Knochensegmentdefekte und Extremitätenverkürzungen stellen schwerwiegende Probleme in der muskuloskeletalen Chirurgie dar. Während für Extremitätenverkürzungen in den letzten Jahren neue und zunehmend bessere motorisierte Verlängerungsimplantate zur komplett internen Anwendung entwickelt wurden, standen für Knochendefekte keine entsprechenden, breit anwendbaren Verfahren zur Verfügung. Zur Lösung dieses Problems wurde ein Implantatmodul entwickelt, das mithilfe motorisierter Verlängerungsimplantate einen komplett internen Knochensegmenttransport (KST) und, sofern erforderlich, optional auch eine zusätzliche Knochenverlängerung ohne weiteren Eingriff erlaubt.

Grundlagen

Segmentale Knochendefekte können aus den unterschiedlichsten Gründen entstehen, z. B. als Folge von offenen Frakturen und Hochrasanztraumen mit Knochenverlust, als Folge von chirurgischem knöchernem Débridement bei devitalisiertem oder infiziertem Knochen sowie bei Tumoren und anderen pathologischen Veränderungen. Zu den Behandlungsmethoden gehören u. a. die Transplantation von autologem Knochen, die Verwendung von Knochenersatzmaterialien, die Verkürzung, die Verkürzung mit sekundärer Verlängerung, der Einsatz von Überbrückungsimplantaten und der KST. Der KST kann mit einem komplett externen Fixierungs- und Transportsystem [3, 12] oder als externes Transportsystem entlang eines inneren Stabilisierungssystems wie z. B. einem intramedullären Nagel [14] oder einer Platte [8, 11] durchgeführt werden. Die Entwicklung der externen Fixation war eine großartige Ergänzung zur Behandlung von Knochendefekten im Bewegungsapparat. Externe Fixateure können aber mit einer Vielzahl von Nachteilen, Problemen oder Komplikationen verbunden sein [12]. Dazu gehören Schmerzen, „Pin-tract“-Infektion, Gelenkeinsteifung und Kontrakturen, Störung des Gangbilds, eingeschränkter Tragekomfort und eine Vielzahl von ästhetischen und psychischen Problemen. Insbesondere bestehen diese Probleme am Oberschenkel. Erfolgt der KST über ein externes Transportsystem entlang von inneren Implantaten wie einem Nagel oder einer Platte, wird die Zeit, die im externen Fixateur benötigt wird, um etwa 30 % reduziert, verglichen mit einem alleinigen externen Transport und Fixationssystem.

In jüngster Zeit wurden motorisierte Nägel für die Verlängerung von Gliedmaßen [2, 6, 7] beschrieben. Der Motor des Nagels kann mithilfe mechanischer Energie durch Gang oder mithilfe elektrischer Energie entweder aus einer Stromquelle oder magnetisch mit einer speziellen Induktionsvorrichtung betrieben werden. Ein eigens angefertigter motorisierter Nagel für den KST wurde in der Vergangenheit in einem Fall beschrieben [1].

Mithilfe des MagicTube kann ohne zusätzliche Operation vom KST in die Verlängerung übergegangen werden

