Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags können Sie …

  • zuverlässig die suprakondylären Oberarmfrakturen im Kindesalter einteilen.

  • die Problematik der Fraktur verstehen.

  • einen Therapiealgorithmus anwenden.

  • Komplikationen der Fraktur kennen.

  • verschiedene operative und konservative Versorgungstechniken anwenden.

Einleitung

Die suprakondyläre Humerusfraktur ist die Fraktur im Kindesalter, die nach wie vor die am meisten untersuchte und in PubMed publizierte Entität ist (Tab. 1). Damit stellt sich die Frage nach dem Warum. Ist es die Fraktur, die die meisten Probleme in der Anwendung des korrekten Therapiealgorithmus darstellt, oder die operative Versorgung, die insgesamt immer noch unbefriedigende Ergebnisse nach sich zieht?

Tab. 1 Anzahl der Publikationen, die in PubMed bezogen auf kindliche Frakturen, gelistet sinda

Epidemiologie

Die suprakondyläre Oberarmfraktur ist definitionsgemäß eine distale metaphysäre Oberarmfraktur und keine Gelenkfraktur. Sie findet sich innerhalb der kindlichen Gelenkskapsel. Sie weist somit keine intraartikulären Frakturanteile auf. Sie zieht aber nach einer Fehlheilung eine störende kosmetische Deformität des Ellenbogens und nur in seltenen Fällen eine funktionelle Störung nach sich [1].

Merke

Die suprakondyläre Oberarmfraktur ist keine Gelenkfraktur, sondern eine distale metaphysäre Fraktur des Humerusschafts.

Diese Frakturen kommen spezifisch im Kindesalter um das 4. bis 7. Lebensjahr vor. Dies ist auf die Umformung des distalen Humerus während des Wachstums des Kindes und des Ellenbogens zurückzuführen [1, 2, 3]. Es zeigt sich eine Tendenz, dass in den letzten Jahren zunehmend jüngere Kinder betroffen sind; möglicherweise sind folgende Ursachen verantwortlich: zum einen Stürze durch den Einsatz von diversen Spielgeräten, z. B. eines Trampolins, aber auch die zunehmende Adipositas bei Kindern. Adipositas führt über das erhöhte Gewicht zu einer Verstärkung des Hypermochlions, das bei dem bekannten Unfallmechanismus des Sturzes auf den Arm mit gleichzeitiger Überstreckung im Ellenbogen zusätzlich zur Wirkung kommt.

Wachstums-Korrekturpotenz

Der Ellenbogen weist nur ein geringes Wachstumspotenzial auf. Nach dem 6. Lebensjahr kann nur mehr eine sehr geringe Fähigkeit festgestellt werden, Fehlstellungen auszugleichen, sodass sich nicht auf die komplette Korrektur ab dem 6. Lebensjahr verlassen werden kann. Daher sollte eine definitive Stellung ab diesem Alter erzwungen werden. Fehlstellungen in der Frontalebene korrigieren sich nicht, sondern nur Fehlstellungen in der Sagittalebene. Der isolierte Rotationsfehler korrigiert sich, aber weist in der klinischen Praxis immer auf eine Instabilität hin und führt nicht selten über ein ulnares Abkippen zum Cubitus varus. Daher sollte er grundsätzlich vermieden bzw. bei der Fixation sollte kritisch geprüft werden, ob eine Dislokation in einer zweiten Ebene vorliegt. Wachstumsstörungen spielen eine eher untergeordnete Rolle bei der Behandlung der suprakondylären Humerusfraktur im Kindesalter [1, 2, 3].

Cave

Fehlstellungen in der Frontalebene korrigieren sich nicht; Fehlstellungen in der Sagittalebene korrigieren sich bis zum 6/7. Lebensjahr (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Beispiel des Remodeling einer Antekurvationsfehlstellung: a,b Ausheilungsbilder mit Antekurvation. c,d Nach erfolgtem Remodeling. Das Capitulum hat sich im Laufe des Wachstums wieder ins Gelenk eingestellt. Die Rogers-Hilfslinie taucht wieder in den mittleren/hinteren Teil des Kerns ein. e,f Klinische Ausheilungsergebnisse: zum Zeitpunkt des Behandlungsabschlusses zeigt der Patient ein Flexionsdefizit (e) und eine leichte Hyperextension (f). g,h Bei der Kontrolle nach einem Jahr findet sich eine symmetrische Beweglichkeit. (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Klassifikationen

In der Literatur finden sich diverse Einteilungen, wobei in den angloamerikanischen Publikationen die Gartland-Klassifikation [2] am meisten verwendet wird. In den letzten Jahren hat sich in den deutschsprachigen Ländern die Von-Laer-Klassifikation etabliert, die auch von der AO übernommen wurde [1, 5]:

  • Typ I: unverschobene Fraktur,

  • Typ II: in einer Ebene verschobene Fraktur,

  • Typ III: in 2 Ebenen verschobene Fraktur mit Kontakt,

  • Typ IV: völlig dislozierte Fraktur ohne Fragmentkontakt.

