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Nach fehlgeschlagenen zellbasierten Eingriffen oder vorheriger fehlgeschlagener autologer Mosaikplastik ist die einzige zurzeit verfügbare biologische Therapie die Transplantation frischer osteochondraler Allografts (OCA). Wesentliche Einschränkung bei zylindrischen Transplantaten als Einzel-Plug oder in „snowman technique“ ist die beschränkte Fläche, die sinnvoll ersetzt werden kann. Dieser Herausforderung konnte mit der Weiterentwicklung im FLOCSAT-Konzept erfolgversprechend begegnet werden.

Grenzen der Knorpelheilung

Nach dem heutigen Verständnis sind Knorpeldefekte beim Erwachsenen nicht heilbar. Jedoch steht eine Reihe von Behandlungsoptionen für die Behandlung von idiopathischen oder traumatisch bedingten Knorpelläsionen zur Verfügung. Mikrofrakturierung (MF), autologe Chondrozytentransplantation (ACT), autologe matrixinduzierte Chondrogenese (AMIC) und andere Therapien sind wichtige Optionen zur Behandlung chondraler Läsionen. Bei großen subchondralen Läsionen, fehlendem intakten Knorpelrand [2, 4, 7, 11, 14], gegenüberliegenden („kissing“) Läsionen oder großen Knorpel-Knochen-Defekten (> 10 cm2) sind sie jedoch weniger geeignet. Die Heilung erfolgt hier über die Bildung eines Faserknorpels, dieser entspricht jedoch histologisch und somit auch biomechanisch nicht dem eines vollwertigen hyalinen Knorpels.

Gelenkersatz beim jungen Patienten

Beim älteren Patienten lassen sich mit den Möglichkeiten der modernen Endoprothetik hervorragende Ergebnisse in Bezug auf Mobilität, Schmerzreduktion und die Möglichkeit zur autarken Alltagsbewältigung erzielen. Beim jungen Patienten mit hohem Funktionsanspruch, insbesondere auch in Bezug auf sportliche Aktivitäten geht der alloarthroplastische Gelenkersatz mit deutlich kürzeren Standzeiten einher. Häufigere und immer komplexer werdende Wechseloperationen sind in diesen Fällen notwendig, die mit zunehmendem Substanzverlust sowie Bewegungs- und Mobilitätseinschränkungen einhergehen [24].

Osteochondrale Transplantate

Bereits 1908 wurden von Judet [16] und Lexer [20] die ersten freien Gelenktransplantationen am Menschen beschrieben. Jedoch waren die Ergebnisse gefäßgestielter Gelenktransplantationen unbefriedigend, und die Knorpeldestruktionen, die mit dem Versagen der Gefäßanastomosen an Tier und Mensch beobachtet wurden, waren auf chronische Abstoßungsvorgänge zurückzuführen [5, 9].

Das Prinzip der Transplantation frischer osteochondraler Allografts (OCA) besteht in der Übertragung von funktionell intaktem und vitalem Knorpelgewebe. Hierbei werden die metabolische Aktivität, sowie die extrazelluläre Matrix erhalten, mit dem Ziel der Übertragung eines osteochondralen Konstruktes, welches geometrisch, strukturell und funktionell die geschädigte osteochondrale Gelenkfläche ersetzt. Dabei wird hyaliner Knorpel auf einem Knochengerüst als vitaler Knorpelzellgewebeverbund auf den Empfänger übertragen [13].

„Fresh large osteochondral shell allograft transplantation“

Konzept

Das FLOCSAT-Konzept basiert auf der Transplantation dünner, geometrisch präzise zugeschnittener Empfänger-Spender-komplementär konfigurierter osteochondraler Transplantate. Darüber hinaus kann die Transplantation größerer oder kompletter bi- oder tripolarer Gelenkeinheiten die im Fall von kleineren fokalen Therapiemaßnahmen (z. B. OATS) auftretenden Größen- und Passungsprobleme (z. B. Krümmungsradien) umgehen, weil Topografie und Geometrie der miteinander als funktionelle Einheit entnommenen Gelenkpartner exakt passen, auch wenn Größenunterschiede zum Empfänger bestehen.

