Liebe Leserinnen und Leser,


die Radiologie ist ein zentraler Bestandteil der Notfallmedizin, und aus einer zentralen Notaufnahme sind bildgebende Einheiten, wie eine Schockraumdiagnostik mittels Computertomographie, die FAST-Sonographie sowie die dezidierte Röntgendiagnostik bei Extremitäten- oder Thoraxtraumen, kaum wegzudenken. Die Notfallradiologie ist also grundsätzlich ein zentraler Bestandteil von nahezu allen Krankenhäusern, wobei die Breite gemäß dem Versorgungsgrad zunimmt.

Die Probleme eines 24/7-Angebots der MRT in Notfallsituationen sind ebenso unbestritten wie die Überlegenheit bei vielen Fragestellungen. Hierzu gehören u. a. der Verdacht auf eine septische Arthritis, Spondylodiszitis mit epiduralem Abszess, die Abklärung neu aufgetretener Para- oder Tetraplegien, Lungenembolien in der Schwangerschaft sowie der klinische Verdacht auf zerebrale Ischämien oder Blutungen, die in der CT-Diagnostik nicht eindeutig imponieren [1]. Ganz grundsätzlich müssen wir uns darüber hinaus fragen, ob es nicht vielleicht doch einen machbaren Weg geben kann, die MRT breiter für Notfälle einzusetzen und damit die Qualität zu erhöhen. So könnten beispielsweise die akuten Frakturfragestellungen mit einer einzigen Sequenz sehr schnell an den oft auch im Röntgen oft schwierig zu beurteilenden Stellen, wie z. B. dem Ellenbogengelenk oder der Handwurzel, sicher ausgeschlossen oder bestätigt werden. Bislang ist ein solches Vorgehen aber organisatorisch und personell nicht durchführbar und wird von den Kostenträgern auch nicht honoriert. Ein erster Schritt dorthin wäre es, wenn extrem schnell durchführbare Sequenzen zur Verfügung stünden. Vielleicht ergibt die Zukunft dann, dass die kostenintensivste und oft auch beste Diagnostik nicht mehr den Anforderungen komplexer und lange andauernder Protokolle genügen muss, sondern stattdessen erlaubt, durch ein absolutes Minimalprotokoll von unter 5 min Dauer, insbesondere bei Neuro- und muskuloskeletalen Notfällen, breiter eingesetzt zu werden. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Notfallradiologie der Zukunft entwickelt – uns Radiologen kommt hierbei die Rolle zu, Zuweisern und Kostenträgern die besten Algorithmen zum Modalitäteneinsatz bei insgesamt knappen (personellen und monetären) Ressourcen nahezubringen.

In Deutschland ist das große Feld der Notfallradiologie im Rahmen der fachärztlichen Weiterbildung integriert, stellt aber nicht wie in vielen anderen Ländern wie Skandinavien, Spanien oder den USA ein eigenes Kompetenzgebiet im Sinne einer eigenen Fachvertretung oder weiterführenden Spezialisierung dar [2,3,4,5]. Die Notfallradiologie spiegelt sich aktuell aber nicht in einer eigenen Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Röntgengesellschaft wider. Auf europäischer Ebene existiert seit 10 Jahren die European Society of Emergency Radiology (ESER; [6]). Diese bietet eine curriculare Weiterbildung und eine Zertifizierung mit einem Europäischen Diplom in Notfallradiologie an, welches von der European Society of Radiology (ESR) anerkannt ist [7, 8]. Aktuell gibt es u. a. aus diesen Gründen Bestrebungen der engeren Kooperation zwischen Deutscher Röntgengesellschaft und ESER.

Vor diesem Hintergrund möchten wir einen Überblick über die spezifischen Anforderungen an die Notfallradiologie geben, denn gerade in der Notfallradiologie kommt dem Radiologen eine zentrale Rolle zu, sei es durch die schnelle Kommunikation der wesentlichen und potenziell lebensbedrohlichen Befunde einer Schockraum-CT-Untersuchung, sei es durch die Möglichkeiten der minimal-invasiven schnellen Therapie, z. B. bei der Behandlung einer aktiven arteriellen Blutung im Rahmen einer Beckenfraktur.

Im folgenden Themenheft werden diverse Aspekte der Notfallradiologie vorgestellt. Eingeführt wird das Heft mit dem Beitrag unserer chirurgischen Kollegen zum Thema, was erwartet der Nicht-Radiologe vom Radiologen beim akuten Abdomen. Es folgen Beiträge zum aktuellen Stellenwert der modernen MRT, insbesondere der schnellen MRT-Sequenzen, in der neurologischen und neurochirurgischen Notfallambulanz. Unsere niedergelassenen Kollegen skizzieren unerwartete Notfälle und Notfallbefunde in der radiologischen Praxis und gehen auf die Besonderheiten dieser Szenarien in der ambulanten Versorgung ein. Weitere Beiträge umfassen die klinisch häufigen radiologisch-diagnostischen Themengebiete plötzlicher Brustschmerz, Unterleibsschmerzen und Beckenfrakturen. Aber auch die interventionelle Radiologie spielt in der Notfallmedizin eine entscheidende und nicht mehr wegzudenkende Rolle, sie wird in einem eigenen Artikel skizziert. Das Themenheft stellt abschließend nochmals eine Verbindung zur ESER mit einem Update zur Polytrauma-Diagnostik mittels der Schockraum-CT her, indem die sog. ABCDE-Regeln und die Prioritätensetzung: „diagnose first what kills first“ ähnlich der aktuellen ESER-Leitlinienentwicklung reflektiert werden.

Wir hoffen, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, mit diesem Themenheft eine gute Zusammenfassung aktueller Themenfelder der Notfallradiologie zu präsentieren. Wir bedanken uns auf das Allerherzlichste bei den Autoren für deren hervorragenden Beiträge, wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und würden uns sehr freuen, wenn Sie diese Zusammenstellung interessant und hilfreich für Ihre tägliche praktische Arbeit finden.

Mit den besten Grüßen

Ihre

Prof. Dr. Marc-André Weber

Prof. Dr. Dr. Stefan Wirth