Diese Klassifikation (Abb. 2) hat den Vorteil, dass sich einheitliche therapeutische Konsequenzen ergeben, die aus den meisten Klassifikation nicht eindeutig abgeleitet werden können. Dies gilt insbesondere, da das Ausmaß der Fehlstellung geschätzt werden muss und damit die eindeutige Zuordnung der Fraktur beurteilerabhängig ist. Ernat et al. (2017) wiesen darauf hin, dass das Behandlungsergebnis v. a. bei der Einteilung nach Gartland nicht vorhergesagt werden kann, obwohl die Autoren in ihrer Studie als einer der wenigen einen prospektiven Ansatz wählten [6]. Die Einteilung nach von Laer/AO ist einfach und nachvollziehbar; ein Therapiealgorithmus kann abgeleitet und damit kann auch eine Prognose hinsichtlich des Endergebnisses abgegeben werden. Somit können gleiche Frakturen in verschiedenen Studien miteinander verglichen oder in Reviews zusammengefasst werden, was bisher nicht möglich war.

Abb. 2
figure 2

Frakturklassifikation. (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Radiologie

Weiterer Vorteil neben der Vergleichbarkeit der Frakturtypen ist die Tatsache, dass der jeweilige Frakturtyp nach Laer/AO immer anhand des Röntgenbilds in 2 Ebenen (a.-p. und seitlich) bestimmt werden kann. Ist die Fraktur initial stark disloziert, kann auf die Aufnahme in der zweiten Ebene primär verzichtet werden, diese sollte dann im OP angefertigt werden.

Einen ersten Hinweis auf das Vorliegen einer Fraktur rund um den Ellenbogen stellt das intrakapsuläre Hämatom dar, das sich radiologisch als „fat pad sign“ zeigt. Vor allem das hintere Fat pad sign weist indirekt auf das Vorliegen einer unverschobenen Fraktur hin (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Vorderes und hinteres „fat pad sign“. a Schematische Darstellung, b Röntgenaufnahme mit Darstellung des vorderen Pad sign (Pfeil), c Röntgenaufnahme mit Darstellung des vorderen und hinteren Pad sign (Pfeile). (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Um Fehlstellungen zu analysieren, werden das a.-p.- und das seitliche Röntgenbild herangezogen. Die folgenden radiologischen Hilfslinien können verwendet werden (Abb. 4; [1]):

  • Diaphysen-Epiphysen-Winkel: Der Winkel zwischen Humeruslänge und Epiphysenfugenachse soll im seitlichen Strahlengang zwischen 30 und 40° betragen. Winkel <30° und >40° sprechen für Rekurvations- bzw. Antekurvationsfehlstellungen (Abb. 4a).

  • Baumann-Winkel: Der Baumann-Winkel wird zur Abschätzung der Achse des Ellbogengelenks genutzt, insbesondere wenn der Arm nicht gestreckt und supiniert werden kann. Er ist definiert als der Winkel zwischen der Epiphysenachse der lateralen Kondylen und einer Senkrechten zur Humeruslängsachse. Zumeist wird der Baumann-Winkel jedoch als Winkel zwischen Humeruslängsachse und Epiphysenachse des lateralen Condylus beschrieben. Wird dieser Winkel von 90° subtrahiert, ergibt sich die Achse des Ellbogengelenks (Abb. 4b).

  • Hilfslinie nach Rogers: Diese Hilfslinie wird im Alltag am meisten genutzt, da sie einfach zu handhaben und klinisch gut verwertbar ist. Diese entspricht im seitlichen Strahlengang einer Tangentiale entlang der vorderen Humeruskortikalis, deren Verlängerung im Normalfall (Abb. 4c) das Capitulum humeri am Übergang vom mittleren zum hinteren Drittel schneidet. Bei der Antekurvationsfehlstellung schneidet die Linie im vorderen Drittel oder außerhalb (Abb. 4d). Im Fall einer Rekurvationsfehlstellung schneidet sie im hinteren Drittel oder außerhalb (Abb. 4e).

Abb. 4
figure 4

a–e Schematische Darstellung der radiologischen Hilfslinien. Erklärungen s. Text. f Korrekte Rogers-Hilfslinie bei nichtgebrochenem Ellenbogen im Nativröntgenbild. g,h Sanduhrzeichen als Hinweis auf einen intakten Ellenbogen. (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Therapie

Besondere Herausforderungen

Die besonderen Herausforderungen der Behandlung lassen sich auf folgende Faktoren zurückführen:

  • Dynamik der Fraktur,

  • Schwierigkeit der Beurteilung des Röntgenbilds,

  • dass die Retinierbarkeit der Fraktur ebenfalls nicht einfach ist, insbesondere die Stabilität und die radiologische Beurteilung der intraoperativen Fixation der Fraktur.

Die frakturbezogene Problematik ergibt sich daraus, dass es sich seltener Quer-, sondern meist um Schrägfrakturen handelt. Diese bereiten oftmals mehr Probleme, sie in der Reposition zu halten – zumal das distale Fragment sehr klein sein kann. Die vorhandene Muskulatur trägt dazu bei, dass die Fragmente unter Zug kommen und sich während der Behandlung bzw. unter der Reposition wieder verschieben [2, 3].

