FormalPara Kernaussagen
  • Interdisziplinäre Tumorkonferenzen dienen der optimierten patientenorientierten Therapiefestlegung.

  • Die Teilnahme eines radiologischen Facharztes in nahezu allen Boards ist medizinisch unumgänglich.

  • Bisher existiert keine systematische Evaluation der Beanspruchung der Radiologie durch Boards.

  • Zwischen 50 % und 75 % einer vollen radiologischen Facharztstelle sind für interdisziplinäre Tumorboards nötig.

  • Hieraus resultiert ein hoher personeller Aufwand der klinischen Radiologie trotz Ressourcenknappheit.

Interdisziplinäre Tumorboards sind eine in den letzten Jahren kontinuierlich zunehmende Form regelmäßig stattfindender Konferenzen in der klinischen Routine. Dabei wird durch die Diskussion unter medizinischen Experten verschiedener Fachrichtungen versucht, einen für den einzelnen Patienten optimierten Behandlungsplan durch individuelle Fallbesprechung und Diskussion zu erarbeiten [1, 2]. Neben dem mittlerweile in verschiedenen Studien nachgewiesenen Nutzen für Patienten haben Boards auch einen interdisziplinären Fortbildungscharakter für die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte [3,4,5,6,7,8].

In Deutschland hat durch die systematische Pflege und Bearbeitung nationaler Leitlinien und den daraus konsekutiv entstandenen Organ- bzw. Tumorzentren die in diesen Leitlinien und Zertifizierungsvorschriften geforderte Zahl entsprechender Tumorboards überproportional zugenommen [9]. In der Regel wird neben den jeweils direkt betroffenen patientenführenden klinischen Kollegen aus den chirurgischen und konservativen Fächern auch die Anwesenheit eines Pathologen und Radiologen als primär diagnostischen Partnern eingefordert. Bei den meisten Tumorboards sind Radiologen nicht nur als diagnostische, sondern auch als therapeutischer Behandlungspartner im Rahmen der Interventionsradiologie nötig [10].

Obwohl die Anwesenheit eines spezialisierten radiologischen Facharztes in nahezu allen interdisziplinären onkologischen Leitlinien gefordert wird, gehören Radiologen gegenwärtig nach den ASV-Richtlinien des G‑BA (Ambulante Spezialärztliche Versorgung – Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss) nicht zum „Kernteam“ der Tumorboards. Dies verhindert derzeit eine direkte Abrechenbarkeit der erbrachten Leistungen [11].

Durch die massive Zunahme von Tumorboards mit gleichzeitiger Fallzunahme innerhalb der Boards nimmt die Arbeitsbelastung für radiologische Fachärzte in Kliniken signifikant zu. Diese zunehmende Arbeitsbelastung durch sorgfältige Vorbereitung und Präsentation der Fälle wird bisher weder in aktuellen Abrechnungssystemen noch durch eine Kompensation im Stellenschlüssel für die Radiologie adäquat berücksichtigt. Auch die Präsentation und Neubeurteilung extern erstellter Aufnahmen, sogenannter „Fremdaufnahmen“, wird aktuell wirtschaftlich und personell nicht abgebildet.

Geleitet von der Überzeugung, dass die „sprechende Radiologie“ und Tumorboards einer optimalen Patientenversorgung zu Gute kommen, war es das Ziel dieser Untersuchung, die beschriebenen Aufwendungen zu objektivieren und zu analysieren. Dazu führten wir unter den radiologischen Abteilungen der Universitätskliniken sowie ausgewählter großer Kliniken, die ebenfalls entscheidend bei Organ- und Tumorzentren in der Therapie vertreten sind, eine Online-Umfrage durch. Basierend auf dieser Datensammlung wollten wir eine Standortbestimmung der Radiologie bei Tumorboards in Deutschland versuchen. Die ermittelten Zahlen sollten auch Grundlage für eine erweiterte Personalplanung in der Radiologie für die nahe Zukunft liefern.

Material und Methoden

Die Datenerhebung basierte auf einem Fragebogen für eine Online-Umfrage unter Verwendung des SurveyMonkey© Web Tools (SurveyMonkey Inc., San Mateo, CA, USA, www.surveymonkey.com) in einer professionellen Ausbaustufe, die über die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) zur Verfügung gestellt wurde [12].

