1. Einleitung

Die Behandlung tracheotomierter PatientInnen mit Dysphagie ist Tätigkeitsfeld von LogopädInnen und akademischen SprachtherapeutInnen (LogaS) im intensiv- und akutmedizinischen, rehabilitativen und außerklinischen Setting. Die Dysphagietherapie nimmt dabei einen zentralen Stellenwert ein, da Dekanülierungen häufig an dysphagiebedingten Komplikationen, insbesondere rezidivierenden Infektionen der unteren Atemwege, scheitern [1, 2]. Außerdem werden durch therapeutisches Trachealkanülenmanagement Vorteile im Beatmungsweaning beschrieben, z. B. verbesserter Gasaustausch, verringerte Aufenthaltsdauer auf Intensivstation [3, 4].

PatientInnen in neurologischen Weaningzentren zeigen neben der Beatmungspflichtigkeit eine sehr hohe Dysphagierate. In einer deutschen multizentrischen Studie hatten 87 % der zum Weaning aufgenommenen PatientInnen eine Schluckstörung, die Entwöhnung von der Beatmung gelang bei 65 % der PatientInnen, die Dekanülierungsrate lag hingegen nur bei 54 % [56].

In der außerklinischen Intensivpflege (AKI) wird aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts ein kontinuierlicher Anstieg der PatientInnenzahlen beobachtet [7]. Dazu ist von einer großen Anzahl von PatientInnen in der AKI auszugehen, die aufgrund einer absaugpflichtigen Dysphagie tracheotomiert sind [8]. Der logopädisch-sprachtherapeutische Versorgungsanspruch dieses PatientInnenkollektivs wird durch die Neufassung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung außerklinischer Intensivpflege (Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie/AKI-RL, BAnz AT 17.03.2022 B2. https://www.g-ba.de/beschluesse/5142/. Zugriff: 17.10.2023) ansteigen. Die Richtlinie sieht vor, PatientInnen in der AKI regelmäßig zu evaluieren, um Therapiepotenziale auch nach stationärer Entlassung systematisch zu erkennen und zu fördern.

Zur Gewährleistung der PatientInnenversorgung und zur Verbesserung deren funktioneller Selbständigkeit und Teilhabe ist eine standardisierte und evidenzbasierte Qualifizierung der LogaS im TK-Management (TKM) erforderlich. Aktuell finden sich Inhalte zum TKM jedoch nicht obligatorisch in den Curricula der logopädischen und akademisch-sprachtherapeutischen Ausbildung. Die Notwendigkeit einer standardisierten Ausbildung zeigt eine multizentrische Studienserie in Großbritannien, in der drei Faktoren identifiziert wurden, die mit tracheotomiebedingten Risikosituationen und einer erhöhten Mortalität von TK-PatientInnen assoziiert sind ([9, 10], vgl. auch [11,12,13]):

  1. 1.

    mangelndes Wissen und fehlende Kompetenz der am TKM beteiligten Berufsgruppen,

  2. 2.

    unzureichende Kommunikation im multidisziplinären Team,

  3. 3.

    inkonsistente, nichtstandardisierte Reaktionen auf Notfallsituationen.

Im vorliegenden Artikel wird eine standardisierte und durch die beteiligten Fachdisziplinen konsentierte curriculare Weiterbildung für LogaS vorgestellt. Damit wird ein Qualifikationsnachweis geschaffen, der dazu beitragen wird, den medikolegalen Rahmen zur Absicherung der delegierenden ÄrztInnen und der delegationsnehmenden TherapeutInnen zu formulieren.

Zielsetzungen des TKM-Curriculums sind:

  1. 1.

    Definition der theoretischen und praktischen Anforderungen der Aus- und Weiterbildung im TKM,

  2. 2.

    Sicherung der Behandlungsqualität für tracheotomierte PatientInnen in der klinischen und außerklinischen Versorgung durch Etablierung evidenzbasierter Qualitätsstandards,

  3. 3.

    Transparenz in der interprofessionellen Kommunikation,

  4. 4.

    formale Qualifikation der TherapeutInnen als Basis der Delegation TKM-bezogener Tätigkeiten.

