Einleitung

Frakturen des 2. Halswirbels mit Beteiligung des Dens axis können in der Regel konservativ behandelt werden [5]. In besonderen Fällen ist eine Osteosynthese erforderlich. Bei gering dislozierten Frakturen oder bei guter Reposition kann eine ventrale Zugschraubenosteosynthese durchgeführt werden [5]. Im Fall von älteren Frakturen bzw. größerer Dislokation oder auch bei Pseudarthrosen ist in der Regel eine Spondylodese des C1/2-Bewegungssegmentes erforderlich [5]. Dabei stehen heutzutage mehrere Verfahren zur Verfügung. Neben der transartikulären (TA-)C1/2-Osteosynthese nach Magerl [9] ist die Verwendung eines Schrauben-Stab-Systems unter Einbeziehung einer Atlas-Massa-lateralis(ML)-Schraube und einer Axis-Pedikel- oder Isthmusschraube nach Harms bzw. Goel [4, 8] das führende Osteosyntheseverfahren. In der vorliegenden Fallserie wurden beide Verfahren mit der Anwendung einer TA-C1/2-Schraube kombiniert, die in einem Schrauben-Stab-System mit einer Atlas-ML-Schraube verbunden wird [7].

Falldarstellung

Anamnese und klinische Untersuchung

Ein 56-jähriger Patient stellte sich notfallmäßig vor, mit zunehmenden Nuchalgien und einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule (HWS). Sieben Tage zuvor hatte der Patient einen Treppensturz erlitten. Klinisch-neurologisch war der Patient wach, orientiert und kooperativ und zeigte zudem keine sensomotorischen Defizite.

Diagnostik

Im CT der HWS konnte eine dislozierte und z. T. gestauchte Dens-Fraktur nachgewiesen werden, mit kyphotischer Fehlstellung (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Präoperative CT der HWS mit dem Nachweis einer dislozierten und gestauchten Dens-Fraktur Typ II

Therapie und Verlauf

Infolgedessen bestand die Indikation zur Operation. Aufgrund der fixierten Fehlstellung in den gehaltenen Aufnahmen wurde von einer Zugschraubenosteosynthese abgesehen und eine dorsale Spondylodese C1/2 indiziert. Die Operation erfolgte in Bauchlagerung. Der Kopf wurde zunächst in einer Mayfield-Klemme eingespannt. Im Anschluss erfolgte unter Röntgenkontrolle der Versuch einer Reposition der Fraktur. Nach dem Hautschnitt und der Freilegung der Dornfortsätze und der Bogen von Atlas und Axis erfolgte eine Stichinzision in Höhe von C7 bzw. Th 1. Unter Zuhilfenahme dieser Stichinzision konnte der sehr steile Winkel anvisiert werden, der zur Einlage einer TA-C1/2-Schraube notwendig war. Im Anschluss erfolgte die Eröffnung der Kortikalis am medialen Rand der unteren Facette des Axis. Unter kontinuierlicher Röntgendurchleuchtung wurde dann mit dem Bohrer ein Kanal in Pars interarticularis des Axis angelegt. Zunächst wurde eine Isthmusschraube in den Axis unter Röntgendurchleuchtung auf beiden Seiten eingebracht. Anschließend wurde die Nervenwurzel C2 aufgesucht, teilweise freigelegt und nach kaudal mobilisiert. Die Kortikalis direkt unterhalb des Sulcus arteriosus der A. vertebralis wurde oberhalb der C2-Nervenwurzel eröffnet. Mit einem Bohrer wurde ein Knochenkanal in die Massa lateralis des Atlas unter Röntgendurchleuchtung angelegt. Dann erfolgte die Einlage einer Polyaxialschraube in C1. Im Anschluss erfolgte eine offene Reposition des Segments C1/2. Die Isthmusschrauben wurden im Anschluss entfernt. Es erfolgte die Anlage eines Bohrkanals durch die reponierten Gelenkflächen von C1 und C2. Der optimale Zielpunkt lag im lateralen Strahlengang auf Höhe des vorderen Atlasbogens. Im Anschluss wurde dann eine polyaxiale Schraube mit einer Länge von 38 mm in den vorgebohrten Knochenkanal eingebracht. Im Anschluss wurden dann beide Polyaxialschrauben mit einem Stab verbunden und mit Madenschrauben fixiert. Zudem wurde zwischen den Dornfortsätzen autologer Knochen angelagert.

Es traten keine intra- und postoperativen Komplikationen wie neurologische Ausfälle, Verletzungen der A. vertebralis, Wundheilungsstörungen etc. auf. Die routinemäßigen postoperativen Röntgenuntersuchungen zeigten eine regelrechte Lage der Implantate (Abb. 2a, b). Im Rahmen der regelmäßigen Nachsorge zeigten sich keine Spätfolgen wie eine Lockerung oder einer Dislokation der Osteosynthese.

Abb. 2
figure 2

Postoperative Darstellung der C1/2 Spondylodese in (a) lateralem und (b) anteriorem/posteriorem Strahlengang

Diskussion

Anhand des vorliegenden Falls wurde die Effektivität und die Sicherheit des neuen Osteosyntheseverfahrens zur dorsalen Spondylodese C1/2, welche eine Kombination aus den bekannten Verfahren nach Harms und Magerl ist, nachweisen.