Zusätzlich lassen sich additiv bestehende ligamentäre und/oder meniskale Defektzustände mitversorgen. Die biologischen, immunologischen, logistischen und rechtlichen Grundlagen von Transplantatgewinnung, -lagerung, -verarbeitung und Transplantation sind komplex und aufwendig und wurden in einer vorangegangenen Arbeit dargestellt [18].

Prinzipien

  1. 1.

    Es wird vitales, immunprivilegiertes Knorpelgewebe auf einer mechanisch stabilen dünnen Knochenbasis übertragen. Die ossäre Schichtdicke sollte möglichst dünn gehalten werden (Ziel: 6–8 mm, sodass das Transplantat gerade noch stabil und fixierbar bleibt). Die Ziele sind: eine reduzierte Vaskularisationsstrecke, eine erleichterte Osseointegration sowie ein reduziertes immunogenes Knochenvolumen [19].

  2. 2.

    Die ossäre Oberfläche wird bearbeitet und vergrößert (oszillierende Säge: „pie crust technique“, Bohrungen), und gleichzeitig werden patientenseitig Sklerosezonen aufgebrochen.

  3. 3.

    Zellreduktion/Auswaschung mithilfe eines pulsierenden Wasserstrahls [11].

  4. 4.

    Vermeidung von Impaktion und Austrocknung: Knorpel und die darin lebenden Chondrozyten reagieren sehr sensibel auf mechanische Kontusion und Austrocknung. Beim Einbringen der Transplantate muss deshalb das Gewebe permanent befeuchtet und die einwirkende Kraft auf den Knorpel kontrolliert werden [1].

  5. 5.

    Stabile Fixierung: Bei den großflächigen uniplanaren osteochondralen Transplantaten gelingt es nicht, die Transplantate „press-fit“ einzubringen. Die Fixierung erfolgt dann mit kleinen Implantaten [3, 10].

Oberflächenersatz mit uniplanarem FLOCSAT

Diese uniplanare geometrische Konstellation findet sich v. a. an Patella und Tibiaplateau. An der Patella entstehen in erster Linie chondrale und kaum ossäre Defekte. Damit sind die Planung und die technische Durchführung des FLOCSAT relativ einfach.

Beispielhaft ist das Vorgehen in Abb. 1 dargestellt. Den Befund der axialen Magnetresonanztomographie (MRT) eines hochsymptomatischen 42-jährigen Patienten mit schwerem lateral betontem 4°-Knorpelschaden der Patellafacetten zeigt Abb. 1a. Der intraoperative Situs des Transplantates und der Empfängerpatella ist in Abb. 1b, c ersichtlich. Die uniplanare Osteotomie des FLOCSAT erfolgt mithilfe einer oszillierenden Säge (Abb. 1d). Das Transplantat wird mithilfe von 3 Schrauben fixiert (Abb. 1e, f). Im axialen Röntgenbild (Abb. 1f), das 3 Monate postoperativ aufgenommen wurde, ist die Kontaktlinie des Transplantates an der Empfängerpatella kaum identifizierbar. Der Screenshot der Daten einer von dem Patienten genutzten Schrittzähler-App vor und nach der Transplantation belegt die deutliche Zunahme der Mobilität (Abb. 1g, roter Pfeil zeigt den Operationstag). 15 Monate nach der Transplantation zeigen sich im MRT (Abb. 1h) ein geringer Erguss sowie die solide Osseointegration des FLOCSAT und normaler Gelenkknorpel. Der Lysholm Score stieg von 56 (präoperativ) auf 99 von 100 möglichen Punkten bei der Nachuntersuchung nach einem Jahr an.