Anwendungsgebiete des Curriculums sind das ambulante und stationäre TKM im Kontext der Dysphagietherapie in Neurologie und neurologischer Rehabilitation, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Phoniatrie, Intensivmedizin, Pulmologie/Pneumologie, Pädiatrie und Geriatrie.

Das hier vorgestellte TKM-Curriculum wurde von der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für Dysphagie (DGD) in Zusammenarbeit mit den folgenden Fachgesellschaften entwickelt und konsentiert:

dbl:

Deutscher Bundesverband für Logopädie

dbs:

Deutscher Bundesverband für akademische Sprachtherapie und Logopädie

DGD:

Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für Dysphagie

DGG:

Deutsche Gesellschaft für Geriatrie

DGHNO-KHC:

Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

BV-HNO:

Deutscher Berufsverband der HNO-Ärzte

DGN:

Deutsche Gesellschaft für Neurologie

DGNI:

Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin

DGNR:

Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation

DGP:

Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

DGPP:

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

DBVPP:

Deutscher Berufsverband für Phoniatrie und Pädaudiologie

DIGAB:

Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung

Das TKM-Curriculum orientiert sich inhaltlich an den Empfehlungen der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN; [14]), der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP; [2, 15]), der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR; [16]), der DGHNO-KHC [17] und der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP; [18]) sowie an den Guidelines des Royal College of Speech Language Therapists, UK (RCSLT; [19]) und der Global Tracheostomy Collaborative (GTC; [20]).

2. TKM-Curriculum: Qualifikationsstufen

Das TKM-Curriculum umfasst zwei Qualifikationsstufen:

  • TKM-Zertifikat (TKM-AnwenderInnen),

  • TKM-Ausbildungs-Zertifikat (TKM-AusbilderInnen).

Zerifizierte TKM-AnwenderInnen sind LogaS, die die diagnostischen und therapeutischen Verfahren des TKM im klinischen, außerklinischen und/oder ambulanten Setting durchführen. Der Tätigkeitsbereich ergibt sich aus den Inhalten des Basisseminars (siehe 3.2).

TKM-AusbilderInnen sind zertifizierte TKM-AnwenderInnen, die zusätzlich berechtigt sind, TKM-Basisseminare und direkte und indirekte Behandlungssupervisionen durchzuführen und Prüfungen für das TKM-Zertifikat abzunehmen. TKM-AusbilderInnen müssen über umfassende klinische Kenntnisse und Fertigkeiten im TKM und über didaktische Kompetenzen verfügen. Sie sind in der Lage, auch komplexe Fälle selbständig zu evaluieren und geeignete Vorgehensweisen im multidisziplinären Team zu initiieren, durchzuführen und anzuleiten (siehe 4).

3. TKM-Zertifikat

3.1. Eingangsvoraussetzungen und Ausbildungsabschnitte

Für die Zulassung zur Weiterbildung im TKM-Zertifikat müssen die in Tab. 1 definierten Eingangsvoraussetzungen erfüllt sein. Die Ausbildung zum Erwerb des TKM-Zertifikats gliedert sich in drei Abschnitte:

  1. 1.

    TKM-Basisseminar (siehe 3.2): Vermittlung von Grundlagenkenntnissen und praktischen Handlungskompetenzen mit theoretischer und praktischer Prüfung,

  2. 2.

    Supervisions- und Behandlungsphase (siehe 3.3): TKM mit direkter und indirekter Supervision durch TKM-AusbilderInnen,

  3. 3.

    Fallberichte (siehe 3.4): Erstellen von 2 Fallberichten aus der Supervisionsphase oder analoge Leistungen (siehe 3.4),

  4. 4.

    Abschlussprüfung (siehe 3.5).

Tab. 1 Eingangsvoraussetzungen und Ausbildungsabschnitte des TKM-Zertifikats

3.2. TKM-Basisseminar: Erwerb von Grundlagenkenntnissen und praktischen Handlungskompetenzen

Die fachlichen Kompetenzen zum Erwerb des TKM-Zertifikats werden in einem Basisseminar mit einem Umfang von 30 Unterrichtseinheiten (1 UE = 45 min) vermittelt. Die in Tab. 2 aufgeführten Inhalte sind obligatorisch. Die zu erwerbenden praktischen Handlungskompetenzen werden im Basisseminar in kleinen Arbeitsgruppen mit maximal 5 TeilnehmerInnen pro TKM-AusbilderIn vermittelt und geprüft. Jeder Arbeitsgruppe müssen ein Trainingsdummy, ein Absauggerät, verschiedene TK-Modelle und ausreichend Verbrauchsmaterial zur Verfügung stehen.