Merke

Proximal weist die Fraktur eine Außenrotationstendenz auf, und distal wird sie durch den Muskelzug nach innen rotiert.

Der schon oben erwähnte Rotationsfehler ist abhängig von Drehpunkt und Ausmaß der Fehlstellung, wobei der Rotationsfehler an sich nicht das Problem darstellt, sondern das Verkippen der Fragmente in einen Cubitus varus und nur äußerst selten in einen Cubitus valgus. Cubitus varus und Cubitus valgus korrigieren sich nicht. Andere Dislokationsformen beinhalten eine Verschiebung in der Sagittalebene. Diese kann altersbedingt korrigiert werden (s. Abschn. „Wachstumskorrekturpotenzial“).

Cave

Cubitus varus und Cubitus valgus können sich im Laufe des Wachstums nicht korrigieren.

Die Abhängigkeit des Drehpunkts und des Verlusts der Kontaktfläche sind maßgebliche Ursachen für die in der Folge entstehenden sekundäre Dislokation und anschließenden klinischen Cubitus varus, selten Cubitus valgus. Die Schwierigkeit der Fixation der kindlichen Knochen nach suprakondylärer Fraktur besteht darin, dass bei einem Drehfehler ab 20 % bereits die Fragmentkontaktfläche um 50 % verringert ist (Abb. 56) und damit die Fixation durch Kirschner(K)-Drähte und das korrekte Einbringen derselben schwieriger ist als bei korrekter Reposition und vollständiger Kontaktfläche [3, 7]. Diese Verdrehung kann aber nur schlecht im Röntgenbild erkannt werden, wobei dies vom Strahlengang abhängig ist.

Abb. 5
figure 5

Rotationssporn im radiologischen seitlichen Bild

Abb. 6
figure 6

Die Kontaktfläche der Fraktur zum Einbringen der Kirschner-Drähte ist vom Ausmaß des Drehfehlers abhängig, der radiologisch erst ab 20° sicher erkannt werden kann (ulnoradialer Strahlengang). Ein Drehfehler von 20° bedeutet bereits einen erheblichen Kontaktflächenverlust. (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Cave

Im ulnoradialen Strahlengang ist der Rotationsfehler bereits ab 20° zu erkennen. Im radioulnaren Strahlengang, d. h., im klassischen a.-p.-Bild ist ein Rotationsfehler von 20° nicht zu erkennen.

Klinisch ist der isolierte Rotationsfehler nicht messbar. Im radiologischen Bild ist der Rotationsfehler nur am Kalibersprung, damit ist der Durchmesser beider Frakturenden gemeint, oder am Rotationssporn zu erkennen. Daraus kann abgeleitet werden, dass das Endergebnis – insbesondere intraoperativ – klinisch und nicht nur anhand des Röntgenbilds geprüft werden sollte. Die Beurteilung des Repositions- und Retentionsergebnisses ist am Ende der Operation zu dokumentieren.

Wichtig

Intraoperative klinische Prüfung: Eine symmetrische Ellbogenachse schließt ein seitliches Abkippen aus. Eine Flexion bis 120° eine AK/Antekurvation) und einen RF (Rotationsfehler), sowie eine Extension in Nullstellung schließt eine RK-Fehlstellung (Rekurvation) aus.

Die Frakturen sind vermehrt instabil, wenn Sie eine Trümmerzone aufweisen, die aber auch durch fehlerhafte, vermehrte Bohrversuche entstehen kann. Hier kann der Fixateur externe eine hilfreiche Option darstellen. Nach Meinung der Autoren stellt dieser initial bei älteren und hohen (proximalen) suprakondylären Oberarmfrakturen eine gute Option dar. Der Fixteur externe ist bei kleinen Kindern und distalen Frakturen mit Repositionsschwierigkeiten bzw. im Rahmen von Revisionen Mittel der Wahl.

Da Frakturen nicht gerade Bruchlinien aufweisen, können kleine Fragmente oder Bruchkanten Hindernisse bei der Reposition darstellen. Diese erschweren die Reposition in korrekter Stellung. Hier kommt die „Joy-stick“-Technik zur Anwendung. Zusätzlich bietet der Fixateur externe den Vorteil, einen stabilen definitiven Abstand bei Trümmerzonen zur Verhinderung einer Achsenabweichung zu gewährleisten.

Die Problematik der suprakondylären Oberarmfraktur kann wie folgt zusammengefasst werden: Grundproblem ist die Frakturinstabilität, die durch den Muskelzug verursacht wird. An sich ist die Fraktur gut zu reponieren (>70–95 % geschlossene Reposition, je nach Publikation), aber das Repositionsergebnis ist radiologisch nicht immer sicher beurteilbar, sodass Fehlstellungen nicht erkannt werden. Die Fraktur zeigt eine schlechte Retinierbarkeit (offene Fugen). Trümmerzonen oder ausgebrochene Fragmente – auch unter der Operation durch vermehrte Repositionsversuche oder frustrane Spickdrahteinbringungen – können die Retention in ihrer Stabilität erheblich gefährden.

Therapieziel

Das Therapieziel der suprakondyläre Humerusfrakturen kann wie folgt definiert werden:

  • keine Funktionseinschränkungen und

  • kein kosmetisches Defizit.

