Die Magnetresonanztomographie der Skelettmuskulatur (Muskel-MRT) hat in den letzten Jahren einen zunehmenden Stellenwert in der Diagnostik von Muskelerkrankungen eingenommen und wird auch routinemäßig zur Beurteilung von Krankheitsverlauf und Therapieansprechen eingesetzt. Um eine verlässliche Interpretation und zentrumsübergreifende Vergleichbarkeit der Befunde zu ermöglichen, werden Standards zur Durchführung und Befunderhebung dringend benötigt.

Hintergrund

Die Diagnose oder der Ausschluss einer Muskelerkrankung stellen aufgrund derer ätiologischen und klinischen Heterogenität häufig eine Herausforderung für die behandelnden Ärzte dar. Das hierbei angewendete diagnostische Repertoire umfasst neben Anamnese, klinisch-neurologischer Untersuchung, Laboranalysen, neurophysiologischer Diagnostik, Analyse von Muskelbiopsien sowie humangenetischen Untersuchungen in den letzten Jahren zunehmend auch bildgebende Verfahren wie die qualitative MR-Bildgebung der Skelettmuskulatur (im Folgenden Muskel-MRT; [1,2,3]). Die stetige Optimierung der diagnostischen Verfahren und die damit einhergehend frühzeitigere und spezifischere Diagnose einer Muskelerkrankung haben relevanten Einfluss auf den Krankheitsverlauf und folglich die Lebensqualität der Betroffenen, da die Einleitung der optimalen kurativen und/oder symptomatischen Therapie gewährleistet wird. Zu den kurativ behandelbaren Muskelerkrankungen gehört in erster Linie die Gruppe der immunvermittelten Myopathien (Synonym: Myositis), die üblicherweise auf immunsuppressive Therapien anspricht [4], während für angeborene Muskelerkrankungen neben allgemeinen symptomatischen Behandlungen teilweise auch spezifische Therapien wie beispielsweise krankheitsmodifizierende Enzymersatztherapien für den M. Pompe zugelassen sind.

Die zunehmende Nutzung und Verbreitung der Muskel-MRT macht eine Standardisierung der sich zwischen den Standorten teils deutlich unterscheidenden Durchführung notwendig. Durch eine solche Standardisierung kann ein Mindeststandard an Qualität garantiert und ein Vergleich von Verlaufsuntersuchungen an verschiedenen Zentren ermöglicht werden. Das vorliegende Dokument bietet daher auf Basis von multidisziplinärem Expertenwissen und einer gezielten Literaturrecherche konkrete Empfehlungen für die Durchführung und Befundinterpretation der Muskel-MRT. Die vorliegende Empfehlung behandelt ausschließlich qualitative MR-Bildgebung bei angeborenen und entzündlichen Muskelerkrankungen; traumatische und tumoröse Muskelerkrankungen sind nicht Gegenstand dieser Arbeit.

Anwendung in der klinischen Praxis

Die MR-Bildgebung erlaubt zum einen den Nachweis struktureller Veränderungen in Form von fettigem Umbau oder Atrophie des Muskelgewebes, zum anderen können ödematöse Veränderungen mit hoher Sensitivität dargestellt werden. In diesem Kontext ist zu betonen, dass der MR-tomographische Nachweis eines Muskelödems kein spezifisches Charakteristikum von Myositiden darstellt, sondern auch im Rahmen nichtentzündlicher Muskelerkrankungen, z. B. Muskeldystrophien oder metabolischen Myopathien, regelhaft vorliegt und zudem auch bei nicht primär muskulären Prozessen, z. B. subakuter oder akuter Denervierung, gefunden werden kann ([5, 6]; Abb. 1). Die Muskel-MRT ermöglicht aufgrund ihrer hohen Sensitivität bereits den Nachweis pathologischer Veränderungen in klinisch nicht betroffener Muskulatur sowie die Beurteilung auch umgebender Strukturen wie Faszien und Subkutangewebe [7].

