Zusammenfassung
Hintergrund
Das Outcome des Polytraumas ist bei begleitendem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) mit einer erhöhten Mortalität sowie erniedrigten Lebensqualität verbunden. Dies macht eine zielgerichtete Versorgung notwendig, wobei die zunehmende Spezialisierung in der Medizin die Rolle des Unfallchirurgen für das Management dieser Patienten infrage stellen könnte.
Fragestellung
Welche Faktoren müssen beachtet werden, um ein adäquates Behandlungsergebnis des Polytraumas mit begleitendem SHT zu erreichen? Wer soll die Verantwortung für das Management dieser Patienten tragen und wie weit reicht Management?
Material und Methode
Es erfolgte eine Literaturrecherche in der Medline-Datenbank über PubMed mithilfe medizinischer Schlagwörter („medical subject headings“) sowie Freitextsuche.
Ergebnisse
Entscheidend für das Outcome zeigten sich die Vermeidung von Hypotonie, die Anwendung prä- und innerklinischer Standards mit raschem Transport in geeignete Zentren, prioritätenbezogener Diagnostik und Therapie sowie strikter Befolgung der Prinzipien der Damage Control Surgery. International werden Patienten mit Polytrauma und SHT, bedingt durch die jeweiligen Traumasysteme, geographischen Gegebenheiten und vorhandenen Ressourcen, von unterschiedlichen Fachdisziplinen behandelt. Vergleiche der operativen und konservativen Versorgung durch unterschiedliche Fachdisziplinen zeigten jedenfalls vergleichbare Ergebnisse.
Schlussfolgerungen
Auch im Zeitalter der Standardisierung und des hohen Spezialisierungsgrades in der Medizin scheint der Unfallchirurg eine optimale Versorgung des Polytraumas mit begleitendem SHT erfüllen zu können. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Sicherstellung der prioritätenbezogenen Diagnostik und Therapie unter Einhaltung von Prinzipien der Damage Control Surgery.
Abstract
Background
Concomitant traumatic brain injury (TBI) increases mortality and reduces quality of life of polytrauma patients. These facts demand effective treatment strategies while the growing specialization of medicine is questioning the role of the trauma surgeon in the management of these patients.
Objectives
Which factors influence outcome of polytrauma with concomitant TBI? Who should be responsible for the management of these patients and what is the limit of management?
Materials and methods
A literature search using Medline via PubMed was performed with Medical Subject Headings and text word search.
Results
The crucial factors for outcome are absence of hypotension, adherence to pre- and in-hospital standards like fast transportation to appropriate centers, priority-based diagnostic and therapeutic strategies and strict adherence to principles of damage control surgery. Patients with polytrauma and TBI are treated by different specialties around the world based on the trauma system, geographic circumstances and resources. Investigations of operative and conservative management by different medical specialties showed comparable outcomes.
Conclusions
In an age of standardization and a high degree of specialization in the field of medicine, the trauma surgeon still seems to be able to ensure an optimal treatment of polytrauma and concomitant TBI by focusing on priority-based diagnostic and therapeutic strategies and adhering to principles of damage control surgery.
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Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und der hämorrhagische Schock sind die beiden häufigsten Todesursachen beim Polytrauma. Schon eine kurze Episode der Hypotonie verdoppelt die Mortalität des SHT. Gerade in Zeiten der zunehmenden Spezialisierung in der Medizin braucht es ein effizientes und effektives Management des Polytraumas mit begleitendem SHT, um ein gutes Behandlungsergebnis zu erzielen. Welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein und wer kann sie erfüllen?
Hintergrund und Fragestellung
Eine gute präklinische Versorgung und die Entwicklung von Traumazentren haben in den vergangenen Jahrzehnten nachweislich zu einer Halbierung der Mortalität beim Polytrauma geführt. Doch auch die Standardisierung von Abläufen mit optimierten präklinischen Prozessen und Regionalisierung des Gesundheitssystems mit spezialisierten Traumazentren haben ihre Grenzen. Patienten müssen das Traumazentrum zeitnah erreichen und Behandlungsentscheidungen letztlich von Menschen getroffen und durchgeführt werden. In mitteleuropäischen Traumazentren ist üblicherweise der Unfallchirurg der sogenannte „Traumateamleader“. Während in Mitteleuropa aufgrund zunehmender Spezialisierung die Unfallchirurgie immer mehr Gefahr läuft, an Spektrum zu verlieren, entwickelte sich in den USA „acute care surgery“, eine der Unfallchirurgie verwandte Fachdisziplin. Diese „acute care surgeons“ erfüllen primär die Rolle des Stabilisierens und Priorisierens und haben im Gegensatz zur mitteleuropäischen Unfallchirurgie ein vergleichsweise kleines operatives Spektrum. In vielen Ländern stellt statt des Chirurgen auch ein Notarzt oder Anästhesist die Speerspitze des Traumateams dar.
