Jeder meiner Auslandseinsätze war eine berufliche und v. a. persönliche Bereicherung. Meine erste Auslandserfahrung machte ich 2014 im Rahmen meines praktischen Jahres im Dhulikhel Hospital im Hügelland von Nepal. Vier Jahre später führte mich ein Kindergartenprojekt nach Haiti und ein Entwicklungshilfeeinsatz schließlich 2023 nach Indien.

Dhulikhel Hospital, Nepal

Obwohl das Krankenhaus 1,5 h von Kathmandu entfernt für nepalesische Verhältnisse äußerst modern und gut ausgestattet war, hatten wir tagtäglich mit Herausforderungen in der Infrastruktur zu kämpfen: zu wenige Betten für die Kinder und v. a. für Neu- und Frühgeborene auf der Neonatal Intermediate Care Unit (NIMCU) (Abb. 1), Stromausfall, defekte Geräte usw. Die Versorgung der Patienten während des stationären Aufenthalts übernahmen die Angehörigen, und so campierten Nacht für Nacht Eltern und Großeltern vor der Kinderstation, um zu kochen und zu waschen. Die wenigen Betten teilten sich meistens 2 bis 3 Kinder plus Mütter; eine Isolierung von infektiösen Patienten war nicht möglich.

Abb. 1
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Im Kreißsaal von Dhulikhel

Anamnese und Statuserhebung bekommen im ressourcenlimitierten Setting einen ganz neuen Stellenwert

Eine zusätzliche Herausforderung waren die kulturellen Gegebenheiten im Hinduismus. Die Mädchen waren immer noch schwer benachteiligt, und so konnte es passieren, dass ein frühgeborenes Mädchen einfach auf der NIMCU zurückgelassen wurde, während die Behandlung für einen Jungen von den Eltern bezahlt worden wäre. Die Eltern mussten für jede einzelne Laborbestimmung oder jede bildgebende Untersuchung zahlen, was nicht immer möglich war. Gott sei Dank gab es im Dhulikhel Hospital einen Fond für Patienten, die sich die Diagnostik oder Behandlung nicht leisten konnten.

Die gute Seite daran ist aber, dass in diesem ressourcenlimitierten Setting Anamnese und Statuserhebung einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Und so habe ich gestaunt, wie gut die ärztlichen Kollegen dort ohne jegliche apparative Unterstützung Diagnosen stellten und auch erfolgreich behandelten. Ich habe viele Krankheitsbilder, die aus unserem Klinikalltag verschwunden sind, wie Rachitis oder schwere Pilzpneumonien und Parasitosen aufgrund der Lebensumstände der Patienten, gesehen.

Auf unseren „Outreaches“ haben wir jede Woche die Ärmsten der Armen in den ländlichen Gegenden besucht und versorgt. Dies waren äußerst berührende Begegnungen. Die Kinder liefen uns schon entgegen, wenn wir mit unserem Auto in der Gesundheitsstation ankamen. Manchmal wurden sogar Chirurgen oder Urologen in die Outreaches gefahren, um vor Ort Patienten zu operieren. Wenn es nicht anders ging, haben wir die Patienten in unserem Jeep mit ins Krankenhaus genommen, was einen oft stundenlangen Transport bedeutete. Zu betonen bleibt aber, dass im Dhulikhel Hospital alles versucht wurde, um nach westlichen Standards zu arbeiten, auch das war bemerkenswert.

Camp-Perrin, „Hand in Hand mit Haiti“

Nach einiger Zeit klinischer Erfahrung in Österreich durfte ich 2018 mit einem Kindergartenprojekt aus dem Pongau nach Haiti reisen und dort die medizinische Versorgung übernehmen.

Auch hier wurden wir von den Menschen mit so viel Freude und Dankbarkeit, die man hierzulande oft gar nicht mehr kennt, erwartet. Ich habe dort v. a. Kinder im Kindergarten- und Schulalter sowie ihre Familien betreut (Abb. 2).