Ersteres bedeutet keine bleibenden Nervenläsionen und keine Funktionsdefizite durch bleibende Achsenfehlstellungen. Die Kosmetik beinhaltet seitengleiche Armachsen.

Weiteres Therapieziel ist es, dem Kind eine möglichst rasche Mobilität bei geringem Aufwand zu gewähren.

Cave

Die Beurteilung der Achse zur Dokumentation des Endergebnisses kann nur bei voller Extension geprüft werden. Weist das Kind ein Extensionsdefizit auf, wird eine valgische Armachse vorgetäuscht.

Um die Umsetzung der Therapieziele zu erreichen, sind folgende Aspekte essenziell:

  • primär korrekte Beurteilung des Röntgenbildes und in der Folge die daraus abzuleitende Behandlung,

  • korrekte Festlegung der Therapie (nur Ruhigstellung, Redression oder Reposition und Fixation),

  • möglichst keine Verfahrenswechsel,

  • primär eine definitive Behandlung anstreben,

  • klinische intraoperative Beurteilung des Repositionsergebnisses,

  • Retention, die bis zur Konsolidation stabil ist.

Konservative Therapie

Indikationen

Die konservative Therapie ist bei Typ-I-Frakturen indiziert. Typ-II-Frakturen weisen eine Re- bzw. Antekurvationsfehlsstellung auf. Antekurvationsfehlstellungen werden insbesondere in Österreich und der Schweiz durch Ruhigstellen in der Blount-Schlinge („Cuff-and-collar“-Verband) behandelt, die eine Redressionsmethode darstellt. Die Rekurvationsfehlstellung, die weitaus seltener vorkommt, kann mithilfe dieser Methode nicht behandelt werden (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Typische Antekurvationsfehlstellung mit Anlage eines Blount-Verbands. ab Unfallbild einer Typ II nach VON Laer/Ao (Extensionsfehlstellung, cd Gelungene Redression nach Blount-Schlinge, ef klinische Anlage, g schematische Darstellung der Anlage einer Blount-Schlinge

Allerdings sollte beachtet werden, dass Kinder, die keine Spontankorrektur mehr aufweisen (nach dem 6. Lebensjahr) definitiv zu reponieren sind und dies nicht mithilfe des Redressionsverfahrens erfolgen sollte. Die Reposition sollte aktiv unter Narkose vorgenommen werden. Dies zieht meist eine definitive Versorgung nach sich (Osteosynthese; [1, 2, 3, 7]).

Anlage einer Blount-Schlinge (Cuff-and-collar-Verband)

Zunächst sind die geforderten 110°-Flexion in der Blount-Schlinge nicht zu erzwingen, sondern der Arm wird in 90°-Flexion ruhiggestellt. Den Eltern des Patienten wird gezeigt, wie sie den Verband innerhalb des schmerzfreien Bereichs nachziehen können, sodass letztlich die Spitzwinkelstellung von 110° erreicht wird. Wichtig ist die Wiedereinbestellung des Patienten nach 3 bis 5 Tagen, um die Anlage und auch die Frakturstellung zu kontrollieren (Abb. 7; [2, 3]).

Merke

Die Blount-Schlinge (Cuff-and-collar-Verband) stellt ein Verfahren dar, das die Stellung indirekt korrigiert. Ein sofort angefertigtes Röntgenbild zeigt daher oftmals nicht die Redression, die sich erst im Laufe der Zeit einstellt. Eine Kontrolle der Stellung sollte nach 3 bis 5 Tagen angestrebt werden.

Mit diesem Vorgehen kann eine Volkmann-Kontraktur, die in der Literatur als Sekundärschaden einer supracondylären Oberarmfrakturversorgung in Einzelfällen beschrieben wurden, sicher vermieden werden, da Eltern die gewünschte Stellung meist durch sachtes Vorgehen erreichen und diese nicht im geschwollenen Zustand des Arms und unter Schmerzen in der Ambulanz provoziert wird. Ein Problem bei der Anlage von Blount-Schlingen stellt die radiologische Diagnostik dar. Oftmals wird die Schlinge zum Röntgen irrtümlich abgenommen. Dies ist nicht nötig (Abb. 8). Grundsätzlich reicht für die Stellungskontrolle der Typ-II-Frakturen ein seitliches Röntgen in angelegter Redression, für den Ausschluss von sekundären Dislokationen ist die Anfertigung einer a.-p.-Aufnahme notwendig.

Abb. 8
figure 8

Radiologische Technik bei angelegter Blount-Schlinge a.-p. und seitlich. Wurde dem Patient eine Blount-Schlinge angelegt, kann keine a.-p.-Aufnahme angefertigt werden, da sich sonst die Redression aufhebt. In diesen Fällen ist eine axiale Darstellung (a) notwendig, um sekundäre Dislokationen auszuschließen. bc Unfallbild einer Antekurvationsfehlstellung, de radiologische Kontrolle einer erfolgreichen Redression durch eine Blount-Schlinge. (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Sollte die indirekte Redression nicht ausreichen, können nach 3 bis 5 Tagen immer noch eine Reposition und definitive Versorgung in Narkose durchgeführt werden. Muccioli et al. beschrieben in einer Arbeit aus dem Jahr 2017, dass dieses Vorgehen kostengünstig ist. Es setzt aber eine gute Kooperation mit dem Nachbehandler voraus, wenn dies das Krankenhaus nicht durchführen darf. In Österreich und der Schweiz ist diese Methode weit mehr verbreitet [8].

