Ein effektives Bronchialkarzinomscreening mithilfe der Niedrigdosiscomputertomographie (LDCT) kann Tumorfrühstadien detektieren und die Mortalität senken. Voraussetzung für ein effizientes Bronchialkarzinomscreening ist dessen Beschränkung auf Hochrisikopopulationen, da diese besonders von dem Screening profitieren. In den bisherigen Screeningstudien wurden lediglich Alter und Raucheranamnese als Einschlusskriterien herangezogen. Durch die Hinzunahme anderer Risikofaktoren wie vorbestehende Lungenerkrankungen, positive Familienanamnese eines Bronchialkarzinoms oder Übergewicht, kann die Screeningpopulation besser definiert und so die Mortalitätsreduktion erhöht und Kosteneffizienz des Bronchialkarzinomscreenings weiter gesteigert werden.

Hintergrund

Bronchialkarzinome werden bei beinahe 75 % aller Patienten in einem fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert, in welchem die therapeutischen Möglichkeiten nur einen geringen Einfluss auf das Überleben haben und im Wesentlichen auf eine palliative Behandlung beschränkt sind. Eine gute Prognose bleibt nur jenen Patientinnen und Patienten vorbehalten, bei denen das Bronchialkarzinom in einem frühen Stadium detektiert und durch eine chirurgische Resektion oder Strahlentherapie kurativ behandelt werden kann. Die niedrige 5‑Jahres-Überlebensrate des Bronchialkarzinoms von 16 % [24] ist v. a. durch die späte Diagnosestellung erklärbar. Aus diesem Grund können bei einer Frühdiagnose durch gezieltes Screening Leben gerettet werden.

Spätestens seit der Veröffentlichung des amerikanischen National Lung Screening Trial (NLST) 2011 [17] steht das Bronchialkarzinomscreening im Mittelpunkt eines wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurses. In dieser randomisierten Longitudinalstudie mit 3 Screeningzeitpunkten im Abstand von einem Jahr und über 50.000 eingeschlossenen Teilnehmern konnte nachgewiesen werden, dass bei starken Rauchern durch ein Niedrigdosis-CT-Screening im Vergleich zu Röntgenuntersuchungen eine Reduktion der Bronchialkarzinommortalität um 20 % möglich ist. In dieser Studie mussten 320 Patienten gescreent werden, um innerhalb der Beobachtungszeit von 6,5 Jahren ein Leben zu retten.

Voraussetzung von Screeninguntersuchungen

Eine der Voraussetzung von Screeninguntersuchungen ist eine hohe Sensitivität der Screeningmethode, die meist mit einer niedrigen Spezifität einhergeht. Diese Voraussetzung erfüllt die CT im Bronchialkarzinomscreening, da die CT eine sehr hohe Sensitivität beim Nachweis kleiner Rundherde aufweist, die Spezifität ist allerdings gering. Die hohe Sensitivität und geringe Spezifität der CT hatten beim NLST die Folge, dass in den 3 Screeningrunden bei 39,1 % der Teilnehmer ein oder mehrere Rundherde gefunden wurden, von denen aber nur 3,6 % tatsächlich maligne waren [1]. Die meisten der gefundenen Rundherde konnten durch Verlaufsuntersuchungen weiter abgeklärt werden, bei nur einem geringen Anteil der Rundherde war schlussendlich eine Biopsie oder Resektion notwendig, um die Genese zu klären. Bei 0,33 % der weiterführenden diagnostischen Schritte entwickelten sich laut NLST-Studie schwerwiegende Komplikationen mit einer 60-Tages-Mortalität von 0,06 % [17].

Kosteneffektivität

Die Abklärung der im Screening gefundenen Rundherde ist nicht nur mit einem gewissen Risiko für die Patienten verbunden, sondern hat auch einen direkten Einfluss auf die Kosteneffizienz des Screenings. Das Ausmaß der dabei anfallenden Kosten hängt dabei wesentlich von der Zahl der positiven Screeningergebnisse und der Art der weiterführenden Abklärung ab. In einer Kosteneffektivitätsanalyse des NLST konnte gezeigt werden, dass die Kosten pro gewonnenem qualitätskorrigiertem Lebensjahr („quality adjusted life year“, QALY) bei etwa $ 81.000 (5 %-Konfidenzintervall [CI] 52.000–186.000) liegen dürften. Im United Kingdom Lung Screening (UKLS) Trial lagen die QALY dagegen bei lediglich $ 12.254 (CI 8022–18.193 [7]). Dieser große Unterschied kann zum größten Teil durch die höheren Kosten der Abklärung suspekter Läsionen in den USA im Vergleich zu Großbritannien erklärt werden.

In Zeiten immer enger werdender finanzieller Ressourcen muss beim Bronchialkarzinomscreening daher neben der medizinischen Effizienz auch auf die Kosteneffektivität geachtet werden. Beides kann verbessert werden, indem zum einen risikoadaptierte Algorithmen zur Abklärung gefundener Rundherde eingesetzt werden. Daneben kann die Kosteneffizienz des Screenings verbessert werden, indem das Screening auf eine Population mit einer hohen Bronchialkarzinomprävalenz beschränkt wird. Je höher die Prävalenz einer Krankheit in der gescreenten Population ist, desto höher sind die Spezifität und somit die Kosteneffektivität und Wirksamkeit eines Screenings.

