Entsprechend der Entwicklung unserer Bevölkerungsstruktur werden komplexe Frakturen der oberen Extremität in den kommenden Jahren rasant zunehmen. Schon heute sind 70 % aller in den USA auftretenden Frakturen bei > 45-jährigen Patienten osteoporosebedingt. Während jede 8. Frau an Brustkrebs erkrankt, muss jede 3. Frau im Laufe ihres Lebens mit einer osteoporoseassoziierten Fraktur rechnen [1]. Sowohl für den proximalen als auch für den distalen Humerus sind v. a. Frakturen älterer Patienten problematisch. Trotz nur geringer Energieeinwirkung, wie sie beispielsweise bei Stürzen aus dem Stand auftreten, werden wir mit komplexen Frakturformen konfrontiert. Bestimmte Frakturformen ermöglichen keine Rekonstruktion und werden daher mittels Frakturprothesen versorgt. Wenn Rekonstruktionsversuche komplexer Frakturformen scheitern, müssen diese häufig kurzfristig nach dem Ersteingriff mittels Endoprothesen revidiert werden.

Komplexe Frakturen der oberen Extremität werden in den kommenden Jahren rasant zunehmen

Die ersten drei Artikel des Leitthemas „Frakturendoprothetik der oberen Extremität“ legen den Fokus auf den proximalen Humerus. Die beiden folgenden Artikel legen den Schwerpunkt auf die primäre endoprothetische Frakturversorgung des Ellenbogens.

Die Komplexität der proximalen Humerusfraktur erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit des Therapeuten. Faktoren, die den Patienten, die Verletzung und den orthopädischen Chirurgen betreffen, müssen für ein adäquates Behandlungskonzept Berücksichtigung finden. Aufgrund offensichtlich fehlender Unterschiede des funktionellen Resultats nach konservativer und operativer Therapie wird bei älteren Patienten mit komplexen Frakturen die konservative Therapie in Betracht gezogen. Osteosynthesen am proximalen Humerus führen, trotz Verwendung moderner Implantate, zu hohen Komplikationsraten und daraus resultierend zu hohen Raten an Revisionsoperationen.

Ist aufgrund der Frakturform keine Rekonstruktion des proximalen Humerus möglich, muss die Verwendung einer Prothese in Betracht gezogen werden. Der Zustand der Rotatorenmanschette und der Tubercula ist entscheidend für die Wahl der Prothese. Eine Hemiprothese ist geeignet, wenn die genannten Strukturen in ausreichend gutem Zustand sind. Der technische Anspruch an den Operateur ist hoch. Die Einpassung und stabile Fixierung der Tubercula ist eine entscheidende Voraussetzung für ein gutes funktionelles Ergebnis. Bei älteren Patienten mit reduzierter Knochenqualität und damit verbundener erhöhter Rate tuberculaassoziierter Komplikationen muss alternativ bereits primär ein inverses Prothesendesign angedacht werden.

Der dritte Artikel behandelt genau dieses Patientenkollektiv. Die Erfahrungen mit inversen Frakturprothesen sind bislang noch gering. Trotzdem bleiben für bestimmte Verletzungskonstellationen kaum Alternativen, welche den oftmals hohen Ansprüchen der Patienten gerecht werden können. Treffen komplexe Frakturformen auf ausgeprägte degenerative Rotatorenmanschettenschäden, so kann die inverse Frakturprothese eine Lösung sein. Dieses operative Verfahren bleibt jedoch lediglich dem älteren Patientenkollektiv vorbehalten. Die postoperative Funktion eines Kollektivs von 24 Patienten wurde ein Jahr nach Durchführung einer inversen Frakturprothese mit einem Patientenkollektiv vergleichen, bei denen eine osteosynthetische Rekonstruktion möglich war.

Trotz Anwendung von modernen winkelstabilen, der Knochenoberfläche anatomisch angepassten Low-profile-Implantaten geraten osteosynthetische Verfahren bei osteoporotischen Trümmerfrakturen an ihre Grenzen. Daher wird gerade bei solchen Frakturen die primäre Frakturprothese zunehmend als alternative operative Option wahrgenommen. Prothesenkonzepte wie die Hemiprothesen des distalen Humerus und die Frage nach dem Ersatz des Radiuskopfes bei Anwendung einer Totalendoprothese werden diskutiert. Außerdem wird über deren Indikationen, Limitationen, Komplikationen und von den klinischen Ergebnissen berichtet.

Abschließend wird im fünften Artikel die zentrale Rolle des Radiuskopfes für die regelgerechte Funktion des Ellenbogengelenks dargestellt. Liegt eine nicht rekonstruierbare Fraktur des Radiuskopfes vor, kann auf seine Funktion nicht ohne weiteres verzichtet werden, da dieser u. a. elementar für die Valgusstabilität ist. Neben anatomischen und biomechanischen Grundlagen werden verschiedene Prothesenmodelle sowie deren Materialien und Verankerungsoptionen diskutiert. Die Autoren beschäftigen sich außerdem mit der Indikation zur Osteosynthese und zur prothetischen Versorgung. Schließlich werden die operative Technik, die postoperative Diagnostik und die funktionellen Ergebnisse dieses Verfahrens dargestellt.

Herzlich bedanken möchte ich mich bei Prof. Krettek für die Überlassung dieses spannenden Leitthemas und bei allen Autoren für die Erstellung der Artikel.

V. Braunstein