Die Forensische Präventionsambulanz

Zusammenfassung

Hintergrund

Um eine Lücke in der allgemeinpsychiatrischen Versorgung schizophrener oder schwer persönlichkeitsgestörter Patienten mit hohem Gewaltrisiko zu schließen, wird seit 2012 am Bezirksklinikum Ansbach eine Forensische Präventionsambulanz erprobt. Im Rückgriff auf forensisch-psychiatrisches Wissen wendet ein multidisziplinäres Team forensische Risikoinstrumente und deliktorientierte, aufsuchende Interventionen an, um Gewaltdelikte zu verhindern und potenzielle Opfer zu schützen. Eine Aufnahme erfolgt nach bestimmten Kriterien, u. a. ein erhöhtes Risikopotenzial für Gewaltstraftaten vor dem Hintergrund einer schizophrenen und/oder schweren Persönlichkeitsstörung.

Fragestellung

Wie lässt sich ein forensisch-psychiatrisches Vorsorgeangebot konzipieren, das komplementär zu allgemeinpsychiatrischen Versorgungsstrukturen eine Unterbringung im Maßregelvollzug zu vermeiden hilft? Erreicht ein entsprechendes Modellprojekt die Zielgruppe?

Material und Methoden

In der Forensischen Präventionsambulanz wird eine auf Gewaltprävention gerichtete Therapie (u. a. Psychoedukation, Gruppentraining, Einzelbehandlung zum Gewaltrisikomanagement) angeboten. Mit allgemeinpsychiatrischen und forensischen Messinstrumenten wurden Daten zum globalen Funktionsniveau („Global Assessment of Functioning“ [GAF]), zum Gewaltrisiko („Historical, Clinical and Risk Management Scale“ [HCR-20]) und zum aggressiven Verhalten (SDAS[„Social Dysfunction and Aggression Scale“]-9) erhoben. Die Werte hinsichtlich GAF, HCR-20, „Psychopathy Checklist Revised“ (PCL-R) bei Aufnahme wurden mit publizierten Kennwerten aus Stichproben mit allgemeinpsychiatrischen und forensisch-psychiatrischen Patienten verglichen.

Ergebnisse

Insgesamt wurden bisher 146 Patienten zwischen 18 und 79 Jahren behandelt. Verglichen mit allgemeinpsychiatrischen und forensisch-psychiatrischen Patienten waren die Kennwerte der Patienten der Forensischen Präventionsambulanz bezogen auf GAF niedriger bzw. PCL-R und HCR-20 höher. Aufgrund der ausgebliebenen Unterbringung in einer forensischen Klinik ist von einer Kostenersparnis, bezogen auf die bisherige Laufzeit, von ca. 4.000.000 EUR auszugehen, dem der Etat der Präventionsambulanz mit 3.000.000 EUR gegenübersteht.

Diskussion

Mit der Forensischen Präventionsambulanz wurde zum ersten Mal in Deutschland das Angebot einer forensisch-psychiatrischen Vorsorge für Patienten mit einem erhöhten Gewaltrisiko praktisch umgesetzt. Die Institutionalisierung und ggf. eine flächendeckende Einführung wird empfohlen.

Abstract

Background

Since 2012, a forensic preventive outpatient clinic has been established at Ansbach District Hospital to fill a gap in general psychiatric care for patients with schizophrenia or severe personality disorders and having a high risk for violent behavior. An interdisciplinary team drawing on forensic psychiatric knowledge applies instruments for forensic risk prognosis and treatment or interventions to prevent violent crimes and to protect potential victims. Admissions depend on certain criteria, e.g., increased risk potential for violent crimes against the background of schizophrenia or severe personality disorders.

Objective

How can a forensic psychiatric preventive treatment be organized, which helps to avoid detention in a forensic commitment and is complementary to general psychiatric treatment structures? Can such a model project reach the target group?

Material and method

In forensic preventive outpatient care the treatment is based on violence prevention (e.g., psychoeducation, group training, individual treatment on violence risk co-management). Data are collected using general psychiatric and forensic instruments on, e.g., risk of violence (HCR-20), global functional level (GAF), violent behavior (SDAS-9) on a regular basis. The values with respect to these instruments on admission were compared to published key factors from population samples with general and forensic psychiatric patients.

Results

A total of 146 patients between the ages of 18 and 79 years have so far been treated. About 4,000,000 EUR could be saved during the duration of the project because of preventing involuntary admission to a forensic hospital apart from preventing violent crimes. In contrast 3,000,000 EUR had to be spent for the new outpatient service.

Conclusion

Indications for the efficacy of a forensic preventive care for patients with schizophrenia and severe personality disorders with a risk for violence are confirmed. Therefore, an institutionalization and a statewide implementation of forensic preventive care in terms of the forensic preventive out-patient clinic are recommended.

Caption Electronic Supplementary Material

115_2018_573_MOESM1_ESM.pdf

Zusätzliche Tabelle: Effektstärkekoeffizienten beim Vergleich von Patienten der Präventionsambulanz mit allgemeinpsychiatrischen und forensisch-psychiatrischen Patienten