Tab. 2 Inhalte des TKM-Basisseminars und ReferentInnen/Berufsgruppen

Lehrinhalte müssen dem jeweils aktuellen Stand der Forschung und den entsprechenden Leitlinien der beteiligten Fachgesellschaften entsprechen. Dabei können max. 8 Unterrichtseinheiten als Online-Format angeboten werden, die praktischen Übungen müssen als Präsenzformat konzipiert sein. Die Zusammensetzung des Lehrkörpers soll der Thematik entsprechend multiprofessionell und multidisziplinär erfolgen, sodass ärztliche und therapeutische Bereiche inhaltlich adäquat vertreten werden. Lehrinhalte sollen entsprechend ihrer Thematik prioritär den akkreditierungsfähigen Berufsgruppen zugeordnet werden. Akkreditierungsfähige Berufsgruppen für die einzelnen Themenbereiche und entsprechende Priorisierungen sind in Tab. 2 definiert.

3.3. Supervisions- und Behandlungsphase: TKM-Anwendung mit direkter und indirekter Supervision

Beide Qualifikationsstufen (TKM-Zertifikat, TKM-Ausbildungs-Zertifikat) beinhalten eine supervidierte TKM-Anwendungsphase. Dabei wird zwischen direkter und indirekter Supervision unterschieden.

TKM mit direkter Supervision

Direkte Supervision setzt die Präsenz und die unmittelbare Interventionsmöglichkeit einer TKM-Ausbilderin/eines TKM-Ausbilders voraus. Die Dauer der Behandlungseinheit beträgt mind. 30 min (zzgl. Vor- bzw. Nachbesprechung). Die supervidierten Behandlungen dienen der Vertiefung der im Basisseminar erlernten Kompetenzen, die dadurch am konkreten Fall weiter praktisch gefestigt werden.

TKM mit indirekter Supervision

Nach der direkten Supervisionsphase folgen indirekt supervidierte Therapieeinheiten im TKM selbständig ohne Präsenz der Supervisorin/des Supervisors, jedoch muss eine fallbezogene Besprechung der Behandlungen erfolgen. Die indirekt supervidierten TKM-Einheiten dienen der Festigung der fachlichen Kompetenzen. Die AnwenderInnen sollen dadurch in die Lage versetzt werden, klinische Befunde im TKM selbständig zu erheben, im Kontext des Gesamtbildes zu interpretieren und geeignete therapeutische Maßnahmen eigenständig auszuwählen und durchzuführen. Die Auswahl der PatientInnen zur Durchführung der indirekten Supervision erfolgt nach Rücksprache mit der Supervisorin/dem Supervisor oder der betreuenden Ärztin/dem betreuenden Arzt.

Anforderungen im TKM-Zertifikat

Zum Erwerb des TKM-Zertifikats werden nach erfolgreichem Bestehen des Basisseminars mindestens 20 TKM-Behandlungseinheiten mit direkter Supervision und weitere 40 TKM-Behandlungseinheiten mit indirekter Supervision durchgeführt, hierbei müssen jeweils mindestens 3 unterschiedliche PatientInnen behandelt werden.

3.4. Fallberichte

Nach der Supervisions- und Behandlungsphase werden 2 Fallberichte auf Grundlage der Erfahrungen aus der Supervisions- und Behandlungsphase erstellt. Struktur und Inhalt der Fallberichte sollen sich an den CARE-Guidelines (CAse REport Reporting Guidelines [21]) orientieren und folgende Aspekte berücksichtigen:

  • Informationen zu PatientInnen, klinischem Setting und Krankheitsbild,

  • klinische Befunde, verwendete Diagnostikmethoden, Interpretation und Therapieableitung,

  • therapeutische Interventionen: Art und Durchführung, Behandlungsdauer und -verlauf, weitere relevante Interventionen,

  • ggf. Nachuntersuchungen,

  • Diskussion, Reflexion und Schlussfolgerungen,

  • PatientInnenperspektive.

