Zusammenfassung
Hintergrund
Depression ist beim alten Menschen die häufigste psychische Störung und wird durch geriatrietypische Morbidität beeinflusst. Die Komorbidität mit „Frailty“ ist besonders relevant. Frailty ist von zentraler Bedeutung in der modernen Altersmedizin und zeigt die belastungsabhängige Vulnerabilität eines alten Menschen sowie sein erhöhtes Risiko von Behinderung, Hospitalisierung und Tod an. Es kommt der Diagnostik und Behandlung von Depression im Alter zugute, sich mit den Zusammenhängen mit Frailty auseinanderzusetzen, auch auf neurobiologischer Ebene.
Ziel der Arbeit
Dieses narrative Review gibt einen Überblick über die Komorbidität von Depression im Alter und Frailty, mit einem Schwerpunkt auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, die anhand des Research-Domain-Criteria(RDoC)-Ansatzes systematisiert werden.
Ergebnisse
Frailty findet sich komorbid bei mehr als einem Drittel der Patienten mit Depression im Alter, was mit kritischen Depressionsverläufen und mit schlechterer Wirksamkeit und Verträglichkeit antidepressiver Medikation verbunden ist. Depression und Frailty teilen motivationale und psychomotorische Merkmale, speziell Antriebsminderung, erhöhte Erschöpfbarkeit und verringerte körperliche Aktivität. Bei Frailty sind funktionelle Veränderungen in bewegungsvorbereitenden neuronalen Arealen mit motorischen Leistungseinschränkungen assoziiert. Bei Depression im Alter mit Apathie finden sich abnorme Struktur und veränderte funktionelle Konnektivität des Belohnungs- und des Salienznetzwerks, außerdem veränderte funktionelle Konnektivität dieser Netzwerke mit prämotorischen Arealen.
Diskussion
Es ist prognostisch und therapeutisch relevant, Frailty bei Alterspatienten mit Depression zu erkennen. Die (Weiter‑)Entwicklung und Individualisierung von Therapien für diese vulnerable Patientengruppe wird auch davon profitieren, sich auf neuronale Mechanismen der Komorbidität zu beziehen.
Abstract
Background
Depression is the most common mental disorder in older adults and is influenced by age-related processes. Frailty is a well-established clinical expression of ageing that implies a state of increased vulnerability to stressor events as well as increased risks of disability, hospitalization and death. Neurobiological findings will disentangle the comorbidity of frailty and depression and may inform future management of depression in old age.
Objective
This narrative review provides an overview of the comorbidity of late-life depression and frailty, with a focus on neuroscientific findings that are organized within the research domain criteria (RDoC) framework.
Results
More than one third of old people with depression are affected by frailty, which results in more chronic depression and in poorer efficacy and tolerability of antidepressant medication. Depression and frailty share motivational and psychomotor characteristics, particularly apathy, decreased physical activity and fatigue. In patients with frailty, altered activity of the supplementary motor cortex is associated with motor performance deficits. Patients with late-life depression and apathy are characterized by abnormal structure and altered functional connectivity of the reward network and the salience network, along with altered functional connectivity of these networks with premotor brain areas.
Conclusion
Identifying frailty in older adults with depression is relevant for prognostic assessment and treatment. A better understanding of the neuronal mechanisms of comorbidity will provide potential targets for future personalized therapeutic interventions.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Als Depression im Alter wird eine erstmalig ab dem 65. Lebensjahr auftretende depressive Symptomatik bezeichnet, die die gängigen, altersübergreifenden Diagnosekriterien für depressive Störungen erfüllt. Das Depressionsrisiko im Alter wird durch altersabhängige Erkrankungen beeinflusst [3]. Während die pathogenetische Rolle zerebraler Mikroangiopathie in den letzten 25 Jahren intensiv beforscht wurde (was zur vaskulären Depressionshypothese geführt hat [3]), ist das für die Geriatrie zentrale „Frailty“-Syndrom erst in neueren Untersuchungen zur Depression im Alter in den Blick genommen worden.