Die Einladung zur Teilnahme an der Umfrage wurde in einem direkten, persönlichen E‑Mail-Kontakt an alle Lehrstuhlinhaber in der Radiologie oder deren Vertreter der 33 deutschen Universitätskliniken verschickt. Weiterhin wurden Einladungen deutschlandweit nach Zufallsprinzip an 50 Chefärzte für Radiologie oder deren Vertreter an Krankenhäusern der Schwerpunkt-, oder Maximalversorgung (im Folgenden „Schwerpunktkliniken“ genannt) in einem direkten, persönlichen E‑Mail-Kontakt verschickt. Bei Nichtteilnahme erfolgte jeweils eine einmalige Erinnerung, ebenso in einem direkten, persönlichen E‑Mail-Kontakt 3 Monate nach Erstkontakt.

Insgesamt wurden in der Umfrage 30 Fragen online gestellt. Zunächst wurden Informationen zu Daten des Teilnehmers und der Klinik abgefragt. Die Fragen 6 bis 17 waren auf die interdisziplinären Tumorkonferenzen bezogen und ergaben Informationen zu den verschiedenen Fachbereichen, in denen diese durchgeführt wurden, zu Dauer und Fallzahl der jeweiligen interdisziplinären Tumorkonferenzen und zur tatsächlich aufgewendeten Vorbereitungszeit. Ferner wurde abgefragt, ob die interdisziplinären Tumorkonferenzen im Rahmen zertifizierter Zentren stattfanden und welche klinischen Fachrichtungen sich regelhaft beteiligten. Weiterhin wurden Informationen zur Einschätzung der Häufigkeit externer Bildbefunde und zum diesbezüglichen diagnostischen Mehraufwand gewonnen. Abschließend wurde eruiert, welchen Ausbildungsstatus (Assistenzarzt, Facharzt, Oberarzt, Chefarzt) die teilnehmenden Radiologen bei Tumorkonferenzen hatten und wie hoch die Einflussnahme der Radiologie auf den Therapieentscheid im Board subjektiv eingeschätzt wurde.

Die so gewonnenen Daten wurden mit deskriptiver Statistik (Microsoft Excel for Mac, Version 16.20, Microsoft Corp., Redmond, WA, USA) ausgewertet.

Zur Berechnung der durchschnittlichen Zahl interdisziplinärer Tumorkonferenzen, zur Ermittlung der durchschnittlichen Dauer und Vorbereitungszeiten sowie zur Ermittlung der mittleren Fallzahlen wurden jeweils die Mittelwerte der zur Auswahl stehenden Antwortmöglichkeiten als Berechnungsgrundlage genutzt.

Zusätzlich wurde ein Webtool programmiert, in dem basierend auf den Ergebnissen dieser Online-Umfrage getrennt nach Universitätskliniken und Schwerpunktkliniken die jeweils individuelle zeitliche Belastung durch Vorbereitung und Durchführung der Boards nach Eingabe der jeweiligen Anzahl der durchgeführten Boards errechnet werden kann (https://lit-scrubland-86478.herokuapp.com). Die Implementierung der Webseite basiert auf der komponentenbasierten JavaScript Bibliothek React und dem Bootstrap Framework [13].

Ergebnisse

Rücklaufquote

Bei der Online-Umfrage nahmen bei den Universitätskliniken 26 von 33 radiologischen Instituten (79 %) und bei den Schwerpunktkliniken 28 von 50 Instituten (56 %) teil.

Bettenzahl und Stellenschlüssel

Die durchschnittliche Bettenzahl der teilnehmenden Universitätskliniken und Schwerpunktkliniken betrug 1362 bzw. 963. Der gemittelte Stellenschlüssel (Chefarzt – Oberarzt – Assistenz- oder Facharzt) der radiologischen Hauptabteilungen wurde an Universitätskliniken mit 1‑10-27 und an Schwerpunktkliniken mit 1‑6-13 angegeben.

Dauer, Vorbereitungszeit und Fallzahl interdisziplinärer Tumorkonferenzen

Die durchschnittliche Durchführungszeit (Abb. 1), Vorbereitungszeit (Abb. 2) und die jeweiligen besprochenen Fallzahlen (Abb. 3) schwankten zwischen den unterschiedlichen interdisziplinären Tumorkonferenzen deutlich. Die höchsten Fallzahlen fielen insgesamt in den interdisziplinären senologischen Fallbesprechungen, der Neuroonkologie und den abdominellen Tumorentitäten an. An den Universitätskliniken wurden dementsprechend die höchsten Fallzahlen in den Boards für Mamma- und gynäkologische Tumoren (20 Fälle), Hirntumoren (18 Fälle) und allgemeine gastrointestinale Tumoren inkl. Pankreas (17 Fälle) verzeichnet, während an den Schwerpunktkliniken die höchsten Fallzahlen mit durchschnittlich 11, 10 und 10 Fällen bei den Boards für Mamma- und gynäkologische Tumoren, Lungentumoren und allgemeine gastrointestinale Tumoren inkl. Pankreas vorlagen.