Abb. 2
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Ambulanz im Kindergarten (a) und Kleiderverteilung in den Bergen von Camp-Perrin (b)

Von Medizinmännern verbreitete Mythen erschweren die Patientenversorgung auf dem Land

In Haiti gibt es ebenso wie in Nepal keine funktionierende öffentliche Gesundheitsversorgung und auch keine Routinevorsorgeuntersuchungen, wie sie in unserem Mutter-Kind-Pass-Programm vorgesehen sind. Aufgrund dieser Problematik gibt es am Land viele selbsternannte Medizinmänner, die den Patienten mehr Angst machen und dubiose Behandlungen durchführen. Die schwangeren Frauen in Haiti gehen z. B. nicht zur Ultraschallvorsorge, weil sie glauben, dass dies die Ungeborenen blind machen würde. Wenn Kinder mit den Zähnen knirschen, soll das daran liegen, dass die Mutter in der Schwangerschaft durch den Regen gelaufen ist. Diverse solcher Mythen machen es den äußerst engagierten Ärzten, die eine gute Ausbildung in der Hauptstadt Port-Au-Prince genossen haben, auf dem Land sehr schwer. Auch die Lebensumstände der Patienten gehen mit diversen Pilzinfektionen einher, und für die banalsten Virusinfektionen haben die Menschen nicht einmal Antipyretika zur Verfügung. Medikamente müssen selbstständig in Apotheken oder auf Marktständen, bei denen man nicht weiß, wie lange diese schon in der Sonne liegen, gekauft werden. Umgerechnet müsste man in Haiti für eine Ultraschalluntersuchung mehr als 100 € bezahlen, was sich die Bevölkerung mit einem Tageslohn von nicht mal 2 € natürlich nicht leisten kann.

Hinzu kommen in Haiti die ständigen Stürme und Naturkatastrophen, die die Bevölkerung fast jedes Jahr wieder vor das Nichts stellen und zum kompletten Neuanfang zwingen. Da ist es nicht verwunderlich, dass für viele Kinder das Essen in unserem Kindergarten, der von der Stiftung Hand in Hand mit Haiti gegründet wurde, die einzige Mahlzeit des Tages war. Ein weiteres großes Problem stellen „sexually transmitted diseases“ (STD) und Kinderschwangerschaften dar. Die Bevölkerung weiß aufgrund von Bildungsmangel oft gar nichts über Verhütung und STDs, und v. a. junge Frauen haben, wenn man die hohe Kriminalitätsrate des Landes bedenkt, ein sehr hohes Risiko, schon früh mit solchen Erkrankungen in Kontakt zu kommen. Bildung ist sicher der Schlüssel für solch ein Land, und darum leistet das Projekt Hand in Hand mit Haiti einen unglaublich wichtigen Beitrag für eine bessere Zukunft der Kinder dort.