Hintergrund
Bei einem Patienten mit Depression im Alter deutet es auf eine mögliche Komorbidität mit „Frailty“ hin, wenn psychomotorische und motivationale Symptome stark ausgeprägt sind, speziell Antriebsminderung, erhöhte Erschöpfbarkeit und verringerte körperliche Aktivität [26]. Bestätigt ein strukturiertes Assessment Frailty, sind ein chronischer Depressionsverlauf [25] und ein Nichtansprechen auf Therapie mit Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI; [6]) wahrscheinlicher, ebenso sind die Risiken von Alltagsbeeinträchtigung, Pflegeheimeinweisung und Sterblichkeit erhöht [40]. Die Komorbidität von Depression im Alter und Frailty ist ein häufiges Phänomen, das mehr als ein Drittel der Alterspatienten mit Depression betrifft [40]. Auch angesichts der hohen Symptomübereinstimmung zwischen Frailty und Depression (besonders, wenn sie durch Apathie gekennzeichnet ist; [26]) stellt sich die Frage, in welchen Zusammenhängen Depressionen im Alter mit dem biologischen Altersphänomen „Frailty“ stehen. Solche Erkenntnisse über altersspezifische Pathomechanismen werden die Behandlung von Depressionen im höheren Lebensalter erweitern. Hierzu besteht ein dringender Bedarf, sind doch altersspezifische Strategien in der Depressionstherapie bisher unterrepräsentiert [10].
Dieses narrative Review gibt eine Übersicht über epidemiologische, klinische und neurobiologische Zusammenhänge von Depression im Alter und Frailty. Potenzielle Gemeinsamkeiten auf der Ebene neuronaler Funktionssysteme werden auf den Research-Domain-Criteria(RDoC)-Ansatz bezogen [16, 21], wodurch sich auch therapeutische Ansätze systematisieren lassen.
Bedeutung des Frailty-Konzeptes
Frailty ist ein modernes, für die Altersmedizin zentrales Konstrukt. Es stellt einen Versuch dar, das biologische Alter eines älteren Menschen zu erfassen [12]. Frailty liegt ein altersbedingter Funktionsverlust verschiedener physiologischer Systeme zugrunde, was zu verminderten physiologischen Reserven und zu erhöhter Vulnerabilität gegenüber verschiedensten Stressoren führt (z. B. Krankheiten, soziale Umgebungsfaktoren; [12]). Für Betroffene bedeutet dies ein erhöhtes Risiko von Behinderung, Hospitalisierung und Tod [12]. Die am besten etablierte Definition von Frailty verwendet 5 Kriterien: verminderte Kraft, verminderte Gehgeschwindigkeit, verringerte körperliche Aktivität, erhöhte Erschöpfbarkeit und/oder ungewollter Gewichtsverlust. Sind mindestens 3 der 5 Kriterien in beliebiger Kombination erfüllt, wird von Frailty ausgegangen (Phänotyp nach Fried; [14]). Frailty hat eine hohe prognostische Aussagekraft, die über eine alleinige Zustandsbeschreibung als „gebrechlich“ hinausgeht [12].
Epidemiologie und Klinik von Depression im Alter mit komorbider Frailty
Das Risiko, eine Depression zu entwickeln, ist bei Alterspatienten mit Frailty gegenüber robusten Gleichaltrigen um das Vierfache erhöht [40]. Frailty begünstigt chronische Depressionsverläufe [25].
Geringe körperliche Aktivität, Antriebsminderung und erhöhte Erschöpfbarkeit sind geteilte Merkmale, in denen sich Frailty und Depression auf bemerkenswerte Weise ähneln [26]. In den diagnostischen Instrumenten von Frailty bzw. Depression werden sie z. T. identisch erfragt [42]. In den meisten der verfügbaren Frailty-Assessments kann die diagnostische Schwelle für Frailty alleine durch eine Kombination von Merkmalen erreicht werden, die Depressionskriterien gemäß DSM‑5 darstellen [42]. Dies hat bis zur Frage geführt, ob Frailty und Depression fächerspezifische Operationalisierungen eines gleichen Zustands sein könnten. Epidemiologische Untersuchungen mit Faktorenanalysen weisen diese Hypothese zwar zurück, betonen aber die hohe Assoziation von Frailty und Depression im Alter [26].
