Episoden mit passagerer neurologischer Symptomatik können neben einer epileptischen Genese z. B. auch kardiovaskulären oder migränösen Ursprungs sein. Eine Unterscheidung ist klinisch oft schwierig, die Identifikation der Ätiologie jedoch essenziell für die Auswahl der geeigneten Therapie. Angesichts der alternden Bevölkerung, der sinkenden Hemmschwelle einer Vorstellung in der Nothilfe und der Möglichkeit von Handyvideoaufnahmen ist der praktizierende Neurologe heutzutage mit dieser Fragestellung häufiger konfrontiert denn je.

Epileptische Anfälle zählen zu den häufigsten Ursachen für eine passagere neurologische Symptomatik. Eine Vorstellung in der Nothilfe oder Praxis erfolgt in der Regel erst nach einem stattgehabten Anfall, sodass die Diagnosestellung bzw. Abgrenzung möglicher Differenzialdiagnosen primär über die (Fremd‑)Anamnese erfolgen muss. Die Anfallssymptomatik kann vielgestaltig sein, weshalb eine Abgrenzung zu nichtepileptischen Episoden nicht immer einfach ist. Die Differenzialdiagnose epileptischer Anfälle richtet sich nach dem Leitsymptom der Anfallsform, d. h. bei visuellen Auren stellen Migräneattacken mit Aura, bei längeren Verwirrtheitszuständen eine transiente globale Amnesie (TGA) und bei Anfällen mit Sturz und Bewusstseinsverlust Synkopen die wichtigsten Differenzialdiagnosen dar. Ergänzende technische Untersuchungen können die Diagnosestellung erleichtern.

Im Folgenden sollen die Charakteristika der häufigsten Differenzialdiagnosen (Tab. 1) dargestellt und ein Leitfaden für ihre klinische Differenzierung erarbeitet werden.

Tab. 1 Charakteristika epileptischer Anfälle und ihrer Differenzialdiagnosen

Synkopen

Steht ein plötzlich einsetzender, spontan reversibler Bewusstseins- und Tonusverlust im Vordergrund, sollte eine Synkope als wahrscheinlichste Differenzialdiagnose überprüft werden. Eine Synkope entsteht infolge einer zerebralen Minderperfusion und tritt bei bis zu 40 % aller Menschen mindestens einmal im Laufe ihres Lebens auf [11]. Pathophysiologisch werden reflexvermittelte, orthostatische und kardiovaskuläre Synkopen unterschieden. Zu ersteren zählen die neurokardiogenen (=vasovagalen) Synkopen, welche durch eine reflexvermittelte Abnahme der Sympathikus- und Zunahme der Parasympathikusaktivität mit nachfolgender Vasodilatation und Bradykardie zustande kommen. Sie stellen die häufigste Form beim Gesunden dar. Typische Auslösesituationen sind Schreck, Schmerz, langes Stehen oder Angst. Als Untergruppe sind die pressorischen Synkopen (Husten‑, Miktionssynkope, Valsalva-Manöver) zu sehen. Orthostatische Synkopen bezeichnen passagere Bewusstseinsverluste bei zu raschem Aufstehen. Diese sind auf ein Versagen des vasokonstriktorischen Reflexes und somit Versacken des Blutes in den Kapazitätsgefäßen zurückzuführen. Kommt die zerebrale Minderperfusion durch eine Herzrhythmusstörung oder eine ineffektive Herzauswurfleistung zustande, spricht man von einer kardiovaskulären Synkope. Die häufigsten Ursachen hierfür sind Tachy- und Bradyarrhythmien, Asystolien sowie Lungenembolien, Herzbeuteltamponaden und Aortenstenosen. Zerebrovaskuläre Synkopen können durch ein Subclavian-steel-Phänomen hervorgerufen werden.

Typisch für Synkopen sind das prodromale Auftreten von Übelkeit, Ohrensausen, Schwindel, Palpitationen, Tunnelblick oder Schwarzwerden vor den Augen. Es folgen in der Regel eine Gesichtsblässe, Kaltschweißigkeit und ein generalisierter Tonusverlust mit Zusammensacken des Patienten. Die Augen sind dabei mehr oder weniger fest geschlossen. Das Bewusstsein wird meist bereits nach wenigen Sekunden wiedererlangt. Nach kardiovaskulären Synkopen kann häufig eine einschießende Gesichtsröte (Flush) beobachtet werden. Nach dem Ereignis besteht allenfalls für wenige Sekunden eine Desorientiertheit. Die Erinnerung an die Prodromi bleibt in der Regel erhalten.