Entsprechende Vorlagen zur Erstellung der Falldarstellungen werden zur Verfügung gestellt (www.dg-dysphagie.de). Je ein Fallbericht kann durch eine qualifizierte Publikation/Vortragstätigkeit zum TKM ersetzt werden, d. h. ein begutachteter Fachartikel in einem anerkannten Fachjournal, Buchkapitel oder Buchpublikation oder ein eingereichter oder eingeladener Vortrag bei einem einschlägigen Fachkongress.

3.5. Prüfungen im TKM-Zertifikat

Die Prüfung der praktischen Handlungskompetenzen im Basisseminar erfolgt seminarbegleitend während bzw. direkt im Anschluss an die praktischen Übungen im Basisseminar. Die TKM-AusbilderInnen prüfen, ob zu den in Tab. 2 aufgeführten Praxisthemen ausreichende praktische Handlungskompetenzen vorliegen, um in die Supervisions- und Behandlungsphase überzugehen.

Das TKM-Basisseminar schließt mit einer theoretischen und praktischen Prüfung ab (Tab. 3). Dabei müssen die in Tab. 2 aufgeführten Basisthemen obligatorisch geprüft werden. Die theoretische Prüfung soll im Multiple-Choice-Format mit mindestens 25 Fragen erfolgen, mindestens 60 % der Fragen müssen korrekt beantwortet werden (Tab. 3).

Tab. 3 Prüfungen zum TKM-Zertifikat

Vor der Zulassung zur Abschlussprüfung müssen die direkt und indirekt supervidierten Praxiseinheiten absolviert und die Fallberichte (oder Nachweis analoger Leistungen, siehe 3.4) beim Prüfungskomitee eingereicht werden (siehe 7).

4. TKM-Ausbildungs-Zertifikat

Das TKM-Ausbildungs-Zertifikat kann durch Nachweis vertiefter Kenntnisse und praktischer Handlungskompetenzen, einer weiteren Supervisions- und Behandlungsphase sowie durch erfolgreiches Bestehen einer fachlich-didaktischen Prüfung erworben werden.

4.1. Eingangsvoraussetzungen und Ausbildungsabschnitte

Für die Prüfungszulassung zum TKM-Ausbildungs-Zertifikat müssen die in Tab. 4 definierten Eingangsvoraussetzungen nachgewiesen werden. Mit diesen Qualifikationsmerkmalen belegen TKM-AusbilderInnen, dass sie in komplexen klinischen Behandlungssituationen fachgerecht agieren können. Komplexe klinische Verläufe im TKM erfordern die Beteiligung und Koordination mehrerer interdisziplinärer Fachgruppen und sind gegeben beim Vorliegen spezifischer bzw. seltener Dekanülierungshindernisse und Komplikationen (z. B. pulmonale Komplikationen, Atemwegsstenosen). Die Komplikationen und die sich daraus ergebenden Vorgehensweisen müssen in den Fallberichten transparent und nachvollziehbar geschildert und sachgerecht reflektiert werden (positive und negative Aspekte). Darüber hinaus gelten die oben beschriebenen Vorgaben zu Struktur, Inhalt und Ersatz durch eine Publikation/Vortragstätigkeit (siehe 3.4).

Tab. 4 Eingangsvoraussetzungen und Prüfung im TKM-Ausbildungs-Zertifikat

4.2. Prüfungen im TKM-Ausbildungs-Zertifikat

Beim Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen (siehe Tab. 4) wird das TKM-Ausbildungs-Zertifikat durch Bestehen einer mündlichen Abschlussprüfung erworben. Die Prüfung dauert mindestens 60 min und umfasst vertiefende Fragen zu den eingereichten Fallberichten, Fragen zu inhaltlichen Kenntnissen und Transferwissen zu mindestens 3 Basisthemen des TKM-Basisseminars, Fragen zur Kompetenz in Wissensvermittlung und -darstellung sowie Fragen zur Abwägung komplexer Themen (siehe Tab. 3).