Neuronale Dysfunktion bei Frailty und Depression im Alter
Gehirnerkrankungen können zu Frailty beitragen, z. B. neurodegenerative Erkrankungen [9]. Weitgehend unbekannt ist hingegen, ob und wie Frailty mit der Integrität von Gehirnstruktur und -funktion zusammenhängt, wenn Patienten nicht an einer neurologischen Erkrankung leiden. Einige neuere Pilotstudien haben Frailty-Patienten mit Magnetresonanztomographie (MRT) unter Anwendung moderner Datenanalyseverfahren untersucht: Subtile Hirnstrukturveränderungen liegen bei Frailty-Patienten verteilt über das Gehirn vor [11, 27, 44]. Veränderte neuronale Bewegungsvorbereitung im supplementär-motorischen Areal (SMA) und im Prä-SMA, ausgedrückt in verminderter funktioneller Konnektivität innerhalb der funktionellen (Prä‑)SMA-Netzwerke, ist mit dem Frailty-Status und mit motorischen Leistungseinschränkungen verbunden [23, 24]. Auch die Integrität nichtmotorischer funktioneller Netzwerke ist bei Frailty-Patienten verändert [41].
Die epidemiologischen und klinischen Zusammenhänge von Frailty und Depression im Alter motivieren zu transdiagnostischen Fragestellungen, die auf breite neurowissenschaftliche Vorbefunde zur Depression Bezug nehmen können:
-
1.
Teilen sich Frailty und Depression auch neuropathologische Merkmale?
-
2.
Welchen Einfluss hat Frailty auf die für Depression bedeutsamen neuronalen Systeme, kommt es z. B. zu neuronalen Wechselwirkungen bei Komorbidität?
Motivationale bzw. motorische Funktionen bilden 2 von 6 Domänen des Research-Domain-Criteria(RDoC)-Ansatzes. Der RDoC-Ansatz formuliert eine neue Forschungssystematik für die biologische Psychiatrie, die sich von traditioneller psychiatrischer Klassifikation löst und stattdessen neuropsychiatrische Symptome systematisch mit neurobiologischen Funktionssystemen in Zusammenhang bringt [16, 21]. Transdiagnostische Untersuchungen sind nicht nur exzellent mit dem RDoC-Ansatz vereinbar, sondern werden ausdrücklich von dessen Initiatoren gefordert [16, 21].
Positive Valenzsysteme
Reduzierter Handlungsantrieb und vermindertes zielbezogenes Verhalten sind motivationale Analyseeinheiten der RDoC-Domäne Positive Valenzsysteme (PVS). Sie werden mit beeinträchtigter Funktion des neuronalen Belohnungssystems in Zusammenhang gebracht [35] und wurden vielfach bei Depressionspatienten untersucht. Ein Mangel an annäherndem, positiv motiviertem Verhalten beruht demnach auf vermindertem neuronalem Ansprechen auf belohnungsanzeigende Stimuli [15], auf eingeschränktem Erlernen neuer Anreizwerte [32] sowie auf dysfunktionaler Entscheidungsfindung, wenn antizipierte Belohnung und dafür aufzubringende Anstrengung gegeneinander abzuwägen sind [35]. Reduzierte Motivation bei Patienten mit Depression ist auch mit veränderter funktioneller Konnektivität des Belohnungssystems mit anderen neuronalen Netzwerken assoziiert [33]. Speziell bei Alterspatienten mit Depression und vordergründiger Apathie wurden Funktionsabweichungen von ventralem Striatum (VS) und anteriorem Zingulum (ACC) sowie veränderte funktionelle Konnektivität in den zugehörigen Belohnungs- und Salienznetzwerken aufgezeigt (Abb. 1; [4, 28, 30, 49]). Auch wurde veränderte funktionelle Konnektivität dieser Systeme mit dem prämotorischen Kortex beschrieben [28].
Motivationale Prozesse, speziell belohnungsabhängiges Lernen, unterliegen phasischer dopaminerger Innervation des VS [35]. Altersbedingt nehmen dopaminerge Neurone im Mesenzephalon sowie Dopamintransporter und dopaminerge Rezeptoren im Striatum ab (Abb. 1; [43]). Hierunter sind bei älteren Menschen belohnungsabhängiges Lernen und anstrengungsabhängiges Entscheidungsverhalten verändert [43], was sowohl für die Entstehung von Depression im Alter mit Apathie als auch von Frailty relevant sein könnte [8, 43].
