Liebe Leserinnen und Leser,

kleine Ursache, große Wirkung: Ein 1989 erstmals nachgewiesener, autosomal-rezessiv vererbter Defekt des Cystic-Fibrosis-Transmembrane-Conductance-Regulator(CFTR)-Proteins [3], der zu einer Störung des Ionenaustausches an epithelialen Oberflächen führt, ist die Ursache der Mukoviszidose (zystische Fibrose, CF), der häufigsten früh letalen angeborenen Erkrankung in der weißen Bevölkerung. Mit einem betroffenen von ca. 2000 Neugeborenen in Deutschland [1, 2] zählt sie allenfalls formal zu den seltenen Erkrankungen (s. Beitrag von M. Stahl). Die CF ist eine echte multisystemische Erkrankung und schlägt ihre Klauen nicht nur in die Atmungsorgane. Die Veränderungen am Pankreas, die der Erkrankung ihren Namen gaben, führen zu exokriner Insuffizienz und zu Diabetes mellitus, aber fast alle Bauchorgane können betroffen sein: Fettleber und -zirrhose, Cholelithiasis, Mekoniumileus beim Neugeborenen, chronische Obstipation bis hin zum Ileus schon bei Kindern. Indem mehr und mehr Patienten das Erwachsenenalter erreichen, erweist sich, dass sogar maligne gastrointestinale Tumoren gehäuft auftreten. Auch der Urogenitaltrakt bleibt nicht verschont; Urolithiasis gehört zum Krankheitsbild, ebenso wie bei Männern die Azoospermie und bei Frauen die Stressinkontinenz (s. Beitrag von O. Sommerburg und J.-P. Schenk).

Systemisch ist die CF aber auch in anderem Sinne. Bereits, wenn die ersten Symptome auftreten, ist klar, dass sich die gesamte Familie auf ein Leben mit der Krankheit einrichten muss. Häufige Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte, Untersuchungen, heimische und ambulante Atemtherapie, Bronchialtoilette, Einbindung der KiTa und der Schule, Rücksichtnahme seitens der Mitschüler, und schließlich die verkürzte Lebensspanne des Kindes. Und irgendwann die Trauerarbeit. Jenseits der objektiven Belastungen kommt das hinzu, was die Krankheit innerlich mit einem selbst und vielleicht auch anderen macht: was in einem Kind vorgeht, das mit einer ungewissen Zukunft heranwächst, das eine Sonderrolle spielen muss, nach der es nie gefragt hat, kann man sich nur schwer vorstellen. All die Freuden, Hoffnungen, Kümmernisse und Sorgen der Anderen, so banal sie derweil sein mögen – für einen selbst haben sie zumindest eine andere Qualität. Auch Verwerfungen im Geschwisterkreis sind vorprogrammiert – wie will man jenem in jungen Jahren vermitteln, in puncto Zuwendung zugunsten einer Person zurückstecken zu müssen, Tag für Tag?

Glücklicherweise sind die Entwicklungen der modernen Medizin nicht an der CF vorbeigegangen. Seit der Erstbeschreibung des zugrundeliegenden genetischen Defekts [3] haben Verbesserungen im Verständnis für die Pathophysiologie, der medikamentösen Therapie, einschließlich Mukolytika und Antibiotika, Physiotherapie, sowie Verbesserungen der Maldigestion und Supportiva und nicht zuletzt der Erfolge der Lungentransplantation zu einer Verbesserung von Lebensqualität, Prognose und Überleben geführt [2, 4]. Aufgrund der monogenetischen Ursache wurde sogar eine Vielzahl an gentherapeutischen Ansätzen verfolgt – leider ohne letztlich einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen. So bleibt die CF bislang unheilbar.