In diesem Beitrag wird die Behandlung von Knochendefekten mit dem neu entwickelten einfachen universellen Implantatmodul Cylinder-Kombi-Tubus für segmentalen Transport (CKTST) oder kurz MagicTube (Modaleres Assistenz Gerät für Intersegmentale Corticalisdefekte mittels Tubus Erweiterung) [5], beschrieben (Hersteller: K‑Implant GmbH, 30826 Garbsen). Das Modul kann an jeden motorisierten Verlängerungsnagel angepasst und aufgesteckt werden (Abb. 1 und 2). Dieses Modul nutzt die Antriebskraft und Steuerung (vorwärts‑, Stopp-, rückwärts- und Geschwindigkeitsregelung) eines motorisierten Verlängerungsnagels für den KST und ermöglicht eine optionale zusätzliche Knochenverlängerung in Fällen, in denen eine Verkürzung besteht. Dies ist bis heute mit keinem anderen inneren motorisierten KST-System ohne zusätzliche operative Eingriffe möglich. Das ist deshalb von Bedeutung, weil bei dem hier zur Diskussion stehenden Patientengut fast regelmäßig auch eine Verkürzung vorliegt. Da sowohl der KST als auch die Knochenverlängerung im Körperinneren erfolgen, können Risiken, Nachteile und negative Nebenwirkungen externer Transportsysteme vermieden werden.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der Komponenten und wesentlichen Operationsschritte in der anterior-posterioren Ansicht; grau Knochen, blau motorisierter Knochenverlängerungsnagel, gelb MagicTube-Modul. A Knochendefektsituation mit motorisiertem Verlängerungsnagel und MagicTube; B Osteotomie durchgeführt, noch kein Transport; C Beginn des Knochensegmenttransports; D Docking-Situation; E optionale Verlängerung: das Transportsegment schiebt das distale Hauptfragment vor sich her und führt zur zusätzlichen Verlängerung; F nach Konsolidierung des Segmentdefekts ist dieser stabil gefüllt und der Knochen auf die gewünschte Länge verlängert worden. (Nach Krettek und El Naga [5]; mit freundl. Genehmigung von Wolters Kluwer Health. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung der Komponenten des Verfahrens in der Seitenansicht; grau Knochen, blau motorisierter Knochenverlängerungsnagel, gelb MagicTube-Modul. (Nach Krettek und El Naga [5]; mit freundl. Genehmigung von Wolters Kluwer Health. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Beschreibung des Implantatmoduls

Das Modul besteht aus einem einfachen Zylinder mit gegenüberliegenden Schlitzen und Bohrungen an einem Ende. Das Modul kann mit jedem handelsüblichen motorisierten Knochenverlängerungsnagel kombiniert werden. Es nutzt die Energie des motorisierten Verlängerungsnagels für einen inneren KST und ggf. die Knochenverlängerung.

Das Modul wird am Nagelende aufgesteckt. Die Bohrung für die Nagelverriegelungsschraube fluchtet mit dem Doppelschlitz im Zusatzmodul. Eine Verriegelungsschraube fixiert das Transportsegment am Transportkolben des motorisierten Nagels. Das Zusatzmodul wird mit Verriegelungsschrauben z. B. am distalen Hauptfragment fixiert. Je nach Situation kann entweder ein alleiniger KST durchgeführt oder der Knochen bei fortgesetzter Aktivierung des Motorantriebs ohne weiteren Eingriff zusätzlich verlängert werden.

Chirurgische Technik und Fallbeschreibung

Anwendungsbeispiele

Tibia

Vorgeschichte.

Ein 74 Jahre alter Patient erlitt eine offene distale Tibiafraktur vom Grad IIIA (AO/OTA42A) mit begleitender Fibulafraktur. Die Komplikationswunde wurde initial debridiert und die Frakturen stabilisiert (offene Reposition und innere Fixierung [ORIF] der Tibia: mediale 14-Loch-Titan-Kompressionsplatte und Zugschraube, ORIF der Fibula: laterale Titan-1/3-Rohrplatte; Abb. 3). Etwa ein Jahr später präsentierte sich der Patient in der Medizinischen Hochschule Hannover mit Schmerzen (visuelle analoge Skala [VAS] 6–8) und der Unfähigkeit, ohne 2 Unterarmgehstützen zu gehen. In Höhe der Tibiaplatte fand sich in der Vorgeschichte eine Fistelöffnung bei dem ansonsten gesunden Patienten (Nichtraucher, kein Diabetes; Abb. 3). Röntgenaufnahmen und CT-Scans zeigten eine atrophe Pseudarthrose der Tibia mit Randsklerose der tibialen Fragmentenden und verheilter Fibula. Es bestanden eine leichte 3°-Valgus-Deformität und ein 25°-Außenrotation-Fehler im Vergleich zur unverletzten Seite. Auf Höhe der Pseudarthrose zeigten sich dunkel verfärbte, indurierte Weichteile. Der Fuß hatte normale Pulse mit intakter Sensorik und motorischer Funktion. Es wurde ein leichter Spitzfuß mit einer Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk von Dorsal‑/Plantarflexion 0°/10°/30° festgestellt; die Kniegelenkbeweglichkeit war seitengleich normal.

