Anamnese

In der Notfallambulanz der Universitätskinderklinik Tübingen wurde ein 5 Monate altes Mädchen vorgestellt. Seit 6 Tagen bestehe Fieber bis maximal 40,1 °C, außerdem grünlich-flüssiger Durchfall und Erbrechen. Am 2. Krankheitstag war bereits eine ambulante Vorstellung erfolgt, da wurde das Kind bei gutem klinischem Zustand sowie fehlendem Nachweis eines Harnwegsinfekts wieder entlassen. Am 3. Krankheitstag erfolgte eine Vorstellung zur klinischen Verlaufskontrolle, erneut ohne klaren weiteren Infektfokus. Am 4. Krankheitstag erfolgte bei anhaltendem Fieber eine Vorstellung beim Kinderarzt. Aufgrund des weiterbestehenden Fiebers und eines zuvor leicht auffälligen Beutelurins wurde dort eine orale Antibiotikatherapie mit Cefpodoxim begonnen. Hierunter zeigte sich bis zum 6. Krankheitstag noch keine anhaltende Entfieberung, sodass die Familie erneut bei uns vorstellig wurde.

Klinischer Befund

Wir sahen einen weiblichen Säugling in gutem Allgemeinzustand. Außer den berichteten Gastroenteritisbeschwerden fand sich klinisch kein weiterer Fieberfokus. In der Blutentnahme (mit Abnahme einer Blutkultur) zeigte sich ein erhöhtes C‑reaktives Protein (CrP) mit 8,1 mg/dl bei normwertiger Leukozytenzahl. Ein Urin-Stix zeigte keine Auffälligkeiten. Aufgrund der Diarrhö erfolgte die virologische Untersuchung des Stuhls, welche jedoch keine Auffälligkeiten ergab. Es erfolgte die stationäre Aufnahme zur apparativen und zur klinischen Überwachung und zur Reevaluation im Verlauf; die ambulant begonnene Antibiotikatherapie wurde zunächst fortgesetzt. Die Patientin fieberte auch weiterhin, zeigte sich aber sonst nachts und am nächsten Morgen in einem guten Zustand bei auch gutem Trinkverhalten. Angesichts dieses klinischen Verlaufs und der stabilen Entzündungsparameter (7,7 mg/dl) wurde sie am Tag nach der Aufnahme bereits wieder entlassen. Die Fortführung der oralen Antibiotikatherapie wurde für insgesamt 7 Tage empfohlen.

Diagnose

Am Tag nach der Entlassung wurde vom Blutkulturgerät (Bactec FX; Fa. Becton Dickinson, Franklin Lakes, NJ, USA) Wachstum von Mikroorganismen gemeldet (Zeitdauer bis zur Positivmeldung: 8,45 h), die sich mikroskopisch als gramnegative Stäbchen darstellten. Molekularbiologisch konnten die Bakterien mittels direkter Multiplex-PCR aus der Blutkultur (BioFire BCID 2‑Panel; Fa. bioMérieux, Marcy-l’Étoile, Frankreich) als Salmonella-Spezies identifiziert werden. Ausgehend von der Subkultur (Abb. 1) wurde die Diagnose „Salmonellen der B‑Gruppe“ gestellt. Am Nationalen Referenzzentrum für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger des RKI wurde mittels Agglutination der LPS- und Flagella-Antigene (O- und H-Antigene) mit spezifischen Antiseren die Seroformel 1,4,[5],12:e,h:e,n,z15 ermittelt. Diese ist gemäß Kauffmann-White-LeMinor-Schema dem Salmonella enterica subspecies enterica Serovar Sandiego zugeordnet. Der isolierte Erreger zeigte sich sensibel gegenüber Cefpodoxim. Im (nach Erhalt der Blutkultur nachuntersuchten) Stuhl sowie im Urin konnten keine Salmonellen nachgewiesen werden.