Abb. 1
figure 1

Oberflächenersatz mit großflächigem uniplanarem osteochondralem Transplantat im Rahmen des FLOCSAT-Konzepts. (Erklärungen s. Text)

Die Durchführung am Tibiaplateau ist in Bezug auf die Schnitttechnik ebenfalls relativ einfach; intraoperative Planung und rotatorische Ausrichtung des FLOCSAT können trotzdem schwierig sein.

Oberflächenersatz mit multiplanarem FLOCSAT

Im Bereich der Trochlea oder der Femurkondylen würden uniplanare Schnitte zu sehr großen Transplantatdicken von mehreren Zentimetern führen. Deshalb müssen die Osteotomien an Empfänger und Spender multiplanar ausgeführt werden. Gleichzeitig müssen die Schnittflächen aber auch geometrisch exakt komplementär, d. h. spaltfrei, sein. Je komplexer die subchondrale geometrische Situation, desto anspruchsvoller und schwieriger werden das dünnschichtige Auslösen und das passgenaue komplementäre Zuschneiden des FLOCSAT. Dieser Zielkonflikt ist nicht einfach zu lösen (Kontakt vs. Schichtdicke, Abb. 2). Hier können individuell mechanisch einstellbare Sägelehren [6] oder individuell digital geplante und geprintete Schnittblöcke eingesetzt werden.

Beim eigenen Vorgehen wird bislang eine vom Erstautor speziell für FLOCSAT entwickelte multiplanare Kopier-Array-Schnitt-Technik verwendet, die separat beschrieben wird. Diese Technik erlaubt das geometrisch exakte multiplanare Zuschneiden von Empfängergelenk und FLOCSAT. Im Folgenden wird diese technisch schwierig zu lösende multiplanare Schnittkonstellation anhand von 3 Beispielen erörtert.

Femurkondyle.

Die Ausgangssituation ist eine schwere Degeneration des Kniegelenks (Abb. 2a: im Röntgenbild, b: im MRT). In der Anamnese gab der Patient therapieresistente Schmerzen im Bereich des medialen Kompartiments und femoropatellar an. Intraoperativ stellte sich der 4°-Knorpelschaden im Bereich der medialen Femurkondyle, der Trochlea und des medialen Tibiaplateaus bei degenerativ zerfasertem Restmeniskus (Abb. 2c, Grenzzone der Resektion markiert) dar. Das Spendertransplantat wurde mithilfe einer speziellen Kopier-Array-Technik komplementär zum Knochenprofil des resezierten Patienten mit einer Stichsäge herausgetrennt (Abb. 2d). Das Tibiatransplantat mit Meniskus, aber ohne Bänder (1M0L-FLOCSAT), ist in Abb. 2e dargestellt. Postoperative Röntgenbilder sind in den Abb. 2f, g, postoperative Computertomographieaufnahmen in Abb. 2h, j, k, sowie in einer Achsenaufnahme 3 Monate nach Transplantation in Abb. 2i ersichtlich. Im Rahmen der Nachuntersuchung nach 2 Jahren und nach Implantatentfernung wurden Röntgenkontroll- (Abb. 2l, m) und Funktionsaufnahmen (Abb. 2n) angefertigt.

Abb. 2
figure 2

Oberflächenersatz mit großflächigem multiplanarem (4–5 femorale Schnittebenen [4 medial, 1 lateral]) und bipolarem FLOCSAT mit Meniskus (M‑FLOCSAT) Erklärungen s. Text)

Oberes Sprunggelenk.