Abb. 3
figure 3

Röntgenverlaufsserie mit den verschiedenen Stadien der Behandlung. a Vor Débridement; b Fisteldarstellung; c 90 mm Defekt nach Débridement, gefüllt mit Zementabstandhalter; d Entfernung des Zements. Eingesetzter motorisierter Knochenverlängerungsnagel mit aufgestecktem MagicTube am Anfang des Segmenttransports; e nach Andocken des Transportsegments und Entfernen einer interferierenden distalen Verriegelungsschraube; f am Ende des Transports knöchern konsolidierte Transportstrecke

Vorbereitung.

Nach mehreren ausführlichen Informationsgesprächen über Vor- und Nachteile, Möglichkeiten und Risiken verschiedener Behandlungsoptionen (Entscheidungsmatrix: Tab. 1) entschied sich der Patient für eine Segmentresektion, Lappendeckung und einen komplett internen Segmenttransport mit dem MagicTube-Modulsystem. Das MagicTube-Modul ist kein kommerziell erhältliches Implantatmodul, sondern eine Sonderanfertigung im Sinne eines Heilversuchs. Produktion, Lagerung und Implantation entsprachen den deutschen und den europäischen medizinischen Vorschriften (Medizinproduktegesetz). Die Verantwortung liegt ganz beim Chirurgen. Die Zustimmung des örtlichen Ethikkomitees wurde eingeholt.

Tab. 1 Entscheidungsmatrix für große segmentale Knochendefekte an Tibia und Femur [5]

Operationstechnik.

In der ersten Operation unterzog sich der Patient einem gründlichen Weichteil- und Knochendébridement. Nach der Entfernung des nekrotischen Knochens verblieb ein Tibiadefekt von 90 mm. Dieser Defekt wurde mit einem Antibiotika(Gentamicin)-haltigen Zementabstandshalter gefüllt und die Wunde mit einem Vakuumsystem verschlossen. Einige Tage später wurde der Defekt mit einem freien gefäßgestielten myokutanen Latissimus-dorsi-Lappen von den Kollegen aus der plastischen Chirurgie gedeckt. Die Wundheilung verlief problemlos. Der Patient wurde mit einer Unterschenkelschiene plus Fußeinschluss (Teilbelastung 15–20 kg) unter sehr milden Schmerzen (VAS 1–2) mobilisiert. Nach kompletter Ab- und Einheilung des freien Lappens wurde die Behandlung fortgeführt. Der Lappen wurde gehoben, der Zementabstandshalter entfernt und die Torsionsfehlstellung nach einer Fibulaosteotomie korrigiert. Nach einem transligamentären Zugang zur proximalen Tibia wurde ein motorisierter Knochenverlängerungsnagel (PRECICE®, Fa. Nuvasive, San Diego, Kalifornien) mit dem aufgesteckten MagicTube-Modul antegrad in den Tibiamarkraum eingeführt und zentral in der sehr kurzen distalen Tibia platziert. Das Ende des MagicTube-Moduls kam direkt auf einer verbliebenen abgebrochenen Plattenschraube zu liegen, die beim Débridement belassen worden war. Der motorisierte Nagel wurde proximal in der proximalen Tibia verriegelt (Abb. 4 und 5). Das MagicTube-Modul wurde im distalen Tibiafragment mithilfe von 2 Verriegelungsschrauben verriegelt, nachdem sichergestellt war, dass 1) der Schlitz des MagicTube-Moduls sich in einer Ebene mit den distalen Verriegelungslöchern des motorisierten Nagels befand und 2) die tibiale Torsion spiegelsymmetrisch zur kontralateralen Seite ausgerichtet war.