Abb. 1
figure 1

Durchschnittliche Dauer (in Minuten) einzelner interdisziplinärer Tumorkonferenzen an Universitätskliniken (dunkelblau) und an Schwerpunktkliniken (hellblau)

Abb. 2
figure 2

Durchschnittliche Vorbereitungszeit (in Minuten) einzelner interdisziplinärer Tumorkonferenzen an Universitätskliniken (dunkelblau) und an Schwerpunktkliniken (hellblau)

Abb. 3
figure 3

Durchschnittliche Fallzahl einzelner interdisziplinärer Tumorkonferenzen an Universitätskliniken (dunkelblau) und an Schwerpunktkliniken (hellblau)

Im Vergleich der Universitätskliniken zu den Schwerpunktkliniken spiegelte sich der höhere Versorgungsgrad und die Bettenzahl der mehr belasteten Universitätskliniken. Entsprechend dauerte eine interdisziplinäre Tumorkonferenz an einer Universitätsklinik 49 min, verglichen mit 38 min an einer Schwerpunktklinik. Die durchschnittliche Vorbereitungszeit für den durchführenden Radiologen betrug an Universitätskliniken 53 min, während der Zeitaufwand an Schwerpunktkliniken etwa 30 min betrug. Die mittlere Fallzahl wurde mit 13,5 Fällen in der universitären Versorgung angegeben, wohingegen die gemittelte Fallzahl an Schwerpunktkliniken mit etwa 6,5 Fällen genannt wurde (Abb. 12 und 3).

Interdisziplinäre Tumorkonferenzen wurden regelhaft – je nach klinischem Schwerpunktfach – sowohl an den Universitätskliniken als auch an den Schwerpunktkliniken für alle Tumorentitäten mehrfach pro Woche abgehalten, wobei die mittlere Häufigkeit gemittelt über alle Boards an Universitätskliniken mit 1,4 Besprechungen je Tumorentität gegenüber 1,2 Konferenzen an den Schwerpunktkliniken etwas höher lag (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Häufigkeit der Durchführung einzelner interdisziplinärer Tumorkonferenzen an Universitätskliniken (dunkelblau) und an Schwerpunktkliniken (hellblau)

Betrachtet man nun den gesamten Arbeitsaufwand für die Radiologie zur Teilnahme an den interdisziplinären Tumorkonferenzen unter Berücksichtigung der mehrmaligen wöchentlichen Durchführung einzelner Boards mit der jeweiligen Durchführungsdauer und den entsprechenden Vorbereitungszeiten, so ergab sich ein durchschnittlicher Zeitaufwand pro interdisziplinärer Tumorkonferenz von 142 min pro Woche an Universitätskliniken und von 78 min pro Woche an Schwerpunktkliniken (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Durchschnittliche Arbeitszeit pro einzelner interdisziplinärer Tumorkonferenzen pro Woche (in Minuten) an Universitätskliniken (dunkelblau) und an Schwerpunktkliniken (hellblau) unter Berücksichtigung der Häufigkeit, der Dauer der Durchführung und der Vorbereitungszeit

Damit ergab sich für radiologische Abteilungen unter Berücksichtigung der Vorbereitungs- und Durchführungszeit ein durchschnittlicher zeitlicher Aufwand von 18,2 h pro Woche an Schwerpunktkliniken und von 33,1 h pro Woche an Universitätskliniken.

Dies entspricht, unter der Annahme einer tariflichen 40-Stunden-Woche an Schwerpunktkliniken 45,5 % einer Facharztstelle und unter der Annahme einer tariflichen 42-Stunden-Woche an Universitätskliniken 78,8 % einer Facharztstelle. Eine individualisierte Einschätzung des Arbeitsaufwandes durch interdisziplinäre Tumorboards ist basierend auf unseren Auswertungsdaten auf einem Netzrechner unter https://lit-scrubland-86478.herokuapp.com/ möglich.