Bis zu 90 % der Synkopen gehen mit motorischen Entäußerungen einher

Im Gegensatz zu epileptischen Anfällen treten Synkopen in der Mehrzahl der Fälle in bestimmten Situationen bzw. Körperpositionen (s. oben) auf. Ihnen gehen Prodromi voraus, sodass sich die meisten Patienten noch setzen. Die Prodromi ähneln klinisch der vegetativen Begleitreaktion epileptischer Anfälle, sodass in der Anamnese besonders die zeitliche Dynamik der Symptomatik erfragt werden sollte. Das prodromale Auftreten von Übelkeit erfordert eine Abgrenzung von epigastrischen Auren, wobei letztere durch ihren aufsteigenden Charakter identifiziert werden können. Ein Tonusverlust mit schlaffem Zusammensacken ist sehr suggestiv für eine synkopale Genese. Ein epileptisch bedingter Tonusverlust (atonischer Anfall) ist selten und fast ausschließlich bei Patienten mit deutlicher Retardierung zu beobachten. Verwechslungen mit epileptischen Anfällen entstehen in erster Linie bei sog. konvulsiven Synkopen, d. h. dem Auftreten motorischer Entäußerungen während der Synkope. Dieses Phänomen ist häufig und wurde bei über 90 % provozierter Synkopen dokumentiert [15].

Die synkopalen Konvulsionen sind meist unrhythmisch und generalisiert mit proximaler Betonung oder ähneln der tonischen Verkrampfung epileptischer Anfälle. Handyvideoaufnahmen können für eine Differenzierung hilfreich sein. Ein Zungenbiss tritt sehr häufig bei generalisiert tonisch-klonsichen Anfällen auf und ist meist am lateralen Rand der Zunge, wohingegen Synkopen selten und dann meist mit einem apikalen Zungenbiss einhergehen [2]. Eine sehr rasche Reorientierung spricht für eine synkopale Episode. Nach epileptischen Anfällen besteht in der Regel für mehrere Minuten eine Desorientiertheit mit nachfolgender Müdigkeit. Eine Ausnahme bilden tonische und hypermotorische bei Frontallappenepilepsie, welche v. a. bei jungen Patienten ebenfalls mit einer sehr kurzen postiktalen Phase einhergehen können.

Diagnostik

Die Basisdiagnostik umfasst neben der Anamnese und körperlichen Untersuchung eine Elektrokardiographie (EKG) und einen Schellong-Test. Ferner sollten ein Langzeit-EKG, eine transthorakale Echokardiographie (TTE) und eine Ergometrie durchgeführt werden. Bei Verdacht auf orthostatische Synkopen sollte außerdem eine Kipptisch-Untersuchung ergänzt werden. Ergeben sich keine richtungsweisenden Befunde bzw. ist eine ätiologische Zuordnung klinisch nicht möglich, können eine Event-Recorder-Implantation oder eine EEG-Video-Monitoring Untersuchung aufschlussreich sein. Limitierend kann hier eine zu niedrige Attackenfrequenz sein.

Transiente ischämische Attacke

Wird eine plötzlich aufgetretene neurologische Ausfallsymptomatik beobachtet, stellen zerebrale Ischämien die wichtigste Differenzialdiagnose dar. Ihnen liegt ein Verschluss extra- oder intrakranieller Gefäße durch einen arterioarteriell embolischen, kardioembolischen oder lokalthrombotischen Mechanismus zugrunde. Dabei sind die Symptome abhängig vom betroffenen Stromgebiet. Eine Durchblutungsstörung im Bereich der vorderen Strombahn führt zu einer Halbseitensymptomatik, ist das vertebrobasiläre Stromgebiet betroffen, kann neben Hirnstammsyndromen eine Vigilanzminderung dominieren. Die Klassifizierung als transiente ischämische Attacke (TIA) erfolgt rein retrospektiv nach einer vollständigen klinischen Remission innerhalb von 24 h. Diese Definition wird mittlerweile als veraltet angesehen und sollte nach den aktuellsten bildgebenden Erkenntnissen auf Episoden mit einer Symptomdauer von weniger als einer Stunde und ausbleibender Läsion in der Magnetresonanztomographie (MRT) beschränkt werden [6].

Typisch ist das plötzliche Auftreten einer Negativsymptomatik wie einseitige zentrale Paresen, sensible Defizite, Hirnstammsymptome, Sprach- oder Sprechstörungen oder Gesichtsfelddefekte bis hin zu einer Amaurosis fugax. Begleitend besteht nahezu regelhaft eine hypertensive Entgleisung.

