Der Einsatz des 3D-Drucks in der gesamten Medizin nimmt weiter stetig zu, besonders in den chirurgischen Disziplinen und v. a. auch in der muskuloskeletalen Chirurgie (MSC) [7].

Vielfalt und Potenzial des 3D-Drucks sind seit der Einführung ebenfalls gewachsen. Die Anwendungen beschränken sich heute nicht mehr nur auf Kunststoffe und Metalle für Modelle, Implantate und Hilfsmittel, sondern schließen auch die Verwendung lebender Zellen und die unterschiedlichsten Biosubstrate mit ein [1, 2, 6].

Eine weitere positive Entwicklung: Parallel zur zunehmenden Anwendung sind Investitionskosten für Drucker und Kosten für externe Druckaufträge gesunken. Segmentierung und Transfer von CT- und MRT-Datensätzen in unkompliziert weiter verarbeitbare Formate haben sich deutlich vereinfacht [4].

Besonders in der muskuloskeletalen Chirurgie hat der Einsatz des 3D-Drucks Fortschritte in der medizinischen Behandlung ermöglicht. Neben den schon zum Alltag gehörenden 3D-Modellen für die präoperative Planung sowie Aus‑, Weiterbildung und chirurgische Simulation sind chirurgische Schnitt‑, Bohr- und Prüfschablonen, Repositionstools, Rehabilitationsgeräte und andere medizintechnische Anwendungen zu nennen [6].

Zunehmendes Interesse und niedrigere Schwellen zum Einsatz in der Klinik gehen mit einer stark gestiegenen Zahl von Publikationen zum Thema 3D-Druck (Abb. 1) einher. Waren noch zwischen 2000 und 2012 gerade mal 20 Publikationen mit MSC-3D-Druckthemen (2-mal Trauma) zu finden, ist diese Zahl in den letzten 10 Jahren massiv gestiegen [7, 12].

Abb. 1
figure 1

Anzahl der in einer Literatursuche in PubMed (National Library of Medicine) mit dem Suchalgorithmus (3D print*) OR (rapid prototype*) OR (additive manfactur*)) AND (orthopaedic) bis 2021 einschliesslich gefundenen Publikationen

Auch der Evidenzgrad der Publikationen beginnt sich zu verbessern, weg von den Fallberichten und kleinen Fallserien ohne Kontrollgruppe. Aber das ist in der Frühphase eines Verfahrens, wo es um das Explorieren und Ausloten von Möglichkeiten und um die Machbarkeit geht, durchaus sinnvoll. In dieser Phase ist die Zahl der Anwendungen noch zu gering und die Heterogenität des Patientengutes zu groß für Studien mit höherer Evidenz und klaren Ergebnissen zu Verbesserungen und Komplikation [7].

Das scheint sich aber gerade zu ändern. So sind mittlerweile 21 prospektive randomisierte Studien mit einer Gesamtzahl von 923 Patienten publiziert, zu den Themen Frakturen (n = 12), Wirbelsäule (n = 3), obere Extremität/OSG/Fuß (jeweils n = 1) und Gelenkrekonstruktion (n = 4). Fragestellungen waren Operationszeit, Blutverlust, Strahlenexposition, knöcherne Konsolidierung, Schmerz, erreichte Genauigkeit und Komplikationen [13].

In der Unfallchirurgie ist das Anwendungspotenzial patientenspezifischer 3D-Druck-Konstrukte enorm

In der Unfallchirurgie ist das Anwendungspotenzial patientenspezifischer 3D-Druck-Konstrukte enorm. Diese besondere Form der individualisierten Medizin kann weite MSC-Bereiche mit Lösungen bereichern, die bislang nicht vorstellbar oder umsetzbar waren. Denn 3D-Druck-Technologie kann sehr viel mehr als die Herstellung von Knochenmodellen zum Anschauen und Anfassen. Besonders spannend und bedeutsam ist die Herstellung von patientenspezifischen, individualisierten Werkzeugen, die intraoperativ als Bohr‑, Schnitt- oder Manipulationshilfen benutzt werden können. Hierbei handelt es sich um eine besondere Art der Instrumentenführung oder Navigation; wir sprechen von Template-gestützter Navigation. Das kann extrem hilfreich sein, bei komplexen z. B. extra- und intraartikulären Korrektureingriffen, da die Osteotomien nicht nur dreidimensional auf dem Bildschirm geplant werden können, das kann man schon seit Längerem. Der besondere Wert besteht in der kontrollierten Umsetzung durch die Template-gestützte Navigation, die nicht nur das hochpräzise Bohren und Sägen, sondern auch eine mechanische Unterstützung und präzise Kontrolle von Reposition und Fixierung intraoperativ möglich macht [8, 9].

Im Jahre 2019 gab es bereits ein Leitthema zum 3D-Druck in der MSC [6]. Fokus damals waren die technischen Grundlagen und Becken/Acetabulum und untere Extremität. Das vorliegende Heft ergänzt diese Informationen und legt den Schwerpunkt auf Anwendungen an der oberen Extremität (N. Hawi [5]), der Wirbelsäule (S. Roth [11]) und die besonders spannenden Möglichkeiten in der muskuloskeletalen Tumorchirurgie (M. Omar [10]). C. Fang aus Hongkong zeigt in einem umfassenden Beitrag, wie in 6 großen MSC-Kliniken in Asien der 3D-Druck organisatorisch und logistisch umgesetzt wird, und was wir in unseren Einrichtungen davon lernen können [3].

Im internationalen Vergleich belegt Deutschland beim 3D-Druck einen der hintersten Plätze

Ich bin überzeugt, dass 3D-Druck-Technologie die Unfallchirurgie in den nächsten Jahren weiter intensiv und nachhaltig beeinflussen wird. 3D-Druck-/3D Print(3DP)-Technologie muss auch die unfallchirurgische Weiterbildung beeinflussen, denn die Planungswerkzeuge gehören in die Hand des Chirurgen. Wegen der großen Dynamik der Entwicklung und der hohen Komplexität erfordert dies ein (berufs-)lebenslanges Lernen und ständige Weiterbildung. In Zukunft wird der chirurgische Umgang mit 3D-Analyse und Planungssoftware ebenso so normal werden, wie es die Office-Pakete für viele Chirurgen heute sind. Und es wird einige geben, die diesen Sprung nicht schaffen werden.

Bei allem Enthusiasmus für die 3D-Druck-Technologie darf auch nicht verborgen bleiben, dass das Land, das so viele innovative Chirurgen hervorgebracht hat, dabei ist, abgehängt zu werden. Die Analyse von Publikationen zum Thema 3D-Druck aus den Jahren 2013–2018 zeigt Deutschland auf den hintersten Plätzen (Abb. 2). Hier gilt es dringend nachzulegen.

Abb. 2
figure 2

Stark inhomogene geografische Verteilung von Publikationen zum Thema 3D-Druck (Berechnung aus Zahlen von Levesque et al. [7]) in der muskuloskeletalen Chirurgie 2012–2018. 83 % der Publikationen Asiens und 51 % weltweit kommen aus der Volksrepublik China oder Hongkong

Es ist deshalb Ziel des vorliegenden Leitthemas, einen Teil der faszinierenden neuen Möglichkeiten konkret aufzuzeigen, Motivation zur Auseinandersetzung mit dem Thema zu generieren, die begrenzt vorhandene Literatur zusammenzutragen und in komprimierter Form darzustellen und zu bewerten.

Prof. Dr. med. Christian Krettek, FRACS, FRCSEd