Abb. 1
figure 1

MRT-Bilder der Oberschenkelmuskulatur eines Patienten mit a Muskeldystrophie Typ Becker (BMD) und b amyotropher Lateralsklerose (ALS). Exemplarisch ist der M. vastus lateralis rechts des Patienten mit BMD sowohl verfettet als auch ödematös verändert (Pfeil), während der M. vastus lateralis links des ALS-Patienten deutliche ödematöse Veränderungen zeigt (Pfeilspitze)

Zudem gestattet die Muskel-MRT eine Analyse hinsichtlich des Verteilungsmusters und des Schweregrads der Beteiligung einzelner Muskeln durch die Muskelerkrankung. Durch diese vergleichende Analyse (Pattern-Analyse) können entitätstypische Verteilungsmuster erkannt werden, sowohl zur Unterscheidung von hereditären Muskelerkrankungen [8,9,10] als auch bei der Differenzierung von Myositissubtypen [11,12,13,14]; eine aktuelle Übersicht hierzu bietet die Arbeit von Venturelli et al. [15]. Besonders bei hereditären Muskelerkrankungen kann der Nachweis eines charakteristischen Verteilungsmusters mittels MRT zu einer gezielteren molekulargenetischen Analyse führen [8, 10] oder die Einschätzung der Pathogenität einer nachgewiesenen genetischen Variante unklarer Signifikanz unterstützen. Jedoch erfordert die Beurteilung des Verteilungsmusters in der Muskel-MRT besondere Expertise auf dem Gebiet neuromuskulärer Erkrankungen, da eine eindeutige Zuordnung eines Verteilungsmusters zu einer spezifischen Krankheitsentität nur selten möglich ist [16]. So können zum einen unterschiedliche genetische Muskelerkrankungen ein ähnliches Verteilungsmuster, zum anderen gleiche genetische Muskelerkrankungen unterschiedliche Verteilungsmuster zeigen. Auch ist ein Verteilungsmuster anhand fettig degenerierter Muskulatur teils erst im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf differenzierbar.

Insbesondere bei den Myositiden bleibt die histopathologische Analyse weiterhin integraler Bestandteil der diagnostischen Abklärung. Nur die Muskelbiopsie erlaubt in Zusammenschau mit der klinischen Symptomatik und ggf. dem Nachweis myositisspezifischer oder -assoziierter Antikörper die sichere Diagnose einer Myositis und die Differenzierung in ihre Subtypen. Bei der Identifikation einer geeigneten Biopsiestelle kommt der MR-Bildgebung wiederum eine wichtige Rolle zu: So belegen Studien die Überlegenheit einer MRT-gestützten Auswahl der Biopsiestelle im Gegensatz zu einer rein klinisch orientierten Herangehensweise hinsichtlich der diagnostischen Sensitivität [17,18,19,20]. Ein weiterer Nutzen der MRT bei Myositiden liegt in der Darstellung des Gesamtmusters der betroffenen Muskulatur mittels Ganzkörper-MRT, einschließlich der Mitbeurteilung von ggf. betroffenem Faszien- und Subkutangewebe, die insbesondere bei der Dermatomyositis und einer Fasziitis eine relevante Rolle spielen [13, 21].

Außerhalb der diagnostischen Abklärung findet die Muskel-MRT zunehmend auch Verwendung in der longitudinalen Verlaufsbeobachtung zur Evaluation des Krankheitsverlaufs oder von Therapieeffekten. So zeigten verschiedene Studien, dass sich bei Myositiden MR-tomographische Zeichen eines Muskelödems unter immunmodulatorischer Therapie zurückbilden [7, 19, 22, 23]. Die MRT als nichtinvasive und strahlungsfreie Verlaufsuntersuchung liefert somit Biomarker sowohl in der klinischen Routine als auch im Rahmen klinischer Studien [22,23,24,25].

Vergleich zu alternativen bildgebenden Verfahren

Als alternatives bildgebendes Verfahren zur Muskel-MRT ist in erster Linie der Muskelultraschall zu nennen. Der Ultraschall bietet neben der einfachen Durchführbarkeit am Patientenbett und der Kosten- und Zeiteffizienz eine dynamische Darstellung von Muskelbewegungen (z. B. Faszikulationen, Myokymien etc.). Im Gegenzug bietet die MRT die Möglichkeit einer Ganzkörperdarstellung der nahezu gesamten Skelettmuskulatur zur Charakterisierung eines globalen Verteilungsmusters. Insbesondere tiefer gelegene Muskelgruppen können mittels MRT häufig besser dargestellt werden, während dies sonographisch aufgrund von Schallreflexion bzw. -absorption eingeschränkt sein kann [26, 27]. Zudem ist die Qualität der Ultraschalldarstellung von der Erfahrung des Untersuchers abhängig, während die MRT objektivere Datensätze zur Befundung liefert [28].

