„Das große Rätsel“ – so lautete der Titel unseres Editorials im letzten Heft über das CUP-Syndrom („cancer of unknown primary syndrome“) vor ziemlich genau 10 Jahren [2], und ob es heute einer Lösung näher ist, mag man sich fragen. Am Problem hat sich seither nichts geändert: eine Metastasierung aus dem Nichts und die Not, eine möglichst spezifische Therapie für eine Erkrankung zu finden, deren Ursprung unbekannt ist.

Aber die Evidenz ist gewachsen, aus einer Vielzahl von Studien wie dem internationalen CUPISCO-Trial, dessen Rekrutierung kürzlich abgeschlossen wurde. Die überarbeitete CUP-Leitlinie der European Society of Medical Oncology (ESMO) aus 2022 [1] trägt dieser Evidenz Rechnung und gibt eine Reihe von Empfehlungen, deren Tragweite sich auch auf die bildgebende Diagnostik erstreckt, und darauf, wie wir als Radiologen und Radiologinnen mit den anderen beteiligten Fachdisziplinen kommunizieren – der Onkologie, Pathologie, Radioonkologie, Nuklearmedizin sowie den verschiedenen operativen Fächern. Die aktuelle Leitlinie gibt den Anwendern neue, differenzierte Algorithmen zur Diagnose eines CUP oder eben doch eines mutmaßlichen Primärtumors an die Hand, auch wenn dieser nicht lokalisiert werden kann. Darüber hinaus gibt es einiges, was wir daraus mitnehmen können. So wird eine umfassende, strukturierte Immunhistochemie gefordert, um eine Linienzuordnung zu ermöglichen, also die Diagnose eines epithelialen, mesenchymalen, hämatologischen oder melanozytären Ursprungs. Dies wird ergänzt durch den Nachweis pathognomonischer molekularer Aberrationen, die im Fall früherer Tumorerkrankungen zur Unterscheidung eines Spätrezidivs von einem De-novo-CUP beitragen können. Eine kritische Durchsicht des vorhandenen Materials zeigte, dass in nicht wenigen Fällen fälschlicherweise ein CUP diagnostiziert worden war, indem ein Primärtumor als weitere Metastase gedeutet wurde, und umgekehrt – ein Problem, das insbesondere intrahepatische Cholangiokarzinome und Lungentumoren betraf. Hieraus ergibt sich die Empfehlung, die Diagnose durch Referenzpersonen aus der Onkologie, Pathologie und Radiologie abzusichern. War bisher die chirurgische und/oder radioonkologische Behandlung dem Single-site-CUP mit einer einzigen Manifestation vorbehalten, gilt fortan, dass auch bei weiter ausgebreitetem, oligometastatischem Befall eine Eradikation in kurativer Absicht, soweit zumutbar, die Prognose verbessert, und dass diese weniger von der Tumorlast abhängt als von molekulargenetischen Risikoindikatoren. Dies hat Konsequenzen nicht nur bei CUP der Kopf-Hals-Region oder der Axilla, sondern für viele weitere befallene Regionen, einschließlich des Peritoneums. Und nicht zuletzt hat künftig wohl auch beim CUP-Syndrom die Behandlung mit zielgerichteten Substanzen und Checkpoint-Inhibitoren ihren festen Platz und das Potenzial, diesen kranken Menschen eine, wenn auch kleine, weitere Chance zu bieten.

Wenn wir zwei – der eine Referenzonkologe, der andere Referenzradiologe des CUPISCO-Trials – etwas aus der Erfahrung dieser großen Studie mitgenommen haben, dann ist es der Wert des Dialogs. Nur indem man miteinander spricht, hat man die Chance, bei schwierigen Entscheidungen weiterzukommen. Ein Modell für die Medizin im Allgemeinen? Sicher!

Stefan Delorme

Alwin Krämer