Wie im Abschn. „Epidemiologie“ bereits angesprochen, stellt die zunehmende Adipositas im Kindesalter ein Problem dar, das den Chirurg zusätzlich herausfordert. Li et al. berichteten, dass übergewichtige Kindern 4‑mal so häufig operativ versorgt werden müssen wie normalgewichtige Kinder [9]. Der scheinbar nach unten rückende Altersgipfel [9] stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, da diese Altersgruppe eine erhöhte Komplikationsrate aufweist und die Retention bzw. Fixation zusätzlich durch das geringere Knochenvolumen und den großen Weichteilmantel erschwert wird.

Operative Therapie

An osteosynthetischen Optionen stehen K-Draht, Fixateur externe und elastisch stabile intramedulläre Nagelung (ESIN) zur Verfügung. In deutschsprachigen Ländern wird die K‑Draht-Osteosynthese am meisten angewendet. Grundsätzlich sollte jeder Operateur alle genannten Varianten der Frakturfixation beherrschen.

Reposition

Bevor das operative Prozedere beginnt, muss die Fraktur reponiert werden. Hier ist es essenziell, zunächst einen Längszug auszuüben, der einige Zeit gehalten werden sollte, bevor mit dem Repositionsmanöver begonnen wird. Hier können verschiedene Techniken zum Einsatz kommen. Da aber das distale Fragment meist dorsal liegt, sollten die Weichteile durch den Längszug ausreichend gedehnt worden sein, und es sollte eine Diastase zwischen den Fragmenten bestehen. Deshalb kann das Fragment durch Druck mit dem Daumen auf das Olecranon auf den proximalen Schaft reponiert werden (Abb. 9). Diese Maßnahme ist nur erfolgversprechend, wenn das Fragment distal nicht hinter dem proximalen Anteil liegt. Bei distal posteriorer Fehlstellung muss eher der proximale Anteil durch Druck von ventral in Höhe des distal dorsal gelegenen Fragments gebracht werden. Voraussetzung ist die durch den Längszug erreichte Diastase zwischen den Fragmenten. Die geschlossene Reposition geling in >70–95 % der Fälle.

Abb. 9
figure 9

Repositionstechnik der suprakondylären Oberarmfraktur. a Zunächst wird die Fraktur unter Längszug gebracht; b anschließend Korrektur einer Achsfehlstellung in der Frontalebene und ggf. eines Rotationsfehlers; c Beugung meist in Pronation unter Druck des Daumens auf das Olecranon, um das distale Fragment zu reponieren; d korrekte Reposition des distalen Fragments unter Daumendruck. (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

In manchen Kliniken werden die Patienten zur Oberarmfrakturversorgung in Bauchlage operiert. Vorteil dieser Lagerung ist, dass die Reposition leichter gelingt, da der proximale Anteil des Arms durch die Armlehne fixiert wird, der distale Anteil durch den Zug des Eigengewichts des Armes eine Diastase in der Frakturzone bewirkt und die Reposition sich beim Beugen des Arms meist von allein einstellt. Nachteil dieser Lagerung ist, dass bei Schwierigkeiten in der Reposition die mit der Rückenlage verbundene Flexibilität aufgegeben wurde. Die Rückenlage bietet dem Operateur gleichzeitig eine dorsale Zugangsmöglichkeit zum Ellenbogen, falls offen reponiert werden muss, sodass die Notwendigkeit zweiseitigen Zugangs entfällt. Die Bauchlage ist aber aus anästhesiologischer Sicht mit höheren Komplikationen verbunden oder wird sogar von manchen Kliniken, da das Kind als per definitionem nach einem stattgehabten Trauma als nichtnüchtern einzustufen ist, abgelehnt. Meist wird also die Rückenlage bevorzugt [3].

Osteosynthese

Kamara et al. stellten Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2018 vor und folgerten [10]:

  • Bei Frakturen, die im proximalen Teil der Metaphyse lokalisiert sind, erweist sich die ESIN-Technik als die beste Versorgungsvariante.

  • Für mittig in der Metaphyse gelegene Frakturen erzielt die gekreuzte K‑Draht-Osteosynthese (2 Pins von lateral und 1 Pin von medial) bessere Resultate als die gekreuzte Spickung mithilfe von 2 Drähten.

  • Dasselbe gilt für ganz distal gelegene Frakturen.

Dieser Algorithmus wird im deutschsprachigen Raum bereits seit mehreren Jahren angewandt.

Kirschner-Draht-Osteosynthese.

