Zusammenfassung
Hintergrund
Zum 31.12.2018 trat in Deutschland die neue Strahlenschutzverordnung in Kraft und konkretisierte das neue Strahlenschutzgesetz. Alte Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung wurden damit ersetzt.
Ziel der Arbeit
Die wesentlichen Änderungen in Hinblick auf die arbeitstägliche Routine in der Radiologie wurden zusammengefasst.
Methode
Die Änderungen und Neuerungen von neuem Strahlenschutzgesetz und neuer Strahlenschutzverordnung zur alten Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung wurden herausgearbeitet. Der Hauptschwerpunkt lag hierbei in der Bedeutung für die Arbeitsabläufe in der klinischen Routine.
Ergebnisse und Diskussion
Die neue Strahlenschutzgesetzgebung beinhaltet eine Reihe von Anordnungen, die dem Strahlenschutz, der Qualitätssicherung und der Dosisoptimierung entscheidende Werkzeuge zu deren Umsetzung in die Hand legen. Dies geht aber auch mit einem zeitlichen und personellen Mehraufwand einher.
Abstract
Background
On 31 December 2018, the new Radiation Protection Regulation came into effect in Germany and made the new Radiation Protection Act more concrete. The old Radiation Protection Regulation and X‑ray Regulation have thereby been replaced.
Objectives
The substantial modifications regarding the practical daily routine in radiology are summarized.
Methods
Modifications and innovations of the New Radiation Protection Act and Regulation compared to the old Radiation Protection Regulation and X‑ray Regulation and accordances were evaluated. Thereby the main focus was in the relevance for workflow in clinical routine.
Results and conclusion
The new legislation contains a number of regulations that provide crucial tools for implementation of radiation protection, quality assurance, and dose optimization. However, this also requires additional time and personnel.
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Seit mehr als einem Jahr gibt es nun mit dem neuen Strahlenschutzgesetz (StrlSchG; [5]) und der neuen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV; [22]) eine neue Strahlenschutzgesetzgebung in Deutschland. Auf Grund der Fülle der darin enthaltenen Änderungen allein für die Radiologie existiert auch heute noch großer Aufklärungsbedarf. Eine kompakte erklärende Zusammenfassung soll hier eine Hilfestellung für die arbeitstägliche Routine geben und zeigt den erhöhten Arbeitsaufwand auf.
Die neue Strahlenschutzgesetzgebung wurde durch eine Richtlinie von 2013 vom Rat der Europäischen Union zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung erforderlich [18]. Alte Strahlenschutzverordnung [20] und Röntgenverordnung (RöV; [21]) wurden infolgedessen außer Kraft gesetzt. Das deutsche Strahlenschutzrecht wurde somit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst und dem Optimierungsgrundsatz entsprechend erweitert. So wurden beispielsweise Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission aus der ICRP-Veröffentlichung 103 (ICRP: International Commission on Radiological Protection) aufgegriffen [17]. Die neue Strahlenschutzgesetzgebung umfasst die verschiedensten Expositionssituationen (Abb. 1) und ist mit insgesamt 418 Paragraphen sehr umfangreich. War die Röntgenverordnung ein kompaktes, überschaubares Regelwerk für die Radiologie, so sind nun die Regelungen für diesen Bereich, gemeinsam mit denen anderer Expositionssituationen, über die verschiedensten Kapitel in StrlSchG und StrlSchV verstreut. Zu den vielen bereits existierenden Gesetzen und Regelungen die beim Betrieb einer Röntgeneinrichtung zu beachten sind (Abb. 2), sind weitere Ergänzungen bzw. Überarbeitungen zu erwarten. Diese Übersichtsarbeit soll einen Einblick in die für die Radiologie relevanten Änderungen für die arbeitstägliche Routine geben.
Personelle Organisation
Das Personal-Organigramm hinsichtlich einer Röntgeneinrichtung ist im Wesentlichen in Abb. 3 dargestellt. Dabei kann eine Röntgeneinrichtung auch von mehreren Strahlenschutzverantwortlichen (SSV) betrieben werden, wie z. B. in einem Medizinischen Versorgungszentrum in dem eine Röntgeneinrichtung von mehreren Arztpraxen eigenverantwortlich genutzt und die Anwendung entsprechend abgerechnet wird. Die Nutzung der Röntgeneinrichtung durch weitere SSV ist gemäß § 44 Abs. 1 StrlSchV [22] der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen. Dabei benötigt jeder einzelne SSV eine Genehmigung bzw. hat eine Anzeige zu erstatten.