In verschiedenen westlichen Ländern, 2016 auch in Deutschland, wurde ein differenziertes Neugeborenenscreening auf CF eingeführt [5, 6]. Dieses hat im Sinne einer sekundären Prävention zum Ziel, Erkrankte möglichst noch vor Einsetzen einer irreversiblen Lungenschädigung zu identifizieren, häufig also in einem asymptomatischen Stadium. Im Jahr 2011 wurden die Daten zu Ivacaftor, einem CFTR-Potentiator zur Wiederherstellung der CFTR-Funktion zur Behandlung von G551D-Mutationsträgern publiziert [7], was – da noch immer kein gentherapeutischer Ansatz verfügbar ist –, einen entscheidenden Durchbruch in der Therapie darstellt. Auch wenn diese Mutation eher selten zu finden ist, waren die Ergebnisse jedoch mehr als aufsehenerregend, da sie am Schlüsselmechanismus zur Pathogenese ansetzte und sich als effektiv erwies: Die Konzentration von Cl im Schweiß sank umgehend auf einen hoch-normalen Wert. Innerhalb von 2 Wochen kam es unter Therapie zu einer langanhaltenden Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1 %), einer Gewichtszunahme, einer Abnahme der Frequenz der Exazerbationen und einer subjektiven Verbesserung der Symptome [7]. In kurzer Folge wurden weitere ähnliche Medikamente und deren Kombinationen zugelassen, welche aktuell auch für die häufigen Mutationen und auch junge Patienten ab 2 Jahren in Deutschland verfügbar sind. Bezüglich der extrapulmonalen Manifestationen profitieren die Betroffenen ebenfalls von diesen Substanzen, neben der breiten Batterie an medikamentösen und ggf. chirurgischen Maßnahmen, die sich gleichfalls fortentwickelt haben. Erstmals besteht somit die Perspektive, bei früher Diagnose dank des Screenings eine irreversible Lungendestruktion zu verhindern oder zu verzögern, zumindest solange die Gesellschaft gewillt ist, die hohen Therapiekosten zu tragen (s. Beitrag von M. Stahl).

Diese Entwicklungen haben verschiedene Auswirkungen auf die Zusammensetzung der CF-Patienten als solche. Abhängig von Umweltfaktoren und Genotyp war die Erkrankung schon immer interindividuell sehr unterschiedlich ausgeprägt, sodass Therapieentscheidungen möglichst individuell getroffen werden mussten. Wesentlicher Biomarker für die Erkrankungsschwere und für die Therapiekontrolle war dabei die Spirometrie (FEV1 %). Durch die Erfolge in der Therapie ist nun zu erwarten, dass eine Mehrzahl an Patienten über lange Zeit eine normale spirometrisch messbare Lungenfunktion behalten und dass die Lebenserwartung deutlich verlängert wird. Auch werden Patienten immer früher diagnostiziert, das heißt, in asymptomatischen Stadien, gar im Neugeborenenalter, in dem noch keine Spirometrie möglich ist. Deren Aussagekraft hinsichtlich Prognose und Schweregrad der Erkrankung ist ohnehin begrenzt, zumal hinlänglich bekannt ist, dass das Befallsmuster der Lunge außerordentlich variabel ist und dass die Funktionseinbuße zerstörter Lungenlappen in ihrer Funktion durch noch relativ gesunde Lungenanteile kompensiert werden kann, was der Spirometrie zwangsläufig entgeht. In der Summe bedeutet dies, dass für die Beurteilung der Erkrankungsschwere im Prinzip über die gesamte Lebensdauer eines Patienten hinweg neue, möglichst nichtinvasive Methoden erforderlich werden [8].

