre älter sind (medianes Alter 62 Jahre in den Zulassungsstudien; [14,15,16]). Darüber hinaus wurden auch nicht-klarzellige Nierenzellkarzinome behandelt, die nicht in die Zulassungsstudien eingeschlossen wurden. Auch wenn die ORR ebenso vor den unten genannten Limitationen betrachtet werden muss, fällt auf, dass die ORR auf die Kombinationstherapien im NCC deutlich geringer ist als in den Zulassungsstudien. Die Kombination Ipilimumab und Nivolumab zeigt in der Real-world-Kohorte eine deutlich höhere PD-Rate. Es zeigt sich ebenfalls in „real-world“ ein geringeres medianes PFS in den Kombinationstherapiekohorten. Für die Zweitlinientherapie mit Nivolumab zeigten sich hingegen ähnliche ORR-Raten und ein ähnliches PFS. In einer ebenfalls retrospektiven Analyse von Patienten mit ICI-Therapie bei NCC von Ma et al. zeigte sich eine PFS von 5,0 Monaten vergleichbar zu den vorliegenden Daten [25].
Im Vergleich der UCA-Patientenkohorte zu denen der Zulassungsstudie ist das mediane Alter ähnlich (medianes Alter 72, 74 und 77 Jahre; [11, 17, 18]). Die Rate an Patienten mit Lebermetastasen, ein schlechter Prognosefaktor für das Überleben im UCA waren in den Zulassungsstudien etwas höher. Es zeigt sich für Platin-fitte Patienten in der Zweitlinie eine ähnliche ORR und ein längeres PFS als in den Zulassungsstudien. Leider konnte zum Zeitpunkt der Analyse das mediane OS aufgrund zu weniger Events nicht geschätzt werden, was ebenfalls interessant in diesem Kontext gewesen wäre. In einer ähnlichen retrospektiven Real-world-Studie von Patienten mit UCA mit ICI-Therapie zeigte sich eine ORR von 24 % und eine Krankheitskontrollrate von 40 % [26]. Das PFS war in dieser Kohorte mit 2,8 Monate deutlich kürzer als in den vorliegenden Real-world-Daten. Ma et al. untersuchten ebenfalls die Effektivität einer ICI-Therapie im UCA und konnten auch nur ein PFS von 2,8 Monate nachweisen (OS 9,6 Monate; [25]).
Die zahlreichen Mono- und Kombinationstherapien machen es aktuell und auch zukünftig immer komplexer, eine verlässliche Real-world-Erfahrung zu schaffen. Eine solche wird auch von der EMA gewünscht. Sie propagiert als Ziel ein lernendes Gesundheitssystem mit Hilfe von „big data analytics“ [19]. 2020 wurden durch die EMA erstmals Leitlinien für register-basierte Studien veröffentlicht, um zukünftig eine verbesserte Evidenzlage in der Anwendung zu schaffen [20].
Es ist bekannt, dass das Nebenwirkungsspektrum von ICI deutlich günstiger ist, als das der klassischen Chemotherapie [17, 18]. Autoimmunphänomene können jedoch ubiquitär auftreten und eine Inflammation unterschiedlichen Schweregrads in jedem Organ auslösen. In den Real-world-Daten konnten die Ergebnisse aus den Zulassungsstudien bestätigt werden: Etwa jeder 5. Patient wies Nebenwirkungen auf, die zu einer Therapieunterbrechung führten [4,5,6, 9,10,11]. Wie die verschiedenen Studien bereits gezeigt haben, war in der vorliegenden Analyse die Hyper- oder Hypothyreose die am häufigsten festgestellte Nebenwirkung, welche gut therapiert werden konnte und in den seltensten Fällen zu einer Therapieunterbrechung geführt hat (Daten nicht gezeigt). Bei den Patienten mit objektivem Ansprechen war bei langer Anwendung nur bei wenigen Patienten ein Abbruch aufgrund von Nebenwirkungen erforderlich. Die Diversität der immun-vermittelten Nebenwirkungen zeigt jedoch, wie essenziell ihre interdisziplinäre Behandlung an oder in Zusammenarbeit mit spezialisierten Tumorzentren ist.
