Hintergrund

Die operative Behandlung der dislozierten distalen Fibulafraktur (nach Weber [1] oder Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) [2]) kann beim älteren Patienten durch systemische Faktoren wie Osteopenie/Osteoporose und Komorbiditäten (bspw. Immunsuppression, Diabetes mellitus, Blutverdünnung) sowie lokoregionäre Faktoren (kritische Weichteilsituation, PAVK) erheblich kompliziert werden. In der Literatur finden sich bei diesem Patientenkollektiv entsprechend hohe Komplikationsraten von bis zu 30 % [3, 4].

Im Folgenden wird die Technik zur minimal-invasiven Versorgung mithilfe einer ballongestützten intramedullären Osteosynthese vorgestellt. Durch den limitierten operativen Zugang sowie die hohe Primärstabilität sind potenziell auftretende Sekundärkomplikationen zu reduzieren. Insbesondere entfällt der sekundäre Weichteilschaden durch die chirurgische Exposition der Fraktur sowie potenzielle Wundheilungsstörungen über dem Plattenlager. Auch können durch eine frühe Mobilisation Thrombosen oder sekundäre inaktivitätsosteoporotisch bedingte Probleme an der betroffenen Extremität reduziert werden.

Klassifikation und Operationsindikation

Nach Lauge-Hansen [5] zeigen sich in der Genese der Sprunggelenkfrakturen 2 Komponenten hauptverantwortlich:

  • die Position des Fußes zum Unfallzeitpunkt (Pronation bzw. Supination) und

  • die Richtung der Gewalteinwirkung (Abduktion, Adduktion oder Außenrotation).

Abhängig von der Stärke der Krafteinwirkung kann die Schwere des Traumas von einer rein ligamentären Verletzung bis hin zur komplexen Sprunggelenkfraktur reichen. In den weiterführenden Klassifikationen nach Danis-Weber und der AO orientiert sich die Einteilung an der Frakturhöhe im Bezug zur Syndesmose, wobei der Traumamechanismus hier weiterhin respektiert wird.

Bei der Indikation zur Operation gilt es, neben der Kortikalisunterbrechung und dem Schaftversatz das Alter des Patienten und seine Nebenerkrankungen zu berücksichtigen. Der Charlson-Comorbidity-Index (CCI [6, 7]) sowie der Charlson-Age-Comorbidity-Index (CACI [8]) quantifizieren Begleiterkrankungen und ihre Auswirkung auf das peri- und postoperative Outcome sowie die Mortalität. Mit jeder Altersdekade ab dem 40. Lebensjahr zeigte sich ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko von 1,42 % und mit jeder Nebenerkrankung ein weiterer Anstieg um 1,46 %. Zusätzlich erhöht sich die Komplikationsrate bei der Versorgung von Sprunggelenkfrakturen bei Diabetes mellitus [9, 10] und bei vorhandenen Erkrankungen des peripheren Gefäßsystems [11].

Fallbeschreibung

Wir präsentieren den Fall einer 89-jährigen alleinversorgenden Patientin, die nach einem Umknicktrauma (Supination/Außenrotation nach Lauge-Hansen) aufgrund von Schmerzen im linken oberen Sprunggelenk (OSG) sowie Gangunfähigkeit durch den Rettungsdienst in unsere Notaufnahme eingeliefert wurde. Klinisch präsentierte sich die Patientin mit Druckschmerzen über dem Malleolus lateralis sowie den Ligg. talofibulare anterius, talofibulare posterius und calcaneofibulare. Hier zeigte sich auch eine deutliche Schwellung, der Bewegungsumfang nach der Neutral-Null-Methode betrug in Dorsalextension/Plantarflexion 0‑0-20. Pronation und Supination im OSG konnten wegen Schmerzen nicht suffizient geprüft werden. Am ipsilateralen Fuß besteht ein Hallux valgus sowie mehrere Hauterosionen in den Interdigitalräumen DI bis DV sowie dorsal über den distalen Interphalangealgelenken II bis V. In der Bildgebung mit konventionellem Röntgen („mortise view“ und streng seitlich) zeigte sich eine dislozierte Fraktur nach Weber Typ B, nach AO Typ 44B1 (Abb. 1). Anamnestisch bestanden neben der Historie einer Mammakarzinomerkrankung eine manifeste Osteoporose, eine Aortenklappenstenose, ein AV-Block Grad 1 sowie eine Makuladegeneration.

Abb. 1
figure 1

Frakturstellung am Tag des Traumas

Die Kalkulation des modifizierten Charlson-Scores ergab damit 3 Punkte. Bei zusätzlicher Gewichtung des Alters der Patientin mithilfe des CACI ergaben sich 7 Punkte, die einem Risiko von 13,37 (4,81–37,22% bei einem Konfidenzintervall von 99 %) 5 Jahre postoperativ zu versterben, entsprechen. Es wurde daher die Indikation zur operativen minimal-invasiven Versorgung mittels IlluminOss gestellt.