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Welches Wissen und welche Fertigkeiten qualifizieren für das Management des Polytraumas mit Schädel-Hirn-Trauma (SHT)?
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Wer soll die Verantwortung für das Management dieser Patienten tragen und wie weit soll dieses in jeweiliger Kompetenz gehen?
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Sind in Zukunft nur die Stabilisierung, Diagnostik und Vorbereitung für andere Fachdisziplinen die Aufgaben oder beinhaltet das Akutmanagement auch die operative Therapie der Patienten mit mehr oder weniger Konsultation anderer Fachdisziplinen?
Im Folgenden werden die Fragestellungen anhand von internationaler Literatur diskutiert und ein wissenschaftlich fundierter Boden für diese standespolitischen Glaubensfragen geschaffen.
Ausgangslage – Mortalität und Outcome
Das SHT ist die Haupttodesursache beim Polytrauma gefolgt vom hämorrhagischen Schock. Die Letalität des Polytraumas, definiert als Mehrfachverletzung mit einem Injury Severity Score (ISS) ab 16, liegt international zwischen 18 und 23 % im Vergleich zu 37 % in den 70er Jahren [14, 34, 36]. Das schwere SHT ohne Begleitverletzungen hat eine Letalität von durchschnittlich 30 % [24, 26, 28]. Der Einfluss schwerer Mehrfachverletzungen auf ein SHT zeigt sich durch die Steigerung der Letalität mit Werten bis zu 46 % [26].
Schwere Mehrfachverletzungen bei SHT steigern die Letalität mit Werten bis zu 46 %
Die Behandlungsergebnisse von Polytrauma mit SHT sind deutlich schlechter als ohne begleitendes SHT. Eine Untersuchung von Gross et al. [21] zeigte, dass selbstständiges Leben, gemessen mit der Glasgow Outcome Scale (GOS) von 4 und 5, bei 95 % der überlebenden Polytraumapatienten möglich war, während nur 71 % der überlebenden Polytraumapatienten mit schwerem SHT einen GOS-Wert von 4 oder 5 erreichten. Ein hohes Patientenalter beeinflusst das Ergebnis des schweren SHT überdies negativ. In einer Metaanalyse von Hukkelhoven et al. [24] zeigte sich ab einem Alter von 55 Jahren bei der Mehrzahl der Patienten ein unzufriedenstellendes Ergebnis.
Outcomefaktoren
Als wichtigste Einflussgröße auf die Letalität des SHT beim Polytrauma zeigte sich die Hypotension, wobei schon eine Episode von systolischem Blutdruck <90 mm Hg die Mortalität verdoppelt [5]. Weiter beeinflusst Hypoxie das Behandlungsergebnis negativ, weshalb eine Sauerstoffsättigung >90 % und Sauerstoffpartialdruckwerte >60 mm Hg empfohlen werden [2]. Therapieziele bei Polytrauma mit SHT sind in Infobox 1 aufgelistet. Ein direkter Einfluss auf das schwere SHT durch extrakranielle Verletzungen ohne begleitende hämodynamische/respiratorische Instabilität konnte bisher nicht identifiziert werden [28].
Infobox 1 Therapieziele beim Polytrauma mit SHTa
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Systolischer Blutdruck >90 mm Hg
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Sauerstoffsättigung >90 %
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Sauerstoffpartialdruck >60 mm Hg
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Kranialer Perfusionsdruck (CPP) >70 mm Hg (CPP = MAP − ICP)
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<4 h bis zur operativen Versorgung des SHT
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Gerinnungsoptimierung/Antidot bei bekannter Antikoagulation
aZur Vermeidung sekundärer Schäden durch zerebrale Hypoperfusion mit Verschlechterung der primären Schäden und Ausbildung eines Hirnödems
SHT Schädel-Hirn-Trauma, MAP mittlerer arterieller Druck, ICP intrakranieller Druck
Nicht direkt beeinflussbar, aber in Therapieentscheidungen mit einzubeziehen, sind patientenbezogene Faktoren wie Alter, Begleiterkrankungen und Allgemeinzustand.