Das atlantoaxiale Bewegungssegment hat, bezogen auf alle anderen Wirbelsäulensegmente, die höchste Beweglichkeit [12]. Die Hauptbewegung ist die Rotation mit 23–38° auf jeder Seite [12]. In geringerem Umfang ist eine Sagittalflexion (Flexion und Extension) mit ca. 10–22° möglich [12]. Zudem wird eine Lateralflexion von ca. 6° zugelassen [12]. Daneben lässt das atlantoaxiale Bewegungssegment in gewissem Umfang auch eine sagittale Translation, eine laterale Translation, eine Distraktion sowie eine Kompression zu [12]. Dieser schon sehr hohe Bewegungsumfang nimmt infolge von traumatischen Läsionen der knöchernen bzw. ligamentären Strukturen, entzündlichen Prozessen und/oder angeborenen Fehlbildungen sogar noch zu [12]. Daher ist eine Immobilisierung des atlantoaxialen Bewegungssegmentes mittels einer Osteosynthese eine Herausforderung. Die erste Beschreibung einer chirurgischen Intervention bei einer atlantoaxialen Instabilität stammt aus dem Jahr 1910 von Mixter und Osgood [10]. Dabei wurden die Lamina und die Dornfortsätze von Atlas und Axis mit einem Seidenfaden miteinander verbunden [10]. Bis vor 30 Jahren haben sich viele weitere Methoden etabliert, die hauptsächlich die dorsalen Elemente von Atlas und Axis miteinbezogen. Dazu gehören die Fusion nach Gallie und die interlaminäre Klemmenfusion. Obwohl diese Fusionstechniken hauptsächlich die Extension und die Flexion einschränkten, lieferten sie keine ausreichende Stabilität bezüglich der Rotation und der Lateralflexion. Daher waren die Pseudarthroseraten mit bis zu 25 % sehr hoch [1]. Eine zusätzliche externe Immobilisation war daher obligat. Zusätzlich können diese Techniken nicht verwendet werden, wenn die Bogen bzw. die Dornfortsätze von Atlas und Axis infolge einer Fraktur oder einer Fehlbildung für eine operative Versorgung nicht verwendet werden können. Heutzutage sind diese Techniken weitgehend verlassen worden und ergänzen lediglich etablierte Osteosyntheseverfahren. Dazu gehören die TA-Osteosynthese nach Magerl [9] und die Schrauben-Stab-Osteosynthese nach Harms bzw. Goel [4, 8]. Dabei werden Polyaxialschrauben entweder in den Pedikel oder in den Isthmus des Axis eingebracht und mit einer ML-Schraube im Atlas verbunden. Eine weitere alternative Technik das Einbringen einer Schraube in die Lamina des Axis [2].

Die TA-Osteosynthese nach Magerl kann in über 20 % der Patienten aufgrund der anatomischen Variationen der A. vertebralis nicht verwendet werden [11]. Zudem ist diese Technik deutlich erschwert bei Patienten mit einer erheblichen thorakalen Kyphose oder einer Adipositas. In diesem Fall kann der steile Winkel, der für das Einbringen der TA-Schraube erforderlich ist, nicht erreicht werden. Darin liegt der Vorteil der C1/2-Osteosynthese nach Harms. Diese Technik kann ebenfalls bei einem atypischen Verlauf der A. vertebralis angewendet werden. Des Weiteren erlaubt die isolierte Schraubenanlage eine sichere innere Reposition, welche bei der TA-Osteosynthese nicht möglich ist.

Während die C1/2-Osteosynthese nach Harms eine gute Stabilität in der Flexion und Extension bewirkt, ist, basierend auf biomechanischen Studien und einer aktuellen Metaanalyse, die TA-Osteosynthese C1/2 zumindest bei der Rotationsbewegung überlegen [3]. Weitere biomechanische Studien haben zudem belegt, dass eine Dreipunktfixierung eine deutliche Zunahme der Stabilität bewirkt [6]. In einer Untersuchung von Guo et al. wurde eine TA-Osteosynthese C1/2 mit Lamina-Haken am Atlasbogen kombiniert und mit einem Stab verbunden. In biomechanischen Studien konnten sie so eine deutliche erhöhte Stabilität im Vergleich zu den etablierten Verfahren nachweisen [6]. Allerdings kann dieses Verfahren im Fall einer Fraktur oder einer Agenesie des Atlasbogens nicht verwendet werden.

Aus diesen Überlegungen wurde die Kombination der Osteosyntheseverfahren nach Harms und Magerl zu einer neuen Methode weiterentwickelt, welche die biomechanischen Vorteile beider Verfahren einschließt. Obwohl keine biomechanischen Untersuchungen vorgenommen wurden, bewirkt eine Zunahme der Fixationspunkte ventral durch die TA-Schrauben und dorsal durch das Schrauben-Stab-System eine höhere Stabilität. Zudem konnte belegt werden, dass zwei Schrauben sicher in die ML des Atlas eingebracht werden können. Die dargestellte Methode kann in Verbindung mit längerstreckigen Spondylodesen angewendet werden. Im Fall eines atypischen Verlaufs der A. vertebralis kann auf der betroffenen Seite eine Isthmus- bzw. Pedikelschraube und auf der kontralateralen Seite eine TA-Schraube eingebracht werden.

Fazit für die Praxis

Die Anwendung einer TA-C1/2-Schraube, die in einem Schrauben-Stab-System mit einer Atlas-ML-Schraube verbunden wird, zur dorsalen Spondylodese im Fall von dislozierten Dens-Frakturen bzw. Pseudarthrosen nach Dens-Frakturen ist ein sicheres und effektives Verfahren, das die Vorteile der etablierten Verfahren nach Harms und Magerl vereint. Obwohl in unserer Serie keine Navigation durchgeführt wurde, kann dieses Hilfsmittel noch mehr Sicherheit und Präzision garantieren.