Extern erstellte Aufnahmen in Tumorboards

An den Schwerpunktkliniken und Universitätskliniken antworteten jeweils 65 %, dass im Rahmen von interdisziplinären Tumorboards subjektiv mehr als 25 % extern erhobene radiologische Bilddaten demonstriert wurden (Tab. 1). Bei den Schwerpunktkliniken gehen 27 %, bei den Universitätskliniken sogar 53 % der Befragten davon aus, dass mehr als die Hälfte des Vorbereitungsaufwandes durch extern erhobenes Bildmaterial entstanden war (Tab. 1). Dabei lag nach Einschätzung der befragten Radiologen nur den wenigsten externen Bilddaten auch die zugehörigen schriftlichen Befunde für das Tumorboard bei: 39 % der Kollegen an den Schwerpunktkliniken und 61 % an den Universitätskliniken gaben an, dass in 10 % oder weniger der Fälle der primäre Befundbericht zur Verfügung stand (Tab. 1).

Tab. 1 Geschätzter prozentualer Anteil extern erhobenen Bildmaterials, geschätzter Mehraufwand durch extern erhobenes Bildmaterial, geschätzte Häufigkeit des Vorhandenseins eines schriftlichen Befundes bei extern erhobenem Bildmaterial jeweils an Universitätskliniken und an Schwerpunktkliniken (Anzahl/Prozent) in Tumorboards

An den Schwerpunktkliniken wurden bei 72 %, an den Universitätskliniken bei 81 % der Teilnehmer extern akquirierte Untersuchungen ohne den primären Befundbericht in den Boards demonstriert, während Schwerpunktkliniken in 28 % und Universitätskliniken in 19 % das Vorliegen des primären Befundberichtes für eine Bild-Demonstration in interdisziplinären Tumorboards forderten.

Einschätzung des radiologischen Einflusses auf Therapieentscheidungen im Tumorboard

Bei der Frage nach dem subjektiv geschätzten Einfluss der bildgebenden Diagnostik auf Therapieentscheide im Rahmen interdisziplinärer Tumorkonferenzen entfielen 0 bzw. 4 % auf die Antwortmöglichkeit 1–10 %, 17 % bzw. 46 % auf die Antwortoption 10–25 % und 26 % bzw. 23 % auf 25–50 %. 27 % der Teilnehmer aus Schwerpunktkliniken und sogar 55 % derer aus Universitätskliniken waren der Meinung, dass der Radiologe den Therapieentscheid in über 50 % der vorgestellten Fälle beeinflusste.

Diskussion

Mit einer Gesamtzahl von insgesamt 54 Teilnehmern bei einer Rücklaufrate von 79 % der deutschen Universitätskliniken und 28 von 50 (60 %) Teilnehmern der angeschriebenen großen Kliniken der Schwerpunkt- und Maximalversorgung darf die vorgelegte Auswertung zur Arbeitsbelastung durch interdisziplinäre Tumorkonferenzen in der radiologischen Routine als repräsentative Datenerhebung in deutschen Großkliniken betrachtet werden. Bisher gibt es keine genauen belastbaren Zahlen durch vergleichbare Erhebungen. Lediglich eine Analyse aus dem Jahr 2012 aus den USA lässt vermuten, dass damals ein radiologischer Facharzt etwa 14 % der Arbeitszeit für Röntgenbesprechungen und weitere 10 % mit informellen Falldemonstrationen verbrachte [14]. Dies bezieht sich jedoch auf alle klinischen Befunddemonstrationen und ist daher mit der hier vorliegenden Fragestellung nur sehr eingeschränkt vergleichbar.

Interdisziplinäre Tumorboards ermöglichen durch die fachübergreifende Diskussion von medizinischen Experten eine Individualisierung und Optimierung der Behandlungspfade von onkologischen Patienten. In nahezu allen aktualisierten onkologischen Leitlinien wird eine Durchführung von Tumorboards empfohlen. Alle Zertifizierungsrichtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft fordern regelmäßige Konferenzen als Qualitätsmerkmal bei der Zertifizierung von Organzentren. Es resultierte in den letzten Jahren eine massive Zunahme organ- bzw. tumorspezifischer Tumorboards vor allem an Universitätskliniken und großen, nichtuniversitären Kliniken der Schwerpunkt- und Maximalversorgung.

Dem Nutzen von interdisziplinären Tumorboards stehen aber organisatorische, personelle und damit wirtschaftliche Herausforderungen der klinisch beteiligten Behandlungspartner und hier insbesondere der Radiologie gegenüber. Die hohe Personalbindung klinisch tätiger Radiologen durch Vorbereitung, Teilnahme und Moderation der Tumorboards wurde bislang nicht systematisch ausgewertet. In einer Analyse zur Wertigkeit der klinischen Relevanz von Röntgenbesprechungen in der Inneren Medizin wurde dabei eine durchschnittliche Vorbereitungsdauer pro Fall von 5,1 min mit einer Spanne zwischen 1 min und 20 min angegeben [15].

