Liebe Leserinnen und Leser,

Begriffe wie „Muskelfaserriss“, „Riss des vorderen Kreuzbands“ und „Leistenzerrung“ sind jedem Sportinteressierten geläufig und werden vielfach nach dem Wochenende leidenschaftlich diskutiert. Nicht zu Unrecht – kann doch der Ausfall eines Leistungsträgers die Chancen auf den Titelgewinn einer Mannschaft in weite Ferne rücken. Leroy Sané hatte sich beim 5:0-Sieg des FC Bayern gegen den SC Freiburg am 22.10.2022 einen Muskelfaserriss in der linken Hamstring-Muskulatur zugezogen. Das sorgte bei den Fans und den Verantwortlichen des FCB für Aufregung und Besorgnis. In den höchsten Ligen des Fußballs erleidet jeder Fußballer durchschnittlich 2,7 Verletzungen pro Saison, wodurch er ca. 5 Wochen ausfällt [1]. Für die Vereine und die Profis sind derartige Verletzungen ein ernstes Problem, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht. In der Saison 2016/2017 zahlten die Vereine der englischen Premier League 200 Mio. Euro für Spieler, die verletzungsbedingt nicht eingesetzt werden konnten.

Diese Probleme betreffen aber nicht nur Profi- und Leistungssportler, sondern auch Freizeit- und Gelegenheitssportler. Mit steigender Lebenserwartung nimmt das Streben nach Fitness und sportlicher Aktivität bis ins höhere und hohe Alter zu. Daher können sich degenerativen Veränderungen, Osteoporose und sportbedingte traumatische und überlastungsbedingte Schäden überlagern. Gemeinsam ist allen Sportlern, dass sie möglichst schnell beschwerdefrei werden, Trainingsausfälle vermeiden und baldmöglichst ihren Sport wieder ausüben wollen.

Aufgabe der Radiologie ist es, in enger Kooperation mit Sportmedizinern, Orthopäden und Unfallchirurgen zu einer schnellen und genauen Diagnose beizutragen, die adäquate Therapie einzuleiten und zu empfehlen, wann das Training wieder aufgenommen werden und wann sich der Athlet wieder an Wettkämpfen beteiligen kann – was als „return to competition“ bezeichnet wird.

Wie die sehr kompetenten Autoren dieses Themenheftes darlegen, sind bei verschiedenen Sportarten unterschiedliche und regionsspezifische Verletzungs- und Schädigungsmuster zu beobachten. So klagt rund ein Drittel der Spitzen- und Leistungssportler von Überkopfsportarten, z. B. Handballer und Speerwerfer, über Schulterbeschwerden – die sog. Sportlerschulter.

Ein besonderes Thema sind die Stressfrakturen, die durch repetitive, submaximale Mikrotraumata bzw. Krafteinwirkungen entstehen. Dabei wird klassisch zwischen Ermüdungsfrakturen („fatigue fractures“) und Insuffizienzfrakturen („insufficiency fractures“) unterschieden. Als Medizinstudierende haben wir von den Marschfrakturen der Rekruten gehört, bei denen die ungewohnten langen Märsche im Rahmen der Grundausbildung der Soldaten zu Ermüdungsfrakturen der Metatarsalia führten. Diese Genese der Ermüdungsfrakturen ist immer noch häufig zu finden, v. a. bei Läufern und Tänzern. Es ist aber inzwischen deutlich geworden, dass auch intrinsische Faktoren bei der Entstehung von Stressfrakturen eine wichtige Rolle spielen. So wird eine weibliche Athletentrias („female athlete triad“) diskutiert, bei der Störungen des Essverhaltens, Menstruationsstörungen und eine Osteopenie für die Entstehung von Stressfrakturen verantwortlich sind. Neuerdings wird darauf hingewiesen, dass das klinische Umfeld bei Patienten beiderlei Geschlechts genauer berücksichtigt werden muss, auch Metabolismus, kardiovaskuläre Faktoren und Immunsystem, was unter dem Begriff „relatives Energiedefizits im Sport“ (RED-S) zusammengefasst wird.

Der Nachweis eines Knochenmarködems in der Magnetresonanztomographie (MRT) hat bei Stressfrakturen einen hohen Stellenwert. Eigentlich sollte besser von ödemähnlichen Signalintensitäten („edema-like signal intensities“, ELMSI) gesprochen werden, da neben dem Ödem im Knochenmark auch andere Veränderungen wie Einblutungen und Zellproliferationen zu diesen Befunden führen können. Bei den Stressreaktionen ist ein Knochenmarködem erkennbar, ohne dass eine Kontinuitätsunterbrechung der Kortikalis nachweisbar ist. Nicht selten weisen spezifische Muster des Knochenmarködems auf ligamentäre Läsionen und Knorpelschäden hin, die andernfalls möglicherweise schwer erkennbar sind.

Besonders wertvoll ist die MRT auch für den Nachweis von traumatischen Knorpelschäden, da diese durch die klinische Untersuchung kaum zu diagnostizieren sind. Aus der Lokalisation, der Ausdehnung und dem Schwergrad der Knorpelläsionen sind wichtige Kriterien für die Differenzialindikation der Behandlung abzuleiten. In dem Beitrag über „Knorpelschäden des Kniegelenks beim Sport“ werden auch die zur Verfügung stehenden Behandlungsverfahren und deren Manifestationen in der Bildgebung dargestellt.

Gerade beim Fußball treten häufig Muskelverletzungen auf. Für die bildgebende Diagnostik eignen sich Sonographie und MRT. Je nach Sportart sind sie für 10–55 % der Sportverletzungen verantwortlich. Die Schwere der Verletzung kann mit Hilfe der MRT klassifiziert werden, wobei mehrere verschiedene Klassifikationen im Gebrauch sind. Daraus ergeben sich wertvolle Hinweise für die Behandlung der Patientinnen und Patienten. Der Heilungsverlauf ist dagegen nicht verlässlich vorherzusehen. Auch die notwendige Trainingspause, die Wiederherstellung der Wettkampffähigkeit und die Gefahr von Rezidivverletzungen sind nicht mit Sicherheit zu bestimmen.

Wenn Kinder Sportverletzungen erleiden, sind die Spezifika des wachsenden Skeletts zu berücksichtigen. Die offene Epiphysenfuge ist eine Schwachstelle und ihre Verletzung kann zu Wachstumsstörungen führen. Bei Kindern ist der Periostschlauch sehr kräftig und der Knochen elastischer als bei Erwachsenen. Aus diesen Gründen treten oft inkomplette Frakturen und Avulsionsverletzungen auf.

Wir sind besonders dankbar, dass wir ausgewiesene Experten als Autoren für dieses Themenheft von Die Radiologie gewinnen konnten, die ihre Expertise auf dem wichtigen Gebiet der akuten traumatischen Sportverletzungen und der durch Sport verursachten chronischen Überlastungsschäden mit uns und unseren Lesern teilen.

Ihre

Maximilian Reiser

Marc Regier