Die korrekte Fixation der Fraktur mithilfe von K‑Drähten ist wichtiger als die Zahl der eingebrachten Drähte. Eine absolute Stabilität wäre nur wünschenswert, wenn gipsfrei nachbehandelt würde. Drei Drähte gewährleisten eine biomechanisch höhere Stabilität als 2, und auch 4 Drähte sind besser als 2 bis 3. Aber bei korrektem Einbringen sind 2 Drähte völlig ausreichend – abgesehen davon, dass diese hohe Zahl der Drähte altersabhängig schwierig zu platzieren ist und insbesondere beim kleinen Kind mit viel knorpeligen Anteil in Augen der Autoren vermieden werden sollte (Abb. 10). Die verfügbaren biomechanische Studien sind meist In-vitro-Untersuchungen und mit erwachsenen humanen Präparaten oder synthetischen Knochen eines Erwachsenen durchgeführt worden [10, 11].

Abb. 10
figure 10

Klinisches Beispiel Osteosynthese mithilfe von 3 K-Drähten. a,b Unfallbilder, c–e intraoperativer Situs

Eine sekundäre Dislokation ist im Kindealter nach 2 Wochen nahezu ausgeschlossen, und durch eine zusätzliche Gipsruhigstellung ist die Osteosynthese zusätzlich primär geschützt. Da immer 2 Verfahren in Kombination angewendet werden, ist die In-vitro-Studien zur Biomechanik nur bedingt verwertbar.

Beim Einbringen der K‑Drähte ist zu beachten, dass die korrekte Lage intraoperativ im ulnoradialen Strahlengang zu prüfen ist. So wird ein Rotationsfehler am ehesten sichtbar (Abb. 5). Das Unterlassen mehrfacher frustraner Bohrversuche ist wichtig, sodass keine Instabilität (durch eine Trümmerzone) und damit sekundäre Dislokation durch Ausbrechen des Drahts drohen (Abb. 1112). Der ulnare Draht wird von ventral nach dorsal eingebracht und der radiale Draht von dorsal nach ventral. Die Epikondylen können meist getastet oder durch eine Miniinzision tastbar gemacht werden, sodass die Drahteinbringung besser gelingt (Abb. 10).

Abb. 11
figure 11

Kirschner-Draht-Osteosynthese. Im Rahmen der gekreuzten Variante muss beim Einbringen des medialen Drahts darauf geachtet werden, dass der N. ulnaris geschont wird. Es gilt: Ulnaren Draht von ventral vor der Epikondyle nach dorsal ziehend einbringen und den radialen K‑Draht vice versa. Kreuzungspunkt ist proximal der Frakturlinie. Drahtdurchmesser: 1,6–2,0 mm (altersabhängig). a Radioulnarer Strahlengang, b Drahteinbringung in der seitlichen Ebene mittig, c ulnoradialer Strahlengang, d korrektes Einbringen im ap Strahlengang der Drähte. Kreuzungspunkt oberhalb der Fraktur. (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Abb. 12
figure 12

a,b Unfallbild einer typischen Extensionsfraktur bei einem 9‑jährigen Jungen, Typ-II-Fraktur nach von Laer/AO, wobei altersentsprechend die Fehlstellung nicht belassen werden kann. c,d Reposition mithilfe von 2 gekreuzten Kirschner-Drähten und Belassen der Drähte außerhalb des Hautniveaus

Im Fall von nichttastbaren Kondylen kann vor einer Inzision initial im seitlichen Strahlengang die Mitte der Kondyle als Eintrittspunkt markiert werden (Punkt mit Pinzette). Die K‑Drähte sollten sich oberhalb der Fraktur kreuzen.

Merke

Korrektes Einbringen der K‑Drähte:

  • keine Kreuzung der K‑Drähte im Frakturbereich,

  • in der seitlichen Ebene möglichst mittig eingebrachte Drähte,

  • „landmarks“ beachten, um keinen N.-ulnaris-Schaden zu produzieren,

  • mehrfaches Bohren vermeiden (Abb. 13).

    Abb. 13
    figure 13

    a,b Typ-IV-Fraktur nach von Laer/AO. c,d Kirschner-Draht-Fixation. Ulnarer und radialer Draht wurden nicht korrekt eingebracht. Der ulnare Drahts ist zu weit dorsal platziert, mit der Gefahr der Verletzung des N. ulnaris. Der radiale Draht hätte ebenfalls in der seitlichen Ebene mehr in der Mitte eingebracht werden müssen

Elastisch stabile intramedulläre Nagelung.

Die ESIN wird meist in französisch sprachigen Ländern angewendet und wurde von der Gruppe aus Nancy unter Prevot inauguriert [12]. Vorteil dieser Methode ist, dass die Lage der Schienen immer beurteilt und eine Fehlplatzierung schwer übersehen werden kann. Nachteile sind, dass während der Operation ein Assistent benötigt wird, die Materialentfernung nur im OP stattfinden kann und die Operationsdauer gegenüber einer unkomplizierten K‑Draht-Versorgung verlängert ist. Des Weiteren ist die ESIN für die Versorgung sehr distaler Frakturen weniger geeignet.

Osteosynthesematerial.

Es existiert nur eine Arbeit, in der resorbierbare Polymere verwendet wurden [13]. Für die Nutzung von resorbierbaren Materialien besteht ein großes Potenzial, und diese stellen einen weiteren Schritt dar, die optimale Therapie von Kindern zu gewährleisten.

