Anamnese

Die initiale Aufnahme der Patientin auf unsere neonatologische Intensivstation erfolgte bei Frühgeburtlichkeit mit 35 + 3 Schwangerschaftswochen zur weiteren Überwachung und zum enteralen Kostaufbau. Bei einem erhöhten C-reaktives Protein (CRP)-Wert von 22,8 mg/l [Normwert < 5 mg/l] und Interleukin-6 (IL‑6) von 1122 pg/ml [Normwert < 10 pg/ml] sowie maternalen Risikofaktoren (vorzeitiger Blasensprung und klinische Infektionszeichen) wurde bereits am Aufnahmetag eine antibakterielle Therapie mit Piperacillin und Tobramycin begonnen. Klinische Infektionszeichen beim Kind bestanden nicht. In der Blutkultur konnte Escherichia coli (E. coli) nachgewiesen werden. Bei positiver Blutkultur mit V. a. Sepsis erfolgten weitere Untersuchungen zur Fokussuche. Im Liquor zeigte sich bei negativer Kultur und bakterieller Polymerase Kettenreaktion (PCR) am 5. Therapietag jedoch eine Pleozytose (3578 Leukozyten/µl, 24,9 % mononukleäre Zellen, 75,1 % polymorphkernige Zellen, Gesamteiweiß 2400 mg/l, Lactat 2,99 mmol/l). Die antibakterielle Therapie wurde in der Folge auf Cefotaxim umgestellt. Einmalig wurde bei Verdacht auf ein Krampfereignis Phenobarbital verabreicht; eine antikonvulsive Dauertherapie war in diesem stationären Aufenthalt bei unauffälliger Sonographie und Elektroenzephalogramm (EEG) nicht notwendig. Insgesamt wurde für 14 Tage eine antibakterielle Therapie verabreicht. Die Patientin wurde am 14. Lebenstag in stabilem Allgemeinzustand entlassen.

Bereits 5 Tage später wurde die Patientin bei Abgeschlagenheit und Trinkschwäche erneut stationär aufgenommen. Wir stellten die bei Aufnahme begonnene intravenöse antibakterielle Therapie (Meropenem und Tobramycin) nach Erhalt der Liquorkultur mit Nachweis von E. coli erneut antibiogrammgerecht auf Cefotaxim i.v. um. Hierunter normalisierten sich die Infektionsparameter, eine Kontrollkultur des Liquors unter Therapie zeigte sich unauffällig, die Pleozytose (bei Aufnahme: 15.802 Leukozyten/µl, 17,2 % mononukleäre Zellen, 82,8 % polymorphkernige Zellen, Gesamteiweiß 2888 mg/l, Lactat 9,30 mmol/l) war deutlich rückläufig. Wir behandelten für insgesamt 21 Tage mit Antibiotika. Bei Normalisierung der laborchemischen Infektionsparameter sowie unauffälligem klinischen Befund erfolgte bei scheinbar gutem Therapieansprechen keine weitere Umstellung oder Eskalation der antibakteriellen Therapie. Laborchemisch ergab sich bei regelrechtem Immunglobulinspiegel und unauffälliger B‑/T-Zell-Differenzierung kein Anhalt für das Vorliegen eines Immundefekts.

Die Patientin entwickelte 18 Tage nach Entlassung erneut Fieber und eine Trinkschwäche.

Untersuchung

In der körperlichen Untersuchung bei Aufnahme ergaben sich bis auf eine über das Niveau gespannte Fontanelle keine wegweisenden Befunde oder relevante Auffälligkeiten, insbesondere bestanden keine neurologischen Defizite. Die Körpertemperatur war mit 38,7 °C erhöht. Die weiteren Vitalparameter waren stabil.

Diagnostik

Laborchemisch zeigte sich erneut eine deutliche Erhöhung der Infektionsparameter (IL‑6 10.760 pg/ml, CRP-Wert 37,1 mg/l) sowie eine Leukopenie von 1,79 • 103/µl. In der Blut- und Liquorkultur gelang der Nachweis von E. coli.

EEG.

Wach-EEG mit epilepsietypischen Potenzialen (ETP) in Serie frontozentroparietal rechts über ca. 5 min Dauer. Postiktales EEG medikamenten- und schlafmodifiziert eher niedrigamplitudig mit wiederholtem Nachweis von ETP v. a. frontal, rechts vereinzelt auch parietookzipital rechts.