German Doctors in den Sundarbans, Indien

Mein letzter Entwicklungshilfeeinsatz hat mich im vergangenen Jahr nach Indien geführt, genauer gesagt, nach Westbengalen in die Sundarbans an der Grenze zu Bangladesch. Indien hat die Wichtigkeit der Schulbildung erkannt, und mittlerweile können dort fast alle Kinder, auch auf dem Land, eine Schulbildung zumindest bis zur 10. Klasse genießen. Da das Impfsystem an die Schule gekoppelt ist, funktioniert auch das erstaunlich gut. Nichtsdestotrotz ist dieses Gebiet im Osten Indiens sicherlich eine der ärmsten Regionen des Landes. In Indien gibt es zwar ein staatliches Gesundheitssystem, doch dieses funktioniert v. a. im ländlichen Bereich aufgrund von Ärzte- und Ressourcenmangel absolut gar nicht. Mangelernährung und daraus resultierende Erkrankungen sind immer noch an der Tagesordnung. In unserem Projekt von den German Doctors haben wir jeden Tag ein anderes Dorf angefahren und konnten den Leuten so zumindest eine ärztliche Basisversorgung anbieten. An diagnostischen Mitteln hatten wir neben Anamnese und Statuserhebung nur ein Blutdruck-, ein Blutzucker- und ein Hämoglobinmessgerät zur Verfügung. Die Kinder hatten wie auch in Deutschland in der kälteren Jahreszeit hauptsächlich Virusinfektionen. Nur aufgrund des Over-the-Counter-Verkaufs von Medikamenten geben die Eltern oft ohne ärztlichen Rat Geld für ein teures nichtindiziertes Antibiotikum aus anstatt für die viel wichtigeren Antipyretika und Analgetika. Die jungen Frauen leiden alle an einem massiven Eisenmangel und an einer schweren Anämie, was nicht nur in der Schwangerschaft, sondern auch später oft zu Komplikationen führt. Aufgrund von Geldmangel werden die Kinder teilweise bis zum 3./4. Lebensjahr ausschließlich gestillt. Medikamente und Laboruntersuchungen müssen die Patienten selbst bezahlen; bei einem Tageslohn unter 2 € ist das oft nicht möglich. Durch unser Projekt konnten wir auch die Versorgung der Landbevölkerung mit Medikamenten sicherstellen, und dies unter ärztlicher Überwachung. Auch in Indien gibt es eine super Ausbildung an den Medizinischen Universitäten, nur wollen die Ärzte klarerweise an den modernen Kliniken in den Millionenstädten arbeiten und nicht ohne Ressourcen auf dem Land. Aber am traurigsten war für mich, dass das System der Nutrition Centers nicht funktioniert hat. Dieses Angebot ermöglicht Familien von unterernährten Kindern, für 3 Wochen quasi stationär aufgenommen zu werden, nur waren diese Zentren viel zu weit weg und hatten ein viel zu großes Einzugsgebiet, und zusätzlich konnten es sich die Mütter nicht leisten, ihre Familien 3 Wochen zu verlassen. Es gab quasi keine Therapie für die Kinder außer einer Empfehlung von uns für ein selbst zubereitetes Nutrition Mix Powder.

Einer der Schwerpunkte der German Doctors lag auf der Ausbildung von Community Health Volunteers

Wie auch in den anderen beiden Ländern haben wir viele Pilz- und Wurmerkrankungen behandelt, da die Menschen teilweise noch in Lehmhäusern wohnen und immer noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Auf der anderen Seite sind auch die Zivilisationserkrankungen der heutigen Zeit in Indien angekommen. Durch den hohen Kohlenhydratkonsum und die ungesunde Lebensweise haben viele Menschen mit Bluthochdruck, Hypercholesterinämie und Typ-2-Diabetes zu kämpfen. Unzählige Insult- und Myokardinfarktpatienten ohne Langzeitbetreuung sind die Folge. Vor allem chronisch kranke Kinder mit Zerebralparesen oder körperlichen und geistigen Behinderungen sind immer noch schwer benachteiligt, da es am Land keinen Zugang zu Therapiemöglichkeiten gibt. Auch Typ-1-Diabetes wird bei den Kindern oft nicht erkannt, und sie versterben in der Ketoazidose oder bekommen keine dauerhafte Therapie mit Insulin aufgrund des Ressourcenmangels, und wenn es nur daran scheitert, dass die Familie keinen Kühlschrank oder nicht genug Geld für Insulin hat. Ein weiterer Schwerpunkt in unserem Projekt lag auf der Ausbildung von Community Health Volunteers. Die jungen Frauen wurden von uns in diversen Gesundheitsthemen unterrichtet und versuchten, dann die Bevölkerung in den Dörfern zu schulen.

Fazit

Alles in allem fand ich jeden meiner Einsätze furchtbar spannend und bereichernd. Nicht nur, weil man mit Krankheitsbildern, die wir in unseren Heimatländern nur mehr aus Lehrbüchern kennen, in Kontakt kommt, sondern auch weil man andere Gesundheitssysteme und Kulturen kennenlernt und versucht/lernt, diese zu verstehen. Auch die Besinnung auf das Notwendigste der diagnostischen Maßnahmen ist ein äußerst lehrreicher Aspekt, der v. a. in der Kinderheilkunde nach wie vor so wichtig ist.