Liebe Leserinnen und Leser,

am Ende des menschlichen Arms sitzt die Hand als perfektes und grenzenlos wandelbares Multifunktionswerkzeug. Dieser Körperteil begann sich vor 380 Mio. Jahren aus Flossen herauszubilden. Angefangen von den Tätigkeiten des Steinzeitmenschen, wie mit den Händen Feuer machen und Speere herstellen, bis hin zur Fähigkeit des Menschen heute, ein Auto zu lenken und Operationen durchzuführen – unser Gehirn mit seiner unendlichen Kreativität mag unsere Art einzigartig machen. Aber ohne Hände würden alle Ideen zu nichts führen [1]. Die menschliche Hand als Vielzweckwerkzeug ist ein kompliziertes Gebilde und das Ergebnis eines komplizierten Zusammenspiels von Nerven und Muskeln, Knochen und Bändern: 8 Handwurzelknochen, 5 Mittelhandknochen und 14 Fingerknochen sind durch Gelenke mit ihren Kapseln und Bändern flexibel verbunden. Neun verschiedene Muskeln bewegen allein den Daumen. Einige dieser Muskeln enden an Knochen innerhalb der Hand, andere reichen bis in den Arm. Die Beweglichkeit des Handgelenks ist Traum und Alptraum jedes Ingenieurs, der menschenähnliche Roboter bauen will. Mit winzigstem Kraftaufwand setzt die Hand des Uhrmachers mikroskopisch kleine Federn an ihren Platz. Am Ende des Arms und bei richtigem Einsatz des Handgelenks kann die Hand aber auch einen Wurfball auf ein Tempo von rund 160 km/h beschleunigen [1]. Der schottische Chirurg Sir Charles Bell widmete diesem Körperteil im Jahr 1833 ein ganzes Buch: Die menschliche Hand und ihre Eigenschaften. Zu jener Zeit begann die Idee der Evolution Kreise zu ziehen, aber Bell dachte, eine nähere Betrachtung der Hand würde das dumme Geschwätz wohl beenden. „Die menschliche Hand“, schrieb er, „ist der letzte und beste Beweis für die göttliche Schöpfung“ [2].

Die Bildgebung der Hand fand de facto mit dem allerersten Röntgenbild durch Wilhelm Conrad Röntgen von der Hand seiner Frau Bertha am 22.12.1895 ihren Ursprung. Dem Radiologen kommt seit der Entstehung des Fachgebietes Radiologie eine Schlüsselposition zu bei der Erfassung und korrekten Beschreibung von Pathologien der Hand und der zeitnahen Befundkommunikation an den klinischen Partner. Auch in meiner Alma Mater Rostochiensis fand die Röntgentechnik bereits kurz nach der Entdeckung die ersten Anwendungen. Nach anfänglicher experimenteller Anwendung in der Physik wurde die Bildgebung bereits für die handchirurgische Diagnostik eingesetzt. Nach Durchführung einer Röntgenaufnahme (Expositionszeit von mehr als 15 min) der linken Hand am 25.02.1896 konnte eine Revolverkugel in Projektion auf das Os metacarpale IV von dem hiesigen Chirurgie-Professor Carl Garré operativ entfernt werden [3].

Zurück zur Gegenwart: Das erste von zwei Themenheften zum Handgelenk und zur Hand startet mit einem Beitrag von Dr. Falko von Stillfried, Speyer, zum Thema „Was erwartet der Handchirurg vom Radiologen bei der bildgebenden Diagnostik der Hand?“ Dr. von Stillfried betont insbesondere die Wichtigkeit einer zielgerichteten und klaren Kommunikation, angesichts der feinen und komplexen Strukturen an der Hand, zwischen behandelndem Arzt und Radiologen. Es folgt ein Beitrag von Prof. Dr. Rainer Schmitt, München, und Kollegen zum Thema „Der ulnokarpale Komplex. Neue klinische und radiologische Überlegungen“. Die Autoren führen u. a. aus, dass bei ulnokarpalen Beschwerden ohne fokussierte Fragestellung des Zuweisers die Magnetresonanztomographie (MRT) als Diagnostik der Wahl empfohlen wird, bei explizierter Frage des Zuweisers nach dem Zustand der fovealen TFCC(triangulärer fibrokartilaginärer Komplex)-Lamina aber die direkte MR- oder CT-Arthrographie. Frau PD Dr. Jennifer Kollmer, Heidelberg, berichtet anschließend zum Thema „Worauf muss hinsichtlich der Nerven bei der Bildgebung der Hand geachtet werden?“. Sie führt aus, dass mithilfe der bildgebenden Nervendarstellung durch Akquisition von spezialisierten, stark T2-gewichteten, fettsupprimierten Sequenzen in einem 3‑Tesla-MR-System die hochauflösende Abbildung der peripheren Nerven bis hin zu den distalen Nervenendästen und Interdigitalnerven verlässlich möglich ist.

Das Themenheft wird von zwei Beiträgen von Prof. Dr. Matthias Bollow, Bochum, zu den klinischen Aspekten und zur Bildgebung der rheumatoiden Arthritis abgeschlossen. Alle rheumatischen Autoimmunerkrankungen gehen mit Arthritiden der Hände einher, wobei zwischen typischen und atypischen Arthritismustern der Hand differenziert werden kann, welche als Schlüssel zur Diagnose dienen. Die rheumatoide Arthritis als Prototyp der synovitischen Arthritiden weist typische Befallsmuster an der Hand auf. Mit Hilfe der MRT lassen sich bereits Frühstadien einer rheumatoiden Arthritis vor dem Auftreten von irreversiblen strukturellen erosiven Schädigungen detektieren. Auch Erosionen lassen sich sensitiver als mit der Projektionsradiographie mittels MRT nachweisen.

Insgesamt hoffe ich, dass Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dieses erste der beiden Themenhefte bereits einen umfassenden Überblick über die aktuellen diagnostischen Herausforderungen bei diesem speziellen Thema der Radiologie der Hand liefert, der durch das zweite Themenheft in der nächsten Ausgabe von Der Radiologe komplettiert wird.

Ich wünsche Ihnen sehr viel Spaß beim Lesen und hoffe, Sie finden diese Zusammenstellung interessant und hilfreich für Ihre praktische Tätigkeit.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr

Marc-André Weber