Risikofaktoren

Im konkreten Beispiel des Bronchialkarzinoms ist in der Literatur ein Bündel an Risikofaktoren für die Entwicklung eines Karzinoms beschrieben. Die 2 effektstärksten Faktoren sind Alter und Raucheranamnese [16]. Weitere Risikofaktoren sind Passivrauchen, Bewegungsarmut in Kombination mit Übergewicht, Luftverschmutzung, vorbestehende Lungenerkrankungen (z. B. Lungenemphysem [6], Tuberkulose [18]) sowie bestimmte Genmutationen (z. B. „epidermal growth factor receptor“, EGFR [16]). Risikostratifizierungsmodelle berechnen das individuelle Risiko, ein Bronchialkarzinom zu entwickeln, durch die gewichtete Kombination einzelner Risikofaktoren.

Risikostratifizierung – Einschlusskriterien bisheriger Screeningstudien

In den bisherigen Screeningstudien waren die Einschlusskriterien vorwiegend auf das Alter und die Raucheranamnese der Teilnehmer beschränkt (Tab. 1). So wurden in das NSLT nur Patienten mit einem Alter zwischen 55 bis 75 Jahren und 30 oder mehr Packyears eingeschlossen. Durch diese Einschlusskriterien wurde das Screening auf eine Patientenpopulation beschränkt, die ein 5 %iges Risiko aufwiesen, in den nächsten 5 Jahren an einem Bronchialkarzinom zu erkranken [17]. In den europäischen Studien wurden ebenfalls Personen mit einem Alter zwischen 50 bis 75 Jahren und einer positiven Raucheranamnese eingeschlossen.

Tab. 1 Einschlusskriterien der Bronchialkarzinomscreeningstudien

Optimierung des Screenings durch komplexere Risikomodelle

Ein bedeutender Kritikpunkt der bisherigen Studien ist der Einschluss einer relativ großen Personengruppe mit einem niedrigen Risiko, ein Karzinom zu entwickeln. So konnte in der retrospektiven Auswertung des NLST gezeigt werden, dass von 100 vermiedenen Bronchialkarzinomtodesfällen durch das Screening 88 Todesfälle auf jene 60 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem höchsten Bronchialkarzinomrisiko fielen. Hingegen konnte bei den 20 % der Personen mit dem niedrigsten Bronchialkarzinomrisiko nur ein Todesfall vermieden werden [11]. Mit anderen Worten müssen 5276 eingeschlossene Teilnehmer mit dem niedrigsten Risiko gescreent werden, um einen Todesfall zu vermeiden, wohingegen nur 161 Teilnehmer mit dem höchsten Risiko untersucht werden müssen, um einen Todesfall an einem Bronchialkarzinom zu verhindern (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Risikostratifizierung anhand der NLST-Daten (National Lung Screening Trial). Statistisch gesehen ist das Risiko, an einem Bronchialkarzinom zu versterben, je höher, desto mehr Risikofaktoren vorliegen. Die Anzahl der zu screenenden Personen, um einen Todesfall des Bronchialkarzinoms zu verhindern, schwankt bei Niedrig- und Hochrisikopatienten zwischen 161 vs. 5276 Personen [11]

PLCOM2012

Tammemagi et al. konnten anhand der Daten der Prostata-, Lungen-, Kolorektal- und Ovarialzellkarzinomscreeningstudie (PLCO) zeigen, dass die Verwendung eines verbesserten Risikomodells (PLCOM2012, Tab. 2) eine höhere Sensitivität (83,0 vs. 71,0 %) sowie einen höheren positiven prädiktiven Wert (4,0 vs. 3,4 %) ohne eine Abnahme der Spezifität (62,9 vs. 62,7 %) im Vergleich zu den NLST-Kriterien [27] aufweist. Die Autoren konnten des Weiteren belegen, dass im PLCOM2012-Modell im Vergleich zu den von der The United States Preventive Services Task Force (USPSTF) empfohlenen Screeningkriterien signifikant mehr Bronchialkarzinome detektiert werden würden [26]. Die im PLCOM2012 verwendeten Risikofaktoren sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Tab. 2 Prädiktoren des Modells nach Bach, Spitz, LLPv2, PLCOm2012 und Kovalchik. (Adaptiert nach [12])

LLPv2

Das britische United Kingdom Lung Cancer Screening (UKLS) Trial ist bis jetzt die erste größere Studie, welche ein Risikostratifizierungsmodell verwendet, das neben dem Alter und der Raucheranamnese weitere Risikofaktoren einbezieht (Tab. 2; [7]). Das multivariat logistische Regressionsmodell Liverpool Lung Projekt (LLPv2) der UKLS-Studie basiert auf den Daten einer Fallkontrollstudie und wurde anhand von 3 unabhängigen externen Studiensätzen aus Europa und Nordamerika validiert [3, 4, 22]. Es ist online unter http://www.MylungRisk.org verfügbar. In die noch laufende UKLS-Studie werden nur jene Personen eingeschlossen, die basierend auf dem LLPv2-Modell ein ≥5 %iges Risiko aufweisen, in den kommenden 5 Jahren ein Bronchialkarzinom zu entwickeln [15].