Zeitpunkt der operativen Versorgung

In vielen Kliniken stellt die suprakondyläre Oberarmfraktur eine Notfalloperation dar. Dies gilt uneingeschränkt für Patienten mit Gefäß-Nerven-Läsionen.

Zwei Arbeiten aus dem Jahr 2018 erschienen in The Bone & Joint Journal und Journal of Pediatric Orthopedic weisen darauf hin, dass die verzögerte Versorgung keine schlechteren Ergebnisse aufweist – natürlich unter Einbeziehung einiger Limitationen und auch der Tatsache, dass all diese Studien nicht prospektiv und/oder in genügend großen Populationen durchgeführt wurden. Es wird hervorgehoben, dass das Ausmaß der Expertise des Behandlers tagsüber deutlich besser ist [14, 15], was am Ende einen Vorteil für den Patient darstellt. Die Operation sollte am der Indikationsstellung folgenden Tag als Erste geplant werden.

Gefäß-Nerven-Läsion

Hier erscheint es wichtig, dass man grob orientierend zumindest die Motorik des N. medianus, ulnaris und radialis betreffend die Kinder einer solchen Untersuchung unterzieht. Zwei Arbeiten aus dem Jahr 2017 weisen darauf hin, dass die exakte primäre Untersuchung, die nur grob orientierend, meist die Motorik umfassend, und daher einfach durchzuführen ist, immer möglich sein sollte – spätestens aber nach der Operation erfolgen muss ([7, 16]; Abb. 14).

Abb. 14
figure 14

a Schemazeichnung der Verletzung der A. brachialis bzw. des N. medianus. b,c Radiologische Bilder einer vollständig dislozierten Fraktur mit Gefahr der Verletzung des N. medianus und der A. brachialis. (Aus [4]. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Merke

Von Komplikationen des initialen Frakturgeschehens ist am häufigsten der N. medianus oder die A. brachialis betroffen, gefolgt vom N. radialis und nur selten des N. ulnaris.

Die in der Literatur angegebene Rate der Gefäß-Nerven-Läsionen schwankt zentrenabhängig sowie bezogen auf das jeweilige Studiendesign zwischen 8 % und 17 %; in manchen Publikationen ist diese Angabe noch höher [7, 16]. Beide zitierten Arbeiten weisen darauf hin, dass auch sekundäre Interventionen – den Nerv betreffend – gute Erfolgschancen zur Restitutio ad integrum aufweisen. Die operative Versorgung bei Verletzungen der A. brachialis ist eine Notfallindikation; die des N. medianus kann zeitverzögert erfolgen.

Um einen Gefäßschaden nicht zu übersehen, ist nach der Reposition zunächst die Perfusion zu prüfen. Hierzu sollte intraoperativ eine Duplexsonographie durchgeführt werden. Stellt sich eine Verletzung des Gefäßes dar, und kann die Perfusion durch Auflegen von warmen Tüchern nicht wiederhergestellt werden, ist die operative Revision angezeigt. Hier weist der vordere Zugang zum Ellenbogen Vorteile auf [17].

Cave

Eine N.-ulnaris-Läsion stellt meist eine Komplikation der Operation dar.

Bei Läsionen des N. ulnaris werden in der Literatur das Zuwarten, aber auch die Revision empfohlen [18]. Eigene Erfahrungen in Österreich zeigen, dass nach Entfernung der Drähte mit einer guten Regeneration des Nervs gerechnet und daher insbesondere im Kindealter zugewartet werden kann. Dies gilt insbesondere, da der Nerv nicht durchtrennt, sondern eingeengt oder durch den Draht fixiert ist und so verletzt wurde. Die Autoren des vorliegenden Beitrags verzichten eher auf die primäre Revision des Nervs im Gegensatz zu den deutschen Kollegen, die gemäß einer Analyse aus dem Jahr 2019 der Revision den Vorzug geben [18].

Wichtig

Bei Schäden des N. ulnaris sind das frühzeitige Erkennen und die Aufklärung der Eltern über den absehbaren längeren Heilungsverlauf wichtig.

Die Regenerationszeit beträgt zwischen 3 und 9 Monate; die Dauer hängt von der Heilung des Nervs, der Art des Schadens und vom Patientenalter ab.

Merke

Das Hoffmann-Tinel-Zeichen kann zur Erfolgsbeurteilung eines sich erholenden Nervs und zu dessen Beurteilung der Regeneration herangezogen werden.

Das Hoffman-Tinel-Zeichen wird beschrieben zur Überprüfung von chirurgischen Nervennähten, ist aber für Kinder in der klinischen Praxis bei Nervenschäden, insbesondere des N. ulnaris, sehr gut geeignet, um den Regenerationsverlauf in der Ambulanz anzuzeigen: Bei einer unkomplizierten Reinnervation kann ein Wachstum des Axons von etwa 1–5 mm/Tag erwartet werden. Die Stelle im Verlauf des Nervs, an der das Zeichen positiv wird, zeigt dessen aktuelle Position. Sie sollte sich im Idealfall also entlang der Nervenstraße allmählich in Richtung Erfolgsorgan bewegen. Ein Kind kann sehr genau sagen, wo es entweder elektrische Potenziale (wie beim Musikantenknochen) bemerkt oder das Gefühl einfach anders ist.