„Time is brain“
Verbesserungen im Rettungswesen haben zu einer starken Senkung der Mortalität beim Polytrauma in den vergangenen Jahrzehnten geführt. Dabei scheint der Zeitgewinn der wichtigste Parameter für das Outcome zu sein [34, 36]. Zahlreiche Studien zeigen, dass ein Zeitverlust vor der operativen Versorgung mit einer erhöhten Mortalität einhergeht. Hierbei wurde in der Literatur eine Grenze von 4 h als kritische Zeitmarke zwischen Unfall und operativer Versorgung angegeben [38, 39]. Auf dieser Basis empfehlen Leitlinien und zahlreiche Autoren eine Vermeidung zeitaufwendiger Sekundärtransporte [1, 18].
Traumazentrum als Lösung aller Probleme
Die Bildung von Traumazentren und Festlegung von Kriterien für den Transport in ein solches hat erwiesenermaßen zur Mortalitätsreduktion Schwerverletzter beigetragen [22]. Sekundärtransporte und damit Zeitverlust bis zur operativen Versorgung konnten durch eine solche Regionalisierung der Versorgung und Bildung von Netzwerken verringert werden [4, 22, 36]. Die Definition von Traumazentren mit entsprechenden Levels ist in Tab. 1 aufgeführt.
Im Falle des Polytraumas mit SHT wird durch die Anwendung regionaler Kriterien meist ein direkter Transport in ein Level-I-Traumazentrum angestrebt [18]. Dort sollten definitionsgemäß Neurochirurgen zu jeder Zeit verfügbar sein. Doch die Realität zeigt, dass nicht alle Polytraumapatienten in ein Zentrum der Maximalversorgung transportiert werden können [30] und Neurochirurgen nicht immer verfügbar sind [37]. Dies kann neben Ressourcenknappheit durch direkte Hindernisse für den Transport bedingt sein, wie geographische Bedingungen oder Witterungseinflüsse im Falle der Notwendigkeit eines luftgebundenen Transports.
Prioritäten setzen
Durch die Verbreitung von Advanced Trauma Life Support (ATLS) ist das standardisierte Management von Polytraumatisierten in Traumazentren ein globaler Standard geworden. Der positive Effekt der Standardisierung der Abläufe und Rollenverteilung in Traumateams konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden [4, 8, 36]. Insbesondere gelang eine Reduktion der frühen Mortalität durch hämorrhagischen Schock [10]. Die Behandlung von Schwerverletzten in Traumazentren wird inzwischen weltweit durch Traumateams mit festgelegtem Traumateamleader geführt. Die Rolle des Traumateamleaders besteht darin, primär den Überblick über die Gesamtsituation des Patienten zu bewahren und prioritätenbezogene Diagnostik und Therapie einzuleiten.
In Mitteleuropa ist traditionell der Unfallchirurg Traumateamleader. International teilen sich Notärzte, Allgemeinchirurgen, Anästhesisten und Unfallchirurgen die Rolle des Traumateamleaders. Untersuchungen zu den Behandlungsergebnissen bezogen auf die führende Fachdisziplin kamen zu keinen signifikanten Unterschieden [9, 19]. Diese Ergebnisse legen nahe, dass der Unfallchirurg bei der Akutversorgung von Schwerverletzten durch standardisierte Systeme ersetzbar wäre. Dem entgegengesetzt sind Untersuchungen aus den USA, welche bessere Outcomes zeigten, wenn erfahrene Unfallchirurgen unmittelbar verfügbar waren [23].
Damage control surgery
Die Kenntnis des Damage-control-surgery(DCS)-Prinzips ist für den Traumateamleader unumgänglich, um ein gutes Behandlungsergebnis bei der Versorgung von Schwerverletzten zu erreichen [26, 33].
In der Unfallchirurgie sowie Orthopädie ist weltweit das DCS-Prinzip zentraler Ausbildungsinhalt und schon zu einem frühen Ausbildungsstand bekannt [12]. Dadurch sind Unfallchirurgen mit prioritätenbezogener Diagnostik und Therapie auf Basis von Schadensbegrenzung und „treat first what kills first“ im Schockraum vertraut [17].
DCS beinhaltet die umfassende Beurteilung des zu erwartenden Outcomes unter Miteinbeziehung aller Faktoren. Für Patienten mit Polytrauma und SHT kann das den entscheidenden Unterschied zwischen einem Überleben mit möglichen neurologischen Defiziten oder dem Schicksal eines Apallikers bedeuten. Unter Anwendung der in der Ausbildung erlernten DCS-Prinzipien sind Unfallchirurgen gut ausgestattet, um eine Gesamtsituation schnell einschätzen zu können, Entscheidungen zu treffen und entsprechende Schritte einzuleiten.