Operationsablauf

Die Operation erfolgt in Rückenlage und Allgemein- oder Spinalanästhesie. Nach sterilem Waschen der gesamten ipsilateralen unteren Extremität in sprunggelenktypischer Weise und dem Abdecken mit sterilen Tüchern sowie dem Abkleben der Zehen erfolgt das Anzeichnen der anatomischen Landmarken sowie der geplanten Stichinzision am distalen Fibulapol (Timecode 3:17). Nach dem „team time out“ erfolgt die Inzision der Haut über eine Länge von 2 cm. Die korrekte Lage der Inzision wird unter dem Bildverstärker/Bildwandler (BV) kontrolliert. Danach wird das subkutane Gewebe bis zum distalen Fibulapol stumpf präpariert (Timecode 3:28). An der Fibulaspitze wird der Markraum mit einer geraden Ahle bildwandlerkontrolliert eröffnet (Timecode 3:35).

Nach Entfernen der Eröffnungsahle wird eine kanülierte Ahle (4,0 mm) zum Einbringen des intramedullären Führungsdrahts in den eröffneten Markraum eingebracht (Timecode 3:54). Hier ist darauf zu achten, dass mit der kanülierten Ahle der Frakturspalt überbrückt wird, um so ein sicheres intramedulläres Positionieren des Führungsdrahts zu gewährleisten. Es folgen das Einbringen und Vorschieben des intramedullären Führungsdrahts über den Frakturspalt in den Fibulaschaft, wobei die korrekte Lage des Drahts mittels BV in 2 Ebenen geprüft wird (Timecode 4:04). Im nächsten Operationsschritt erfolgt über den Führungsdraht das kanülierte Aufbohren des Fibulamarkraums auf mindestens 4,5 mm (Timecode 4:08). Anschließend erfolgt die Bestimmung der endgültigen Implantatlänge. Zur Bestimmung der richtigen Länge des IlluminOss-Implantats muss die Fibula vom Malleolus lateralis bis zur Fraktur gemessen werden. Das IlluminOss-Implantat muss die gesamte Länge der Fraktur überbrücken. Im vorliegenden Fall wird ein 180 mm langer und 9 mm dicker Ballonkatheter gewählt. Im nächsten Schritt wird ein Dilatator mit Schleuse über den Führungsdraht in den Markraum eingebracht. Schleuse und Dilatator dienen dem Schutz des Implantats, um Beschädigungen des Implantats an den Kortikalisrändern vorzubeugen und die Einbringung zu erleichtern (Timecode 4:23). Nach korrektem Positionieren der Schleuse können Draht und Dilatator entfernt werden.

Im Folgenden wird durch die instrumentierende Schwester das Originalimplantat in den Sterilbereich übernommen und vorbereitet. Hierfür wird zunächst der Ballonkatheter mit der dezidierten 20-ml-Spritze über das Luerlock konnektiert und mit der Spritze ein Vakuum aufgezogen, bis das Implantat vollständig entlüftet ist. Anschließend wird der Dreiwegehahn geschlossen und der Vorgang wiederholt, bis der Ballonkatheter sicher entlüftet ist. Nach Schließen des Dreiwegehahns wird überprüft, ob das Implantat das Vakuum aufrecht hält. Ballonkatheter, die das Vakuum nicht aufrechterhalten, müssen verworfen und dürfen nicht implantiert werden.

Es wird nun gemäß Herstellerangaben das Monomer in die dezidierte Spritze transferiert. Dabei ist darauf zu achten, dass eine Lichtexposition (natürliches Licht) im OP reduziert wird, um ein vorzeitiges Aushärten des Monomers zu verhindern. Die Spritze wird über das Luerlock an den Ballonkatheter angeschlossen und die Schutzhülse des Ballons ca. 15 mm in Richtung Spritze zurück geschoben und so der proximale Ballon freigelegt. Nach Öffnen des Dreiwegehahns wird das Monomer über die gesamte Länge des Ballonkatheters verteilt und der proximale Katheteranteil leicht aufgedehnt. Es wird anschließend wieder das gesamte Monomer aus dem Katheter abgezogen.

Nach Abschluss der Implantatvorbereitungen wird nun die Schutzhülse vom Ballonkatheter entfernt und dieser über die einliegende Schleuse unter BV-Kontrolle bis zur gewünschten Tiefe in den Markraum eingebracht (Timecode 4:38). Es kann nun eine endgültige Reposition der Fraktur mittels einer perkutan angebrachten Spitz-Spitz-Repositionszange erfolgen.

Es folgen das Anschließen der Lichtquelle (Timecode 5:10) und das Befüllen des Ballons mit dem Monomer (Timecode 5:12). Das Implantat gilt als ganz gefüllt, wenn man den Spritzenkolben nicht weiter vorschieben kann. Nach Schließen des Sperrhahns und dem Einbringen der Lichtquelle kann nach nochmaliger BV-Kontrolle der photodynamische Aushärteprozess beginnen. Je nach Implantatlänge variiert die Dauer des Aushärteprozesses. Bei dem gewählten Katheter betrug die Aushärtephase 400 s (Timecode 5:28).