Steht der Strahlenschutzbeauftragte (SSB) in einem Arbeitsverhältnis mit dem zur Bestellung verpflichteten Strahlenschutzverantwortlichen, darf ihm nun nach § 70 StrlSchG [5], mit Ausnahme einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund, nicht gekündigt werden. Der Kündigungsschutz besteht noch ein Jahr nach Beendigung der Bestellung. Dies ermöglicht es dem SSB, seine Pflichten auch im Konflikt mit dem SSV zu erfüllen bzw. durchzusetzen. Die Aufgaben und Befugnisse des SSB werden vom SSV schriftlich festgelegt. Die nachfolgend genannten Pflichten nach § 43 Abs. 2 StrlSchV [22] darf der SSV dem SSB jedoch nicht übertragen. Bei einer Nutzung durch weitere Strahlenschutzverantwortliche hat der SSV seine Pflichten und die der unter seiner Verantwortung tätigen Personen, vertraglich eindeutig von denen der anderen Strahlenschutzverantwortlichen abzugrenzen. Dies betrifft auch Röntgeneinrichtungen die bereits vor dem 31.12.2018 von mehreren Strahlenschutzverantwortlichen betrieben wurden. Weitere nicht übertragbare Pflichten sind, dafür zu sorgen, dass eine Strahlenschutzanweisung, sofern gefordert, erlassen bzw. aktualisiert wird, die ärztliche Bescheinigung der beruflich exponierten Personen aufbewahrt wird, die Aufzeichnungen über die Einweisung in Tätigkeiten mit Strahlungsquellen aufbewahrt werden, Aufzeichnungen über Abnahme- und Konstanzprüfung erfolgen und aufbewahrt werden, und der SSV hat bei einem angezeigten Forschungsvorhaben vor der ersten Anwendung den dafür leitenden Arzt oder Zahnarzt zu benennen.
Schutzmaßnahmen die zu beachten sind, wie z. B. ein Plan für die Organisation des Strahlenschutzes, Regelungen über die Festlegung von Dosisrichtwerten, oder wie Vorkommnisse vermieden, untersucht und gemeldet werden, müssen nach § 45 StrlSchV [22] in der Strahlenschutzanweisung enthalten sein. Der nach § 1 Abs. 5 StrlSchV [22] definierte Dosisrichtwert wurde neu eingeführt und gilt für beruflich exponierte, Betreuungs- und Begleitpersonen bzw. Tierbegleitpersonen. Die Strahlenschutzkommission (SSK) sah in ihrer Empfehlung von 2015 keine Notwendigkeit für die Einführung von Dosisrichtwerten in der neuen Strahlenschutzgesetzgebung, empfahl jedoch, den SSV für die Prüfung der Zweckmäßigkeit des Dosisrichtwertes darin zu verpflichten [8]. Daher sollen Dosisrichtwerte nach § 72, § 122 Abs. 1 und § 144 Abs. 2 StrlSchV [22] innerhalb von 6 Monaten nach Aufnahme einer Tätigkeit darauf hin überprüft werden, ob sie ein geeignetes Instrument zur Optimierung des Strahlenschutzes sind. Bei Tätigkeiten, die vor dem 31.12.2018 aufgenommen wurden, sollte dies nach § 191 StrlSchG [5] bereits geschehen sein.
Ein Medizinphysik-Experte (MPE) ist nun nach § 131 StrlSchV [22] auch in der Radiologie zur Mitarbeit hinzuzuziehen, wenn die Strahlenanwendung mit einer erheblichen Exposition verbunden ist. Ein MPE ist bei einem Genehmigungs‑/Anzeigeverfahren bei der zuständigen Behörde nachzuweisen oder nach §§ 198 und 200 StrlSchG [3] spätestens zum 31.12.2022. Seine Aufgaben nach § 132 StrlSchV [22] sind in Abb. 3 dargestellt. Die Strahlenschutzkommission hat eine Empfehlung veröffentlicht [3], die Angaben zu Tätigkeitsbereichen und Ausbildung eines MPE für die Radiologie beinhaltet und unter welchen Voraussetzungen dieser zum SSB bestellt werden soll.