Die im Verlauf der letzten Jahre erfolgten Entwicklungen in der MRT- und Ultraschalltechnik machen eine Bildgebung der Muskulatur mittels Computertomographie (CT) heutzutage nahezu obsolet [27]. Bei erwachsenen Patienten kann die CT mit akzeptabler Bildqualität und unter Abwägung der damit einhergehenden Strahlenexposition verwendet werden, wenn Kontraindikationen für eine MRT vorliegen und der Muskelultraschall die Fragestellung nicht beantworten kann [29].

Allgemeines zur Untersuchung

Besonderheiten des Patientenkollektivs

Patienten mit Muskelerkrankungen leiden nicht selten unter schweren motorischen Beeinträchtigungen sowie Atem- oder Herzinsuffizienz. Gegebenenfalls müssen die untersuchenden Institutionen über die notwendige Ausstattung und Know-how hinsichtlich Monitoring und Beatmung verfügen.

Besonderheiten bei der Untersuchung von Kindern

Ein nicht geringer Anteil der Patienten mit Muskelerkrankungen befindet sich im Kindesalter. Die MRT-Untersuchung bei einem Kind erfordert zusätzliches Geschick und Einfühlungsvermögen. Insbesondere eine lange Untersuchungszeit, die ruhiges Liegen erfordert, kann für Kinder zu einer Herausforderung werden. Hilfreiche Ablenkung kann das Einspielen von Musik oder Hörspielen über die Kopfhörer sein. Gegebenenfalls kann eine elterliche Begleitperson das Kind in den Scannerraum begleiten und während der gesamten Untersuchung im Raum bleiben. Dabei ist auch bei der Begleitperson auf Kontraindikationen, adäquaten Gehörschutz und das Ablegen aller metallhaltiger Fremdkörper zu achten. Zudem ist eine Priorisierung der Sequenzen essenziell: z. B. Beginn mit T1-gewichteten Sequenzen, statt mit fettsupprimierten oder fettseparierten Sequenzen bei hereditären Myopathien oder die Verwendung neuerer T2-gewichteter Chemical-Shift-Imaging(CSI)-Techniken, die eine simultane Beurteilung von fettigen Umbau und Ödem ermöglichen [15, 27, 30, 31], falls ein vorzeitiger Abbruch der Untersuchung notwendig wird. Bei sehr jungen Patienten kann ggf. auch eine Untersuchung in Sedierung notwendig werden.

Untersuchungsvolumen (Standard- vs. erweitertes Protokoll)

Bei Erstabklärung eines Patienten mit klinischem Verdacht auf eine Muskelerkrankung ist mindestens eine MRT-Diagnostik des Beckens und der unteren Extremität anzustreben (Standardprotokol; [3, 27, 30]). Diese ist geeignet insbesondere für Patienten mit einer Symptomatik im Bereich der Beine und umfasst die Darstellung der Muskulatur von Ober- und Unterschenkeln bis zur Ferse sowie zusätzlich der Beckenregion und der lumbalen paraspinalen Muskulatur [30]. Idealerweise kann mittels einer Ganzkörper-MRT die gesamte Muskulatur von Gesicht, Nacken/Hals, Schultergürtel, Thorax, Abdomen, Becken sowie der Ober- und Unterschenkel dargestellt werden, womit ein umfassendes Verteilungsmuster erfasst werden kann (erweitertes Protokoll; [8, 9, 15, 28, 32,33,34]). Dieses gilt besonders für Patienten mit Symptomatik im Bereich des Schultergürtels und der oberen Extremität. Eine entsprechende Umsetzung der Ganzkörper-MRT ist jedoch aus ökonomischer und pragmatischer Sicht nicht immer gegeben. Sowohl im Standard- als auch erweiterten Protokoll (Abb. 2) ist eine Untersuchung beider Körperseiten zur Beurteilung einer eventuell asymmetrischen Beteiligung der Muskulatur unabdingbar. In speziellen Fällen mit klinisch prominenter Schwäche der Unterarme und Hände, wie z. B. bei der Einschlusskörpermyositis, kann eine dezidierte Untersuchung der Arme erforderlich sein. Wenn die Patienten es tolerieren, können die Arme über den Kopf gelagert und mittels axialer Bildgebung untersucht werden. Ansonsten sind ein Umlagern und die Verwendung entsprechender Spulen erforderlich.