Geographischer Einfluss auf das Outcome
In Australien gibt es aufgrund der geographischen Gegebenheiten mit großen Distanzen zwischen Krankenhäusern trotz regionalisiertem Strukturplan für das Transportwesen die Notwendigkeit der neurotraumatologischen Versorgung durch andere Fachdisziplinen als die der Neurochirurgie. Zahlreiche Studien untersuchten die Ergebnisse von Allgemeinchirurgen, die ein SHT operativ versorgten und konnten vergleichbare Ergebnisse für die Versorgung von Subdural- und Epiduralhämatomen zeigen [20, 29].
Leitlinien für das Management des Neurotraumas in ländlichen Regionen der Neurosurgical Society of Australasia empfehlen die selbstständige operative Versorgung durch alternative Fachärzte, wenn eine Zeitverzögerung von mehr als 2 h bis zu einer Versorgung durch Neurochirurgen zu erwarten ist [32]. Eine rezente schwedische Untersuchung der Ergebnisse neurotraumatologischer Operationen, welche aufgrund erwarteter langer Transportzeiten durch Allgemeinchirurgen durchgeführt wurden, ergab die Empfehlung, dieses Vorgehen beizubehalten [16].
Einfluss von Ressourcen auf das Outcome
Zahlreiche internationale Studien, insbesondere aus den USA, zeigen Versorgungsengpässe durch einen Mangel an Neurochirurgen und auch durch begrenzte Verfügbarkeit anderer Fachdisziplinen auf [1, 37].
Unter diesen Voraussetzungen entwickelte sich in den vergangenen Jahren in den USA die Fachdisziplin „acute care surgery“. Die Aufgaben des „acute care surgeon“ sind primär die hämodynamische Stabilisierung und das akute Management von Patienten mit allgemeinen sowie unfallchirurgischen Eingriffen [35]. Im Unterschied zum mitteleuropäischen Unfallchirurg wird ein großer Teil der Patienten von „acute care surgeons“ nicht selbst operiert, sondern für andere Fachdisziplinen vorbereitet. Es gibt jedoch aufgrund der mangelhaften Verfügbarkeit von Fachärzten in den USA Stimmen, die ein größeres operatives Spektrum, inklusive Neurotraumatologie, für „acute care surgeons“ einfordern [3, 6]. Damit zeichnet sich nach Studienlage in den USA aufgrund von Ressourcenmangel eine Entwicklung weg von „Spezialistentum“ zurück zum „Generalistentum“ ab. Gleichzeitig scheint aber das relativ junge Fach „acute care surgery“ ein Image- und damit konsekutiv auch Nachwuchsproblem zu haben [31].
Der „acute care surgeon“ sorgt für hämodynamische Stabilisierung und das akute Patientenmanagement
Es ist davon auszugehen, dass auch in Mitteleuropa finanzielle Ressourcen für den Medizinsektor eher reduziert als ausgeweitet werden und in der Folge ein zunehmender Fachärztemangel bevorsteht. In Österreich besteht zum jetzigen Zeitpunkt ein Verhältnis von ca. 1600 Fachärzten für Unfallchirurgie zu ca. 190 Fachärzten für Neurochirurgie an 65 unfallchirurgischen und 11 neurochirurgischen Abteilungen.
Interdisziplinäre Neurotraumatologie
Für die Versorgung des leichten und mittelschweren SHT sind Neurochirurgen meist nur konsiliarisch in die Behandlung eingebunden und auch das konservative Management des schweren SHT wird oftmals nicht an neurochirurgischen Fachabteilungen durchgeführt [15].
In Österreich wird das SHT traditionell von Unfallchirurgen behandelt, wobei auch Kraniotomien, Bohrlochtrepanationen und die Implantation von Hirndrucksonden von Unfallchirurgen durchgeführt werden. Eine Studie von Drobetz et al. [11] zeigte, dass in Österreich 82 % der Patienten mit schwerem SHT von unfallchirurgischen Abteilungen versorgt wurden. Bei einer noch nicht publizierten telefonischen Umfrage, welche durch die Autoren der vorliegenden Arbeit 2016 durchgeführt wurde, gaben nur noch 48 % der 65 unfallchirurgischen Abteilungen in Österreich an, das schwere SHT auch operativ zu versorgen. Von diesen Abteilungen gaben weitere 12 % an, nur im Notfall selbstständig zu operieren, sodass derzeit 36 % der österreichischen Unfallchirurgien das schwere SHT selbstständig operativ versorgen. Weiter gab der Großteil der Abteilungen, die das schwere SHT nicht operieren, an, dass auch beim mittelschweren SHT routinemäßig eine teleradiologische Konsultation durch angebundene neurochirurgische Abteilungen erfolgt. Damit zeigt sich auch in Österreich, welches lange an der eigenständigen Unfallchirurgie festhielt und erst 2015 den Facharzt für Unfallchirurgie aufgab, ein Trend in Richtung interdisziplinärem Management des SHT, wobei die Abdeckung einer solchen Versorgungsstrategie nicht gewährleistet ist.