Abb. 4
figure 4

Durchleuchtungsbilder nach Einbringen und Verriegelung des MagicTube-Moduls mit dem Transportsegment. Transportsegment vor (a) und nach der Osteotomie (b). Die Verriegelungsschraube wird durch den Knochen, die Schlitze des MagicTube und durch den Transportkolben des Nagels platziert. (Nach Krettek und El Naga [5]; mit freundl. Genehmigung von Wolters Kluwer Health. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Abb. 5
figure 5

Intraoperatives Foto. MagicTube-Modul im Defekt sichtbar, mit durch das Transportsegment und im distalen Hauptfragment platzierten Verriegelungsschrauben. (Nach Krettek und El Naga [5]; mit freundl. Genehmigung von Wolters Kluwer Health. Dieser Inhalt ist nicht Teil der Open-Access-Lizenz)

Dann wurde die Mitnehmerschraube im Knochentransportsegment gesetzt, und zwar 1) durch den Knochen des Transportsegments, 2) durch die miteinander fluchtenden Öffnungen im MagicTube-Modul und 3) durch den Transportkolben des Transportnagels.

Anschließend wurde das Transportsegment mithilfe einer Gigli-Säge vom proximalen Hauptfragment getrennt. Die Transportfunktion wurde mit dem Magnetantrieb getestet.

Postoperativer Behandlungsverlauf.

Die Wundheilung war unproblematisch. Der Patient konnte mit einer Unterschenkelschiene plus Fußeinschluss (Teilbelastung 15–20 kg) sehr schmerzarm (VAS 1–2) mobilisiert werden.

Aufgrund seines hohen Alters des Patienten (74 Jahre) wurde der Transport erst 3 Wochen nach der Osteotomie gestartet. Im Hinblick auf die altersbedingt eingeschränkte Regenerationsfähigkeit wurde die Transportrate mit 0,25 mm/Tag zunächst sehr niedrig gehalten.

Ist die Defektstrecke größer als der Kolbenhub, muss ein Pit-stop-Manöver durchgeführt werden

Wöchentlich wurden Röntgenaufnahmen und Ultraschallkontrollen durchgeführt. Nach 4 Wochen zeigte sich eine lediglich sehr geringe Dichte im Regenerat, sodass der Transport für weitere 2 Wochen in die entgegengesetzte Richtung gesteuert wurde (Kompression/Ziehharmonikatechnik), um das Regenerat besser reifen zu lassen. Drei Monate nach der Osteotomie wurde die Transportrate auf 1 mm/Tag erhöht, und in den Röntgenaufnahmen wurde die beginnende homogene Verkalkung des Transportkallus ersichtlich. Um ein hindernisfreies Andocken zu ermöglichen, musste in der Endphase die proximale Schraube der distalen Verriegelungsschraubengruppe entfernt werden (Abb. 3).

Pit-stop-Manöver.

Der Kolbenhub von Verlängerungsnägeln ist begrenzt und beträgt meist zwischen 50 und 80 mm. Ist die Defektstrecke größer als der Kolbenhub, muss ein Pit-stop-Manöver durchgeführt werden. Darunter werden der temporäre Transportstopp, die temporäre mechanische Sicherung des Transportsegments, das Lösen der Transportfixierung (Verriegelungsschraube), das Rückführen des Transportkolbens in die Ausgangssituation und das Entfernen der temporären mechanischen Sicherung des Transportsegments verstanden. Anschließend kann der unterbrochene Transport wieder aufgenommen werden (Tab. 2).