Sensomotorische Systeme
Eingeschränktes Bewegungsverhalten bzw. körperliche Inaktivität werden von der RDoC-Domäne Sensomotorische Systeme (SMS) abgebildet. Die Domäne unterscheidet die motorischen Teilprozesse Handlungsplanung und -auswahl, Bewegungsinitiation, -ausführung und -beendigung sowie sensomotorische Dynamiken [16] und betont im Hinblick auf zielgerichtetes Handeln das Zusammenspiel mit motivationalen Prozessen [16]. Bei Depression stehen MRT-Untersuchungen zu motorischen Funktionen erst in den Anfängen [46]. Unter dem Einfluss motivationaler Defizite könnten beispielsweise die neuronale Bewegungsvorbereitung und -initiierung im SMA verändert sein [1] und körperliche Inaktivität bei Depressionspatienten unterhalten werden [5]. Funktionsabweichungen des SMA werden als Korrelat motorischer Depressionsphänomene diskutiert [46].
Bei Frailty-Patienten wurden motorische Leistungseinschränkungen bisher in Pilotstudien mit veränderter funktioneller Konnektivität des SMA in Verbindung gebracht (Abb. 1; [23, 24]). Lassen motorische Fähigkeiten im Alter nach (was langfristig unvermeidbar ist, aber bei Frailty beschleunigt abläuft), geht dies unter experimenteller Anforderung mit veränderter neuronaler Aktivierung in motorischen Gehirnarealen im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen einher [37]. Gleichzeitig ist die funktionelle Konnektivität zwischen motorischen und nichtmotorischen Hirnnetzwerken mit zunehmendem Alter erhöht, zugunsten verminderter funktioneller Konnektivität innerhalb der Netzwerke [20]. Diese altersbedingte Entdifferenzierung von Hirnnetzwerken (Abb. 1) ist nicht nur mit der motorischen Leistungsfähigkeit, sondern auch mit dem körperlichen Aktivitätsniveau im Alltag assoziiert [39]. Frailty ist Ausdruck beschleunigter Alterung [12] und verringerte körperliche Aktivität ist ein Kardinalsymptom von Frailty [14], aber die Übertragbarkeit dieser neuronalen Alterungsbefunde auf Frailty-Patienten noch unklar.
Der Erwerb von Handlungsroutinen und die situationsgerechte Regulation von Bewegungen, v. a. hinsichtlich Geschwindigkeit und Umfang, sind von dopaminerger Transmission in den Basalganglien abhängig [13]. Die oben beschriebenen Alterungsprozesse im dopaminergen System (Abb. 1) resultieren auch in verminderter Gehgeschwindigkeit [13], was pathogenetisch für Frailty und für Depression im Alter bedeutsam sein könnte [8, 34, 43].
Therapie
Alterspatienten mit Depression und komorbider Frailty profitieren nur begrenzt von SSRI [6]. Bewegungs- und behaviorale Interventionen, dopaminerge Medikation und ggf. transkranielle Magnetstimulation (TMS) könnten stattdessen geeignet sein, die motivationalen und motorischen Funktionseinschränkungen in dieser Patientengruppe zu mildern. Für diese Verfahren liegen für Patienten mit Depression oder mit Frailty z. T. hochwertige Wirksamkeitsbelege vor [10, 28, 30, 35], allerdings noch keine Untersuchungen bei komorbid Erkrankten.
Körperliches Training ist der am besten untersuchte Ansatz, um Frailty vorzubeugen oder die Ausprägung von Frailty zu minimieren [31]. Bei Depressionspatienten zeigen Bewegungsinterventionen moderate bis große Effektstärken [36]. Körperliches Training beeinflusst die strukturelle und funktionelle Organisation von Hirnnetzwerken [48] und wirkt möglicherweise altersabhängigen Veränderungen in diesen Systemen entgegen (Abb. 1; [38]).
Verhaltensaktivierung ist der wichtigste behaviorale Ansatz zur Depressionsbehandlung. Dabei erhöht ein Depressionspatient systematisch gesunde Verhaltensweisen und die Rate an positiven Verstärkern für dieses Verhalten, wobei körperliche Aktivität oder Training ein häufiger (aber nicht notwendiger) Bestandteil sind. Die antidepressive Wirksamkeit von Verhaltensaktivierung ist gut belegt und hoch, auch bei Alterspatienten [29]. Auf neuronaler Ebene könnte Verhaltensaktivierung die funktionelle Integrität des Belohnungssystems verbessern (Abb. 1; [22]).