5. Prüfungsberechtigung zum TKM-Ausbildungs-Zertifikat

Zertifizierte TKM-AusbilderInnen können eine Prüfungsberechtigung für Prüfungen im TKM-Ausbildungs-Zertifikat erwerben und damit eine aktive Rolle übernehmen bei Prüfungen zum TKM-Ausbildungs-Zertifikat sowie im kontinuierlichen Monitoring und der Weiterentwicklung des TKM-Curriculums.

Die Prüfungsberechtigung zum TKM-Ausbildungs-Zertifikat setzt eine mindestens 2‑jährige aktive Tätigkeit als TKM-AusbilderIn voraus mit Nachweis von mindestens 20 behandelten komplexen TK-PatientInnen (siehe 4.1). Außerdem müssen qualitätssichernde TKM-Routinen und Standards im eigenen Arbeitssetting implementiert worden sein und nachgewiesen werden. Während der Tätigkeit als TKM-AusbilderIn muss eine Organisations- und ReferentInnentätigkeit in mindestens 2 TKM-Basisseminaren und die Beteiligung an Ausbildung und Prüfung von mindestens 5 TKM-AnwenderInnen (TKM-Zertifikat) erfolgt sein.

Die Prüfungsberechtigung zum TKM-Ausbildungs-Zertifikat wird abschließend erworben nach einem erfolgreichen Prüfungsgespräch (mind. 60 min), das durch 2 Mitglieder des TKM-Prüfungskomitees geführt wird. In der Phase der Übergangsregelung (siehe 6) stellt das Konsentierungskomitee die PrüferInnen für das TKM-Ausbildungs-Zertifikat.

6. Übergangsregelungen

Im Rahmen einer Übergangsregelung können bereits im TKM tätige LogaS das TKM-Zertifikat und das TKM-Ausbildungs-Zertifikat innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung des TKM-Curriculums beantragen. Dabei sind die in Tab. 5 angegebenen Nachweise zu erbringen.

Tab. 5 Übergangsregelungen im TKM-Zertifikat und TKM-Ausbildungs-Zertifikat

7. Akkreditierung curricularer TKM-Basisseminare, Prüfung der Eingangsvoraussetzungen, Prüfungszulassung und Beantragung der TKM-Zertifikate

Initiatorin, federführende Fachgesellschaft und Zertifikatseignerin ist die DGD. Das Prüfungskomittee besteht aus Mitgliedern des Konsentierungsgremiums und PrüferInnen für das TKM-Ausbildungs-Zertifikat (siehe 5). TKM-Basisseminare zur Erlangung des TKM-Zertifikats werden von TKM-AusbilderInnen bzw. den in Tab. 2 genannten Berufsgruppen durchgeführt. Die konkrete Umsetzung der Konzeption von TKM-Basisseminaren (Inhalte, Ablauf, ReferentInnen, Prüfungsmodalitäten) muss von der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für Dysphagie (DGD) akkreditiert werden.

Die Prüfung der Eingangsvoraussetzungen (siehe 3.1, 3.2, 4.1), Prüfungszulassungen und das Ausstellen der Zertifikate nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung werden bei der DGD beantragt, dazu sind die erforderlichen Nachweise schriftlich über die Webseite der DGD (www.dg-dysphagie.de) einzureichen. Bestätigungen können durch Vorgesetzte (logopädische Praxis‑, Team- oder Fachleitungen oder ärztliche Vorgesetzte) ausgestellt werden. Im außerklinischen oder ambulanten Sektor tätige LogaS können die Eingangsvoraussetzungen durch überweisende ÄrztInnen bestätigen lassen oder den Nachweis durch Einreichen einer entsprechenden Anzahl von Verordnungen mit dem Diagnoseschlüssel R 13.1 erbringen.