Die Röntgenaufnahmen des oberen Sprunggelenks (OSG) der 47-jährigen Patientin mit schwerer posttraumatischer Arthrose bei bereits fusioniertem Subtalargelenk zeigen Abb. 3a–c. Vorausgegangen war eine Verletzung im Rahmen eines Polytraumas vor mehreren Jahren. Die Patientin klagte über erhebliche Schmerzen und Bewegungseinschränkung (AOFA Score 45). Die schmerzfreie Gehstrecke war stark eingeschränkt. Die Befunde der schnittbildgebenden Computertomographie (CT) vor FLOCSAT sind in Abb. 2d–f ersichtlich. Die Konzeptplanung erfolgte gemäß Abb. 3b–g (rote Linien). In Abb. 3h–k, o, p sind die Befunde der postoperativen CT des tripolaren (Tibia, Talus, Fibula) multiplanaren FLOCSAT mit anhängendem, im Syndesmosenverbund belassenem dünnem Fibulatransplantat (Abb. 3g) dargestellt. Die Situation nach Teilimplantatentfernung zeigen Abb. 3m, n. Bei der Einjahresuntersuchung konnten eine zufriedenstellende aktive Beweglichkeit im OSG (Abb. 3q, r) und eine flüssige Treppenfunktionalität (Abb. 3l) dokumentiert werden (AOFA Score 89).

Abb. 3
figure 3

Tripolare L‑FLOCSAT am oberen Sprunggelenk. (Erklärungen s. Text)

Ellenbogen (Kondylen).

Nach traumatischer chronischer Radiusköpfchenluxation und frustranem Versuch, das Problem über eine extendierende Ulnaosteotomie zu lösen, stellte sich die Patientin mit einem zerstörten Radiohumeralgelenk vor. Es fanden sich klinische Zeichen von radialer Instabilität, Fehlstellung, eingeschränkter Beweglichkeit und Schmerzen (visuelle Analogskala, VAS, 6–8). In den Röntgenaufnahmen (Abb. 4a–c) imponierte die chronische Radiusköpfchenluxation mit Deformierung des Radiusköpfchens. Zweidimensionale CT-Rekonstruktionen zeigten eine schwere Destruktion und den knöchernen Substanzverlust (Abb. 4d, e rot). Das Prinzip der tripolaren FLOCSAT am Radiohumeralgelenk in Form der Transplantation des osseoligamentären Komplexes als funktionelle Einheit aus Radiusköpfchen und proximalem Radioulnargelenk inkl. Ringband und ulnarer Gelenkfläche, sowie Condylus radialis wird in Abb. 4f–h deutlich. Die Planung der Transplantation des osseoligamentären Komplexes, bestehend aus ausgefrästem Radiusköpfchen, ulnarem osteochondralem Knochenblock mit ulnarer Gelenkfacette und anhängendem Ringband, lateralem Kollateralband und Knochen-Chip vom radialen Epicondylus erfolgt, wie in der schematischen Darstellung Abb. 4g ersichtlich. Den Condylus radialis mit biplanarer, V‑förmiger Osteotomie und komplementärem FLOCSAT stellt Abb. 4h dar. Der intraoperative Situs mit deformiertem Radiusköpfchen, das sich nach tangentialer Osteotomie als blutend und vital zeigt, ist in Abb. 4i ersichtlich. In der radiologischen Verlaufskontrolle (Abb. 4j, k) nach einem Jahr und Zustand nach partieller Implantatentfernung können die solide Osseointegration des knöchernen Transplantatanteils und die Konsolidierung der Ulnakorrekturosteotomie bestätigt werden. Extension/Flexion 0/25/105° (Abb. 4l, m); Pronation/Supination 30/0/60° (Abb. 4n, o). Die Patientin konnte deutlich schmerzreduziert erfolgreich in den Arbeitsprozess reintegriert werden.

Abb. 4
figure 4

Tripolare L‑FLOCSAT am Ellenbogen. (Erklärungen s. Text)

Oberflächenersatz mit multipolarem und multiplanarem FLOCSAT

Häufig diktiert das Destruktionsmuster auch die Therapie des gegenüberliegenden Gelenkpartners, z. B. als bipolare FLOCSAT, wenn z. B. Femurkondyle und zugehöriges Tibiaplateau destruiert sind (Abb. 2) oder analog im Bereich von Trochlea und Patella (bipolares FLOCSAT).