Alleine die Anzahl von wöchentlich durchschnittlich 14,5 Boards an Universitätskliniken und von 10,9 Boards an Schwerpunktkliniken zeigt die diesbezüglich hohe Arbeitsbelastung in der Radiologie. Die Universitätskliniken haben im Vergleich zu großen Scherpunktkliniken durchschnittlich neben der Anzahl an Boards eine größere Fallzahl sowie damit eine längere Vorbereitungszeit und Durchführungszeit. Für ein Universitätsklinikum ergibt sich im Durchschnitt ein wöchentlicher personeller Gesamtaufwand für einen radiologischen Facharzt zur Vorbereitung und Teilnahme an Boards von 33,1 h pro Woche und für große Schwerpunktkliniken ein Aufwand von 18,2 h. Durchschnittlich wird somit die Stelle eines Facharztes am Universitätsklinikum zu 78,8 % und am Schwerpunktklinikum zu 33,1 % durch interdisziplinäre Boards eingenommen. Bemerkenswert ist die Einschätzung von 53 % der universitären Teilnehmer und 27 % der nichtuniversitären Befragten, dass mehr als die Hälfte des Vorbereitungsaufwandes von Tumorboards mit der Beurteilung externer Bilddaten verbracht werden muss. Gleichzeitig berichten 61 % der universitären und 39 % der nichtuniversitären Befragten, dass der radiologische Erstbefund für die Vorbereitung der Tumorboards nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung steht.

Juristisch besteht nach den strahlenschutzrechtlichen Grundsätzen prinzipiell eine Einheit von Bild und Primärbefundung [16]. Die neue Beurteilung eines bereits extern befundeten radiologischen Bildes stellt somit keine eigene Leistung dar [11]. Im Gegenteil können ernsthafte juristische Probleme entstehen, wenn die radiologischen Beurteilungen differieren, da der konsiliarisch tätige Experte trotz fehlender Entlohnung die volle juristische Verantwortung für seine getroffene Einschätzung trägt [16].

Diese Bildung einer Expertenmeinung wird bislang auch personell oder budgetär nicht berücksichtigt. Nach dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) abrechnungsfähig – ein Institut, welches die Krankenhäuser und Krankenkassen sowie deren Verbände bei der gesetzlich vorgeschriebenen Einführung und kontinuierlichen Weiterentwicklung des G‑DRG-Systems zur Abrechnung von stationären Krankenhausleistungen unterstützt – sind nur selbst erbrachte diagnostische Leistungen, Zweit- und Expertenmeinung dagegen nicht, obwohl der ärztliche Arbeitsaufwand vergleichbar ist und lediglich die technischen Leistungen entfallen. Das bedeutet vor allem für große Kliniken einen hohen Verlust an potenziellen Einnahmen. Für die einzelne radiologische Abteilung heißt es aber vor allem, dass diese zur Qualität des Krankenhauses in hohem Maß beitragende Leistung quasi bestraft wird. Sie ist kalkulatorisch durch das InEK nicht abgebildet und wird daher auch nicht im Budget berücksichtigt. Je mehr Konferenzen unterstützt werden und je häufiger eine qualifizierte Zweitmeinung geliefert wird, desto defizitärer arbeitet eine Abteilung. Krankenhausmanager betrachten i. d. R. in erster Linie die Kostenstruktur der Radiologie und nicht den nur schwer ermittelbaren Mehrwert dieser Disziplin. Allenfalls fließt neben Budgeteinhaltung und Erlösen noch die Termintreue und die Befundlaufzeit in Bewertungsmaßstäbe ein, die enorm wichtige Beratungsleistung der klinischen Partner dagegen selten bis nie.

Die Einschätzung des Einflusses der radiologischen Beteiligung am Ergebnis des Tumorboards ist objektiv nur schwer zu fassen. Der Benefit in Diagnose und Therapie konnte allerdings an kleineren Studien über die sprechende Radiologie gezeigt werden [15]. Bei Tumorboards lassen sich in der Literatur dagegen keine validen Zahlen finden, die den Einfluss der Radiologie quantifizieren. Lediglich in der oben erwähnten Arbeit zur Analyse einer radiologischen Konferenz in der Inneren Medizin konnte eine Änderung diagnostischer und therapeutischer Pfade von 37 % gezeigt werden [15]. Eine Translation der Ergebnisse auf interdisziplinäre Tumorboards ist nur eingeschränkt möglich. Hier schätzten 81 % der universitären Teilnehmer ihren Einfluss auf Therapieentscheidungen bei über 25 % der Fälle ein sowie 60 % der Teilnehmer aus Schwerpunktkliniken.