8. Formale Aspekte und Delegation

8.1. Delegation

Die Zusammenarbeit von ÄrztInnen und LogaS wird unter dem Begriff der „Delegation ärztlicher Tätigkeit“ geregelt. Delegation meint die Übertragung ärztlicher Aufgaben auf nichtärztliches Personal und ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Generelle Kriterien für die Delegationsfähigkeit gibt es jedoch nicht. Allgemein hängt die Übertragbarkeit ärztlicher Aufgaben ab von der Schwere des Eingriffs (Schwierigkeit), der Häufigkeit und Beherrschbarkeit möglicherweise auftretender Komplikationen (Risiko) und der Schwierigkeit der angewandten Technik (Beherrschbarkeit). Die Übertragung einer Aufgabe setzt voraus, dass ein persönliches Tätigwerden von ÄrztInnen nach Art und Schwere des Krankheitsbildes oder des Eingriffs nicht erforderlich ist und DelegationsadressatInnen die erforderliche Qualifikation, Zuverlässigkeit und Erfahrung aufweisen [22].

Delegationsentscheidungen „muss der Arzt von der Qualifikation des jeweiligen Mitarbeiters abhängig machen“ (Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2008, A 2174 [23]). „Je besser das Personal qualifiziert ist, desto mehr Leistungen können auch delegiert werden“ [24, S. 15].

Aus juristischer Sicht wird betont, dass delegationsfähige Aufgaben nicht durch gesetzliche Regelungen, sondern grundsätzlich von der Medizin selbst festzulegen sind und die beteiligten Berufsgruppen die Abgrenzung zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen selbst vorzunehmen haben. Die aktuellen Abgrenzungen sind dabei nicht starr, sondern historisch gewachsen und unterliegen national und international dem Wandel [25, 26]. Als nicht delegationsfähig werden jedoch sogenannte höchstpersönliche Leistungen der Ärztin/des Arztes erachtet, welche dem Kernbereich ärztlicher Tätigkeit zuzuordnen sind. Dazu gehören u. a. Anamnese, Indikationsstellung, Aufklärung und Beratung der PatientInnen [23, 26].

8.2. Pflichten der delegierenden ÄrztInnen und der DelegationsadressatInnen

DelegationsadressatInnen sind in diesem Zusammenhang die ausführenden TherapeutInnen. „Bei ihnen sind die Ebenen der formalen und der materiellen Qualifikation zu unterscheiden: Die formale Qualifikation ist die durch ein Ausbildungszeugnis bescheinigte Fähigkeit […]. Unter der materiellen Qualifikation ist demgegenüber die tatsächliche Befähigung der Delegationsadressat*innen zur Durchführung der angewiesenen Maßnahme zu verstehen“ [22, S. 227].

Delegation bedeutet die Entlastung von ÄrztInnen sowie die Aufwertung der nichtärztlichen BerufsträgerInnen und ist deshalb im Grundsatz positiv zu bewerten [24]. DelegationsadressatInnen dürfen jedoch nur Aufgaben übernehmen, die ihrer formalen und materiellen Qualifikation entsprechen. Sollte eine Aufgabe übernommen werden, die die persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten übersteigt und nicht dem Standard der jeweiligen Berufsgruppe genügt, stellt dies einen Qualitätsmangel (§ 276 BGB) dar, der zum Schadensersatz verpflichtet; es kommt zu einer Haftung aus Übernahmeverschulden. Die Rechtsprechung hat zudem mehrfach entschieden, dass die Übertragung und Ausführung von Aufgaben an nicht hinreichend qualifizierte Personen einen Behandlungsfehler darstellt [26].

Soll eine Leistung delegiert werden, so muss folglich die formale Qualifikation der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters festgestellt werden. Dies ist die abgeschlossene und befähigende Ausbildung in einem Fachberuf des Gesundheitswesens (hier: Logopädie oder akademische Sprachtherapie), das TKM-Zertifikat bzw. TKM-Ausbildungs-Zertifikat zeigt den Qualifikationsnachweis im Bereich des TKM an. Ferner müssen sich die Delegierenden zu Beginn der Zusammenarbeit davon überzeugen, dass die Leistungen der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters auch tatsächlich den qualitativen Anforderungen entsprechen. Die Qualität der erbrachten Leistungen (materielle Qualifikation) ist stichprobenartig zu überprüfen [23].

8.3. Delegationsform

Eine ärztliche Delegation bedarf aus Rechtsgründen nicht der Schriftform. […] Das ärztliche Berufsrecht und die ärztliche Sorgfaltspflicht verlangen lediglich, dass die Anordnung klar und eindeutig erfolgt und die Übertragung der Leistung zulässig ist“ [26, S. 7]. Die Dokumentation inhaltlicher Festlegungen zwischen den Delegierenden und den DelegationsadressatInnen wird dennoch zu Beweiszwecken empfohlen.