Noch komplexere Destruktionsgeometrien finden sich am OSG (Abb. 3) oder am Ellenbogen (Abb. 4); hier kann eine tripolare FLOCSAT erforderlich sein.

Oberflächenersatz mit Menisko-Ligamentärem(ML-)FLOCSAT

Der posttraumatische Knorpelschaden geht häufig einher oder ist getriggert durch Fehlstellung und ligamentäre Instabilität, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Da die Knietransplantate im vorgestellten Wirkungsbereich alle mit Menisken und Bändern entnommen werden, stehen diese für die Rekonstruktion zur Verfügung. Insbesondere bei uni- und bipolarem Ersatz des Tibiaplateaus besteht ohnehin nahezu regelhaft ein schwerer Meniskusschaden.

Transplantation von OCA in Kombination mit dem Meniskus verbessert das Outcome

Die Menisken spielen im Kniegelenk eine zentrale Rolle für Lastverteilung, Schockabsorbtion, Knorpelbenetzung und bei der Prävention von degenerativen Veränderungen. Eine Knorpeltherapie ohne entsprechende Korrektur der Meniskuspathologie hat keine Aussicht auf dauerhaften Erfolg [12, 22]. Bei bestimmten Meniskuseinrissen mag Débridement oder das Anlegen einer Naht erfolgreich sein. Bei fehlendem Meniskus in den mechanisch entscheidenden Segmenten ist die Transplantation von Meniskus-Allografts im Kontext mit dem OCA die Therapie der Wahl. Im Fall einer Transplantation des Tibiaplateaus kann die Meniskusverankerung in situ bleiben und als Block in einer funktionellen Einheit transferiert werden. Studien haben gezeigt, dass die Transplantation von OCA in Kombination mit dem Meniskus die Ergebnisse verbessert ([12, 22]; Abb. 2).

Das zweizeitige Vorgehen für ein unipolares osteochondrales Transplantat inkl. Meniskus (M-FLOCSAT) bei Defektpseudarthrose des lateralen Tibiaplateaus ist in Abb. 5 ersichtlich.

Abb. 5
figure 5

Zweizeitiges Vorgehen für unipolares osteochondrales Transplantat mit Meniskus (M-FLOCSAT) bei Defektpseudarthrose des lateralen Tibiaplateaus. (Erklärungen s. Text)

Eine schematische Darstellung des Behandlungsverlaufs bei der zu Behandlungsbeginn 58-jährigen Patientin nach einem Reitunfall mit Tibiakopffraktur (AO-Klasse 41B3) der linken proximalen Tibia zeigt Abb. 5a–f [19]. Vier Tage nach dem Unfall erfolgte eine Osteosynthese mithilfe einer Kombination aus einer winkelstabilen Platte und von Zugschrauben über einen anterolateralen Zugang ohne Knochentransplantat. Nach einer dreimonatigen Teilbelastungsphase war der Übergang zur Vollbelastung wegen starker Schmerzen nicht möglich. Eine im weiteren Verlauf durchgeführte Arthroskopie mit Teilimplantatentfernung führte zu keiner Besserung. Es erfolgte eine Vorstellung in verschiedenen Kliniken in Deutschland; hier wurden der Patientin alternativlos Knieprothesen in Form eines Oberflächenersatzes oder von gekoppelten Prothesen empfohlen. Bei der Vorstellung in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) 7 Monate nach dem Unfall präsentierte sich die Patientin mit 2 Unterarmgehstützen und berichtete über starke Belastungsschmerzen (8 von 10 auf der VAS), Instabilität („giving way“) und zunehmende Valgusfehlstellung in den vergangenen Monaten. Die klinische Untersuchung ergab eine ausgeprägte Valgusdeformität (in Achsenaufnahmen 4,8°), nach Ausgleich der Fehlstellung stabile Bänder und einen geringen intraartikulären Erguss. Die Beweglichkeit betrug 0/0/120°. Die Röntgenaufnahme der proximalen Tibia (Abb. 5g) zeigte eine irreguläre Gelenklinie und weist auf einen großen Defekt im lateralen Tibiaplateau hin. In der CT imponierten eine Pseudarthrose in den posterioren Abschnitten des lateralen Plateaus und ein konischer 29 × 35 × 27 mm großer knöcherner zentraler Defekt (13,6 cm3).

