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Angst ist als Grundemotion individuell wie gesamtgesellschaftlich omnipräsent. Angst ist ein Alarmsignal, das Gefahren anzeigt. Angst erlaubt Fight‑, Flight- oder Freeze-Reaktionen, je nachdem was in der jeweiligen Gefahrensituation angebracht ist, und sichert damit letztlich das Überleben [3, 10]. Angst kann aber auch zur Angsterkrankung werden und betrifft als solche mit einer 12-Monats-Prävalenz von 14% etwa 61,5 Mio. Menschen in der Europäischen Union. Damit stellen Angsterkrankungen die häufigsten psychischen Erkrankungen überhaupt dar [9] und führen mit jährlichen aggregierten Krankheitskosten von €74,4 Mrd. EU-weit zu einer hohen sozioökonomischen Belastung [5].
Die Behandlung von Angsterkrankungen stützt sich nach den S3-Leitlinien im Wesentlichen auf psychotherapeutische und pharmakotherapeutische Maßnahmen [1]. Allerdings sprechen etwa 20–30% der Patienten nicht oder nur unzureichend auf die initial gewählte Therapie an, und gerade beim Vorliegen von Komorbiditäten mit z. B. Depression oder Suchterkrankungen gestaltet sich der Therapieverlauf oft kompliziert und nicht selten chronisch (vgl. [7]).
Entsprechend richten sich umfangreiche und multizentrische Forschungsbemühungen – in Deutschland u. a. der Sonderforschungsbereich „Furcht, Angst, Angsterkrankungen“ (SFB-TRR-58) und der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsverbund PROTECT-AD – auf die Aufklärung der Ursachen und die Entwicklung innovativer und noch effektiverer Behandlungsoptionen von Angsterkrankungen. Weiterhin bietet die Gesellschaft für Angstforschung (GAF) ein nationales Forum für den wissenschaftlichen Austausch und arbeitet dabei u.a. auch mit der Deutschen Angst-Hilfe e.V. zusammen.
Das hier vorliegende Themenheft bietet einen Überblick über einige ausgewählte Aspekte zum Stand des Wissens und zu neuen Entwicklungen auf dem Gebiet von Angst und Angsterkrankungen.
Aus aktuellem Anlass beleuchten A. Ströhle und Koautoren (Berlin) zunächst die gesamtgesellschaftliche wie individuelle Angst im Spektrum von Realangst über Massenpanik bis hin zu Angsterkrankungen in Krisensituationen. Die „pandemic panic“ – in Zeiten von Corona ein hochrelevantes Phänomen, das aus den Krisen im Zusammenhang mit HIV („human immunodeficiency virus“), SARS („severe acute respiratory syndrome“), MERS („middle east respiratory syndrome“), Ebola oder der Schweinegrippe bereits bekannt ist. Die Analyse psychosozialer Folgen nationaler oder globaler Krisen ist entscheidend, um die Resilienz gegenüber psychischen Erkrankungen in Zeiten der Pandemie zu stärken.
In taxonomischer Hinsicht wurden in der Neuauflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) neben der Panikstörung, der generalisierten Angststörung, der sozialen Phobie, der Agoraphobie und den spezifischen Phobien mit dem selektiven Mutismus und der Trennungsangststörung im Erwachsenenalter zwei weitere Entitäten in die Gruppe der Angsterkrankungen aufgenommen (vgl. [8]). Während der selektive Mutismus bereits in einem früheren Übersichtsartikel in dieser Zeitschrift ausführlich besprochen wurde [6], gehen M. Schiele und K. Domschke (Freiburg) in diesem Heft nun auf epidemiologische, neurobiologische und klinische Aspekte der Trennungsangststörung ein.
Den aktuellen Stand der verfügbaren pharmakologischen Behandlungsoptionen fassen P. Zwanzger (Wasserburg a.I./München), N. Singewald (Innsbruck) und B. Bandelow (Göttingen) entlang den S3-Leitlinien [1] für die Behandlung von Angsterkrankungen zusammen. Die Autoren geben darüber hinaus einen Einblick in die „Pipeline“ experimenteller Substanzen, die in Zukunft innovative und ggf. noch effektivere medikamentöse Optionen gerade für therapieresistente Patienten mit Angsterkrankungen darstellen könnten.
Psychotherapeutische Verfahren in der Behandlung von Angsterkrankungen – ausgehend von grundlegenden Lernprozessen über die daraus resultierenden therapeutischen Handlungsregeln bis hin zu Moderatoren des Behandlungserfolgs – stehen im Fokus der Übersichtsarbeit von J. Hoyer (Dresden) und U. Lüken (Berlin). Ergänzend sei auf einen 2019 in dieser Zeitschrift erschienenen Artikel hingewiesen, der sich der virtuellen Realität als einem neuen „Tool“ in der expositionsbasierten Psychotherapie bei Angsterkrankungen widmet [2].
Angesichts der hohen Prävalenzraten und der nicht geringen Therapieresistenz von Angsterkrankungen ist die primäre Prävention von Angststörungen von großer Bedeutung, um der Entstehung von sowohl Angsterkrankungen per se als auch deren psychischen Folgeerkrankungen vorzubeugen [4]. K. Domschke (Freiburg) – gemeinsam mit M. Romanos (Würzburg) und M. Schiele (Freiburg) – fasst daher abschließend universelle sowie gezielte, d. h. selektive und indizierte präventive Interventionen mit dem Ziel der Reduktion der Inzidenz von Angststörungen sowohl bei Kindern/Jugendlichen als auch Erwachsenen zusammen.
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Prof. Dr. Dr. Katharina Domschke
Literatur
Bandelow B, Wiltink J, Alpers GW, Benecke C, Deckert J, Eckhardt-Henn A, Ehrig C, Engel E, Falkai P, Geiser F, Gerlach AL, Harfst T, Hau S, Joraschky P, Kellner M, Kölner V, Kopp I, Langs G, Lichte T, Liebeck H, Matzat J, Reitt M, Rüddel HP, Rudolf S, Schick G, Schweiger U, Simon R, Springer A, Staats H, Ströhle A, Ströhm W, Waldherr B, Watzke B, Wedekind D, Zottl C, Zwanzger P, Beutel M (2014) Deutsche S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen (www.awmf.org/leitlinien.html)
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Domschke, K. Update Angsterkrankungen – aktueller Stand und neue Entwicklungen. Nervenarzt 92, 415–416 (2021). https://doi.org/10.1007/s00115-020-01042-4
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