Abb. 2
figure 2

Flussdiagramm für die Durchführung der Muskel-MRT bei neuromuskulären Erkrankungen. (CSI Chemical Shift Imaging. HSM Herzschrittmacher. Blau zentrale Vorgabe für alle Messungen, grün Standardprotokoll, rot erweitertes Protokoll)

Standardisiertes Scanprotokoll für eine qualitative Darstellung der Muskulatur

Ziel ist die Darstellung der Muskulatur mittels axialer Schichtung, da sich hierdurch die charakteristischen Verteilungsmuster der betroffenen Muskulatur im direkten (Seiten‑)Vergleich bestimmen lassen [27]. Dabei wird die axiale Schichtung in aufeinanderfolgende Stacks unterteilt, um kontinuierliches Scrollen zu ermöglichen [27]. Bei klinischem Befall der Muskulatur des Schultergürtels, der oberen Extremität oder falls eine dezidierte Darstellung zur genaueren diagnostischen Einordnung notwendig ist, kann ggf. zusätzlich eine koronare Darstellung, ausgehend von der kranialen Muskulatur bis zum oberen Humerus erfolgen. Da die drei hauptsächlichen MR-pathologischen Veränderungen bei Muskelerkrankungen Atrophie/Hypertrophie, Verfettung und Muskelödem sind, werden Sequenzen sowohl für die Darstellung von Fett als auch von vermehrtem Wassergehalt innerhalb der Muskulatur benötigt. Dabei haben sich T1-gewichtete Sequenzen für die Beurteilung von Atrophie/Hypertrophie und Verfettung einzelner Muskeln bewährt [8, 28, 30]. Eine ödematöse Komponente kann mittels fettsupprimierter T2-gewichteter Sequenzen im gleichen Untersuchungsfeld („field of view“, FOV) abgeklärt werden, beispielweise als Short-Tau Inversion Recovery (STIR; [8, 30, 35,36,37]). Neuere Arbeiten postulieren die Verwendung von T2-gewichteten CSI-Techniken, wie beispielsweise die mDixon Sequenzen TSE (Philips) bzw. IDEAL T2 (General Electric) für die simultane Darstellung von Fett- und Wasserkontrast in gleichzeitig akquirierten Wasser- und Fettbildern [15, 27, 30, 31]. In Tab. 1 wird ein Überblick über gängige Techniken zur Fettsupprimierung bzw. Fettseparation für die Bildgebung bei Muskelerkrankungen gegeben, eine ausführliche Auflistung herstellerspezifischer Techniken zur Fettsupprimierung bzw. Fettseparation steht im Zusatzmaterial online (Tab. 3) zur Verfügung. Hinsichtlich Schichtdicke und Auflösung gilt es, ein Mittelmaß zwischen möglichst kurzer Scanzeit und ausreichender Qualität zur Beurteilbarkeit des intramuskulären Gewebes sowie angrenzender Strukturen zu gewährleisten. Da relevante Verfettung oder ödematöse Veränderungen meist ausgedehntere Abschnitte des jeweiligen Muskels betreffen, sind axiale Schichtdicken von bis zu 6 mm mit einem Schichtabstand von bis zu 10 mm gerechtfertigt [3]. In Tab. 2 sind exemplarische Sequenzparameter für eine geeignete T1-gewichtete Sequenz, eine fettsupprimierte T2-gewichtete Sequenz mit STIR und eine T2-gewichtete Dixon TSE Sequenz aufgelistet.

Tab. 1 Gängige Techniken der Fettsupprimierung und Fettseparation in der Bildgebung von neuromuskulären Erkrankungen. (Tabelle in Anlehnung an https://mriquestions.com/best-method.html)
Tab. 2 Beispiel empfohlener Sequenzparameter für eine geeignete T1-gewichtete Sequenz, eine T2-gewichtete Sequenz mit Short-Tau Inversion Recovery (STIR) und eine T2-gewichtete Dixon TSE Sequenz [31]. Dabei ist in jeder Etage die Messung nur einer der beiden T2-Techniken mit Fettsupprimierung notwendig

Die Arbeit von Hollingsworth et al. zeigt detaillierte Tabellen mit empfohlenen Sequenzparametern für die unterschiedlichen Sequenzen [38]. Abb. 3 zeigt exemplarische Ganzkörper-MRT-Bilder der wichtigsten Muskel-MRT-Sequenzen bei einer Patientin mit Gliedergürtelmuskeldystrophie Typ R9 (LGMD2 R9, ehemals 2i). Ein ausführliches Untersuchungsprotokoll steht im Zusatzmaterial online zur Verfügung.

