Liebe Leserinnen und Leser,

Wund- und Weichteilinfektionen spielten schon immer eine Rolle in der Medizin, allerdings existierten lange Zeit in Ermangelung von Kenntnissen über die Pathophysiologie adäquate Maßnahmen, Infektionen zu bekämpfen. Noch bis vor etwa 150 Jahren stellten sie ein schier sicheres Todesurteil dar. Während man anfänglich von der Annahme irrgeleitet war, solchen Infektionen mit dem Grundsatz „pus bonum et laudabile“ (guter, lobenswerter Eiter) zu begegnen und einen Verlauf mit eitriger Sekretion als wünschenswert ansah, kam es erst sehr viel später zu einem Paradigmenwechsel mit dem Aphorismus „ubi pus, ibi evacua“. Die Entdeckung der Antisepsis und das Verständnis für die Vermeidung und Bekämpfung von Infektionen haben uns Chirurgen den Weg geebnet, viele der heute als selbstverständlich geltenden lebensrettenden Maßnahmen ergreifen zu können. Neben der Entdeckung der Narkose sind Errungenschaft rund um den Bereich Infektionen die maßgeblichen Treiber der chirurgischen Entwicklung.

Das Verständnis für die Hintergründe von Infektionen und ihrer Vermeidung ist verhältnismäßig jung

Noch bis weit in das 19. Jh. gehörten für chirurgische Kapazitäten wie John Collins Warren, Professor der Anatomie und Chirurgie am Massachusetts General Hospital in Boston, blutkontaminierte Instrumente zum chirurgischen Alltag. Vielmehr galt es sogar als wünschenswert und Handschrift des Chirurgen, mit kontaminierten Materialien zu operieren.

Erst die Errungenschaften von Ignaz P. Semmelweis in den 40er-Jahren des 19. Jh. im Zusammenhang mit der Händedesinfektion und der daraus resultierenden Vermeidung des Kindbettfiebers gelten als Grundpfeiler für die Infektionsbekämpfung. Ironischerweise wurden zu seiner Zeit diese Annahmen nicht akzeptiert und als „spekulativer Unfug“ abgelehnt.

Sowohl Ideenreichtum als auch Zufälle waren für wichtige Meilensteine in der Infektionsbekämpfung verantwortlich. Die Verwendung von Karbolsäure zur Desinfektion von Patienten schaute sich Joseph Lister von der Abwasserreinigung der nordenglischen Stadt Carlisle ab.

Auf William Halstedt geht die Entwicklung von Latexeinmalhandschuhen zurück, die er eigentlich nur deswegen entwickelte, um seine spätere Ehefrau und OP-Schwester Caroline Hapton zu beeindrucken, da sie unter Hautirritationen durch die Karbolsäuredesinfektion litt.

Die Mutter aller Zufälle, die Entdeckung des Penizillins durch Alexander Fleming in den 20er-Jahren des 20. Jh., darf in der Aufzählung nicht fehlen. Vor seinem Urlaub vergaß Fleming, einen Nährboden mit kultivierten Staphylokokken zu entsorgen. Als er wiederkam, stellte er fest, dass auf dem Nährboden ein Schimmelpilz gewachsen war, der das Wachstum der Bakterien hemmte.

Auch wenn das Thema Infektionen für jeden Chirurgen sehr unliebsam ist, gilt es, sich auf die Bedeutung für unseren medizinischen Alltag immer wieder zu besinnen und neue Entwicklungen und Konzepte zuzulassen. In dieser Ausgabe werden aktuelle Handlungsempfehlungen rund um Infektionen des Bewegungsapparates beschrieben. Gemeinsames Ziel ist es, Infektionen frühzeitig zu erkennen, adäquat zu adressieren und ein möglichst hohes Maß an Funktionserhalt zu wahren. In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Lesen des Heftes und möchte mit einem Zitat von George G. Ross schließen, der das Ziel der Infektionsbehandlung süffisant zusammenfasst: „Any fool can cut off a leg – it takes a surgeon to save it“ [1].

PD Dr. med. Mohamed Omar