Speziell nach Beginn und Dynamik der Symptomatik sollte gefragt werden

Bei der Differenzierung einer TIA und einer epileptischen Genese sprechen ein fortgeschrittenes Lebensalter, eine Symptomdauer von mehreren Minuten oder Stunden und ein plötzlicher Beginn ohne weitere Ausbreitung der Symptomatik für eine zerebrale Ischämie. Eine Vigilanzminderung oder Desorientiertheit sind bei einer TIA selten, bei einem epileptischen Anfall hingegen häufig zu beobachten. Das gleiche gilt für motorische Entäußerungen. Größere Schwierigkeiten bereitet hingegen die klinische Unterscheidung einer TIA und einer postiktalen Ausfallsymptomatik. Bei der Abgrenzung hilft, dass iktal nur selten eine Ausfallsymptomatik (z. B. negativ motorische Anfälle, aphasischer Anfall) auftritt. Diese ist typisch für die postiktale Phase (s. Todd-Parese) und kann als Momentaufnahme mit Differenzialdiagnosen wie einer TIA verwechselt werden, sodass speziell nach dem Beginn und Dynamik der Symptomatik gefragt werden sollte. Eine Kopfwendung kann bei Episoden beider Ätiologien auftreten und erfolgt zur Hemisphäre mit der geringeren Aktivierung: Während eines generalisiert konvulsiven Anfalls kann eine forcierte Kopfwendung nach kontralateral, d. h. Kopfwendung weg von der Seite des Anfallsursprungs, und postiktal nach ipsilateral auftreten. Liegt eine zerebrale Ischämie zugrunde, zeigt die Kopfwendung zur betroffenen Hemisphäre, d. h. nach ipsilateral.

Diagnostik

Zur Notfalldiagnostik zählen neben Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labordiagnostik die Erfassung der Vitalparameter, ein EKG und eine zerebrale Computertomographie (CT). Zeigt letztere keinen richtungsweisenden Befund, sollten eine Darstellung der supraaortalen Gefäße mittels Dopplersonographie oder CT-Angiographie und ggf. eine CT-Perfusion ergänzt werden. Zum Ausschluss einer Ischämie sollte im kurzfristigen Verlauf eine kraniale MRT (cMRT) inklusive Diffusionssequenzen ergänzt werden. Definitionsgemäß finden sich keine Läsionen als Folge beider Episoden.

Transiente globale Amnesie

Die transiente globale Amnesie (TGA) bezeichnet eine akut einsetzende, passagere Störung aller Gedächtnisinhalte (verbal, visuell, taktil) mit klinisch imponierender anterograder und retrograder Amnesie ohne Beeinträchtigung der Vigilanz. In der akuten Attacke, welche meist 3–12 h, stets aber <24 h anhält, können neue Gedächtnisinhalte nur für ca. 30–180 s behalten werden. Die Amnesie bedingt eine Ratlosigkeit der Patienten mit repetitivem Fragen. In der Regel sind die Patienten zur Situation und zum Ort nicht orientiert, die Orientierung zur Person bleibt hingegen erhalten. Die Patienten sind nicht in der Lage, die Gedächtnisstörung wahrzunehmen, können aber weiterhin zuvor erlernte, komplexe Tätigkeiten ausführen, wie z. B. Autofahren, Kochen oder Musizieren. Fokalneurologische Defizite bestehen darüber hinaus nicht. Gelegentlich werden unspezifische Begleitsymptome wie leichte Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen berichtet.

Nach spätestens 24 h bildet sich die akute Amnesie zurück. Die Patienten schildern z. T. ein schrittweises Wiederauffüllen der zurückliegenden Gedächtnisinhalte, wobei meist eine Lücke von mehreren Stunden zurückbleibt. Neuropsychologische Untersuchungen zeigten, dass eine Störung des nonverbalen Langzeitgedächtnisses auch Wochen bis Monate über die Attacke hinaus bestehen können. Residuen bleiben nicht zurück.

Typisch für eine TGA ist ein Auftreten nach dem 50. Lebensjahr

Die TGA ist eine Erkrankung des alternden Menschen mit einem Häufigkeitsgipfel (75 %) zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Ein Auftreten vor dem 40. Lebensjahr wurde bislang nicht berichtet. Die Inzidenz der TGA liegt bei 3–8/100.000 pro Jahr mit einer Häufung am Vormittag [18]. Ein Rezidiv tritt bei 6–18 % der Patienten auf [20]. Typische Auslösesituationen sind emotional-psychische Belastungen, eine ausgeprägte körperliche Anstrengung, ein Sprung ins kalte Wasser sowie Geschlechtsverkehr [20].