Abb. 3
figure 3

Exemplarische Ganzkörper-MRT-Bilder. Dargestellt sind die T1-gewichteten Dixon FFE fettsepariert, T2-gewichtete Short-Tau Inversion Recovery (STIR) sowie das T2-gewichteten Dixon TSE Fettbild und Wasserbild bei einer Patientin mit Gliedergürtelmuskeldystrophie Typ R9 (LGMD2 R9, ehemals 2i)

Kontrastmittelgabe

Grundsätzlich kann auf die Gabe von Kontrastmittel verzichtet werden, da davon auszugehen ist, dass entzündliche Veränderungen sowohl der Muskulatur, als auch der Faszien stets mit einem Mehr an Wasser in der angrenzenden Muskulatur einhergehen und damit ein erhöhtes Signal in den T2-gewichteten Sequenzen zeigen [3, 27, 39,40,41]. Hinsichtlich des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sind zudem mögliche toxische Effekte von Gadolinium zu berücksichtigen [42]. Die Notwendigkeit einer Kontrastmittelgabe bleibt jedoch stets der individuellen Entscheidung im jeweiligen Patientenfall vorbehalten, insbesondere zur Abgrenzung anderer Differenzialdiagnosen wie Tumoren oder bei speziellen Fragestellungen wie Pyomyositis oder Myositis ossificans. Zusammenfassend kann in der Routinediagnostik und Verlaufskontrolle von Muskelerkrankungen meist auf eine Kontrastmittelgabe verzichtet werden.

Radiologische Befunderstellung

Um eine einheitliche und möglichst objektive Befundung der Muskel-MRT zu gewährleisten, empfiehlt sich die Verwendung semiquantitativer Beurteilungsskalen [27]. Für die Bewertung fettiger Veränderungen etablierte sich in den letzten Jahren die 4‑Punkte-Mercuri-Skala [28, 30, 33].

Mit Hilfe der Mercuri-Skala wird jeder Muskel hinsichtlich seines Verfettungsgrades mit Punkten von 1 bis 4 bewertet: 1 = normal; 2 = fettiger Umbau < 30 % des Muskelvolumens; 3 = fettiger Umbau von 30 bis 60 % des Muskelvolumens; 4 = fettiger Umbau > 60 % des Muskelvolumens.

Analog bietet die modifizierte 3‑Punkte-Morrow-Skala [43] die Möglichkeit, ödematöse Veränderungen zu bewerten (0 = keine intramuskuläre T2-STIR-Hyperintensität; 1 = milde intramuskuläre T2-STIR-Hyperintensität; 2 = ausgeprägte intramuskuläre T2-STIR-Hyperintensität).

Es sollte einheitlich für jeden einzelnen der dargestellten Muskeln der Grad der Verfettung und der ödematösen Veränderungen mit Hilfe der Skalen bewertet werden. Bei heterogenem Befall innerhalb eines Muskels empfiehlt es sich, die höchste Bewertung zu vergeben. Die semiquantitative Bewertung ermöglicht einen schnellen Gesamteindruck über Verteilungsmuster sowie Ausmaß von Verfettung und Muskelödem. Zudem sollten, sofern vorhanden, weitere Aspekte der Muskelmorphologie nichtquantitativ beschrieben werden, wie beispielweise Atrophie, Hypertrophie (gemäß Beurteilung des Befunders) unter Einbezug der angrenzenden Faszien. Auch auf relevante Nebenbefunde im Untersuchungsvolumen sollte eingegangen werden. In der Beurteilung sollten dann eine ggf. symmetrische oder asymmetrische Beteiligung, die Muskeln der stärksten fettigen Transformation und die der relativen Aussparung, sowie das Muster des ödematösen Befalls aufgezeigt werden. Gegebenenfalls kann ein Muskel als mögliche Biopsiestelle benannt werden (siehe folgenden Abschnitt). Ein hilfreiches Schema für eine mögliche Befundstruktur wird in Abb. 4 dargestellt.