Tab. 2 Grundsätzliche operative Teilschritte beim Pit-stop-Manöver

Komplikationen.

Während des Transports waren Schraubenlockerungsphänomene im Bereich der proximalen Verriegelungsschrauben im Nagel zu verzeichnen. Diese Probleme wurden mit dem Aufbringen kleiner Plättchen adressiert.

Femur

Ein 39-jähriger Patient stellte sich nach einer auswärts mithilfe einer Plattenosteosynthese behandelten Schussverletzung mit femoralem Knochenverlust, Pseudarthrose und Plattenbruch vor. Nach weiteren debridierenden und stabilisierenden Voroperationen betrug der Gesamtknochenverlust bei einer Kombination aus 94 mm Segmentdefekt und 28 mm Verkürzung insgesamt 122 mm (Abb. 6). Zunächst erfolgte ein weiteres gründliches Weichteil- und Knochendébridement. Der Knochen wurde mit einem intraoperativ gefertigten intramedullären Nagel, bestehend aus einem Bündelnagel mit Knochenzementmantel, geschient. Ein verbleibender Knochensegmentdefekt wurde mit antibiotikahaltigem Knochenzement als Platzhalter gefüllt. Nachdem mehrfache Punktionsaspirationen keinen mikrobiologischen Keimnachweis ergaben, wurde in einem weiteren Eingriff ein motorisierter Verlängerungsnagel mit aufgestecktem MagicTube-Modul antegrad eingebracht und der Transportnagel proximal, der MagicTube distal verriegelt. Da die Spitze des Transportkolbens über das Transportfragment hinausragte, wurde das distale Ende des Transportkolbens mithilfe einer 3,5 mm winkelstabilen Platte als Mitnehmervorrichtung mit dem osteotomierten Transportsegment winkelstabil verbunden. Aufgrund des begrenzten Transporthubs des Transportnagels waren Pit-stop-Manöver erforderlich. Beim ersten dieser Eingriffe wurde die Mitnehmerplatte gegen einen Seilzugmechanismus ausgetauscht. Im weiteren Verlauf kam es zu einem Ermüdungsbruch des Transportseils. Der Eingriff zur Behebung dieser Komplikation wurde für ein weiteres Pit-stop-Manöver genutzt, um den ausgefahrenen Transportkolben wieder zurückzuholen. Der KST war nun so weit fortgeschritten, dass das Transportsegment an der Spitze des Transportkolbens über eine transossäre Mitnehmerschraube durch den Schlitz des MagicTube und das Verriegelungsloch des Transportkolbens fixiert werden konnte.

Abb. 6
figure 6

Röntgenaufnahmen eines 39-jährigen Patienten nach Schussverletzungen mit einem langstreckigen femoralen Knochenverlust und Pseudarthrose. Kombinierter Segmenttransport und Verlängerung mit dem MagicTube-Modul. A Antibiotikazement als Abstandshalter; B nach Knochendébridement Einbringen eines motorisierten Verlängerungsnagels mit aufgestecktem MagicTube-Modul. Mehrfache Pit-stop-Operationen, da der maximale Transporthub des motorisierten Verlängerungsnagels begrenzt ist. Unterschiedliche Mitnehmermechanismen: 1. Mitnehmermechanismus: Platte. C 2. Mitnehmermechanismus: Drahtseil. E 3. Mitnehmermechanismus: Verriegelungsschraube. F,G Mit Auftreffen des Transportsegments auf das distale Fragment wird dieses vom Transportsegment weitergeschoben. Damit wird das Femur verlängert. G Der gesamte Knochentransport beträgt 122 mm. Dieser Betrag setzt sich aus 94 mm Segmenttransport und 28 mm Verlängerung zusammen. H Nach einem Jahr und Erreichen der Ziellänge wird am Ende des Transports die „docking site“ mit einer Zugschraube gesichert und der Nagel gegen einen konventionellen Nagel (CFN; Fa. DePuy Synthes, West Chester, PA, USA) ausgetauscht. I Zunehmende Konsolidierung im Bereich der Docking site. -1W 1 Woche vor Implantation des MagicTubes, 0W Unmittelbar nach Implantation des MagicTubes, 6W 6 Wochen vor Implantation des MagicTubes