8.4. Delegation im TK-Management

Im klinischen, außerklinischen und ambulanten Alltag ist das TKM bereits überwiegend delegiert. DelegationsadressatInnen sind Intensivpflegekräfte, PflegetherapeutInnen und, je nach Ausbildungsstand, LogaS. In einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts werden das endotracheale Absaugen wie auch das Anlegen einer transnasalen Sonde als delegierbare Leistungen an nichtärztliches Personal nach qualifizierender Ausbildung und spezifischer Schulung gelistet [26]. Weitere therapeutische Maßnahmen (z. B. Cuff-Entblockung, Okklusionstraining ggf. unter Leckage-Beatmung, Anpassung des Trachealkanülentyps, Färbetests, Möglichkeiten und Kontraindikationen oraler Ernährung mit TK, Sekretmanagement) sind nur im interdisziplinären Austausch sinnvoll festzulegen und erfordern Absprachen zwischen den Delegierenden, den DelegationsadressatInnen und weiteren Disziplinen. Der Einsatz von Medikamenten, Inhalativa und Lokalanästhetika im Rahmen des TKM erfordert eine ärztliche Verordnung.

Im Gegensatz zur Klinik ist in der außerklinischen Intensivpflege (AKI) und in der ambulanten logopädisch-sprachtherapeutischen Versorgung die Anwesenheit delegierender ÄrztInnen häufig nicht gegeben. Nachdem in diesen Settings kein akutmedizinischer Behandlungsbedarf besteht und die medizinische Überwachung in der AKI durch die Intensivpflege durchgehend gesichert ist, kann davon ausgegangen werden, dass PatientInnen in der AKI aus medizinischer Sicht zur Durchführung des TKM im Rahmen der Dysphagietherapie geeignet sind. Im Sinne eines adäquaten Risikomanagements muss aber die Notwendigkeit inhaltlicher Absprachen (Festlegung therapeutischer Maßnahmen, Zielvereinbarungen) und gegenseitiger Information (Risikobewertungen, Zustandsveränderungen wie z. B. bronchopulmonale/internistische Komplikationen, Änderungen der Beatmungszeiten oder -modi) betont werden. § 2 (4) der AKI-Richtlinie des G‑BA ist zu beachten.

Die AutorInnen und die beteiligten Fachgesellschaften sind der Ansicht, dass die im TKM-Curriculum vermittelten Tätigkeiten des TKM in der Dysphagietherapie in Schwierigkeit, Risiko und Beherrschbarkeit an LogaS in der Klinik, der AKI und in der Ambulanz delegierbar sind und ein persönliches Tätigwerden von ÄrztInnen, was die oben näher ausgeführten delegierbaren Leistungen betrifft, nicht zwingend erfordern. Regelhafter interdisziplinärer Austausch mit dem Ziel inhaltlicher Absprachen und Festlegungen ist notwendiger Bestandteil der Delegation. Die formale Qualifikation wird von LogaS im Rahmen des vorgestellten TKM-Curriculums erworben, die materielle Qualifikation ist im Einzelfall durch die delegierenden Ärzte zu prüfen. Die Delegation des TKM in der Dysphagietherapie an entsprechend qualifizierte LogaS wird im Sinne einer ausreichenden und verbesserten Versorgung tracheotomierter PatientInnen mit Dysphagie unter den genannten Voraussetzungen empfohlen.

Fazit für die Praxis

Das TKM-Curriculum wurde von medizinischen und therapeutischen Fachgesellschaften entwickelt und konsentiert. Es beschreibt formale Qualifikationsstufen und definiert Tätigkeitsbereiche in der Versorgung tracheotomierter PatientInnen durch LogopädInnen und akademische SprachtherapeutInnen. Das TKM-Curriculum stellt damit einen wesentlichen Baustein zur Sicherstellung und Verbesserung der Versorgung tracheotomierter PatientInnen in der Klinik, der Ambulanz und der außerklinischen Intensivpflege dar und ist eine Grundlage für die Delegation von Leistungen im Trachealkanülenmanagement.