Vorbereitung und Durchführung von Tumorboards

Die Teilnahme an interdisziplinären Besprechungen ist ein wichtiger Bestandteil des klinischen Alltags in der Radiologie. Neben Besprechungen zur Herzbildgebung, Traumatologie oder Intensivmedizin geschieht diese zumeist im Rahmen von Tumorboards.

Tumorboards sind erforderlich, um Tumorpatienten ab der Diagnose über die Entscheidung zur Therapie und den Behandlungsverlauf zu betreuen. Dies ist regelhaft eine Anforderung im Rahmen der Zertifizierung als entsprechendes Zentrum. Ein zusätzlicher Aspekt ist es, die Eignung der Patienten für den Einschluss in klinische Studien zu erörtern. Die Zusammensetzung eines multidisziplinären Teams kann je nach Tumorart variieren, umfasst im Allgemeinen aber Internisten, Chirurgen, Pathologen, Strahlentherapeuten und Radiologen.

Tumorboards gelten weltweit als die beste Praxis zur Therapieentscheidungsfindung und Behandlung von Krebspatienten [1]. Ihr Nutzen ist in der Literatur vielfach belegt. So erhalten Patienten, die in einem Tumorboard vorgestellt wurden, eine genauere Diagnosestellung [2]. Weiter führt eine höhere Anzahl von Tumorboardsitzungen pro Fall zu einem besseren klinischen Outcome [3].

Da die im Tumorboard getroffenen Therapieentscheidungen stark von der Bildgebung abhängig sind, spielt der Radiologe bei der Durchführung eine, wenn nicht sogar die Schlüsselrolle. Eine klare und genaue Kommunikation der bildgebend erhobenen Befunde ist unerlässlich. Eine aktuelle Befragung von knapp 300 Mitgliedern der European Society of Oncologic Imaging ergab, dass sich bei einem erheblichen Anteil der im Tumorboard besprochenen Fälle die initial geplante therapeutische Strategie der patientenführenden Abteilung durch den Input des Radiologen noch verfeinerte oder sogar wesentlich änderte [4]. Zudem können durch die Präsentation der radiologischen Bildgebung und die anschließende Diskussion in 50 % der Fälle zusätzliche wichtige, behandlungsrelevante Informationen zur Erkrankung gewonnen werden [5]. Durch das Tumorboard wird Kommunikation zwischen den verschiedenen Fachbereichen verbessert [4]. So können beispielweise auch Missverständnisse, die durch ungenaue Formulierungen in schriftlichen Befunden entstehen können [6], durch eine interdisziplinäre Diskussion ausgeräumt werden.

Der Radiologe kann durch Teilnahme am Board seine Kenntnisse zu aktuellen klinischen Studien und Tumorbehandlungen vertiefen. Weiter erhält er wichtige Rückmeldungen der Chirurgie und Pathologie zu Befunden präoperativer Bildgebung [4].

Bei der Durchführung des Tumorboards ist auf Standards hinsichtlich der Dokumentation und technischen Ausstattung zu achten. Hierfür hat das Royal College of Radiologists eine 15 Punkte umfassende Richtlinie erstellt. Es wird empfohlen, dass im Besprechungsraum ein PACS- und RIS-Zugang (PACS Picture Archiving and Communication System, RIS Radiologie-Informationssystem) vorliegt und eine adäquate Bildqualität gewährleistet ist. Des Weiteren sollen Diskrepanzen zwischen vorliegenden Befunden und Einschätzungen des Radiologen vor Ort verschriftlicht werden. Ebenso sollen abweichende Einschätzungen zwischen verschiedenen Fachrichtungen dokumentiert werden. Idealerweise soll beim Tumorboard ein erfahrener radiologischer Oberarzt anwesend sein [7]. Von den meisten nationalen Fachgesellschaften wird die Anwesenheit eines radiologischen Facharztes erwartet.

Um einen reibungslosen Ablauf und eine hohe diagnostische Qualität zu sichern, sollte der Radiologe die anstehenden Fälle inklusive aktueller Bildgebung und Krankheitsverlauf vor dem Tumorboard aufarbeiten. Die benötigte Vorbereitungszeit kann in Abhängigkeit der Anzahl und der Komplexität der Fälle stark variieren. Die stetig zunehmende Konsiliarbefundung von Fremdaufnahmen, bei denen teilweise der Befund des externen Radiologen fehlt, kann dabei verlängernd wirken [8]. In der Literatur wird eine durchschnittliche Vorbereitungszeit pro Tumorboard von 2 h sowie eine durchschnittliche Dauer der Besprechung selbst von 1 h beschrieben [9]. Unter der Annahme, dass an einem Krankenhaus der (Supra‑)Maximalversorgung wöchentlich oft eine zweistellige Anzahl an Tumorboards stattfindet, handelt es sich also um einen beträchtlichen zusätzlichen Arbeitsaufwand. In einer Umfrage unter den deutschen Universitätsklinika wird dieser mit durchschnittlich 33 Wochenstunden beziffert [8].