Nach dem Aushärten wird die Lichtquelle entfernt (Timecode 5:36) und der Nagelüberstand mit einer chirurgischen Schere gekürzt (Timecode 5:43). Mit dem Stabilisatorinstrument (Timecode 5:51) und dem Gleithammer (Timecode 6:04) wird das Implantat anschließend auf Knochenniveau gekürzt und der Überstand entfernt. Es erfolgen die abschließende Bildwandlerkontrolle sowie die Untersuchung der Stabilität der Syndesmose in Flexion-Supination im oberen Sprunggelenk. Sollte die Einbringung einer Stellschraube erforderlich sein, kann diese in üblicher Weise implantiert werden, sie wird dabei durch den Ballonkatheter gebohrt. Abschließend erfolgt der Verschluss des Situs.

Postoperative Behandlung

Postoperativ empfehlen wir den Patienten, die betroffene Extremität zu kühlen und hoch zu lagern. Die Bewegung im oberen und unteren Sprunggelenk ist nicht limitiert. Die Patienten dürfen ab dem 1. postoperativen Tag schmerzadaptiert voll belasten. Zur Stabilisierung empfehlen wir das Tragen eines VacoPed-Stiefels für 6 Wochen. Eine medikamentöse Thromboseprophylaxe ist nur notwendig, wenn die Patienten an Unterarmgehstützen bei Gangunsicherheit oder postoperativen Schmerzen entlasten müssen. Im Verlauf werden die Patienten in der 6. und 12. postoperativen Woche als auch nach 6 Monaten (Abb. 2) und ein Jahr postoperativ zu einer klinisch-radiologischen Verlaufskontrolle in einer unsere Sprechstunden eingeladen.

Abb. 2
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Stellungskontrolle nach 6 Monaten

Fehler, Gefahren, Komplikationen

Generell handelt es sich bei dem Verfahren um eine Prozedur geringen Schwierigkeitsgrades. Fehlerquellen liegen im Wesentlichen im Handling des Implantats begründet. Hier sind im Wesentlichen die ausführlich beschriebene Vorbereitung des Implantats und das Untersuchen auf Integrität des Ballons zu nennen. Bei schadhaftem Implantat kann das Monomer potenziell in den Markraum auswandern und so eine suffiziente Stabilisierung unmöglich machen. Weitere Probleme können aus einem vorzeitigen Aushärten des Monomers resultieren. Hier gilt es, penibel auf die Reduktion von natürlichem Licht im Operationssaal zu achten.

Als weitere Gefahrenquelle, die zu Komplikationen führen kann, ist die verspätete Korrektur der Ballonposition bzw. Frakturreposition zu nennen. Sollte eine Korrektur nach BV-Kontrolle notwendig sein, darf diese nur vor Initiieren des photodynamischen Aushärteprozesses erfolgen. Es muss dann das Monomer erneut komplett aus dem Ballon abgezogen werden. Erst dann dürfen der Ballon neu positioniert oder die Fraktur reponiert werden. Versucht man jedoch, einen vollständig gefüllten Ballon neu zu positionieren, kann das Implantat beschädigt werden und so ein Implantatversagen eintreten.

Als letzte wichtige Gefahrenquelle sei erwähnt, dass der Aushärtungsprozess nicht gestoppt bzw. die Lichtleiterfaser bis zum Ablauf des Timers nicht entfernt werden darf.

Bisherige Ergebnisse

Bei den bisher durch uns durchgeführten Osteosynthesen der distalen Fibula mithilfe des IlluminOss-Ballonkatheters zeigten sich keine Komplikationen. Weder eine Materialentfernung noch eine Reosteosynthese bei sekundärer Dislokation der Fraktur waren bisher notwendig. Die Jahreskontrollen zeigten eine komplette Frakturkonsolidierung ohne sekundären Repositionsverlust. Die „range of motion“ (ROM) war altersentsprechend uneingeschränkt. Alle Patienten waren im Rahmen der Vorerkrankungen vollmobilisiert ohne Notwendigkeit einer orthetischen Versorgung.

Fazit für die Praxis

  • Die Versorgung distaler Fibulafrakturen mithilfe des IlluminOss-Ballonkatheters stellt für ein altes und mit behandlungsrelevanten Nebenerkrankungen belastetes Patientenkollektiv eine komplikationsarme Behandlungsalternative dar.

  • Die Indikation ist dabei nicht nur unter den Gesichtspunkten der Frakturmorphologie, sondern im Wesentlichen in Hinblick auf die systemischen und lokoregionären Risikofaktoren zu stellen.

  • Ein wertvolles Instrument zur Einschätzung des Risikoprofils stellt der Score nach Charlson dar.

  • Die Indikation muss aus unserer Sicht jedoch bis zum Vorliegen mittelfristiger Daten noch kritisch gestellt werden, da die operative Revision bspw. bei periimplantärem Infekt durchaus Probleme bergen könnte.