Fachkunde-Richtlinien, nicht nur für MPE, werden derzeit an die neuen Anforderungen angepasst. Bis diese überarbeitet worden sind, gelten die alten Richtlinien entsprechend weiter [7]. Vor dem 31.12.2018 bescheinigte Fachkunden und Kenntnisse im Strahlenschutz gelten nach § 189 StrlSchV [22] entsprechend fort. Von der zuständigen Stelle anerkannte Kurse zum Erwerb der Fachkunde oder Kenntnisse gelten bis zum 31.12.2023 als anerkannt fort, sofern die Anerkennung keine kürzere Frist enthält.
Strahlenschutzbereiche und berufliche Exposition
Vor Aufnahme einer anzeige- oder genehmigungsbedürftigen Betätigung oder dem erstmaligen Zutritt zum Kontrollbereich muss eine Unterweisung nach § 63 Abs. 2 StrlSchV [22] erfolgen. Diese muss nun auch über die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten informieren, die der Überwachung von Dosisgrenzwerten und der Beachtung der Strahlenschutzgrundsätze dienen. Eine Einteilung der Strahlenschutzbereiche in ihre Kategorien, erfolgt auf Grundlage der Höhe der möglichen Strahlenexposition in Form von effektiver Dosis und Organ-Äquivalentdosis von Haut, Hände, Unterarme, Füße, Knöchel und Augenlinse. Für den Überwachungsbereich findet die Augenlinsendosis jedoch keine Berücksichtigung mehr, dafür ist ein Kontrollbereich bereits ab einer Augenlinsendosis von 15 mSv/a (§ 52 Abs. 2 StrlSchV [22]) statt wie bisher ab 45 mSv/a (§ 19 Abs. 1 RöV [21]) zu errichten. In den Strahlenschutzbereichen ist nach § 56 StrlSchV [22] die Ortsdosis bzw. Ortsdosisleistung so zu messen und aufzuzeichnen, dass damit die Exposition ermittelt werden kann. Die Anzeige der Messgeräte muss bei Sperrbereichen auch außerhalb dieses Bereichs erkennbar sein. In § 19 RöV [21] war der Sperrbereich bei Röntgeneinrichtungen ausgenommen, nun betrifft dies nach § 52 Abs. 2 StrlSchV [22] nur noch deren Betrieb zum Zwecke der Untersuchung (Diagnostik). Nach § 1 Abs. 8 StrlSchV [22] sind allerdings Interventionen definiert als „Einsatz von Röntgenbildgebungstechniken, um zu medizinischen Zwecken die Einbringung von Geräten und Substanzen in den Körper und ihre Steuerung zu ermöglichen“ und stellen somit keine Untersuchung dar. Dieser Definition folgend, müsste nun auch bei Interventionsanlagen ein Sperrbereich eingerichtet und entsprechend § 53 Abs. 3 und 4 StrlSchV [22] gekennzeichnet und abgesichert werden, wenn dort die Ortsdosisleistung höher als 3 mSv/h sein kann. Auf Grund der Schwierigkeit der praktischen Umsetzung wurde dies in einigen Stellungnahmen bezüglich einer allgemeineren Formulierung im Referentenentwurf zur StrlSchV kritisiert [10,11,12,13]. Eine konkrete Handlungsanweisung zur Umsetzung existiert bislang nicht.
Bei beruflich exponierten Personen wurde der Grenzwert für die Organdosis der Augenlinse auf 20 mSv/a (§ 78 StrlSchG [5]) abgesenkt. Die Werte für Gebärmutter (gebärfähige und schwangere Frauen), Haut, Hände, Unterarme, Füße und Knöchel wurden beibehalten und die der restlichen Organe entfielen. Bislang wurde bei Photonenstrahlung für die Abschätzung der Augenlinsendosis die Messgröße HP(0,07) als ausreichend angesehen. Sie ist die Äquivalentdosis in 0,07 mm Tiefe im Körper an der Tragestelle des entsprechenden Dosimeters [19]. In Anlage 18 Teil A StrlSchV [22] wurde nun eine neue Messgröße, die Augenlinsen-Personendosis HP(3) eingeführt. Sie ist die Äquivalentdosis in 3 mm Tiefe im Körper an der Tragestelle des dafür vorgesehenen Dosimeters. Diese Messgröße ist nach § 197 StrlSchV [22] spätestens ab dem 01.01.2022 zu verwenden, wobei der Grenzwert für die Augenlinse nach § 212 StrlSchG [5] bereits ab dem 01.01.2019 einzuhalten ist. Eine mögliche Überschreitung der Augenlinsendosis von 15 mSv/a und die dadurch geforderte Überwachung des Grenzwerts, kommt in der Radiologie hauptsächlich bei Interventionen vor. Es wird daher empfohlen, in diesem Bereich Erhebungsmessungen mit einem HP(0,07)-, oder einem bereits erhältlichen, jedoch noch nicht amtlich zugelassenen HP(3)-Dosimeter durchzuführen [16].
