Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ein Themenheft „Patientenzentrierte Radiologie“ zu planen und gestalten, bedarf durchaus Mut und Vision. Gerade die Radiologie sieht sich doch zunächst als das technologiegeprägte Zukunftsfach – wir stellen uns mit High-Tech-Gerätschaften, Tomographen aller Art und Computerbildschirmen dar – provokativ behauptet, erscheinen Patienten in den Abbildungen unserer Zunft eher am Rande oder lächelnd in den Geräten liegend. In der satirischen und dabei häufig erschreckend wahren Novelle des Medizin-Klassikers „The House of God“ von Samuel Shem werden 6 sogenannte NPC(no-patient contact)-Facharztgruppen beschrieben – „Rays, Gas, Path, Derm, Ophthalmology, and Psychiatry“. Dieser häufig kaum vorhandene Patientenkontakt prägt auch weiter unsere Wahrnehmung im nichtprofessionellen ärztlichen Bereich – viele Laien fragen sich, ob Radiologen überhaupt Ärzte sind. Geben Sie doch mal spaßeshalber bei einer Suchmaschine wie etwa Google die englische Suchanfrage „Radiologists are“ ein und warten auf die automatisierte Ergänzung, die von den häufigsten Suchanfragen bestimmt wird – Sie werden überrascht, amüsiert und eigentlich erschreckt sein.

Ein weiteres Zitat zum Erschrecken gefällig? In einem „Letter to the editor“ schreibt 1966 ein Radiologe aus North Carolina, Wiliam H. Sprunt III, MD, u. a. folgende Aussage: „I, myself, like many radiologists, have no desire to see every patient who is sent in. Freedom from all except quite brief patient encounters is the most appealing part of our specialty to many of us. We are the pure morphologists of clinical medicine. Except in a limited way, we are not required to listen to the prolonged descriptions of vague symptoms and systems reviews nor to make complete physical examinations. Anyone who wants to do these things should be something other than a radiologist.“ [1].

Sie mögen jetzt denken, dass dieses Zitat die paternalistisch geprägte Medizin vor über 50 Jahren beschreibt und wir heute nichts mehr damit zu tun haben. Und jeder moderne Vertreter der modernen Radiologie wird behaupten, der Patient steht immer im Mittelpunkt. Jeder argumentiert, er mache doch patienten- und auch mitarbeiterzentrierte Radiologie. Die Wahrheit ist jedoch eher, dass wir mit dieser reflektorischen und gefälligen Antwort einen Allgemeinplatz bedienen. Wir sollten hier selbstreflektieren, ganz tief in uns hineinhören und uns fragen, was konkret wir über das Thema wissen und in der täglichen Praxis machen. Daher, wie einleitend konstatiert, braucht es Mut und Vision, sich mit dem Thema, von dem jeder glaubt, er wisse darüber schon alles und lasse es bereits täglich in seine berufliche Tätigkeit einfließen, wirklich systematisch zu beschäftigen.

Wir haben nun selbst den Mut zusammengenommen, um das Thema für Die Radiologie zu bearbeiten. Herausgekommen ist, wie wir glauben, ein extrem motiviertes und inspiriertes Themenheft zur Patienten- oder noch besser Personenzentriertheit („people-centered“) in der Radiologie. Besonders hervorheben möchten wir hier auch das Engagement und die Beiträge vieler junger Radiologinnen und Radiologen wie auch dem Forum Junger Radiologie in der DRG zu dem Themenkomplex.