Bach/Spitz

Exemplarisch sind noch die Risikomodelle von Bach [5] und Spitz [25] genannt, welche auf einer randomisierten kontrollierten Studie bzw. der retrospektiven Auswertungen einer Fallkontrollstudie basieren und ebenfalls zur Selektion von Personen herangezogen werden könnten.

Vergleich der Bronchialkarzinomprädiktionsmodelle

Kürzlich wurde eine Validierungsanalyse der Bronchialkarzinomprädiktionsmodelle nach Bach, Spitz sowie der PLCOM2012 und der LLP in seiner Originalversion sowie der in den Studien NELSON, LUSI, DLCST, ITALUNG, DANTE und NLST angewandten Einschlusskriterien anhand des deutschen Anteils der EPIC-Kohortenstudie mit 20.700 inkludierten Fällen veröffentlicht [12]. Es zeigte sich mit Ausnahme des schlechter abschneidenden Spitz-Modells im Wesentlichen eine vergleichbare Sensitivität, Spezifität und Fläche unter der Receiver-operating-characteristic(ROC)-Kurve mit 0,8 zwischen den verschiedenen Risikostratifikationsmodellen. Im Vergleich zu den Einschlusskriterien der großen Screeningstudien (Alter und Raucheranamnese) weisen jedoch PLCOM2012 und LLPv2 eine systematisch bessere Wirksamkeit auf. Dadurch konnte bestätigt werden, dass durch die Kombination des Alters und der Raucheranamnese mit weiteren Risikofaktoren eine höhere Reduktion der Mortalität und eine verbesserte ökonomische Effizienz des Screenings erreicht werden können [12].

Risikomodelle für Nichtraucher und zukünftige Risikomarker

Ein noch gering erforschtes Gebiet ist die Früherkennung von Bronchialkarzinomen bei Nichtrauchern. Bis dato gibt es kein valides Risikomodell für Nichtraucher, obgleich das Bronchialkarzinom die siebthäufigste Todesursache mit einer Inzidenz von 14,4–20,8/100.000 im Alter von 40 bis 79 Jahren unter Nichtrauchern ist [21]. Die in der Literatur diskutierten Risikofaktoren bei Nichtrauchern umfassen [14]:

  • Alter,

  • Geschlecht,

  • Passivrauchen,

  • ionisierende Bestrahlung,

  • Radon,

  • Asbest,

  • präexistente Lungenerkrankungen,

  • COPD,

  • onkogene Viren und

  • genetische Suszeptibilität.

Nach bisherigem Wissen stellt das Alter den stärksten Prädiktor für die Entstehung eines Bronchialkarzinoms dar und es ist somit aufgrund der alternden Bevölkerung mit einer Zunahme der Inzidenz unter Nichtrauchern zu rechnen. Basierend auf Risikosimulationen wird davon ausgegangen, dass nur Hochrisikogruppen unter den Nichtrauchern mit einem relativen Risiko von 15 bis 35 zur Normalbevölkerung von einem Bronchialkarzinomscreening profizieren können, wohingegen für die Mehrheit der Nichtraucher die derzeit diskutierten Screeningprogramme keinen positiven Effekt hätten [28].

Es wird angenommen, dass die Performanz der derzeit auf anamnestisch identifizierbaren Faktoren basierenden Risikomodelle nicht wesentlich gesteigert werden kann [8]. Möglicherweise kann aber durch den Einschluss genetischer oder molekularer Biomarker eine Verbesserung der Risikomodelle erreicht werden. Derzeit ist jedoch noch keiner dieser Biomarker oder Risikogene zur klinischen Anwendung geeignet [10]. Experimentelle Ansätze konnten zeigen, dass Genanalysen des Nasalepithels von Rauchern als Surrogatparameter dienen könnten, um den schadhaften Effekt des Rauchens auf die Lunge zu beurteilen [30]. Die Entwicklung von Biomarkern und Risikogenen tritt somit zunehmend in den Fokus der Forschung, und die laufenden Screeningstudien könnten beitragen, hier in den kommenden Jahre weitere Fortschritte zu erzielen [8, 9].

Fazit für die Praxis

  • Mit der NLST-Studie konnte gezeigt werden, dass in einer definierten Population (starke Raucher [30 Packyears] mit einem Alter zwischen 55 und 74 Jahren) durch ein CT-Screening die Bronchialkarzinommortalität gesenkt werden kann.

  • Die Verwendung von Risikostratifikationsmodellen, die neben Alter und Raucheranamnese weitere Faktoren wie Lungenerkrankungen, BMI oder ein Malignom in der Anamnese miteinbeziehen, verbessern die Effektivität eines CT-Screenings.

  • Personen mit niedrigem Risiko haben ein erhöhtes Risiko für falsch-positive Testergebnisse und profitieren nicht von einem Screening.