Auch bei korrektem Einbringen der K‑Drähte kommt es immer wieder zu einer Einengung des N. ulnaris. Manche Autoren postulieren das einheitliche offene Vorgehen zur Versorgung, was aus der Literatur nicht nachvollzogen werden kann. Klinikintern sollten klare Richtlinien für ein offenes Vorgehen definiert sein. Hierzu gehört auch der Schutz des N. ulnaris durch eine Miniinzision, über die der Epicondylus ulnaris getastet werden kann. Der Draht wird dann ventral hiervon eingebracht [1, 3].

Nachbehandlung

Materialentfernung

Die Fraktur ist unabhängig von der gewählten Therapie nach 3 bis 4 Wochen konsolidiert [1, 2, 3]. Die Implantate können ab diesem Zeitpunkt entfernt werden. Herausstehende Drähte lassen sich beim durch den Unfallchirurg/Kinderarzt oder Anästhesisten analgosedierten Kind einfach entfernen und bedürfen keiner Kapazität im OP. Alle anderen Osteosyntheseverfahren werden zumeist im OP entfernt.

Merke

Die Metallentfernung erfolgt spätestens nach 4 bis 5 Wochen.

Postoperatives Schmerzregime

Das postoperative Schmerzregime nach suprakondylärer Humerusfraktur umfasst die Gabe von Schmerzmitteln für insgesamt 3 Tage als feste Medikation und anschließend nach Bedarf. In einer Studie (Januar 2019) mit 81 Patienten, veröffentlicht in The Journal of Bone & Joint Surgery konnte gezeigt werden, dass die betreffenden Kinder meist nach 3 Tagen schmerzfrei sind und fast keine Schmerzmittel mehr benötigen [19, 20]. Einer kontinuierlichen Therapie wird der Vorzug gegeben, um Schmerzspitzen zu vermeiden.

Die Studie und eigene klinische Erfahrung weisen darauf hin, dass „outliners“, die einen besonders hohen Schmerzmittelbedarf haben, ein Indiz dafür sein können, dass sich hinter einem hohen Schmerzmittelbedarf Komplikationen wie ein Kompartmentsyndrom oder eine Ischämie verstecken können. Die Autoren empfehlen, diese Kinder besonders kritisch zu überwachen.

Merke

Insgesamt sollte eine kontinuierliche Schmerztherapie über 3 bis 5 Tage verordnet werden, da Eltern ihren Kindern aus unbegründeten Ängsten oftmals gar keine Schmerzmittel verabreichen.

Resümee

Die suprakondyläre Oberarmfraktur im Kindesalter ist und bleibt eine Herausforderung, zu deren Versorgung sich immer neue oder sich ändernde Aspekte ergeben. Dies hat die deutschsprachigen Gesellschaften bewogen, Diagnose- und Versorgungsstandards zu definieren, die laufend überarbeitet und angepasst werden [21]. Wichtige Fragestellungen können nur im Rahmen großer multizentrischer prospektiver Studien ausreichend untersucht werden. Auch die Ausbildung und das Training der versorgenden Ärzte müssen sich für die zukünftige Generation ändern, da dem Modell „see and learn“ nicht mehr gefolgt werden kann [22]. Simulationen können die operative Situation detailgetreu nachstellen und damit dazu beitragen, die einzelnen Operationsschritte frakturabhängig zu trainieren, aber auch potenzielle Fehler zu analysieren.

Fazit für die Praxis

  • Die suprakondyläre Oberarmfraktur kann zuverlässig durch die Klassifikationen nach von Laer/AO eingeteilt werden. Ein Therapiealgorithmus lässt sich ableiten.

  • Typ-I-Frakturen sind konservativ zu behandeln. Typ-II-Frakturen (außer Flexionsfrakturen) können durch Redression konservativ behandelt werden; Typ-III- und Typ-IV-Frakturen müssen operativ versorgt werden.

  • Fehlstellungen können sich nur in der Sagittaleben bis zum 6. Lebensjahr remodellieren; ein Cubitus varus bzw. valgus korrigiert sich nicht im Laufe des Wachstums.

  • Die zeitnahe Versorgung mithilfe von Kirschner-Drähten, Fixateur externe oder der elastisch stabilen intramedullären Nagelung (ESIN) sollte angestrebt werden.

  • Die Problematik der Fraktur besteht im sekundären Abkippen oder dem Repositionsverlust. Dies ist auf die Abnahme der Kontaktfläche bei Rotationsfehlstellung zurückzuführen, wobei der Rotationsfehler am ehesten in der ulnoradialen Röntgenbildeinstellung diagnostiziert werden kann.

  • Am häufigsten treten zusätzlich Schäden der A. brachialis und des N. medianus auf; der N. ulnaris wird meist intraoperativ geschädigt.

  • Die Fraktur ist nach 3 bis 4 Wochen konsolidiert; anschließend kann die Implantatentfernung erfolgen. Eine postoperative Schmerzmittelgabe ist für 3 bis 5 Tage fest zu verordnen.