Mit Auftreffen des Transportsegments auf das distale Fragment wurde die Verlängerungsphase eingeleitet, indem das distale Hauptfragment vom Transportsegment vor sich hergeschoben wird. Damit wurde das verkürzte Femur verlängert. Der gesamte Knochentransport betrug also 122 mm. Dieser Betrag setzte sich aus 94 mm Segmenttransport und 28 mm zusammen. Am Ende des Transports wurde auf dem Extensionstisch (Sicherung der Länge) in Seitenlage des Patienten ein Docking-Eingriff durchgeführt. Zunächst wurde die Docking site mit einer Zugschraube gesichert. Anschließend wurden der Verlängerungsnagel und MagicTube entriegelt, entfernt und gegen einen konventionellen Nagel (CFN; Fa. DePuy Synthes, West Chester, PA, USA) ausgetauscht (Abb. 7). Wegen einer Fehlbestimmung der Ausgangslänge kam es zu einer passageren und schmerzhaften Überdistraktion, die am Folgetag operativ korrigiert werden musste.

Abb. 7
figure 7

Klinische Bilder des Patienten aus Abb. 6. a Volle Streckung; b 12 mm vor dem Transportende (gesamter Transport 122 mm); c immer noch hervorragende „range of motion“ (ROM) am linken Knie mit 0/0/137°, im Vergleich zu Gegenseite (5/0/150°) nur wenig eingeschränkt

Diskussion

Das 2017 erstmals beschriebene MagicTube-Modul [5] ist das erste und bislang einzige Implantat, das im Zusammenwirken mit einem motorisierten Verlängerungsnagel einen inneren Segmenttransport und die anschließende optionale Verlängerung ohne einen weiteren operativen Eingriff zulässt. Das einfache universelle partiell geschlitzte zylindrische Transportrohr kann mit jedem motorisierten Verlängerungsnagel mit freiem Kolben kombiniert werden.

Gegenüber herkömmlichen Techniken gibt es mehrere Vorteile. Die Behandlung von großen segmentalen Knochendefekten hat sich mit der Einführung des „Induced-membrane“-Konzepts [9, 10] deutlich verbessert. Aber die Knochenentnahmemorbidität und die Schaffung eines starren massiven Knochenblocks anstelle eines Rohres hat bei diesem Verfahren häufig zu Problemen wie z.B. Refrakturen geführt. Diese Nachteile können mit dem hier vorgestellen Verfahren vermieden werden.

Der Knochensegmenttransport (KST) kann entweder mit einem kompletten externen Befestigungs- und Transportsystem [3, 12] oder als externer segmentaler Transport entlang eines überbrückenden Implantats (z. B. Nagel [8, 14] oder Platte [11]) durchgeführt werden.

Externe Fixierung und Transport können bei schwierigen Weichteilen manchmal das einzig mögliche Verfahren sein. Häufig ist aber die äußere Fixierung mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten, Problemen und Komplikationen verbunden [12]. Meist sind die weichteilperforierenden Implantate (Schanz-Schrauben, Drähte) lediglich bakteriell kontaminiert, grundsätzlich besteht aber das Risiko einer an den Implantaten fortgeleiteten Infektion in das Knocheninnere. Ein weiterer Nachteil von partiellen oder vollständigen externen segmentalen Transportkonzepten ist die Notwendigkeit der Platzierung von Schanz-Schrauben oder Drähten in den proximalen- und/oder distalen Hauptfragmenten. Das kann in kurzen Segmenten schwierig oder unmöglich sein, wie beim vorgestellten Patienten. Insbesondere am Femur kann es durch Traktopexie (Tractus iliotibialis) und Myopexie (M. quadriceps) zu Bewegungsschmerzen und u. U. sehr ausgeprägten Kniegelenkeinsteifungen und Kontrakturen kommen.