Die Entwicklung moderner radiologische Bildgebung der Lunge leistet einen enormen Beitrag zur Individualisierung der Therapie. Allen voran ist hierbei die Magnetresonanztomographie (MRT) zu nennen, für die die Lunge lange Zeit nur Terra incognita war – bei genauer Betrachtung aber nur die gesunde, belüftete Lunge, und auch diese nicht voll und ganz, wie sich noch zeigen wird. Pathologische Veränderungen wie Infiltrate, Konsolidierungen, Bronchialwandverdickungen und Bronchiektasen oder Schleimretention können sehr wohl dargestellt werden. Technisch ist das zwar alles andere als trivial, aber nach fast 20 Jahren Entwicklung inzwischen praxisreif (s. Beitrag von P. Leutz-Schmidt et al.). Die MRT kann noch mehr: Durch die dynamische, kontrastverstärke MRT kann die regionale Lungendurchblutung erfasst werden, die ihrerseits als Surrogatmarker mittels der hypoxischen pulmonalen Vasokontriktion (Euler-Liljestrand-Mechanismus) indirekt die regionale Ventilation wiedergibt. Regional wohlgemerkt, im Unterschied zur Lungenfunktionsmessung, die nur globale Parameter erfassen kann. Ein Geniestreich ist in diesem Zusammenhang die regionale Ventilations- und Perfusionsmessung in freier Atmung und in Nativtechnik mit Hilfe der Fourier-Dekomposition (s. Beitrag von S. Nyilas et al.), die eine Erläuterung verdient. Was sich hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt, beruht auf der Tatsache, dass selbst das schwache Signal der belüfteten Lunge regelmäßig zu- und abnimmt, und zwar aufgrund der Atmung (Signalabnahme bei Ein- und Signalzunahme bei Ausatmung) sowie der Herzaktionen (stärkstes Signal zum Zeitpunkt der größten Blutfülle der Lungen). Misst man nun die Signalintensität über die Zeit, findet man Signalspitzen bzw. Signaltäler, die zum einen etwa alle 10 s (Aus- und Einatmung), und zum anderen ungefähr alle 0,8 s auftreten (Systolen). Die Aufzeichnung des Signals über längere Zeit führt nach Umwandlung durch Methoden der Fourier-Transformation zu Werten, die die Stärke einerseits der Ventilation, andererseits der Perfusion wiedergeben.

Dennoch: Komplikationen der CF treten auf und werden es weiterhin tun – hier ist das ganze Spektrum der radiologischen Bildgebung gefordert, sowohl des Thorax (s. Beitrag von A. Bischoff et al. und Ley-Zaporozhan) wie des Abdomens (s. Beitrag von H.-J. Mentzel et al. und von O. Sommerburg et al.). So verblüffend die Möglichkeiten der MRT sind, so bleiben Ultraschall und Computertomographie (CT) unentbehrlich, sobald ein ernstes Problem akut aufgetreten ist. Angesichts des geringen Alters bei Exposition und der Chronizität des Leidens stellt allerdings die Anwendung ionisierender Strahlung ein ernstes Problem dar, denn die über Jahrzehnte angehäuften Strahlendosen sind beträchtlich. Und mit Blick auf diesen Aspekt wird klar, warum die Etablierung der morphologischen und funktionellen MRT der Lunge eine Revolution darstellt. Bislang glich die Therapie der pulmonalen Manifestation einem Blindflug, da das Thorax-Röntgen für die Verschlechterung der Befunde an den Segment- und Subsegmentbronchien – dort, wo eigentlich „die Musik spielt“ – ebenso insensitiv ist wie für deren Besserung durch die Behandlung oder deren Ausbleiben. Auch die globale Lungenfunktion ist als Indikator ein grobes Werkzeug. Engmaschige CT-Kontrollen verbieten sich mit Blick auf die kumulative Strahlendosis zwar nicht ganz, bleiben aber doch der dringenden Problemlösung vorbehalten. Mit der MRT sind nun Routineuntersuchungen möglich, um Veränderungen nachzuweisen, noch bevor sie symptomatisch werden. Die Wirksamkeit, z. B. einer mukolytischen oder antibiotischen Behandlung, kann kurzfristig beurteilt werden, um ggf. nachzusteuern oder nach eingetretener Besserung die Therapie auszusetzen. Mit den in modernen MRT-Protokollen integrierten funktionellen Messungen können zudem Störungen der Perfusion oder Ventilation nachgewiesen werden, deren morphologische Ursachen noch nicht augenfällig sind. Das ist es, was schon so lange gebraucht wurde: Bildgebung zur Verhütung von Komplikationen und zur Individualisierung der Therapie.

Ihre

Prof. Dr. Mark O. Wielpütz

Prof. Dr. Michael U. Puderbach

Prof. Dr. Stefan Delorme