Mit der Patientin wurden verschiedene Therapieoptionen diskutiert (alloarthroplastischer und biologischer Gelenkersatz in unterschiedlichen Formen und ein mehrschrittiges Knochenaufbaukonzept). Das Behandlungskonzept der Defektpseudarthrose (Abb. 5a) bestand aus Exploration, Débridement (Abb. 5b) und Transplantation eines großen verklemmten und damit stabilisierenden autologen, periostbehafteten, kortikospongiösen Knochentransplantates vom linken hinteren Beckenkamm (Abb. 5c, h). Die konkave periostbehaftete kortikospongiöse Seite des Transplantates wurde nach proximal ausgerichtet und diente als temporärer Gelenkersatz bis zur Ausheilung der Pseudarthrose (Abb. 5d). Sechs Monate nach dem autologen Defektaufbau und 14 Monate nach dem Unfall erfolgte im zweiten Schritt die FLOCSAT mit dem Transplantat eines 46-jährigen weiblichen Spenders über einen erweiterten posterolateralen Zugang (Abb. 5e). Das FLOCSAT (laterales Tibiaplateau) wurde zusammen mit dem Außenmeniskus transplantiert. Das knöcherne „FLOCSAT interface“ wurde mithilfe von Sägeschnitten oberflächenvergrößert; die Schlitze wurden mit feinem Spongiosamus und „bone morphogenetic protein“ (BMP, Osigraft®; Fa. Stryker, Duisburg) angereichert. Das FLOCSAT wurde mithilfe von Titan-Kirschner-Drähten und einer Kleinfragmentschraube fixiert.

Das Nachbehandlungsprotokoll beinhaltete passive Bewegung auf einer elektrischen Bewegungsschiene für mindestens 16 h/Tag und Teilbelastung von 15–20 kg über 3 Monate. Der postoperative Verlauf war unauffällig, nach 3 Monaten erfolgte der Übergang auf die Vollbelastung. Bis ein Jahr postoperativ wurden mäßige, später milde Schmerzen in kontinuierlich abnehmender Intensität beschrieben. Röntgenaufnahmen (Abb. 5i) und CT-Kontrollen 4 Monate postoperativ bestätigten die solide Osseointegration des FLOCSAT. Ein Jahr nach FLOCSAT wurde die Patientin im Rahmen der geplanten Implantatentfernung arthroskopiert (Abb. 5k). Dabei fanden sich im Vergleich zu den Voreingriffen nur noch eine milde Synovitis und die auch bei den Voreingriffen bereits identifizierten moderaten degenerativen Veränderungen. Der laterale Meniskus war stabil und zeigte keine degenerativen Veränderungen.

Der Knorpel im lateralen Tibiaplateau war von natürlichem Aussehen und wies bei der Untersuchung mit dem Tasthaken eine normale Konsistenz auf. Es wurde eine Knorpelbiopsie zur Gewebegewinnung für eine Chimärismusanalyse durchgeführt. Diese ergab, dass ein Jahr nach FLOCSAT die Zellprobe nur noch zu 68 % Spender-DNA und bereits zu 32 % Empfänger-DNA beinhaltete. Die klinische Untersuchung (Abb. 5m) nach einem Jahr zeigt eine gute Kniegelenkbeweglichkeit. Der Lysholm-Score betrug vor FLOCSAT 22 bis 26 Punkte, nach einem Jahr 81 und nach 2 Jahren 85 Punkte. Die Patientin ist wieder auf Ausgangsniveau rehabilitiert und betreibt Sport wie vor dem Unfall (Reiten, Trampolinspringen).