L‑Dopa oder Dopaminagonisten sind zur antidepressiven Augmentation bei jüngeren Depressionspatienten unwirksam [10]. Bei Alterspatienten mit Depression verbessert die Gabe von L‑Dopa allerdings eine verlangsamte Gehgeschwindigkeit, mit möglicher antidepressiver Wirkung (Abb. 1; [34]). Ob die Gabe von L‑Dopa auch die neuronale Belohnungsverarbeitung bei Depressionspatienten günstig beeinflussen kann, bleibt noch unklar [47].
Transkranielle Magnetstimulation (TMS) des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex ist eine evidenzbasierte Behandlungsoption, die Patienten mit pharmakoresistenter Depression angeboten werden kann [10]. Auch für depressive Alterspatienten gibt es Wirksamkeitsbelege [19]. Pilotstudien haben außerdem TMS des SMA erfolgreich angewandt, um psychomotorische Verlangsamung bei Depressionspatienten abzuschwächen [45]. Ob TMS zur Behandlung von Patienten mit Depression im Alter und komorbider Frailty beitragen kann, bleibt experimentell zu prüfen.
Ausblick
Der in den letzten 25 Jahren am häufigsten diskutierte Subtyp von Depressionen im Alter ist die „vaskuläre Depression“, wobei bis heute kontrovers bleibt, wie mikrovaskuläre Marklagerläsionen, emotions- und motivationsrelevante Hirnnetzwerke sowie Depression zusammenhängen [2, 17]. Auch zwischen mikrovaskulärer Läsionslast und der Ausprägung von Frailty wurden widersprüchliche Assoziationen berichtet [7, 18]. Depressionen im Alter mit komorbider Frailty lassen sich bisher nur unzureichend in Bezug zur vaskulären Depressionshypothese setzen.
Neuere Forschungserkenntnisse unterstreichen die epidemiologische und klinische Bedeutung von Frailty bei Alterspatienten mit Depression. Sie deuten zudem pathophysiologische Wege an, auf denen Frailty zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Depression beim älteren Menschen beitragen könnte.
Künftige Studien, die definierte motivationale und motorische Teilprozesse bei Komorbidität von Depression im Alter und Frailty untersuchen, werden Erkrankungsmechanismen aufschlüsseln, den Beitrag von biologischer Alterung zu Depressionen im hohen Lebensalter präzisieren und letztlich die Behandlung dieser vulnerablen Patientengruppe verbessern.
Fazit für die Praxis
-
Die Beurteilung von Frailty unterstützt die Behandlung von Depression im Alter bei der Therapieauswahl, der Verlaufs- und Prognoseabschätzung sowie der Versorgungsplanung.
-
Frailty kann durch einfach anzuwendende Instrumente identifiziert werden, z. B. die Klinische Frailty-Skala (CFS). Zur Beurteilung von Depressivität bei Patienten mit Frailty sind Instrumente von Vorteil, die nur wenige oder keine körperlichen Depressionssymptome beinhalten, beispielsweise die Geriatrische Depressionsskala (GDS).
-
Frailty und Depression im Alter gehen mit Funktionsstörungen in definierten Hirnnetzwerken einher, die in Zukunft zur Verlaufs- und Therapieprädiktion herangezogen werden könnten.
-
Alterspatienten mit Depression und Frailty profitieren von Verhaltensaktivierung und körperlichem Training. Der Nutzen von Psychopharmakotherapie oder Hirnstimulationsverfahren ist für diese vulnerable Patientengruppe noch ungewiss.