Aus diesen Gründen ziehen wir es vor, eine externe Fixierung zu vermeiden, wann immer es möglich ist. Neu entwickelte magnetisch aktivierte Nägel [4, 13, 15] haben Vorteile gegenüber durch Gang aktivierten Systemen [2], die schwer zu kontrollieren sind (Geschwindigkeit, Stopp) und die Richtung nicht umkehren können. Magnetisch aktivierte motorisierte Nägel überwinden diese Nachteile, da sie eine gute Kontrolle von Start und Stopp sowie von Richtung und Geschwindigkeit ermöglichen. Diese werden im Einsatz mit dem MagicTube-Modul bevorzugt.

Mögliche Nachteile hängen damit zusammen, dass jedes motorisierte Nagelsystem eine gewisse Mindestlänge des Nagels benötigt, die in kurzen Fragmenten bei metaphysennahen Defekten problematisch sein kann. Unter diesen Umständen kann eine direkte Verriegelung des Transportfragments nicht möglich sein, und andere Mitnehmermethoden (Draht, Platte) müssen erwogen werden. Ein weiterer Nachteil von magnetisch motorisierten Nägeln ist die Tatsache, dass die Induktion von Energie vom Abstand zwischen dem äußeren Aktor und dem internen Empfänger im Nagel beeinflusst wird. Bei adipösen Patienten mit großem Weichteilmantel ist der Abstand entsprechend größer und die übertragene Energie im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten mit schlanken Gliedmaßen geringer.

Das MagicTube-Modul hat den Vorteil, dass es eine gute Kontrolle des Transports sowie der Transportgeschwindigkeit und -richtung ermöglicht. Im vorgestellten Tibiafall war dies hilfreich und wichtig, da die Knochenregeneration des 74-jährigen Patienten weniger zuverlässig war als bei einem jüngeren Patienten. Als die Regeneration in einer routinemäßigen Ultraschalluntersuchung weniger Reflexion und Dichte zeigte als erwartet, wurde die Richtung des KST temporär 2 Wochen lang umgedreht. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die Tatsache, dass das MagicTube-Modul eine zusätzliche optionale Knochenverlängerung ermöglicht, da die meisten Patienten mit segmentalen Defekten auch eine mehr oder weniger große Verkürzung aufweisen.

MagicTube-Modul ermöglicht gute Kontrolle des Transports, seiner Geschwindigkeit und Richtung

Im Rahmen des knöchernen Débridements beim Docking kommt es häufig zu einer weiteren Verkürzung. Aus diesem Grund strebt der Autor immer eine leichte Verlängerung an, wenn ein Docking-Eingriff mit Anfrischen der Knochenenden absehbar ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass selbst sehr kurze Hauptfragmente mit dieser Technik adressiert werden können (Abb. 34 und 5). Hier wäre die Platzierung von Schanz-Schrauben schwierig oder unmöglich.

Einschränkungen in der Beurteilung der Methode bestehen durch die bislang geringe Patientenzahl. Weitere Untersuchungen sind erforderlich.

Fazit für die Praxis

  • Das MagicTube-Modul ist einfach, ohne bewegliche Teile und kostengünstig herstellbar.

  • Es handelt sich um ein universelles modulares Konzept; der MagicTube ist mit jedem handelsüblichen Knochentransportnagel kombinierbar.

  • Bei Einsatz im Femur minimiert das Modul als inneres Verfahren das Risiko für Kniegelenkkontrakturen und -einsteifungen.

  • Das MagicTube-Modul erlaubt als weltweit einziges internes Verlängerungsimplantat den Übergang vom Segmenttransport in die optionale Beinverlängerung ohne zusätzlichen operativen Eingriff.