Schwere Begleitpathologien

Schwere posttraumatische oder postoperative Defektzustände lösen häufig neben der bereits angesprochenen Meniskuspathologie Probleme und pathologische Veränderungen in der Achsausrichtung, Bandinsuffizienz, Pseudarthrosen und Knochendefekte aus. Jede dieser Teilkomponenten muss im Behandlungsplan adressiert werden.

Achsenfehler

Die Erfassung von Fehlstellungen ist ein wichtiger Aspekt in der präoperativen Analyse bei FLOCSAT am Knie, die mithilfe von Ganzbeinaufnahmen unter Vollbelastung erfolgt. Die intraoperative Analyse der Beinachse erfolgt zum Beispiel mittels Kabeltechnik oder Achsstab [17]. Bekannt ist, dass sich das Transplantatüberleben über die Optimierung der mechanischen Achse und somit einer Reduktion der Belastung des Transplantates steigern lässt [8, 12]. Falls die mechanische Achse durch das betroffene Kompartiment läuft, wird in Ergänzung zur Transplantation in der gleichen Operation eine extraartikuläre Achsenkorrektur vorgenommen. In keinem Fall sollte die Korrektur durch die Wahl einer stärkeren Transplantatdicke erfolgen; dieses soll so dünn wie irgendwie möglich bleiben.

Liegt ein patellofemoraler Knorpelschaden vor, kann eine Versetzung der Tuberositas tibiae nach medial oder anteromedial die osteochondrale Transplantation ergänzend sinnvoll sein, um hierüber eine Reduktion der Druckbelastung der transplantierten Gelenkanteile zu erreichen und zusätzliche Phänomene wie „maltracking“ zu reduzieren [15].

Bandverletzungen

Im Rahmen der präoperativen Diagnostik (klinische Untersuchung, bildgebende Diagnostik) sollte unbedingt das Vorliegen einer begleitenden Bandinstabilität eruiert werden. Um die Erfolgsaussichten der FLOCSAT zu verbessern, ist es notwendig, dass vorbestehende signifikante rotatorische und translationale, gerade Instabilitäten identifiziert und je nach Grad der Pathologie simultan oder zweizeitig entweder mittels eines L‑FLOCSAT oder bandrekonstruierender Maßnahmen korrigiert werden [21]. Dies gilt im Bereich des Kniegelenks sowohl für Kreuzbänder, Instabilitäten am Femoropatellargelenk und posteromediale oder -laterale Instabilitäten [23], aber in analoger Weise auch an OSG und Ellenbogen.

Knochendefekt und Pseudarthrose

Im Fall von großen ossären subchondralen Knochendefekten nach Trauma, Resorption, Nekrose oder Voreingriffen sollten Korrektureingriffe nicht gleichzeitig mit dem FLOCSAT in einer Sitzung durchgeführt werden. Daher ist in solchen Fällen ein zweizeitiges Vorgehen notwendig. Die Defekte/Pseudarthrosen sollten in einem vorausgeschalteten Eingriff zum Knochenaufbau/zur knöchernen Konsolidierung angegangen werden. Für diese erste Phase sollten 6 Monate veranschlagt werden. Im Anschluss kann dann die FLOCSAT erfolgen (Abb. 5; [19]).

Komplikationen

Bezüglich der FLOCSAT-Versorgung gibt es eine Vielzahl von „pitfalls“. Diese umfassen sowohl operationstechnische Probleme wie die Verletzung von Bandstrukturen bei der Resektion des Empfängers (z. B. Läsion des hinteren Kreuzbands [HKB]), Transplantatfraktur (zu dünne Zubereitung), sowie nichtadressierte oder verbleibende Bandinstabilität und Achsenfehler. Weitere Probleme sind biologischer Natur und umfassen immunologische Reaktionen, welche über schmerzhafte Gelenkinflammation und eine ausgeprägte Synovitis zur Destruktion des Transplantates führen können. Eine ausbleibende Osseointegration ist ebenfalls möglich. Diese wurde bisher im eigenen Krankengut nicht beobachtet. Darüber hinaus kam es ebenfalls zu keinen Komplikationen durch Infekte im eigenen Krankengut. In 5 Fällen musste aufgrund von Komplikationen auf eine Endoprothese gewechselt werden.