Wichtige Kriterien zur Verlaufsbeurteilung

Zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs von Tumorpatienten gibt es verschiedene Systeme. Am bekanntesten sind hierbei die erstmals 2000 veröffentlichten Response Evaluation Criteria in Solid Tumours (RECIST; [10]). Das RECIST-System in der aktuellen überarbeiteten Version 1.1 ermöglicht es, das Therapieansprechen mittels eindimensionaler Messung von (Ziel‑)Läsionen im Verlauf in die 4 Stadien komplette Remission, partielle Remission, stabile Erkrankung und Progress einzuteilen [11]. Bevorzugte Modalitäten sind hierfür die Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Die Anwendung findet vor allem bei Patienten in klinischen Studien statt. Gerade für Onkologen ist die genaue Kenntnis des zeitlichen Verlaufs der Erkrankungen, auch inklusive Basisuntersuchung (Baseline) und Zeitpunkt der niedrigsten Tumorlast (Nadir), von großer Bedeutung. Verschiedene, unter „IT-Tools für Tumorboards“ vorgestellte, Lösungen ermöglichen es, die Krankheitsverläufe anhand exemplarischer (Ziel‑)Läsionen visuell und grafisch darzustellen (Abb. 1 und 2).

Abb. 1
figure 1

Zunahme einer pulmonalen und lymphogenen Metastasierung eines Rektumkarzinoms im 6‑monatigen Verlauf. Der Matrixansicht können die Durchmesser der jeweilig exemplarisch ausgewählten Läsionen zu den verschiedenen Zeitpunkten entnommen werden (hier am Beispiel des Picture Archiving and Communication System [PACS] des Herstellers Sectra®, Linköping, Schweden gezeigt)

Abb. 2
figure 2

Auszug aus dem „Timeline Modul“ des Herstellers Contextflow®, Wien, Österreich. Dieses kann Lungenherde automatisch detektieren, anhand von Dichtewerten charakterisieren und volumetrieren. Der Radiologe kann von der künstlichen Intelligenz (KI) vorgeschlagene Herdbefunde im Picture Archiving and Communication System (PACS) bestätigen oder ablehnen. Bestätigte Herde werden in die Matrixansicht aufgenommen und je nach vorliegenden Voruntersuchungen im zeitlichen Verlauf dargestellt. Neben den Volumina der Herde wird auch die Verdopplungszeit berechnet

RECIST hat gegenüber anderen Systemen den Vorteil einer einfachen und vor allem breiten Anwendbarkeit. Limitationen sind die fehlende Berücksichtigung der Dreidimensionalität von Läsionen, Interobservervariabilität bei den Messungen und die Tatsache, dass die Größendynamik nicht der alleinige Surrogatparameter für ein Tumoransprechen ist [12].

Die initial für gastrointestinale Stromatumoren entwickelten Choi-Kriterien berücksichtigen neben der Größendynamik auch Veränderungen der Dichtewerte von Tumoren unter Therapie zur Verlaufsbeurteilungen. Dabei wird bei 15 % Dichteabnahme trotz größenkonstantem Tumor von einer partiellen Remission ausgegangen [13].

Weitere Systeme basieren auf der Dynamik der FDG-Avidität von Läsionen in der Positronen-Emissions-Tomographie/Computertomographie (PET/CT), wie die Positron Emission Tomography Response Criteria in Solid Tumours (PERCIST; [12]) oder die Lugano-Kriterien zur Evaluation des Therapieansprechens von Lymphomen [14].

Für vereinzelte Tumorentitäten, wie beispielsweise hepatozelluläre Karzinome, gibt es zudem an individuelle Eigenschaften der Erkrankungen angepasste RECIST-Systeme (modified RECIST; [15]).

Zur Fallauswertung mittels der hier vorgestellten Systeme werden meist vom PACS unabhängige Lösungen wie mint Lesion™ genutzt. Diese ermöglichen die Festlegung und Vermessung von Zielläsionen in Basis- und Verlaufsuntersuchungen durch den Radiologen. Ob anhand des vorab gewählten Systems eine Remission, stabile Erkrankung oder ein Progress vorliegt, kann von der Software quantifiziert werden.

