Durch die anhaltende COVID-19-Pandemie haben digitale Lehrveranstaltungen im Medizinstudium sowie digitale Fort‑, Weiterbildungs- und nationale wie internationale Kongressformate für ärztliche Kolleginnen und Kollegen einen fundamentalen Aufschwung erfahren (Infobox 1). Auch nach der Pandemie werden entsprechend vermehrt digitale Angebote erforderlich sein. Das etablierte Spektrum der digitalen Lehre reicht dabei von Aufzeichnungen klassischer Lehrformate über virtuelle Präsenzformate bis zu interaktiven, autarken Onlineangeboten. Darüber hinaus bietet die digitale Lehre auch die Chance auf Entwicklung innovativer und kreativer neuer Lehr- und Lernformate.

FormalPara Infobox 1 Beispiele aktueller digitaler Lehrinhalte in der Radiologie

Die konkrete Umsetzung digitaler Lehre sowie Visionen zur Weiterentwicklung virtueller Lehre werden am Beispiel der radiologischen Lehr- und Lernplattform „conrad“ [1] erläutert.

Grundlegende digitale Lehrmethoden

Als Basisversion digitaler Lehre wird die Digitalisierung bekannter Lehrformate ohne Verwendung von additiven Materialien verstanden, bspw. durch Aufnahme oder Vertonung von Vorlesungen (VodCasts; [2]). Solche Formate sind jedoch nur eingeschränkt zu aktualisieren und bedingen durch fehlende Interaktivität vor allem passives Lernen. Im Vergleich zu interaktiven Lehrformaten werden sowohl unmittelbare als auch Langzeitlerneffekte des passiven Lernens als signifikant geringer [3] und die notwendige Vermittlungszeit als länger beschrieben.

Hingegen ermöglichen in Form von Videokonferenzen realisierte Seminare die digitale Interaktion zwischen Dozierenden und Studierenden. Das Maß der Interaktion, das als signifikanter Faktor für die Effektivität einer Lehrmethode gilt [4], ist in Videokonferenzen jedoch multifaktoriell abhängig und nicht garantiert. Überdies ermöglichen Videokonferenzen kein asynchrones Lernen, bei dem die Kommunikation zwischen den Dozierenden und Teilnehmenden – z. B. um Fragen zu stellen – zeitversetzt erfolgt. Mutmaßlich aufgrund größerer zeitlicher Flexibilität werden asynchrone Lehrinhalte allerdings von Lernenden in der ärztlichen Weiterbildung bevorzugt [5].

Die Onlineformate können auch kombiniert werden, indem Präsenzlehre über Videokonferenzen erfolgt und durch Vor- und Nachbereitung in Form von Vodcasts unterstützt wird. Vergleichbar zum Blended Learning bei dem Präsenzlehre durch eLearning ergänzt wird, kann so der positive Einfluss der Interaktivität auf den Lernerfolg in einem kontrolliert vorbereiteten Lernumfeld genutzt werden. Das effizient und zeitlich flexibel im Eigenstudium erlernte Wissen wird überdies durch den Austausch im Gespräch erneut abgerufen und gefestigt.

Infrastruktur digitaler Lehre in der Radiologie

Unabhängig vom Lehrformat ist die grundlegende Voraussetzung für digitale Lehre performante IT-Infrastruktur. Hierfür sind fakultätsinterne [6, 7], fakultätsübergreifende [8] und fachspezifische Ansätze [9] beschrieben worden. Insbesondere für die radiologische Lehre ist es beispielsweise notwendig, größere Mengen an Bilddaten sicher abzulegen, reliabel und schnell abzurufen und mit diesen interaktiv zu agieren. Ein Beispiel für eine solche radiologische online Lehr- und lernplattform ist „conrad“. Auf „conrad“ werden Onlineangebote radiologischer Institute deutschlandweit gesammelt und können nach Zielgruppe (Studierende, [Fach-]Ärztinnen/Ärzte, MTRA), Subspezialität, Format (z. B. Fallsammlung, Zertifizierungskurs, Vortrag) und Publikationsjahr gefiltert abgerufen werden.