Abb. 1
figure 1

Salmonella Sandiego auf Desoxycholat-Citrat-Agar nach Hynes (Thermo Scientific, Waltham, MA, USA) nach 24 h aerober Inkubation bei 37 °C. Die lactosenegativen Bakterien bilden farblose Kolonien von etwa 3 mm Durchmesser und sind von einer gelben Zone umgeben. Die Schwarzfärbung im Zentrum der Kolonien zeigt die Bildung von Schwefelwasserstoff aus Natriumthiosulfat an, eine typische Eigenschaft mancher enteropathogener Salmonellen

Therapie und Verlauf

Die Familie wurde sofort telefonisch über den Befund der positiven Blutkultur informiert, gab aber an, dass es der Patientin schon wieder sehr gut gehe. Das Angebot für eine erneute stationäre Aufnahme zur Behandlung mit einer leitliniengerechten intravenösen Antibiotikatherapie wurde von der Familie abgelehnt. Unsere Empfehlung zur oralen Antibiotikatherapie wurde auf insgesamt 10 Tage verlängert. Auf gezielte Nachfrage berichtete die Familie, zu Hause verschiedene Schlangenarten (Königskobras, diverse Nattern) zu halten.

Diskussion

Im vorliegenden Fallreport wird ein Säugling mit einer ungewöhnlichen, invasiven Salmonelleninfektion beschrieben.

Salmonellen sind eine mikrobiologisch diverse Gruppe von gramnegativen Enterobakterien, die in die beiden Spezies Salmonella enterica und Salmonella bongori unterteilt werden. Salmonella enterica wird wiederum in 6 Subspezies unterteilt. Innerhalb dieser Subspezies wurde eine Vielzahl (> 2500) verschiedener Serovare definiert, die auf der Basis der O‑ und H‑Antigene klassifiziert werden [1].

Im Zeitraum 2015–2019 wurden dem RKI im Median 13.693 Fälle von Salmonellenerkrankungen gemeldet. Damit ist die Salmonellose die zweithäufigste meldepflichtige, bakterielle gastrointestinale Krankheit nach der Campylobacter-Enteritis. Die häufigsten im Jahr 2020 in Deutschland nachgewiesenen Serovare waren S. Enteritidis und S. Typhimurium [2]. Demgegenüber ist S. Sandiego als Erreger einer Salmonellose in Deutschland eine Rarität: In 2020 wurde dem RKI lediglich ein Fall gemeldet [3]. Typische Quellen für Erkrankungen bei Menschen, oft auch im Rahmen von lokalen Ausbrüchen, sind Eier, Rohwurst und rohes oder unzureichend erhitztes Fleisch, zunehmend werden aber auch Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs als Infektionsvehikel identifiziert [1]. Bei Säuglingen ist in seltenen Einzelfällen auch die Aufnahme über kontaminierte Muttermilch beschrieben worden [4]. Insgesamt ist die Prävalenz der humanen Salmonellose in den letzten Jahrzehnten in Deutschland deutlich zurückgegangen [2], nachdem im Nutztiersektor umfassende Monitoring- und Bekämpfungsprogramme etabliert wurden. Beispielhaft ist hier die Geflügel-Salmonellen-Verordnung [5] zu nennen, die eine Impfpflicht für praktisch alle Hühner in Aufzuchtbetrieben vorsieht. Damit sind insbesondere Hühnereier, eine der traditionell wichtigsten Quellen von Salmonellenerkrankungen beim Menschen, deutlich seltener mit Salmonellen besiedelt [6].

Salmonellen sind aber auch ein typischer Bestandteil der physiologischen Flora von Reptilien. In einer Untersuchung an in Deutschland und Österreich gehaltenen Schlangen zeigte sich bei 73,8 % der Nachweis von Salmonellen im Kot [7]. Zudem tragen Schlangen Salmonellen auch häufig an der Kloake, in der Mundhöhle und an der Haut [8]. Kommt es zur Salmonelleninfektion infolge eines Kontaktes mit einem Tier spricht man von einer reptilienassoziierten Salmonellose (RAS) [9]. In einer Untersuchung in den USA konnte gezeigt werden, dass in der Gruppe der unter 21-Jährigen 11 % der Salmonelleninfektionen auf den Kontakt mit Reptilien zurückzuführen sind [10]. Zu den typischen Symptomen einer Salmonellose zählen Diarrhö (96 %), Bauchschmerzen (63 %), Fieber (39 %) sowie Erbrechen (20 %) [2]. Auch unsere Patientin zeigte diese 4 Symptome. Da S. Sandiego auch bei Schlangen nachgewiesen wurde [11], gehen wir davon aus, dass die Salmonellose unserer Patientin aus einer direkten oder indirekten Kontaktinfektion mit den Schlangen, die in der Familie gehalten wurden, resultiert und somit einer RAS entspricht. Das Angebot, weitere Familienmitglieder und auch die Schlangen der Familie ebenfalls auf S. Sandiego zu untersuchen, wurde von der Familie allerdings nicht wahrgenommen, sodass dieser Zusammenhang nicht bewiesen werden kann. S. Sandiego wurde bereits bei mehreren Salmonellenausbrüchen in den USA als Erreger detektiert. So konnte bei einem Ausbruch im Jahre 2015 als Infektionsquelle der Kontakt mit kleinen Schildkröten (< 10 cm) ausgemacht werden [12].