Einbeziehung externer Partner, Hybridlösungen

Im Frühjahr 2020 kam es aufgrund der COVID-19-Pandemie zu Kontaktbeschränkungen. Tumorboards wurden daher zunehmend als Videokonferenzen anstatt als klassische Präsenzveranstaltungen durchgeführt. Dies brachte verschiedene technische Herausforderungen mit sich. So mussten schnellstmöglich datenschutzkonforme Softwarelösungen gefunden werden, Internetverbindungen mit ausreichender Bandbreite zur Verfügung stehen und ein schnell verfügbarer technischer Support etabliert werden. Auf Teilnehmerebene erschwert sich die Kommunikation aufgrund von akustischen Rückkopplungen und Verständnisproblemen, sobald mehr als eine Person spricht. Durch externe Stimuli wie Anrufe, E‑Mails oder Smartphones besteht zudem ein erhöhtes Ablenkungsrisiko [1].

Durch Lockerungen der Hygienemaßnahmen geht die Entwicklung aktuell in Richtung von Hybridlösungen. Bei diesen nimmt das Kernteam von innerer Medizin, Chirurgie, Radioonkologie und Radiologie inklusive Entscheidungsträger an einer Präsenzveranstaltung teil. Die Teilnehmer der weiteren Fachrichtungen, die sich mitunter nicht in jedem Fall aktiv einbringen müssen, beispielsweise Pathologie, Nuklearmedizin oder Palliativmedizin, treten per Videokonferenz bei.

Das hybride Tumorboard vereinfacht zudem die Einbeziehungen externer Partner. Kollegen aus peripheren Kliniken oder Praxen können sich ebenfalls per Videokonferenz einklinken und ihre Patienten dem interdisziplinären Team vorstellen. Voraussetzung ist dabei die Einwilligung der Patienten sowie die Gewährleistung von Vertraulichkeit und Einhaltung von Datenschutzrichtlinien. Die Bilddaten, idealerweise inklusive schriftlichem Befund, sowie die klinischen Informationen und Fragestellungen werden vom Partner vorab übermittelt. Im Board erfolgt eine parallele Darstellung von Bilddaten und Fallprotokoll an zwei verschiedenen Monitoren (Abb. 3). Dies ermöglicht es, durch das Mehraugenprinzip Fehler bei der Dokumentation zu vermeiden und eine hohe Transparenz für alle Teilnehmer zu wahren. Nach erfolgter interdisziplinärer Falldiskussion kann eine individuelle Therapieempfehlung abgegeben oder ggf. eine Patientenübernahme vereinbart werden. Die gefassten Beschlüsse werden an die externen Partner nach dem Board elektronisch übermittelt.

Abb. 3
figure 3

Aufbau eines hybriden Tumorboards: Das Kernteam ist vor Ort. Es erfolgt eine Doppelprojektion an zwei Monitoren. Die Bilddemonstration erfolgt durch die Radiologie am Picture Archiving and Communication System(PACS)-Monitor. Der zweite Monitor wird zur Erfassung des Tumorboardprotokolls und zum Festhalten von Entscheidungen im klinischen Informationssystem (KIS) genutzt. Ein zuständiger Dokumentationsarzt wird in der Regel durch die Chirurgie oder innere Medizin gestellt. Fachrichtungen, die nicht zum Kernteam gehören, treten dem Tumorboard per Videokonferenz bei. Externe Zuweiser können ebenfalls per Videokonferenz beitreten, um ihre Patienten vorzustellen

IT-Tools für Tumorboards

Neben dem PACS zur Bilddemonstration kommt dem klinischen Informationssystem (KIS) im Tumorboard ebenfalls eine große Bedeutung zu. Primär wird das KIS dazu genutzt, die Fallprotokolle zu erstellen. Die Ad-hoc-Dokumentation von Therapieempfehlungen im KIS erfolgt dabei in der Regel durch die Kollegen der Chirurgie oder inneren Medizin am zweiten Monitor (Abb. 3). Das KIS sowie auch das RIS bieten als zentrale Schnittstellen zudem auch die Möglichkeit, unkompliziert auf Informationen aus anderen IT-Systemen zuzugreifen. Da Therapieentscheidungen auch von laborchemischen Parametern, wie beispielsweise Tumormarkern, abhängen können, ist insbesondere die Zugriffsmöglichkeit auf die Laborsoftware sehr hilfreich. Hierbei ist für eine effiziente Nutzung eine integrierte Lösung wichtig, die erneute Anmeldungen in anderen Systemen überflüssig macht („single-sign-on“).

