Fallbeschreibung

Anamnese

Der 26-jährige, bis dato gesunde Patient stellte sich mit seit 2 Tagen bestehenden und in der Intensität zunehmenden Kopfschmerzen vor, welche als konstant, von nuchal nach frontal links ausstrahlend beschrieben wurden. Zusätzlich berichtete er wiederholtes schwallartiges Erbrechen ohne Übelkeit. Abgeschlagenheit bestünde bereits seit mehreren Wochen. Erwähnenswert ist ein fieberhafter Infekt 3 Wochen zuvor.

Klinischer Befund und paraklinische Befund

Wir sahen einen 26-jährigen Patienten in leicht reduziertem Allgemeinzustand. Der allgemeinklinische Untersuchungsbefund war unauffällig, kein Fieber. Neurologisch bestand endgradige Nackensteifigkeit und ein bis auf linksseitige Ptosis regelhafter Hirnnervenbefund. Motorik, Sensibilität, Koordination, Stand und Gangprüfung blieben ohne Auffälligkeiten. Neuropsychologisch wurde fremdanamnestisch von Antriebsarmut und Verlangsamung in den vorangegangenen Tagen berichtet, die Bedside-Testung erbrachte keine Hirnwerkzeugstörungen.

Pathologische Laborparameter zum Zeitpunkt der Aufnahme: CRP: 28 mg/l (n<5), ALAT: 175 U/l (n=10–50), GGT: 75 U/l (n<60), D-Dimere 1,43 mg/l ( n<0,5). Leukozyten 10,2 /nl (n=3,5–9,8). Alle weiteren Routinelaborparameter lagen zum Zeitpunkt der Aufnahme im Normbereich. Im Verlauf: kein Nachweis pathologischer Parameter für Protein C und S, Faktor-V-Leiden, APC-Resistenz. Lupus-Antikoagulans im Referenzbereich. Kein Nachweis einer Prothrombinmutation. Grenzwertige Erhöhung von Antikardiolipin-AK IgM: 72 kU/l, im Verlauf 54 kU/l.

Diagnose, Therapie und Verlauf

Nach Durchführung von CCT, CT-Angiographie und MRT (Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3) konnte die Diagnose der Thrombosierung eines links frontal gelegenen venösen Angioms mit resultierendem Kongestionsödem gestellt werden.

Abb. 1
figure 1

CCT nativ 10.10.2006: hypodense Raumforderung im frontobasalen Marklager links, innerhalb der Raumforderung zeigt sich eine hyperdense tubuläre Struktur

Abb. 2
figure 2

In der venösen CT-Angiographie ist der Abbruch der drainierenden Vene als Ausdruck der Thrombose erkennbar

Abb. 3
figure 3

MRT 10.10.2006: (FLAIR ax) Solitäre Hirnvenenthrombose in einer transzerebalen Marklagervene links frontal mit ausgeprägtem Kongestionsödem

Der Patient wurde systemisch PTT (partielle Thromboplastinzeit)-wirksam heparinisiert. Die Kopfschmerzen zeigten sich binnen 48 h rückläufig. Wir stellten die Behandlung auf ein fraktioniertes Heparinpräparat (Enoxaparin) s.c. in körpergewichtsadaptierer Dosierung um. Die Umstellung auf Phenprocuomon (International Normalized Ratio: 2–3) erfolgte im ambulanten Sektor.

Die ergänzend durchgeführte digitale Subtraktionsangiographie konnte eine High-flow-Komponete des Angioms ausschließen und damit den Befund einer venösen Anlagebesonderheit bestätigen (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Digitale Subtraktionsangiographie (DSA) der supraaortalen Gefäße vom 20.10.2006: selektive DSA der linken A. carotis interna, Spätphase des Phlebogramms: typische Gefäßmissbildung im Sinne eines venösen Angiomes. Die drainierende Vene zeigt eine zentrale Kontrastmittelaussparung als Ausdruck der stattfindenden Rekanalisierung und verläuft nach rostral zum vorderen Pol des Sinus sagittalis superior

Wir sahen den Patienten jeweils zum Zeitpunkt der Kontrollbildgebungen (Abb. 5). Eine anfänglich verminderte Belastbarkeit im Alltag bildete sich in den folgenden Wochen zurück. Die orale Antikoagulation wurde nach Ablauf von 3 Monaten beendet.