Laut einer englischen Studie gehen RAS bei Kindern < 5 Jahren signifikant häufiger mit einer invasiven Erkrankung (z. B. Bakteriämie, Meningitis) einher als eine Non-RAS und führen daher zu signifikant mehr Hospitalisierungen [13]. Die Rate invasiver Erkrankungen für S. Sandiego ist in den USA fast dreimal so hoch wie für S. Enteritidis oder S. Typhimurium [14]. Für Deutschland liegen keine Vergleichswerte vor.

Gemäß den Empfehlungen der DGPI sollte eine Salmonellenbakteriämie mit Ceftriaxon (7 bis 10 Tage), Azithromycin (5 bis 7 Tage) oder Ciprofloxacin (7 bis 10 Tage) behandelt werden [1]. Das bei unserer Patientin verwendete Cefpodoxim gehört wie das Ceftriaxon zu den Cephalosporinen der Gruppe III. Im Antibiogramm zeigte sich eine Wirksamkeit gegenüber der in der Blutkultur gewachsenen S. Sandiego, was das, wenn auch etwas verzögerte, klinische Ansprechen der Patientin erklärt.

Bevölkerungsgruppen, welche ein erhöhtes Infektionsrisiko haben, werden mit dem Akronym „YOPI“ beschrieben: Säuglinge und Kleinkinder, Senioren, Schwangere oder immunsupprimierte Patienten („young, old, pregnant, immunosuppressed“) [8]. Unsere Patientin zählt somit zur Hochrisikogruppe für eine Salmonelleninfektion, denn die höchste Inzidenz unter allen Bevölkerungsgruppen wird bei Kindern unter 5 Jahren gefunden.

Vor dem Hintergrund sowohl der schwereren klinischen Verläufe wie auch der besonderen Anfälligkeit von Kleinkindern scheint die Prävention von RAS gerade in diesem Kollektiv unbedingt sinnvoll. So wird beispielsweise empfohlen, dass in Haushalten mit Kindern < 5 Jahren keine Reptilien gehalten werden sollten. Reptilien sollten außerdem von Flächen, auf denen Nahrungsmittel verarbeitet, serviert oder gelagert werden, ferngehalten werden. Nach Kontakt mit Reptilien sollten unmittelbar die Hände gewaschen werden, und mit Reptilien sollte nicht „gekuschelt“ werden [1, 8] Kinderärztinnen und Kinderärzte sollten Familien, in welchen Reptilien gehalten werden, auf diese einfachen Hygienemaßnahmen hinweisen.

Fazit für die Praxis

  • Reptilien sind häufig mit Salmonellen kolonisiert und stellen damit eine potenzielle Infektionsquelle für Risikogruppen dar, zu welcher insbesondere auch Kinder < 5 Jahren gehören.

  • Reptilienassoziierte Salmonellosen führen bei Säuglingen und Kleinkindern häufiger zu invasiven Infektionen als Salmonellosen, die nicht mit Reptilien assoziiert sind.

  • Kinder in einem Haushalt, in dem Reptilien gehalten werden, haben ein erhöhtes Risiko für eine invasive reptilienassoziierte Salmonellose sowie eine konsekutive Hospitalisierung.

  • Familien, die zu Hause Reptilien halten, sollten zur Sicherheit ihrer Kinder entsprechende Hygieneempfehlungen beachten. So sollten Reptilien von Flächen, auf denen Nahrungsmittel verarbeitet, serviert oder gelagert werden, ferngehalten werden. Nach Kontakt mit Reptilien sollten unmittelbar die Hände gewaschen werden, und mit Reptilien sollte nicht „gekuschelt“ werden.

  • Familien mit kleinen Kindern und Reptilien sollten durch den Kinderarzt auf die Gefahren einer RAS hingewiesen werden.