Wir beginnen mit einer Übersicht im Sinne eines narrativen Reviews und stellen uns die Frage, „Was Patienten vom Radiologen wünschen“ (s. Beitrag von A. Schreyer in dieser Ausgabe). Prinzipiell wünscht sich ein Großteil der Patienten wertschätzende Kommunikation mit dem Radiologen – den Radiologen als Arzt wahrzunehmen und zeitnah erste Informationen zu erhalten. Ein Wunsch, der zwar selbstverständlich erscheint, jedoch aus mehreren Gründen nicht immer leicht umzusetzen ist. Inhaltlich hat dies mit der Schwierigkeit der Kommunikation schwerwiegender Befunde zu tun – gerade in der Onkologie sollte die Synopse der Befunde vom behandelnden Onkologen oder Chirurgen mit dem Patienten besprochen werden – nur in der Zusammenschau aller klinischer Daten und mit einem konkreten Therapiekonzept ist dem Patienten wirklich geholfen. Hier bedarf es sicherlich sensibler ärztlicher Entscheidungen hinsichtlich Patientengespräche unmittelbar nach der radiologischen Untersuchung. Aber auch die ökonomische Komponente bezüglich der Abgeltung der aufgewendeten Zeit im Sinne eines zumeist fehlenden finanziellen Reimbursements für den Radiologen bei personell knapper Ausstattung ist hier in der Realität hinderlich, dem Patientenwunsch zu entsprechen. Dies leitet zum Artikel von Markus Baalmann et al. aus dem Forum Junger Radiologie in dieser Ausgabe über, in dem diese vordergründig als Konflikt geprägte Situation zwischen Patienten- und Mitarbeiterzentriertheit analysiert wird – und in der dann konkrete Handlungsempfehlungen gegeben werden, um den möglichen Konflikt zu reduzieren oder gar aufzulösen.

In dem Bestreben, die gegenwärtig volumenbasierte zu einer mehr wertebasierten Radiologie zu transformieren, behandelt der Artikel von Sabine Weckbach et al. die Problematik des Umgangs mit Nebenbefunden in der Radiologie.

Faszinierend ist gegenwärtig die Beschäftigung mit der künstlichen Intelligenz (KI) – wir sind hier gerade in einem Zeitalter, in dem Meilensteine gelegt werden. Nun mag man sich die Frage stellen, was denn künstliche Intelligenz bzw. besser LLM („large language models“) wie etwa ChatGPT mit der Zentrierung auf Patienten zu tun haben. In dem faszinierenden und kreativ-visionären Beitrag von Matthias Fink wird hier gezeigt, wie die sprachorientierte KI bzw. LLM genau die Aufgabe optimieren können, für die sie geschaffen wurden: die Kommunikation besser zu strukturieren, Wichtiges zu extrahieren und damit die Kommunikation der Radiologen zu Zuweisern und Patienten durch die Anpassung der jeweiligen Sprach- und Wissenslevel anzupassen und so den Workflow und die Verständigung zu perfektionieren.

Mit dem Thema „Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Radiologie – ein Bonus für die Patientenversorgung?“ diskutieren Viktoria Palm et al. nochmals kritisch diese teilweise entgegenstehenden Forderungen und versuchen hier eine kritische Auflösung des scheinbaren Widerspruchs. Diese z. T. radiophilosphische nachdenkliche Abhandlung fasst nochmals die im Themenheft behandelten Anforderungen exzellent zusammen. Die Arbeit von Stein et al. zur Verwendung der Bananenäquivalentdosis zur Erklärung der Strahlenexposition ist dann ein interessanter Versuch, wissenschaftliche Begrifflichkeiten für radiologische Laien besser darzustellen, obgleich die Autoren selbst schlussfolgern, dass die Verwendung des Bananenäquivalents auch künftig nicht unbedingt in der Patientenaufklärung verwendet werden sollte.

Wie Sie sehen, haben wir uns sehr bemüht, das große und heterogene Thema der Patienten- bzw. Personenzentriertheit in der Radiologie für dieses Themenheft umfassend zu bearbeiten.

Abschließen wollen wir dieses Editorial mit einem Text aus ChatGPT (3.5) – das LLM macht aus unserem Text als Haiku zielsicher:

„Wandelnde Radiologie

Patienten im Fokus klar

Neuer Glanz erwacht.“

(Haiku von ChatGPT 3.5)

In diesem Sinne und mit viel Spaß beim Lesen

Andreas G. Schreyer

Christian J. Herold

Hans-Ulrich Kauczor