Bislang wurden 17 Patienten nach dem FLOCSAT-Konzept behandelt, bei 13 Patienten kann ein Beobachtungszeitraum über 12 Monate überblickt werden. Bei diesen Patienten war vor der Therapie mit FLOCSAT bereits zum großen Teil die Indikation zur Endoprothese/Arthrodese gestellt oder diskutiert worden. Unter ihnen sind 4 Therapieversager, die eine Prothese erhalten haben. Von den restlichen 4 der 17 Patienten, die 2 Jahre und länger nachbeobachtet werden konnten, befindet sich ein Therapieversager, der eine Prothese erhalten hat.

Ausblick

Die Transplantation von frischem großflächigem osteochondralen Gewebe in seiner Sonderform der FLOCSAT stellt eine Bereicherung des rekonstruktiven Spektrums, v. a. im Fall von Patienten, bei denen ein alloarthroplastischer Gelenkersatz oder eine Versteifung bekanntermaßen ein schlechtes Outcomen hat, dar.

  • Positiv sind die guten klinischen Ergebnisse im Langzeit-Follow-Up insbesondere bei kleineren Transplantaten und die signifikanten Optimierungen im Bereich der Lagerung. Dies ermöglicht eine Verlängerung der Transplantationsintervalle auf 4 Wochen und länger. Vielversprechend ist auch die Tatsache der sicheren Osseointegration innerhalb eines kurzen Zeitraums von 3 Monaten. Dies ist am ehesten auf die vom Erstautor etablierte präzise und spaltarme Kopierzuschnitttechnik im Fall von komplex geformten multiplanaren Geometrien zurückzuführen.

  • Anders als bei der wenig problematischen Osseointegration ist das Verständnis für die komplexen Vorgänge bei Überleben oder Versagen des Transplantatknorpels geringer, und die Ergebnisse bezogen auf Knorpelvitalität und Funktionalität sind schlechter. Im Verlauf nach der Transplantation konnten regelhaft milde bis moderate Entzündungsreaktionen beobachtet werden. Diese werden auf immunologische Vorgänge zurückgeführt. Wenig verstanden ist hierbei die Rolle des als immunprivilegiert geltenden Knorpels.

  • Um die Passgenauigkeit im Fall der komplexen Geometrien weiter zu verbessern, wären für die Zukunft mechanische Abtrennverfahren für Empfänger und Spender wünschenswert, nicht zuletzt, um die bisher noch lange Operationsdauer zu reduzieren. Vielversprechende Ansätze sind hier v. a. präoperative digitale 3D-Planungskonzepte, patienten- und transplantatspezifische Schnitthilfen aus dem 3D-Drucker, Fräsroboter und die zeitliche Trennung/Vorschaltung des Transplantatzuschnitts.

  • Ein besseres Verständnis von Faktoren des Transplantaterfolges und -versagens wären wünschenswert, u. a. auch, um beobachtete moderate inflammatorische Reaktionen besser kontrollieren zu können.

  • Zwingend notwendig ist es auch, mit dem steigenden klinischen Erfolg des Verfahrens, den enormen logistischen, personellen und apparativen Aufwand finanziell entsprechend abzubilden und in den Vergütungskatalog zu etablieren.

  • Und schließlich muss daran gearbeitet werden, dass in der Bevölkerung, aber auch bei Ärzten und Pflegepersonal ein Bewusstsein für die Möglichkeiten sowie den Stellenwert einer Gewebespende und der Transplantation mit frischen OCA entsteht und gepflegt wird.