Bei der Ermittlung der beruflichen Exposition sind die Körperdosen aller Tätigkeiten der beruflich exponierten Person zu addieren. Nach § 166 StrlSchG [5] zählen dazu auch die durch Radon am Arbeitsplatz verursachten. Ist die effektive Dosis zu ermitteln, so sind dafür gemäß § 197 StrlSchV [22] spätestens ab dem 01.01.2021 die neuen Gewebe-Wichtungsfaktoren nach Anlage 18 Teil C StrlSchV [22] zu verwenden. Radon ist ein im Boden natürlich vorkommendes radioaktives Edelgas, dass hauptsächlich aus dem Boden austritt und sich in Gebäuden ansammeln kann. Es erhöht das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Daher wurde zum Schutz vor Radon am Arbeitsplatz ein Grenzwert für dessen Aktivitätskonzentration eingeführt der ggf. zu überwachen ist.
Sind Messungen für die Ermittlung der Körperdosis fehlerhaft oder ausgeblieben, ist dies nach § 65 Abs. 2 StrlSchV [22] der zuständigen Behörde mitzuteilen und die Dosis abzuschätzen. Für Personen die der physikalischen Strahlenschutzkontrolle unterliegen, oder sich in Strahlenschutzbereichen aufhalten und nicht zu den beruflich exponierten oder Betreuungs- und Begleitpersonen gehören (z. B. Studenten oder Besucher), ist nach § 76 Abs. 2 StrlSchG [5] auch deren Körperdosis zu ermitteln und aufzuzeichnen. Wird einer Schwangeren als beruflich exponierte oder Betreuungs- bzw. Begleitperson der Zutritt in den Kontrollbereich nach § 63 Absatz 2 StrlSchV [22] erlaubt, so ist dies zu dokumentieren.
Aufzeichnungen zur Körperdosis müssen nach § 167 StrlSchG [5] zusätzlich Angaben über die persönliche Kennnummer enthalten. Die persönliche Kennnummer, auch Strahlenschutzregisternummer (SSR-Nummer), ersetzt die alte Strahlenpassnummer und wird für jede beruflich exponierte Person und Strahlenpassinhaber ausgegeben. Sie dient nach § 170 StrlSchG [5] der eindeutigen Zuordnung der Eintragungen in das Strahlenschutzregister und wird vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vergeben. In das Strahlenschutzregister werden zudem noch die Betriebsnummer des Beschäftigungsbetriebs und Angaben über die zuständige Behörde eingetragen. Mehrfachausgaben von Strahlenpässen können somit identifiziert und für ungültig erklärt werden. Eine Löschung der im Strahlenschutzregister gespeicherten personenbezogenen Daten erfolgt nicht mehr, sodass deren Verwendung zu Forschungszwecken auch nach dem Tod der betroffenen Personen möglich ist, sofern die Belange der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bzw. des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) eingehalten werden.
Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen
Bevor an einer Person Röntgenstrahlung angewendet wird, muss diese nach § 124 StrlSchV [22] über das Risiko der Anwendung informiert werden. Diese Forderung wurde nicht weiter konkretisiert, daher wird empfohlen, das Maß der Information der Höhe des Strahlenrisikos anzupassen. Dies kann sich von einer einfachen schriftlichen oder mündlichen Information (z. B. bei Röntgenaufnahme des Fußes) bis zu einem persönlichen Aufklärungsgespräch (z. B. bei Kontraindikationen oder möglicher Schwangerschaft) erstrecken [15, 23]. Für eine Risikoabwägung bei möglicher Schwangerschaft kann der DGMP- und DRG-Bericht über „Pränatale Strahlenexposition aus medizinischer Sicht“ [14] eine informelle Hilfestellung geben.
Ein Röntgenpass nach § 28 Abs. 2 RöV [21] wird nicht mehr gefordert, jedoch empfiehlt das BfS, diesen weiterhin zu verwenden [6]. Laut § 85 Abs. 4 Nr. 1 StrlSchG [5] soll es künftig eine Regelung geben, die festlegt, wann und in welcher Form der untersuchten Person Informationen über die durchgeführte Untersuchung anzubieten sind.