Abb. 5
figure 5

Magnetresonanztomographie 06.11.2006 (FLAIR ax): im Vergleich zu den Voraufnahmen vom 10.10.2006 deutlich rückläufige Signalveränderungen links frontal mit kleiner wohl sekundär ischämischer Zone frontotemporal

Diskussion

Die Einteilung der zerebralen Gefäßmalformationen geht auf McCormick [6] zurück. Im Wesentlichen werden heute unterschieden: venöses Angiom (DVA), kapilläres Angiom (Teleangiektasie), kavernöses Angiom (Kavernom), arteriovenöses Angiom (AV-Malformation), durale AV-Fistel.

Venöse Angiome stellen eine Persistenz embryologisch früher, „primitiver“ venöser Drainagewege dar [1] und gelten als die häufigsten intrazerebralen Gefäßmalformationen [9, 10]. Ihre Inzidenz wurde in unterschiedlichen Übersichten mit 2,5% (Post-mortem-Studie an 4069 Patienten [8]) bzw. 0,7% (1,5 T-MRT bei 7266 Patienten einer Universitätsklinik [9]) angegeben.

Sie imponieren als radiär angeordnete Venen, die in ein zentral drainierendes, meist dilatiertes Gefäß münden („caput medusae“). Die Drainage erfolgt überwiegend über das oberflächliche zerebrale Venensystem. Ihr Stellenwert für den regulären venösen Abfluss des Parenchyms ist mittlerweile unbestritten [7]. Eine gehäufte Assoziation der venösen Angiome zu Kavernomen ist bekannt, ein möglicher gemeinsamer Pathomechanismus wird diskutiert [7]. Die klinische Relevanz der – bezüglich Lage und Größe stark variierenden – venösen Angiome bleibt Gegenstand von Diskussionen. Derzeit muss im Wesentlichen von einer klinisch asymptomatischen benignen Entität ausgegangen werden [7, 9, 10], jedoch existieren Einzelfallberichte klinisch apparenter venöser Angiome: Hammoud et al. berichten von einer Thrombosierung mit venösem Infarkt [3], Lovrencic-Husjan et al. schildern eine Subarachnoidalblutung (SAB) im Zusammenhang mit einem thrombosierten venösen Angiom [5]. Vor diesem Hintergrund muss auch der Fall unseres Patienten als Besonderheit gewertet werden.

In Bezug auf die Entstehung der Thrombose weist die Kontrastierung des venösen Angioms in der späten venösen Phase des Angiogramms auf eine reduzierte Flussgeschwindigkeit in diesem Gefäßabschnitt hin. Über zusätzliche, prothrombotische Faktoren (in der Literatur beschriebene Besonderheiten bez. der Wandtextur, Stenosen an der Mündungsstelle, Relevanz des im Vorfeld stattgehabten Infektes) kann lediglich spekuliert werden.

Fazit für die Praxis

Die Optimierung bildgebender Verfahren sowie ihr vermehrter Einsatz wird die Anzahl nachgewiesener venöser Angiome in Zukunft möglicherweise ebenso erhöhen wie die ihrer pathologischen Veränderungen. Einem umfassenderen Verständnis dieser Entität und z. B. auch ihrer gehäuften Assoziation zu Kavernomen kann somit möglicherweise Vorschub geleistet werden. Bei häufig asymptomatischen Zufallsbefunden venöser Angiome bleibt die Bewertung im Zusammenhang mit dem klinischen Syndrom jedoch essenziell.