Abb. 4
figure 4

Auszug aus einer Befundvorlage zur strukturierten radiologischen Befundung der Muskel-MRT. Dieses kann in seinem Umfang der entsprechenden Situation und der jeweiligen Fragestellung angepasst werden

Differenzialdiagnostisch sollte ein myopathisches Verteilungsmuster von einem neurogenen Schädigungsmuster differenziert werden, bei welchem das Muster der betroffenen Muskulatur dem entsprechenden Innervationsgebiet einer Wurzel, eines Plexus(abschnitts) oder eines peripheren Nervs zugeordnet werden kann.

Es kann abschließend versucht werden, mittels des Verteilungsmusters eine differenzialdiagnostische Einordnung vorzunehmen [8, 44,45,46,47,48,49], z. B. unter Zuhilfenahme folgender Website: https://neuromuscular.wustl.edu/pathol/diagrams/musclemri.htm. Hierfür ist immer eine Zusammenschau mit den klinischen Daten des Patienten hilfreich.

MRT-gestützte Auswahl eines Muskels zur Biopsie

Wenn eine Muskelbiopsie angedacht ist, kann im radiologischen Befund ein Muskel als mögliche Biopsiestelle benannt werden. Dabei ist zu betonen, dass die letztendliche Festlegung der Biopsiestelle immer eine interdisziplinäre Entscheidung unter Berücksichtigung sowohl klinischer als auch radiologischer Aspekte ist. So ist aus klinischer Sicht ein betroffener, aber nicht hochgradig paretisch und atropher Muskel geeignet, um negative bzw. uncharakteristische histologische Befunde zu vermeiden [50]. Ähnlich der klinischen Vorgehensweise orientieren sich die radiologischen Kriterien für eine mögliche Biopsiestelle an MR-morphologischen Zeichen eines nur leicht- bis mittelgradig betroffenen Muskels z. B. nachweisbares Muskelödem bei nur mäßig ausgeprägter fettiger Infiltration und wenig Atrophie. Bei der Verdachtsdiagnose einer Myositis erhöht besonders der Nachweis eines Muskelödems die diagnostische Sensitivität einer Biopsie im entsprechenden Muskel [17,18,19,20]. Darüber hinaus können im radiologischen Befund Hinweise auf die operative Zugänglichkeit und Verletzungsgefahr benachbarter Strukturen gegeben werden. Häufig zur Biopsie ausgewählte Muskeln bei klinisch proximalem Verteilungsmuster sind der M. quadriceps femoris, M. biceps brachii und M. deltoideus; bei distaler Manifestation der M. gastronemius und M. tibialis anterior, seltener auch der M. peroneus brevis und M. extensor carpi radialis [50, 51].

Schlussbemerkung

Die in dieser Expertenempfehlung thematisierte MRT-Bildgebung ist sowohl in der praktischen Umsetzung als auch in der Befundung im Vergleich zu vielen anderen MRT-Untersuchungen deutlich umfänglicher. Die aktuell gängige sukzessive Durchführung von MRT-Bildgebungen einzelner Körperregionen bringt wiederholte Belastungen für die teils körperlich stark eingeschränkten Patienten mit sich, zudem werden hierdurch sowohl der diagnostische Prozess als auch therapeutische Maßnahmen deutlich verzögert. Um dies zu vermeiden und eine umfängliche MRT-Bildgebung in einer Sitzung kostengerecht zu ermöglichen, ist eine eigenständige und adäquate Bewertung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) notwendig.

Fazit für die Praxis

  • Die Muskel-MRT ermöglicht die Beurteilung von Verfettung und Ödemen sowie deren Ausmaß und Verteilungsmuster im Muskelgewebe.

  • Es sollte mindestens die Becken- und Beinmuskulatur untersucht werden, in ausgewählten Fällen ist die Durchführung einer Ganzkörper-MRT sinnvoll.

  • Es werden T1-gewichtete Sequenzen für die Beurteilung von Atrophie/Hypertrophie und Verfettung sowie fettsupprimierte T2-gewichtete Sequenzen für ödematöse Veränderungen einzelner Muskeln empfohlen.

  • Grundsätzlich kann auf die Gabe von Kontrastmittel verzichtet werden.

  • Für die radiologische Befunderhebung stehen semiquantitative Beurteilungsskalen zur Verfügung.

  • Eine MRT-gestützte Auswahl der Biopsiestelle erhöht die diagnostische Sensitivität einer Muskelbiopsie.