Die Aufzeichnungspflichten von § 28 RöV [21] über die Anwendung von Röntgenstrahlung am Menschen wurden in § 85 StrlSchG [5] um den Aspekt erweitert, dass eine Überschreitung der diagnostischen Referenzwerte (DRW) begründet und aufgezeichnet werden muss. So sind nach § 122 Abs. 2 und 3 StrlSchV [22] die Expositionen regelmäßig auszuwerten, zu bewerten und die DRW entsprechend zu Grunde zu legen. Dazu hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) am 22.01.2020 eine Stellungnahme an die Fachgesellschaften herausgegeben [9]. Darin wird klargestellt, dass eine Begründung nur gefordert wird, wenn auch bei einer Mittelung von mindestens 10 Anwendungen gleicher Art der DRW überschritten wird. Aus der Begründung muss jedoch eindeutig hervorgehen, warum durch diese einzelne Anwendung der gemittelte Wert den DRW überschritt. Eine Überschreitung kann z. B. durch starke Adipositas von Patienten hervorgerufen werden. Wird diese nicht in der Patientenakte vermerkt, kann dies problematisch sein. Eine eingeblendete Röntgenaufnahme kann z. B. im Nachhinein keinen Aufschluss mehr über das Körpermaß des Patienten geben. Eine Ursachenermittlung für die DRW-Überschreitung der gemittelten Werte ist dann evtl. nicht mehr möglich. Sofern die Exposition von Betreuungs- und Begleitpersonal zu ermitteln ist, müssen Angaben dazu ebenfalls aufgezeichnet werden. Diagnostische Referenzwerte sollen nach § 125 Abs. 2 StrlSchV [22] alle 3 Jahre vom BfS überprüft und ggf. aktualisiert werden. Die letzte Aktualisierung erfolgte im Juni 2016 [1]. Darin wurde Tab. 6 im August 2018 erneuert [2]. Die DRW für die Computertomographie (CT) gelten dabei pro Scanserie und nicht für die komplette CT-Untersuchung.
Für den Strahlenschutz von Betreuungs- und Begleitpersonen ist nach § 122 StrlSchV [22] ein Leitfaden, und für alle Untersuchungen und Behandlungen mit ionisierender Strahlung sind nach § 121 Abs. 1 StrlSchV [22] schriftliche Arbeitsanweisungen zu erstellen. Diese müssen den bei der Anwendung tätigen Personen jederzeit zur Einsicht bereitstehen. Bislang waren schriftliche Arbeitseinweisungen nach § 18 Abs. 2 [21] nur für häufig vorgenommene Untersuchungen und Behandlungen gefordert. Die Forderung aus § 25 Abs. 3 RöV [21], dass Körperbereiche die nicht von der Nutzstrahlung getroffen werden müssen, vor einer Strahlenexposition so weit wie möglich zu schützen sind, ist weggefallen. In der Empfehlung der SSK zu Strahlenschutzmitteln [4] wird deren Verwendung bei bestimmten Untersuchungen auf Grund bereits sehr niedriger Strahlenexpositionen als nicht sinnvoll erachtet. Für Personen unter 18 Jahren sind jedoch, nach § 120 StrlSchV [22], geeignete Verfahren, Ausrüstungen, Geräte und Vorrichtungen bei der Anwendung ionisierender Strahlung einzusetzen, um deren besonderen Strahlenempfindlichkeit Rechnung zu tragen. Dies kann speziell für unterschiedliche Altersgruppen erstellte Untersuchungsprotokolle beinhalten, der Körpergröße angemessene oder zusätzliche Strahlenschutzmittel oder Fixierungen für pädiatrische Aufnahmen.
Neue technische Anforderungen an Röntgeneinrichtungen sind, dass diese nach § 114 StrlSchV [22] über eine Funktion verfügen müssen, die die Parameter zur Ermittlung der Exposition der untersuchten Person elektronisch aufzeichnet und für die Qualitätssicherung elektronisch nutzbar macht. Bei Interventionen ist zusätzlich eine während der Anwendung durchgängige Anzeige der Parameter zur Ermittlung der Exposition erforderlich. Eine einheitliche Umsetzungsfrist in § 195 StrlSchV [22] gibt es nicht. Sie variiert je nach Zeitpunkt der Inbetriebnahme und der Anwendung zwischen dem 01.01.2021 und dem 01.01.2024.