Sonogramm des ZNS.

Echoreiche Sulci/Meningen sowie echogene Verdichtungen im Subarachnoidalraum (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

ZNS-Sonographie im Koronarschnitt: deutliche Echogenitätssteigerung der Sulci und Meningen

Schädel- und Becken-MRT.

Bild einer bihemisphärischen Enzephalitis mit Rhombenzephalitis. Kein Nachweis einer Meningozele. Kein Hinweis auf eine neuroenterische Fistel.

Fluordesoxyglucose (FDG)-PET-CT.

Nachweis eines gesteigerten meningealen Glucosemetabolismus bds. frontal, entlang der Fissura Sylvii links betont sowie okzipital links basal. Zusätzlich Nachweis einer asymmetrischen FDG-Speicherung in Projektion auf den Bulbus olfactorius rechtsseitig an der Lamina (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

FDG-PET-Untersuchung des ZNS. Es zeigte sich ein gesteigerter Glucosemetabolismus an den Meningen frontal

B-/T-Zell-Differenzierung nach Abschluss der Behandlung.

Unauffälliger Befund. Zudem regelrechter IgG-Spiegel.

Therapie und Verlauf

Nach Erhalt der oben genannten Befunde und Laborwerte wurde die Therapie von initial Vancomycin/Meropenem auf Meropenem als Monotherapie in erhöhter Dosierung (120 mg/kgKG pro Tag in 3 Einzeldosen) umgestellt, bei erneut positiver Liquorkultur dann im Verlauf um Fosfomycin ergänzt. In der MRT-Untersuchung des Schädels zeigte sich der oben genannte Befund. Wir behandelten für insgesamt 6 Wochen Gesamttherapiedauer. Zudem erfolgte eine Kontrolle des Meropenemspiegels im Liquor. Bei einem Spiegel moderat über der minimalen Hemmkonzentration wurde die Applikationsdauer von einer Kurzinfusion von 30 min auf eine Infusionszeit von 4 h verändert. Bei einer asymmetrischen FDG-Speicherung in der PET-CT-Untersuchung in Projektion auf den rechten Bulbus olfactorius erfolgte eine Endoskopie durch die Kollegen der HNO-Klinik, welche jedoch einen unauffälligen Befund ergab. In den nasalen Schleimhautabstrichen konnte kein E. coli kultiviert werden. Zudem zeigte sich laborchemisch kein Anhalt für eine Rhinoliquorrhö. In der Echokardiographie zeigten sich keine Klappenvegetationen als Zeichen einer Endokarditis. Bei fokalen Krampfereignissen etablierten wir eine antikonvulsive Therapie mit Levetiracetam und Phenobarbital. Eine Kontrolluntersuchung des Liquors eine Woche nach der Entlassung ergab keinen Anhalt für eine erneute Reinfektion; mithilfe einer MRT-Untersuchung der sakralen Wirbelsäule konnte eine anatomische Eintrittspforte für Keime ausgeschlossen werden. Es erfolgte eine Anbindung an unser sozialpädiatrisches Zentrum zur Nachkontrolle. Zuletzt zeigte sich ein erfreulicher Verlauf ohne erneute Krampfanfälle oder schwere Infekte.