Die Pathophysiologie ist nicht abschließend geklärt. Nach bisherigen Erkenntnissen liegt der TGA eine multifaktoriell bedingte, passagere Funktionsstörung des mediobasalen Temporallappens einschließlich des Hippokampus zugrunde [12]. Am wahrscheinlichsten erscheint eine venöse Kongestion mit passager venöser Ischämie gedächtnisrelevanter Strukturen als Folge eines Valsalva-Manövers, da die Mehrzahl (76 %) der TGA-Patienten inkompetente Venenklappen der V. jugularis aufweist [5, 19]. Diskutiert wird ferner eine Funktionsstörung in Folge einer migränös bedingten Depolarisationswelle, da bei TGA-Patienten eine erhöhte Prävalenz für Migräne beobachtet wurde [14]. Vor allem bei Frauen liegt signifikant häufiger eine ängstliche oder phobische Persönlichkeitsstruktur zugrunde [18]. Eine arteriell embolische oder atherosklerotisch bedingt Ischämie erscheint hingegen unwahrscheinlich, da TGA-Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung keine erhöhte Inzidenz für vaskuläre Ereignisse zeigen und keine bleibenden Parenchymläsionen entstehen [7].

Charakteristisch sind die Ratlosigkeit und das repetitive Fragen der Patienten

Die TGA ist eine klinische Diagnose, die sich auf die Kriterien einer akut beginnenden Neugedächtnisstörung mit einer Dauer von mindestens einer Stunde und Rückbildung innerhalb von 24 h, dem Fehlen fokal-neurologischer Defizite, dem erhaltenen Bewusstsein und Orientierung zur Person sowie Ausschluss eines Traumas stützt. Charakteristisch sind die Ratlosigkeit und das repetitive Fragen der Patienten. Sie sollte als Differenzialdiagnose beim älteren Patienten mit einem paroxysmalen Ereignis mit führender Verwirrtheit bedacht werden. Eine klinische Überschneidung besteht primär mit der postiktalen Phase epileptischer Anfälle, die ebenfalls durch eine passagere Desorientiertheit mit Amnesie gekennzeichnet ist. Bei der Unterscheidung hilft, dass eine TGA in der Regel nur einmal im Leben auftritt, ohne motorische Entäußerungen, mit fokal-neurologischen Defiziten oder Vigilanzminderung einhergeht und über viele Stunden anhält. Ferner sind TGA-Patienten im Gegensatz zu postiktal verhangenen Patienten stets zu ihrer Person orientiert.

Diagnostik

Sind die klinischen Kriterien für die Diagnosestellung einer TGA klar erfüllt, ist keine weitere Diagnostik notwendig. Andernfalls sollten zum Ausschluss einer konkurrierenden Ätiologie eine Labordiagnostik (Blutzucker, Elektrolyte), eine dopplersonographische oder CT-angiographische Darstellung des vertebrobasilären Stromgebietes, eine kadiologische Abklärung und eine Elektroenzephalographie (EEG) ergänzt werden. Zum Ausschluss einer symptomatischen Ursache wird eine cCT- oder eine cMRT-Untersuchung mit „diffusion weighted imaging“ (DWI), „apparent diffusion coefficient“ (ADC) und T2-Sequenzen in axialer und koronarer Schnittführung 24–72 h nach dem Ereignis empfohlen. In diesem Zeitintervall können bei drei Viertel der TGA-Patienten DWI-Läsionen in der CA1-Region des Hippokampus nachgewiesen werden. T2-Läsionen können bis zu 14 Tage bestehen. Bleibende Parenchymläsionen entstehen nicht. Entgegen den Diagnosekriterien können in einer neuropsychologischen Testung bis zu drei Jahre nach einer TGA Defizite im Bereich der nonverbalen Gedächtnisleistung nachgewiesen werden.

Migräne

Berichtet ein Patient über eine Aura in Verbindung mit seinen paroxysmalen Episoden, kommt neben einer epileptischen eine migränöse Genese in Betracht. Eine visuelle Aura tritt bei bis zu 37 % der Migränepatienten auf und stellt ein häufiges iktales Symptom okzipitaler Anfälle dar [1, 4, 10]. Pathophysiologisch liegt der Migräne eine kortikale Depolarisationswelle zugrunde, welche typischerweise zu visuellen Symptomen mit Photopsien, Skotomen und Fortifikationen führt sowie im Zuge ihrer kortikalen Ausbreitung fokale Ausfallsymptome hervorrufen kann. Letzteres ist abhängig von der betroffenen Hirnregion und kann neben Sprach- und Sprechstörungen auch Paresen oder sensible Defizite umfassen.

