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Der Pro-Standpunkt ist unter https://doi.org/10.1007/s00115-019-00785-z zu finden.
Wir wissen sehr gut, dass Psychotherapie wirksam ist, wenngleich wir 2007 noch zu wenig Ahnung davon hatten, warum und vor allem wie sie funktioniert [1]. Mittlerweile ist durch konsequente Wirksamkeitsforschung klar, dass die Therapieerfolgsvarianz in kontrollierten Studien zu 5 % und in Versorgungsstudien zu 17 % durch den Behandler erklärt wird [2]. Die Effektstärken für Therapeuteneffekte betragen 0,13–0,74, die Rückfallraten schwerer psychiatrischer Erkrankungen liegen je nach Therapeut zwischen 25 und 100 %. Die Frequenz bzw. Seltenheit von Therapieabbrüchen steht mit der Therapeutenvariable in Zusammenhang. Supervision, Selbsterfahrung und Patientenkontakt sind nützlich zur Kompetenzförderung [2]. Dies zur Wichtigkeit des physisch anwesenden Behandlers – und warum?
Die emotionale Reaktion des Therapeuten ist sehr wichtig für den Therapieerfolg. Effektive Therapeuten zeigen eine technisch neutrale Haltung, Empathie und weisen durch ihre affektive Kompetenz weniger Erfolgsschwankungen in unterschiedlichen Behandlungen auf. Hinzu kommt: Je schwerer die Patienten beeinträchtigt sind, umso eher wirkt sich die affektive Kompetenz der Therapeuten aus. – Die Begründung?
Beziehungsfähigkeit gilt als die grundlegendste Therapeutenvariable. Ein sicherer Bindungstyp befördert diese, ebenso wie eine wohlwollende Introjekt-Affiliation (positive innere Erinnerungsbilder wichtiger Beziehungspersonen). So hängt auch die Kompetenzentwicklung der Behandler mit der geglückten Verarbeitung kritischer Lebensereignisse und Etablierung einer optimalen Beziehungsfähigkeit zusammen, die sich dann in der Gestaltung der Arbeitsbeziehung („working alliance“, WA) niederschlägt. Die WA wird vor allem durch Persönlichkeitsmerkmale, wie Reflexionsfähigkeit und Ich-Stärke vs. Abwehr und Fragilität, beeinflusst. Letztere stehen zusätzlich wiederum mit institutionellen oder sog. „Allegiance“-Faktoren (Loyalität gegenüber anderen Behandlern) in Zusammenhang, wodurch dem therapeutischen Team in der Psychiatrie gesonderte Bedeutung für die therapeutische Beziehung zukommt. Warum ist die therapeutische Beziehung so wichtig?
„Working alliance“ und Bindung mediieren die Interventionen. Allgemein gilt für alle vier Traditionen der Psychotherapiemethoden und für störungsspezifische Verfahren, dass affektbezogene Interventionen die Mediatoren zum Therapieerfolg darstellen. Die Aktivierung von Affekten bei Patienten sowie deren vertieftes Erleben und „Verstehen“ im Verlauf der Behandlung führen zum positiven Behandlungsoutcome [2]. In erfolgreichen Therapien gelingt es, die Abwehr beim Patienten zu mildern und eine adäquate Affektmodulation zu ermöglichen, wobei dies hauptsächlich durch die Arbeit an und in der therapeutischen Beziehung erfolgt [3]. Warum kann affektives Verstehen nicht digital erfolgen?
Beziehung ist Interaktion und 50–80 % der Kommunikation verlaufen nonverbal. Der starke Einfluss nonverbaler Faktoren auf die therapeutische Beziehung zeigt sich im Zusammenhang zwischen nonverbaler Synchronisation und Behandlungsergebnis, speziell Mikroexpressionen oder „facial affective behaviour“ sind ein guter Indikator für die Beziehungsbalance [3]. Mikroexpressionen sind Gesichtsausdrücke, die weniger als eine halbe Sekunde dauern, also ein unbewusster Ausdruck von Emotionen. In erster Linie gilt es dabei, die dominanten Affekte des Patienten zu beachten, bevor sein Verhalten interpretiert wird, und die nonverbale Kommunikation, klinische Wahrnehmungen, intuitive Interaktionen, subliminale Prozesse oder Contagion-Effekte zu berücksichtigen. Aber wie?
Empathie ist in zwischenmenschlichen Beziehungen von zentraler Bedeutung für den Einsatz von Kommunikationsfähigkeiten, um Informationen so bereitzustellen, dass sich Patienten stärker in den Behandlungsprozess eingebunden fühlen. Empathie ist die entscheidende Fertigkeit für jeden Arzt. Das Einfühlungsvermögen des Arztes korreliert mit Patientenzufriedenheit, Patientenadhärenz und mit dem klinischen Ergebnis. Digitalen Medien fehlt diese Kompetenz.
Fazit für die Praxis
Veränderungswirksame Kommunikation und Interaktion können nur zwischen Mensch und Mensch stattfinden, persönliche Interaktionsprozesse sind nicht substituierbar.
Literatur
Kazdin AE (2007) Mediators and mechanisms of change in psychotherapy research. Annu Rev Clin Psychol 3:1–27
Lambert MJ (2013) Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior change, 6. Aufl. Wiley, Hoboken
Moeseneder L, Ribeiro E, Muran JC, Caspar F (2019) Impact of confrontations by therapists on impairment and utilization of the therapeutic alliance. Psychother Res 29:293–305
Funding
Open access funding provided by Medical University of Vienna.
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H. Löffler-Stastka gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden vom Autor keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Löffler-Stastka, H. Psychotherapie in der Psychiatrie über digitale Medien? Kontra. Nervenarzt 91, 259–260 (2020). https://doi.org/10.1007/s00115-019-00786-y
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