Vorkommnisse
Bedeutsame Vorkommnisse nach § 108 StrlSchV [22] beinhalten, konkretisieren und erweitern nun die Pflicht, nach § 42 RöV [21] außergewöhnliche Ereignisabläufe oder Betriebszustände der zuständigen Behörde unverzüglich zu melden. Ein Vorkommnis ist nach § 1 Abs. 22 StrlSchV [22] „ein Ereignis in einer geplanten Expositionssituation, dass zu einer unbeabsichtigten Exposition geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte. Kein Vorkommnis liegt vor, wenn das Ereignis für den Strahlenschutz nicht relevant ist“. Ist ein Vorkommnis bedeutsam, so muss dieses unverzüglich der zuständigen Behörde (Aufsichtsbehörde der jeweiligen Länder) gemeldet werden. Mit „unverzüglich“ umschreibt das deutsche Recht üblicherweise ein Zeitraum von 14 Tagen. Alle verfügbaren Angaben, die für eine Bewertung des Vorkommnisses nötig sind, wie Ursachen, Auswirkungen, Maßnahmen zur Behebung und Vermeidung derartiger Vorkommnisse, sind in der Meldung anzugeben. Spätestens 6 Monate nach Eintritt des bedeutsamen Vorkommnisses, ist der zuständigen Behörde dann eine vollständige zusammenfassende Meldung vorzulegen. Grundsätzlich sind nach § 105 StrlSchV [22] in systematischer Weise geeignete Maßnahmen zu treffen, um ein Vorkommnis zu vermeiden, zu erkennen und dessen nachteilige Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Ursachen und Auswirkungen, auch eines nicht bedeutsamen Vorkommnisses, sind unverzüglich zu untersuchen und die Ergebnisse, das Eintreten des Vorkommnisses und daraufhin getroffene Maßnahmen nach § 109 StrlSchV [22] aufzuzeichnen. Die Aufbewahrungsfrist dieser Aufzeichnungen ist, ebenso wie die von anderen neuen bzw. geänderten Aufzeichnungen, in Tab. 1 aufgeführt. Die Kriterien für ein bedeutsames Vorkommnis sind in Tab. 2 zusammengefasst. Die darin enthaltenen Expositionswerte für einzelne Personen berücksichtigen dabei nicht die besondere Strahlenempfindlichkeit von Kindern und Jugendlichen, auf die in § 120 StrlSchV [22] Bezug genommen wird. Gerade in dieser Altersgruppe sollten Vorkommnisse besonders ernst genommen werden. Bezogen auf eine Gruppe von Personen findet dies allerdings Berücksichtigung mit dem Bezug zu den DRW.
Teilen sich mehrere Strahlenschutzverantwortliche eine Röntgeneinrichtung, sind Vorkommnisse getrennt nach den zuständigen SSV zu betrachten. Dies ist auch beim Einsatz eines Dosismanagementsystems zu berücksichtigen, welches rechtlich nicht gefordert, aber aus organisatorischer Sicht sinnvoll ist. Bei Vor-Ort-Terminen der ärztlichen Stelle wird nun auch geprüft, ob geeignete Maßnahmen zur systematischen Erkennung und Untersuchung von Vorkommnissen getroffen wurden.
Fazit für die Praxis
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Die Einführung des neuen Strahlenschutzgesetzes erfordert in der klinischen Routine Anpassungen.
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Ein Medizinphysik-Experte ist nun bei CT-Untersuchungen und Interventionen zur Mitarbeit hinzuzuziehen.
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Die Exposition der untersuchten Personen ist regelmäßig auszuwerten und die diagnostischen Referenzwerte sind dafür heranzuziehen.
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Eine Pflicht zur Untersuchung und Meldung von Vorkommnissen wurde eingeführt.
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Der Grenzwert der Augenlinse wurde für beruflich exponiertes Personal auf 20 mSv/a herabgesenkt.
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Es sind für alle Untersuchungen und Behandlungen schriftliche Arbeitsanweisungen zu erstellen.
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Die Aufzeichnungspflichten wurden erweitert und Fristen der Aufbewahrung geändert.
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Weitere Änderungen betreffen das Anzeige- und Genehmigungsverfahren, Teleradiologie, Früherkennung, Forschung und Tiermedizin sowie Radonbelastung am Arbeitsplatz.
Literatur
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Bohrer, E., Schäfer, S.B. & Krombach, G.A. Die neue Strahlenschutzgesetzgebung – Teil 1. Radiologe 60, 721–728 (2020). https://doi.org/10.1007/s00117-020-00707-0
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