Es gibt nur wenige kontrollierte/randomisierte Studien mit einem Vergleich zwischen neurotraumatologischer Versorgung und der Versorgung durch andere Fachdisziplinen. Für die sichere Implantation von Hirndrucksonden inklusive ventrikulärer Drainagen durch andere Fachdisziplinen als Neurochirurgen gibt es vergleichende Untersuchungen [13, 25]. Darüber hinaus gehende operative Eingriffe durch alternative Fachärzte als Neurochirurgen wurden in Studien meist mit nationalen oder internationalen Ergebnissen verglichen und kamen mehrheitlich zu dem Schluss, dass die Ergebnisse vergleichbar sind [20, 29].
Die einzige prospektiv-vergleichende Studie wurde durch die International Neurotrauma Research Organization (INRO) multizentrisch in der Slowakei, Kroatien und Österreich durchgeführt. Der Vergleich der Ergebnisse von Kraniotomien durch Unfall- und Neurochirurgen bei isoliertem schwerem SHT zeigte keine signifikanten Unterschiede bzgl. der Mortalität. Auffallend war aber ein niedrigerer Glasgow Outcome Scale in der neurochirurgischen Gruppe, wobei diese Gruppe allerdings auch eine höhere Verletzungsschwere aufwies. Die Rate der postoperativen Nachblutungen war in der Gruppe der von Unfallchirurgen versorgten Patienten etwas höher, jedoch ohne signifikante Auswirkung auf die Mortalität. Insgesamt zeigten sich somit bei durch Unfallchirurgen und Neurochirurgen versorgtem SHT vergleichbare Resultate [27].
Schlussfolgerungen
Auch im Zeitalter der Standardisierung und des hohen Spezialisierungsgrads in der Medizin steht der Unfallchirurg im Zentrum der Versorgung beim Polytrauma mit begleitendem SHT. Die Kernkompetenz des Unfallchirurgen ist das Sicherstellen der prioritätenbezogenen Diagnostik und Therapie, denn dies erfordert breite Kenntnis und Fertigkeiten, welche in mitteleuropäischen Systemen mit einer gewachsenen allgemeinen Unfallchirurgie strukturell noch gegeben sind.
Die Grenzen der operativen Versorgung des Polytraumas und schweren SHT durch Unfallchirurgen werden auch weiterhin durch Systemfaktoren vorgegeben und unterstehen zudem zunehmend einem ressourcenabhängigen Wandel. Durch die Verschlechterung des Outcomes durch Zeitverzögerungen vor einer Operation wird auch in Zukunft eine operative Versorgung des schweren SHT durch zeitnah verfügbare Unfallchirurgen unumgänglich sein. Will man vermeiden, dass in Zukunft ein potenzieller Mangel an Spezialisten zu einer Gefahr für die Versorgung schwer verletzter Patienten wird, heißt es, der Rolle des Unfallchirurgen beim Polytrauma und SHT entsprechendes Gewicht zu geben. Auf dieser Grundlage muss für eine adäquate Ausbildung zukünftiger Unfallchirurgen gesorgt und die Verantwortlichen in Politik und Standesvertretungen in die Pflicht genommen werden.
Die Autoren der vorliegenden Arbeit bekennen sich klar zu einer umfassenden unfallchirurgischen Akutversorgung von Patienten mit Polytrauma und SHT mit einer bedarfsorientierten fachüberschreitenden Zusammenarbeit im Sinne einer Sekundärversorgung, welche hinsichtlich des Behandlungsergebnisses auch vereinbar und sinnvoll ist.
Fazit für die Praxis
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Hypotension ist die wichtigste Einflussgröße auf die Letalität des SHT beim Polytrauma.
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Der Traumateamleader muss die entscheidenden Outcomefaktoren zur Vermeidung eines sekundären Hirnschadens kennen (Vitalparameter, Zeit).
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Kernkompetenz des Unfallchirurgen ist das Sicherstellen der prioritätenbezogenen Diagnostik und Therapie sowie Einhaltung der Prinzipien der Damage Control Surgery.
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Neurotraumatologie kann von Unfallchirurgen mit guten Ergebnissen praktiziert werden.
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Antoni, A., Heinz, T. & Leitgeb, J. Polytrauma und begleitendes Schädel-Hirn-Trauma. Unfallchirurg 120, 722–727 (2017). https://doi.org/10.1007/s00113-017-0354-x
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