In der Kohorte der UCA-Patienten mit ICI-Therapie sind etwa ein Drittel der Patienten in den ersten 6 Monaten verstorben. Es stellt sich die Frage, wann eine Therapielimitierung gerade bei Patienten mit ECOG-Performance-Status (PS) ≥ 2 im UCA sinnvoll ist und wie die Entscheidung für eine Fortführung einer aktiven Therapie getroffen wird. In einer retrospektiven Serie von Patienten mit UCA unter ICI zeigte sich bei Patienten mit PS ≥ 2 in der Erstlinie ein deutlich kürzeres Überleben als bei Patienten mit PS 0 oder 1 (7,2 vs. 15,2 Monate; [27]). Sonpavde et al. identifizierten in einer Kohorte von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasierten UCA unter ICI die folgenden Faktoren mit dem Risiko für ein kurzes Gesamtüberleben: schlechter PS, Lebermetastasen, niedrige Thrombozyten, hohes LDH und ein erhöhtes Neutrophilen-zu-Lymphozyten-Verhältnis [26]. Der Wechsel zu bester supportiver Versorgung sowie ein früher Abbruch der krebsspezifischen Medikation kann die Lebensqualität verbessern und ebenfalls das Leben verlängern [23]. Es bietet sich an, im Rahmen eines „advance care planning“ früh und wiederkehrend Ziele der Versorgung zu definieren, sowie individuelle Therapiepräferenzen und Entscheidungen zu diskutieren [24]. Diese sollten regelmäßig an die aktuelle Situation des Patienten angepasst werden. Somit hat der Patient ein aktuelles und realistisches Bild von seiner Erkrankung. Zukünftig müssen weiterhin prognostische und prädiktive Faktoren einer ICI-Therapie wissenschaftlich untersucht werden, um die Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Ebenfalls sollte versucht werden, Risikogruppen für besonders schwere Nebenwirkungen unter der ICI-Therapie zu identifizieren. Eine Metaanalyse zeigte beispielweise, dass ältere Menschen ein höheres Risiko für schwere Nebenwirkungen unter ICI-Therapie haben [21, 22]. Dies wird mit Komorbiditäten, allen voran Frailty und Polypharmazie, in Verbindung gebracht.
Limitationen
Limitationen der Analyse sind das retrospektive Design, die im Vergleich zu den Zulassungsstudien kleinen Fallzahlen, die Auswertung der bildgebenden Kontrollen und ein nicht standardisiertes Nebenwirkungsmonitoring. Die Staging-Intervalle entsprechen zwar gängiger klinischer Praxis, das Setting ermöglicht jedoch keine standardisierte Erhebung des Therapieansprechens nach RECIST. Die Indikationsstellung für eine ICI-Therapie entspricht dem Vorgehen an den beiden Kliniken und ist möglicherweise nicht zu verallgemeinern (Selektionsbias). Das Konzept, singuläre progrediente Metastasen im Verlauf der ICI-Therapie z. B. stereotaktisch zu bestrahlen, wurde bei einzelnen Patienten angewendet und kann die Ergebnisse verzerren.
Fazit für die Praxis
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Real-world-Daten deuten auf ein ähnliches Nebenwirkungsspektrum der ICI-Therapie (Immun-Checkpoint-Inhibitoren) wie in den Zulassungsstudien hin.
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Ein engmaschiges Monitoring von ICI-Nebenwirkungen mit der Möglichkeit zum interdisziplinären Management ist unerlässlich.
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Ein Langzeitansprechen der ICI-Therapie wird bei wenigen Patienten beobachtet.
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Größere Real-world-Kohorten sind für die realistische Einschätzung von Ansprechen und Nebenwirkungen unerlässlich.
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Interessenkonflikt
P. Unglaub war als Referentin und in einem Beratungsausschuss für Pfizer/Merk Serono tätig. J. von Hardenberg war als Referent für Roche und in einem Beratungsausschuss für Merck Serono tätig. R. Burger, J. Jarczyk, N. Westhoff, T.S. Worst, J. Herrmann, K. Merx, A. Weidner, M. Müller, P. Nuhn und M.S. Michel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Burger, R., Jarczyk, J., Westhoff, N. et al. Immuntherapien in der Uroonkologie. Urologie 61, 759–766 (2022). https://doi.org/10.1007/s00120-022-01793-9
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