Diskussion

Während des ersten stationären Aufenthaltes ist der Nachweis von E. coli in der Blutkultur als Ausdruck einer E.-coli-Sepsis zu bewerten. Der klinische Verlauf mit Krampfanfall sowie der auffällige Liquorstatus legen jedoch trotz negativer Kultur unter antibakterieller Therapie bereits bei diesem Aufenthalt einen meningealen Fokus nahe. Ob es sich hierbei um eine sekundäre hämatogene Erregeraussaat in das ZNS bei primärer E.-coli-Sepsis handelte oder tatsächlich ein primärer zerebraler Fokus vorlag, lässt sich rückblickend nicht mehr sicher rekonstruieren. Als wahrscheinlichste Ursache für die insgesamt 3 Episoden einer bihemisphärischen Meningoenzephalitis und begleitender Rhombenzephalitis bei E.-coli-Sepsis ließ sich im Nachhinein nur die jeweils wahrscheinlich zu kurze Therapiedauer von 14 resp. 21 Tagen eruieren. In unserem Fall einer neonatalen E.-coli-Meningitis hat sich wahrscheinlich die deutlich verlängerte i.v.-Therapie als ausschlaggebend erwiesen. Hier ist zu erwähnen, dass größere und qualitativ hochwertige Studien fehlen, um neben der klinischen Erfahrung die optimale empirische Therapiedauer erregerspezifisch festlegen zu können [1]. Beim Vorliegen einer gramnegativen Meningitis wird i. Allg. eine Therapiedauer von mindestens 21 Tagen empfohlen [1,2,3]. Diese Empfehlung findet sich auch in der, aktuell nicht mehr gültigen, Fassung der AWMF-Leitlinie „Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen“, zudem wird hier auch eine Verlängerung der Therapiedauer bei Vorliegen einer Ventrikulitis oder eines Hirnabszesses empfohlen [4]. Hier möchten wir nochmals die Bedeutung der zerebralen Bildgebung mittels Sonographie und weiterer bildgebender Verfahren (MRT, PET-CT) betonen, um frühzeitig Komplikationen zu erfassen und die Therapiedauer zu optimieren. Bereits beim ersten stationären Aufenthalt der Patientin war es trotz negativer Liquorkultur und PCR zu einem Krampfereignis gekommen. Dieses hätte als Ausdruck einer meningealen Beteiligung in Zusammenschau mit den Laborbefunden und der auffälligen Liquorpleozytose bereits eine Verlängerung der Therapiedauer gerechtfertigt. Zudem war im zweiten stationären Aufenthalt die Kontrolluntersuchung des Liquors noch unter Therapie erfolgt; eine Kontrolle nach Ende und im zeitlichen Abstand zur letzten Antibiotikagabe ist bei komplizierten Therapieverläufen empfehlenswert. Kontrollen der Meropenemkonzentration im Liquor und im Serum sind bei fehlenden Normwerten nicht als Routineuntersuchung zu betrachten, jedoch finden sich in der Literatur bei Verlängerung der Infusionszeit Hinweise auf eine Erhöhung der Serumkonzentration bei jedoch gleichzeitiger Erniedrigung des Medikamentenspiegels im Liquor [5]. Retrospektiv muss daher unsere Entscheidung zur Verlängerung der Infusionszeit für die angestrebte Sanierung des meningealen Fokus kritisch diskutiert werden. Es ergab sich kein Anhalt für eine anatomische Anomalie oder einen schweren Immundefekt. Der klinische Verlauf zeigt auf, dass die optimale Therapiedauer wahrscheinlich sehr von dem zugrunde liegenden mikrobiellen Befund mit Resistenzlage sowie den patientenbezogenen Risikofaktoren gewählt werden muss. Zudem scheinen, neben wirtsspezifischen auch erregerabhängige Faktoren eine Rolle zu spielen. Am Beispiel von E. coli lassen sich bestimme phylogenetische Gruppen und Virulenzgenotypen mit invasiven Krankheitsverläufen mit meningealer Beteiligung in Verbindung bringen [6].

Fazit für die Praxis

  • Bei positiver Blutkultur mit Keimnachweis, fiebernden Neugeborenen, Late-Onset-Sepsis sowie bei neurologischen Symptomen ist eine diagnostische Lumbalpunktion zur Beurteilung einer möglichen meningealen Beteiligung notwendig.

  • Die zerebrale Bildgebung (ZNS-Sonographie, sowie ggf. MRT und/oder PET-CT ) kann ergänzend zur laborchemischen Befundung die Verdachtsdiagnose einer Meningitis erhärten und entscheidend zur Wahl einer suffizienten Therapiedauer bei auffälligen Befunden beitragen.

  • Beim Nachweis einer gramnegativen Meningitis, besonders bei E.-coli-Nachweis kann im Einzelfall eine intravenöse antibakterielle Behandlung über mehrere Wochen indiziert sein. Bei einem komplizierten klinischen Verlauf (intrazerebraler Abszess oder Ventrikulitis) muss eine Verlängerung der Therapiedauer erfolgen.

  • Eine Liquorpunktion mit Kultur ist bei komplizierten Verläufen auch nach Abschluss der Behandlung im Einzelfall sinnvoll, um mögliche residuelle Keime frühzeitig zu erfassen.