So bietet „conrad“ für Studierende ein modulares Kurssystem „unirad“, das im Rahmen der Pandemie ausgebaut wurde und nun nahezu das gesamte radiologische Curriculum im Medizinstudium abdeckt. Die Module basieren auf Vodcasts und realen Fällen, die durch die Beantwortung von Multiple-choice-Fragen interaktiv bearbeitet werden. Die radiologische Befundung wird dabei durch Vermittlung klinischer Informationen, aktives Scrollen durch die Schnittbilddatensätze, Möglichkeiten zur Optimierung des Bildkontrasts (fenstern) und zur Vergrößerung von Bildausschnitten imitiert. Die Lehrmaterialien und Fälle stammen von fachlich und didaktisch profilierten Kolleginnen und Kollegen verschiedener Standorte, wodurch synergistisch personelle Ressourcen im jeweiligen Institut gespart werden. Zu sämtlichen Fragen erfolgt eine Ergebnisevaluation und zusätzliches formatives Feedback im Sinne einer Rückmeldung zum Lernprozess und zum korrekten Handlungsprozedere im simulierten Patientenfall, um Engagement und Motivation [10] sowie den Lerneffekt [11] zu verstärken. Tatsächlich gaben in einer Selbstevaluation vor Bearbeitung des interaktiven Onlinemoduls „Muskuloskelettale Radiologie“ (MSK) 70 % der Studierenden an, die Lernziele aus dem Studium zum Thema Arthrose nicht zu erreichen [12]. Nach Bearbeitung betraf dies lediglich noch 10 %. Vor Bearbeitung des Moduls schätzten 92 % die Lernziele zu MSK assoziierten Tumoren als nicht erreichbar ein, nach Bearbeitung nur 19 % (ebd.).

Auch für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung und auf Facharztniveau sind auf „conrad“-Vodcasts wie, z. B. interaktive, fallbasierte Fit-für-den-Facharzt-Kurse vorhanden. Auf Basis der beschriebenen Infrastruktur ist zudem die Entwicklung eines curriculär strukturierten, standortunabhängigen Kurssystems zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung oder für radiologische Zusatzzertifizierungen möglich.

Chancen und Visionen digitaler Lehre

Zur Weiterentwicklung digitaler Lehrformate und Onlineplattformen auch nach der Pandemie ist es ein vielversprechender Ansatz, das kooperative Lernen [13] zu stärken. So stellt der interkollegiale fachliche Austausch in der Peergruppe in jeder Lebensphase einen wesentlichen Grundpfeiler des individuellen Lernens dar. Die Nutzung dieser zwischenmenschlichen Dynamik im Sinne einer „Virtual Community“ [14] ist das Grundprinzip von Social-Media-Tools, deren Verwendung in der radiologischen Lehre bereits beschrieben wurde [15]. Die Integration von Social-Media-Funktionen in die digitale Lehre, um kooperatives Lernen mit bekannt positivem Effekt auf den Lernerfolg [13] zu fördern, ist entsprechend naheliegend. Als erstes Beispiel für die Umsetzung digitalen kooperativen Lernens können Expertennetzwerke [16] angesehen werden, die in herausfordernden diagnostischen Fällen Hilfestellung innerhalb der Peer-Gruppe ermöglichen.

Weiterhin könnten über digitale Simulationen zukünftig auch Praktika virtuell realisiert werden, in dem im Team (kooperativ) verschiedene Rollen, z. B. im Schockraum, eingenommen werden und reale Fälle unter der Supervision erfahrener Kolleginnen und Kollegen bearbeitet werden. Diagnostische Entscheidungen könnten entsprechend trainiert [17] und ethisch belastende Situationen wie das Überbringen schlechter Nachrichten zunächst in sicherer Umgebung erlebt werden. Speziell in der Radiologie könnten Simulationen mit unterstützenden Hardwarekomponenten wie Virtual-Reality-Brillen und Handschuhen mit Fingersensoren auch zur Planung und praktischen Übung von Interventionen in die digitale Lehre auf jeglichem Niveau integriert werden.

Zusammenfassend ermöglicht die durch die Pandemie beschleunigte Etablierung digitaler Lehre nicht nur die digitale Transformation bestehender Lehrformate, sondern auch die Entwicklung innovativer, inhärent digitaler Formate. In der Radiologie bereits existente Online-Lehr- und Lernplattformen gewähren die ressourcensparende, effektive Umsetzung der digitalen Lehre und bieten die notwendige Grundlage zur Weiterentwicklung der virtuellen Lehre sowohl im Medizinstudium als auch in der radiologischen Weiter- und Fortbildung.

Fazit

  1. 1.

    Die digitale Lehre ist durch die COVID-19-Pandemie deutlich gestärkt worden und reicht von der Digitalisierung bestehender Lehrformate bis zu innovativen, inhärent digitalen Formaten.

  2. 2.

    Die ressourcensparende Umsetzung digitaler Lehre im Medizinstudium sowie in der radiologischen Weiter- und Fortbildung ist über deutschlandweite, bereits bestehende Online-Lehr- und Lernplattformen wie „conrad“ möglich.

  3. 3.

    Weiterentwicklungspotenzial der digitalen Lehre besteht in der Stärkung kooperativen Lernens sowie der Verwendung von Simulationen zum Erlernen praktischer Fähigkeiten, z. B. für radiologische Interventionen.