Literatur
Adkins TJ, Lee TG (2021) Reward modulates cortical representations of action. Neuroimage 228:117708
Aizenstein HJ, Baskys A, Boldrini M et al (2016) Vascular depression consensus report—a critical update. BMC Med 14:161
Alexopoulos GS (2019) Mechanisms and treatment of late-life depression. Transl Psychiatry 9:188
Alexopoulos GS, Hoptman MJ, Yuen G et al (2013) Functional connectivity in apathy of late-life depression: a preliminary study. J Affect Disord 149:398–405
Bonnelle V, Manohar S, Behrens T et al (2016) Individual differences in premotor brain systems underlie behavioral apathy. Cereb Cortex 26:807–819
Brown PJ, Ciarleglio A, Roose SP et al (2021) Frailty worsens antidepressant treatment outcomes in late life depression. Am J Geriatr Psychiatry 29:944–955
Brown PJ, Roose SP, O’boyle KR et al (2020) Frailty and its correlates in adults with late life depression. Am J Geriatr Psychiatry 28:145–154
Brown PJ, Rutherford BR, Yaffe K et al (2016) The depressed frail phenotype: the clinical manifestation of increased biological aging. Am J Geriatr Psychiatry 24:1084–1094
Buchman AS, Yu L, Wilson RS et al (2013) Association of brain pathology with the progression of frailty in older adults. Neurology 80:2055–2061
Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften et al (2022) Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung (Version 3.0)
Chen WT, Chou KH, Liu LK et al (2015) Reduced cerebellar gray matter is a neural signature of physical frailty. Hum Brain Mapp 36:3666–3676
Clegg A, Young J, Iliffe S et al (2013) Frailty in elderly people. lancet 381:752–762
Dudman JT, Krakauer JW (2016) The basal ganglia: from motor commands to the control of vigor. Curr Opin Neurobiol 37:158–166
Fried LP, Tangen CM, Walston J et al (2001) Frailty in older adults: evidence for a phenotype. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 56:M146–M156
Hallford DJ, Sharma MK (2019) Anticipatory pleasure for future experiences in schizophrenia spectrum disorders and major depression: a systematic review and meta-analysis. Br J Clin Psychol 58:357–383
Hirjak D, Fritze S, Northoff G et al (2021) The sensorimotor domain in the research domain criteria system: progress and perspectives. Nervenarzt 92:915–924
Jellinger KA (2022) The enigma of vascular depression in old age: a critical update. J Neural Transm 129:961–976
Kant IMJ, Mutsaerts H, van Montfort SJT et al (2019) The association between frailty and MRI features of cerebral small vessel disease. Sci Rep 9:11343
Kaster TS, Daskalakis ZJ, Noda Y et al (2018) Efficacy, tolerability, and cognitive effects of deep transcranial magnetic stimulation for late-life depression: a prospective randomized controlled trial. Neuropsychopharmacology 43:2231–2238
King BR, van Ruitenbeek P, Leunissen I et al (2018) Age-related declines in motor performance are associated with decreased segregation of large-scale resting state brain networks. Cereb Cortex 28:4390–4402
Korn CW, Wolf RC (2021) Negative valence systems in the system of research domain criteria : empirical results and new developments. Nervenarzt 92:868–877
Kryza-Lacombe M, Pearson N, Lyubomirsky S et al (2021) Changes in neural reward processing following amplification of positivity treatment for depression and anxiety: preliminary findings from a randomized waitlist controlled trial. Behav Res Ther 142:103860
Lammers F, Zacharias N, Borchers F et al (2020) Functional connectivity of the supplementary motor network is associated with fried’s modified frailty score in older adults. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 75:2239–2248
Lammers-Lietz F, Zacharias N, Mörgeli R et al (2022) Functional connectivity of the supplementary and presupplementary motor areas in postoperative transition between stages of frailty. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 77(12):2464–2473. https://doi.org/10.1093/gerona/glac012
Lugtenburg A, Zuidersma M, Wardenaar KJ et al (2021) Subtypes of late-life depression: a data-driven approach on cognitive domains and physical frailty. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 76:141–150
Mezuk B, Lohman M, Dumenci L et al (2013) Are depression and frailty overlapping syndromes in mid- and late-life? A latent variable analysis. Am J Geriatr Psychiatry 21:560–569
Nishita Y, Nakamura A, Kato T et al (2019) Links between physical frailty and regional gray matter volumes in older adults: a voxel-based morphometry study. J Am Med Dir Assoc 20:1587–1592.e7