Um die Vorbereitung und Durchführung von Tumorboards zu erleichtern, wurden verschiedene IT-Tools entwickelt. Dabei ist vor allem die Funktion der Läsionsverfolgung zu nennen, die Anfang der 2000er Jahre in Stanford erstmals beschrieben wurde [16]. Inzwischen ist sie in das PACS verschiedener kommerzieller Anbieter integriert und eine Zeiteinsparung durch ihre Nutzung wissenschaftlich belegt [17]. Im Rahmen der Anwendung können multiple Tumormanifestationen eines Patienten in der initialen Staginguntersuchung ausgemessen, nummeriert und einem Organ zugeordnet werden. In den nächsten Verlaufskontrollen können eben jene erneut gemessen und entsprechend nummeriert werden. Das PACS erstellt nun automatisch eine Matrixansicht mit Ausschnitten der Läsionen zu den verschiedenen Zeitpunkten inklusive Größenangaben und Organbezeichnungen (Abb. 1). Dies erleichtert dem Radiologen einerseits die Beurteilung des Krankheitsverlaufs und bietet eine gut verständliche Übersicht zur Präsentation im Tumorboard. Mitunter irritierendes Hin- und Herscrollen in den Schnittbilduntersuchungen während der Besprechung wird somit überflüssig.

Neben der hier beschriebenen visuellen Darstellung des zeitlichen Verlaufs von Tumormanifestationen können diese anhand ihres Größenverlaufs auch grafisch dargestellt werden [18].

Durch künstliche Intelligenz (KI) unterstützte Tools können beispielsweise Lungenherde automatisch erkennen und volumetrieren. Der Radiologe kann die detektierten Herde im PACS bestätigen oder ablehnen. Bestätigte Herde werden ebenfalls in eine Matrixansicht aufgenommen, die den zeitlichen Verlauf der Herde darstellt. Zudem wird die Verdopplungszeit von Herden berechnet (Abb. 2).

Andere fortschrittliche Systeme ermöglichen es zudem, bei der Befundung von Schnittbildgebung wichtige Läsionen, beispielsweise Metastasen, im Fließtext mit einem Hyperlink zu versehen. Nach Fertigstellung des Befunds wird durch Klicken auf den Link im Befundtext die zugehörige Bildserie an entsprechender Stelle im PACS geöffnet. Die relevanten Läsionen müssen bei der Tumorboardvorbereitung so nicht mehr manuell in der Bildgebung gesucht werden, was ebenfalls Zeitersparnis bringt [18].

Auch die strukturierte Befundung von Staginguntersuchungen kann der Radiologe sich zu Nutze machen. An verschiedene Tumorerkrankungen angepasste Befundtemplates fragen therapierelevante Eigenschaften, wie beispielsweise eine Gefäßinvasion beim Pankreaskarzinom, gezielt ab [19]. Eine Extraktion solcher Informationen aus dem Fließtext ist somit nicht nötig.

Abschließend lässt sich sagen, dass der Radiologe durch seine Expertise Dreh- und Angelpunkt des Tumorboards ist. Die Relevanz der Radiologie wird hier hervorgehoben und gewürdigt [20]. Er wird anders als bei der restlichen klinischen Routine als integraler Bestandteil des multidisziplinären Teams wahrgenommen, hat positiven Einfluss auf Therapieentscheidungen und kann zwischen anderen Fachrichtungen vermitteln.

Die teils lange Vorbereitungs- und Durchführungszeit des Tumorboards kann mittels IT-Tools und strukturierter Befundung reduziert werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Radiologie nimmt in vielen interdisziplinären Fallbesprechungen, insbesondere in Tumorboards, eine Schlüsselrolle ein.

  • Therapieentscheidungen bei Tumorpatienten hängen von der Bildgebung ab, die genaue Kommunikation von Befunden ist daher essenziell.

  • Durch die radiologische Expertise im Tumorboard kommt es oft zu Änderungen oder Anpassungen von initial geplanten Therapien.

  • Es sind verschiedene Systeme zur Verlaufsbeurteilung von Tumorerkrankungen etabliert, das bekannteste und am meisten angewendete ist RECIST 1.1.

  • Tumorboards finden zunehmend in einer hybriden Form aus Präsenzveranstaltung und Videokonferenz statt. Die Teilnahme per Videokonferenz erleichtert es insbesondere externen Zuweisern, ihre Patienten vorzustellen.

  • Für die Radiologie stellt die Vorbereitung und Durchführung von Tumorboards einen teils erheblichen Arbeitsaufwand dar. Verschiedene nützliche IT-Tools können die Abläufe automatisieren und vereinfachen.