Charakteristisch für eine Migräneattacke ist eine lange Dauer der Aura (>5 min), das Auftreten von Photo- bzw. Phonophobie, unspezifischen Begleitsymptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen sowie eine langsame Ausbreitung der Symptome. Die Vigilanz ist währenddessen unbeeinträchtigt. Bei Frauen treten die Migräneattacken häufig bei Hormonschwankungen bzw. perimenstruell auf. Weitere Triggerfaktoren können der z. B. Konsum von Käse, Schokolade, Nikotin, Alkohol, Geschmacksverstärker oder ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus sein. Die Mehrzahl der Patienten weißt eine positive Familienanamnese für Migräne auf. Die ersten Migräneattacken treten typischerweise im Jugendalter auf und nehmen im Alter in ihrer Frequenz wieder ab.

Bei der Differenzialdiagnostik hilft die Charakteristik der visuellen Aura

Bei der Differenzierung beider Entitäten hilft neben der unterschiedlichen Dauer der Aura (15–30 min bei Migräne, <5 min bei Epilepsie) bzw. der Attacke (wenige Minuten bei Epilepsie vs. Minuten bis Stunden bei Migräne) die Charakteristik der visuellen Aura: Eine migränöse visuelle Aura weißt häufig eine zentrifugale oder zentripetale Ausbreitung auf, eine epileptische visuelle Aura hingegen betrifft meist stereotyp eine Gesichtsfeldhälfte mit ggf. horizontaler Ausbreitung der visuellen Sensationen. Kopfschmerzen sind signifikant häufiger mit visuellen Auren migränösen Ätiologie verbunden. Periiktale Kopfschmerzen sind selten (2–4 %; [13]).

Bestimmte Epilepsiesyndrome wie die juvenile myoklonische Epilepsie (JME) gehen mit einer erhöhten Migräneprävalenz einher, was zu Beginn die richtige Diagnosestellung verzögern kann [21]. Bei Kindern mit Okzipitallappenepilepsie treten iktal typischerweise visuelle Auren auf, postiktal kommt es zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Hier sind der zeitliche Verlauf und die EEG-Diagnostik entscheidend für die korrekte Diagnosestellung [17].

Die Internationale Kopfschmerzklassifikation sieht ferner die Entität der „Migralepsie“ vor, welche definiert ist als eine visuelle Aura mit Übergang in einen epileptischen Anfall. Über deren Existenz bzw. pathophysiologisches Korrelat wird weiter debattiert, wobei die Diagnose einer Migralepsie am ehesten einer insuffizienten Diagnostik geschuldet zu sein scheint.

Diagnostik

Bei klassischer klinischer Manifestation ist die Diagnosestellung auf Grundlage der klinischen Charakteristika möglich. Hierbei können Fragebögen wie die Visual Aura Rating Scale (VARS) hilfreich sein [8]. Bei unklaren Fällen sollten ein EEG mit Frage nach epilepsietpyischen Potenzialen sowie ein cMRT mit Frage nach strukturellen Läsionen durchgeführt werden. Epileptische visuelle Auren gehen in bis zu 89 % mit einem Anfallsmuster im iktalen EEG einher [10]. Migränepatienten zeigen im EEG typischerweise einen Normalbefund, allenfalls lassen sich unspezifische Verlangsamungen finden. Im cMRT findet sich bei Migränepatienten in der Regel ein altersentsprechend unauffälliger Befund, in bis zu einem Drittel finden sich migränöse Parenchymläsionen [9]. Bei Patienten mit fokaler Epilepsie kann in einem zunehmenden Anteil (bis zu 43 %) keine sichtbare strukturelle Läsion im MRT nachgewiesen werden [3, 16].

Fazit für die Praxis

  • Bei klassischer Manifestation, ist eine Unterscheidung von epileptischen Anfällen und deren Differenzialdiagnosen anhand von Anamnese und klinischen Parametern möglich.

  • Bei jungen Patienten mit paroxysmalen Ereignissen sollte differenzialdiagnostisch v. a. an Synkopen und Migräne gedacht werden, bei älteren Patienten kommen zudem TIA und TGA in Betracht.

  • Epileptische Anfälle gehen meist mit einer „Positivsymptomatik“ einher, wohingegen die genannten Differenzialdiagnosen in erster Linie zu einer Funktionsbeeinträchtigung („Negativsymptomatik“) führen.

  • Wichtigste Unterscheidungskriterien sind die Stereotypie, Auslösefaktoren, Dauer der Episode und der anschließenden Erholungsphase sowie die Begleitsymptome.

  • Bei ätiologisch unklaren Episoden sollte eine Abklärung im EEG-Video-Monitoring erwogen werden.