Die Herausnahme der Radiologie aus den Kernteams der ambulanten spezialärztlichen Versorgung (ASV), in der bereits aktuell die Tumorerkrankungen des Mammakarzinoms und der gastrointestinalen Tumoren behandelt werden, verhindert zudem eine direkte Abrechnung radiologischer Leistungen in diesem System, obwohl auch hier fast immer mindestens ein Radiologe als diagnostischer und interventioneller Experte an den interdisziplinären Konferenzen teilnimmt. Fachlich ist es selbstverständlich nicht vorstellbar, dass eine Patientin mit Mammakarzinom ohne einen Experten für bildgebende Diagnostik erfolgreich behandelt werden kann. Trotzdem wird dies vom Gesetzgeber bzw. Gemeinsamen Bundesausschuss systematisch negiert. Ohne auch betriebswirtschaftliche Beteiligung wird es aber weder niedergelassenen senologischen Diagnostikern noch radiologischen Klinikabteilungen dauerhaft möglich sein, hochwertige Leistungen zu erbringen und zum Therapieerfolg und der individualisierten Therapie des häufigsten Tumors der Frau beizutragen. Dann wäre das Ziel der ASV, „Patienten mit schweren Krankheitsverläufen durch eine enge Verzahnung von Spezialisten verschiedener Fachdisziplinen besser zu versorgen“, konterkariert.

Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) schreibt für die von ihr zertifizierten Organzentren eine mindestens einmal wöchentlich stattfindende Tumorkonferenz vor. Zur Teilnahme auf Facharztniveau verpflichtet sind die Fachrichtungen diagnostisches, operatives und ggf. organspezifisch-medikamentöses Fachgebiet, Radioonkologie, Hämatologie und Onkologie, Radiologie sowie Pathologie (Nationales Zertifizierungsprogramm Krebs der Deutschen Krebsgesellschaft vom 02.11.2017). Hieraus wird klar ersichtlich: Ohne das Fachgebiet der Radiologie finden keine Tumorboards statt, bei denen Bildgebung erforderlich ist, eine Entscheidung auf Boden des schriftlichen Befundes alleine ist nicht legitim. Viele Kliniken sind gezwungen, aufgrund der hohen Fallzahl (Abb. 3) den vorgeschriebenen Turnus für Tumorkonferenzen zu unterschreiten und diese mehrfach wöchentlich abzuhalten (Abb. 4), was zu einer zusätzlichen Belastung führt.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend muss betont werden, dass sowohl die sprechende Radiologie mit ihren Röntgenkonferenzen als auch die Zunahme interdisziplinärer Tumorboards unter aktiver Teilnahme und Moderation durch die Radiologie ein klinisches Selbstverständnis darstellt, welches die Patientenversorgung evidenzbasiert verbessert. Dennoch muss bei der in der Medizin üblichen Ressourcenknappheit für künftige Diskussionen bezüglich einer personellen Kompensation eine solide Datengrundlage des Personalaufwands der klinischen Radiologie für die Teilnahme an Tumorboards vorliegen.

Der durchschnittliche wöchentliche zeitliche Aufwand alleine für interdisziplinäre Tumorboards beträgt dabei in unserer Umfrage zwischen 18 und 33 h je nach Art der Klinik, wobei dadurch 50–75 % einer vollen radiologischen Facharztstelle für die Vorbereitung und Durchführung der Tumorboards nötig sind.

Klinische Relevanz

  • Die aktive Teilnahme an interdisziplinären Tumorkonferenzen durch die Radiologie ist sowohl an Universitätskliniken als auch an Schwerpunktkliniken sehr zeit- und personalintensiv.

  • Ein großer Anteil des Arbeitsaufwandes zur Vorbereitung von Tumorboards liegt vermutlich in der erneuten Aufarbeitung extern erstellter Aufnahmen, deren Primärbefundung häufig nicht zur Verfügung steht.

  • Der Beitrag der Radiologie an Tumorboards zu Änderungen der Diagnose- und Therapiepfade dürfte in Zusammenschau mit der Literatur und den subjektiven Angaben der Befragten bei über 30 % liegen.