Oberlin LE, Victoria LW, Ilieva I et al (2022) Comparison of functional and structural neural network features in older adults with depression with vs without apathy and association with response to escitalopram: secondary analysis of a nonrandomized clinical trial. JAMA Netw Open 5:e2224142
Orgeta V, Brede J, Livingston G (2017) Behavioural activation for depression in older people: systematic review and meta-analysis. Br J Psychiatry 211:274–279
Pimontel MA, Kanellopoulos D, Gunning FM (2020) Neuroanatomical abnormalities in older depressed adults with apathy: a systematic review. J Geriatr Psychiatry Neurol 33:289–303
Puts MTE, Toubasi S, Andrew MK et al (2017) Interventions to prevent or reduce the level of frailty in community-dwelling older adults: a scoping review of the literature and international policies. Age Ageing 46:383–392
Rothkirch M, Tonn J, Köhler S et al (2017) Neural mechanisms of reinforcement learning in unmedicated patients with major depressive disorder. Brain 140:1147–1157
Rupprechter S, Romaniuk L, Series P et al (2020) Blunted medial prefrontal cortico-limbic reward-related effective connectivity and depression. Brain 143:1946–1956
Rutherford BR, Slifstein M, Chen C et al (2019) Effects of L‑DOPA monotherapy on psychomotor speed and [11C] raclopride binding in high-risk older adults with depression. Biol Psychiatry 86:221–229
Salamone JD, Yohn SE, López-Cruz L et al (2016) Activational and effort-related aspects of motivation: neural mechanisms and implications for psychopathology. Brain 139:1325–1347
Schuch FB, Vancampfort D, Richards J et al (2016) Exercise as a treatment for depression: a meta-analysis adjusting for publication bias. J Psychiatr Res 77:42–51
Seidler RD, Bernard JA, Burutolu TB et al (2010) Motor control and aging: links to age-related brain structural, functional, and biochemical effects. Neurosci Biobehav Rev 34:721–733
Soldan A, Alfini A, Pettigrew C et al (2022) Actigraphy-estimated physical activity is associated with functional and structural brain connectivity among older adults. Neurobiol Aging 116:32–40
Soldan A, Pettigrew C, Zhu Y et al (2021) Association of lifestyle activities with functional brain connectivity and relationship to cognitive decline among older adults. Cereb Cortex 31:5637–5651
Soysal P, Veronese N, Thompson T et al (2017) Relationship between depression and frailty in older adults: a systematic review and meta-analysis. Ageing Res Rev 36:78–87
Suárez-Méndez I, Doval S, Walter S et al (2020) Functional connectivity disruption in frail older adults without global cognitive deficits. Front Med 7:322
Sutton JL, Gould RL, Coulson MC et al (2019) Multicomponent frailty assessment tools for older people with psychiatric disorders: a systematic review. J Am Geriatr Soc 67:1085–1095
Taylor WD, Zald DH, Felger JC et al (2022) Influences of dopaminergic system dysfunction on late-life depression. Mol Psychiatry 27:180–191
Tian Q, Williams OA, Landman BA et al (2020) Microstructural neuroimaging of frailty in cognitively normal older adults. Front Med 7:546344
Walther S, Alexaki D, Schoretsanitis G et al (2020) Inhibitory repetitive transcranial magnetic stimulation to treat psychomotor slowing: a transdiagnostic, mechanism-based randomized double-blind controlled trial. Schizophr Bull Open. https://doi.org/10.1093/schizbullopen/sgaa020
Walther S, Bernard JA, Mittal VA et al (2019) The utility of an RDoC motor domain to understand psychomotor symptoms in depression. Psychol Med 49:212–216
Whitton AE, Reinen JM, Slifstein M et al (2020) Baseline reward processing and ventrostriatal dopamine function are associated with pramipexole response in depression. Brain 143:701–710
Won J, Callow DD, Pena GS et al (2021) Evidence for exercise-related plasticity in functional and structural neural network connectivity. Neurosci Biobehav Rev 131:923–940
Yuen GS, Gunning-Dixon FM, Hoptman MJ et al (2014) The salience network in the apathy of late-life depression. Int J Geriatr Psychiatry 29:1116–1124
Danksagung
Die Autorinnen und Autoren bedanken sich für die Forschungsförderung durch die Dietmar Hopp Stiftung (1DH2111009).
Funding
Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
M.S. Depping, L. Köhler-Ipek, P. Ullrich, K. Hauer und R.C. Wolf geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Depping, M.S., Köhler-Ipek, L., Ullrich, P. et al. Depression im Alter und Frailty – epidemiologische, klinische und neurobiologische Zusammenhänge. Nervenarzt 94, 234–239 (2023). https://doi.org/10.1007/s00115-023-01444-0
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00115-023-01444-0