Hintergrund

Energydrinks sind gesüßte Getränke, denen stimulierende Inhaltstoffe (z. B. Koffein, Guarana, Taurin, Glucuronolacton) beigefügt werden. Hersteller verweisen häufig auf die vermeintlich leistungssteigernden Effekte des Energydrinkkonsums. Nicht zuletzt durch ein ausgeklügeltes Marketing erfreuen sich Energydrinks großer Beliebtheit unter Kindern und Jugendlichen. In einer Befragung der European Food Safety Authority (EFSA) gaben 68 % der Jugendlichen an, schon einmal einen Energydrink zu sich genommen zu haben [22]. Eine Vielzahl an Behandlungsberichten suggeriert eine Assoziation zwischen dem Konsum von Energydrinks und dem Auftreten unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse (z. B. Bluthochdruck, schwerwiegende Herzrhythmusstörungen) im Kindes- und Jugendalter [4, 5, 15, 18, 19, 21]. Vor allem der hochgradige Konsum von Energydrinks zusammen mit Partydrogen (z. B. Alkohol), Medikamenten (z. B. Methylphenidat) sowie bei Vorerkrankungen scheint besorgniserregend [4, 5, 21].

Die EDUCATE-Studie

Im Jahr 2021 wurde durch die Abteilung Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin des LMU Klinikums die Studie „Energy-Drinks: Unexplored Cardiovascular Alterations in TEens and TwEens“ (EDUCATE; DRKS-ID: DRKS00027580) initiiert. Es handelte sich um eine monozentrische Studie. Bei der EDUCATE-Studie wurde ein randomisiertes, einfach verblindetes (Studienprobanden) Crossover-Studiendesign verwendet [10,11,12,13,14]. An 2 aufeinanderfolgenden Tagen wurden die Studienteilnehmer gebeten, eine gewichtsadaptierte Menge eines Energydrinks (Inhaltsstoffe: Koffein (32 mg/100 ml), Taurin (200 mg/100 ml), Glucuronolacton (24 mg/10 ml), Ginseng-Aromaextrakt (10 mg/100 ml), Guarana-Extrakt (10 mg/100 ml), Vitamine) oder eines Placebogetränks zu sich zu nehmen [10,11,12,13,14]. Die Energydrinkmenge wurde mittels der maximal als unbedenklich erachteten Koffeintageshöchstdosis für Minderjährige (3 mg Koffein/kgKG) berechnet [17]. Energydrink sowie Placebogetränk zeichneten sich durch einen vergleichbaren Geschmack sowie Zuckergehalt (15,2 g/100 ml vs. 13,2 g/100 ml) aus und wurden zu ähnlichen Tagesuhrzeiten in einer maskierten Trinkflasche dargereicht [10,11,12,13,14]. Vor, sowie 30, 60, 120 und 240 min nach dem Getränkekonsum wurden der brachiale Blutdruck, die arterielle Gefäßsteifigkeit der Aa. carotides communes sowie echokardiographisch die kardiale Effizienz beurteilt [10, 13, 14]. Durch Anwendung eines portablen Langzeit-EKG-Gerätes wurde der Herzrhythmus bis zu 4 h nach dem Getränkekonsum evaluiert [11]. An beiden Tagen erfolgte des Weiteren die Evaluation des 24-h-Blutdruck-Profils [12]. Zur Kalkulation der Schlafdauer wurden die Probanden gebeten, nach jedem Studientag sowohl die Schlafens- als auch die Aufwachzeit zu notieren [12].

Bis zu 27 Kinder und Jugendliche (14,53 ± 2,40 Jahre, 14 männlich) wurden im Rahmen der EDUCATE-Studie eingeschlossen [10,11,12,13,14]. Es zeigte sich, dass der Konsum von Energydrinks auf mehreren Ebenen Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Funktion bei Kindern und Jugendlichen hat. Verglichen mit dem Placebogetränk waren ein bis zu 5,23 mm Hg höherer systolischer Blutdruck (p < 0,0001) sowie ein bis zu 3,29 mm Hg höherer diastolischer Blutdruck (p < 0,001) bis zu 4 h nach dem Energydrinkkonsum sichtbar [14]. Pathologische Blutdruckwerte konnten nach dem Energydrinkkonsum häufiger festgestellt werden [14]. Außerdem zeigte sich ein signifikant höherer systolischer 24-h- (115,90 (110,22–118,04) vs. 110,64 (108,09–115,45) mm Hg (Median [Interquartilsabstand]), p = 0,013) sowie diastolischer 24-h-Blutdruck (66,08 (64,20–68,32) vs. 62,63 (61,40–66,46) mm Hg, p = 0,005) nach dem Energydrinkkonsum [12]. Eine signifikant niedrigere zirkumferenzielle Deformation der Aa. carotides communes (11,78 ± 2,70 % vs. 12,29 ± 2,68 %, p = 0,043), als Zeichen einer erhöhten arteriellen Gefäßsteifigkeit, konnte demonstriert werden [10]. Echokardiographisch fiel eine signifikant niedrigere kardiale Effizienz (140,72 (133,21–149,73) mm Hg vs. 135,60 (124,78–140,33) mm Hg, p < 0,01) nach dem Energydrinkkonsum auf [13]. Dies deutet auf eine signifikant höhere Arbeit hin, welche vom linken Ventrikel verrichtet werden muss, um das gleiche Schlagvolumen zu generieren [13]. Eine signifikant niedrigere Herzfrequenz (79,54 ± 8,85 bpm vs. 82,65 ± 8,81 bpm, p = 0,012) nach den Energydrinkkonsum lag vor [11]. Das Auftreten supraventrikulärer Extrasystolen war nach dem Energydrinkkonsum signifikant häufiger anzutreffen („incidence rate ratio“: 1,700 (1,058–2,732), p = 0,0276) [11]. Die Ergebnisse der EDUCATE-Studie deuten zudem auf eine signifikant kürzere Schlafdauer nach dem Energydrinkkonsum hin (7,55 ± 0,92 h vs. 8,43 ± 1,70 h, p = 0,041) [12].

Behandlungsbericht: Kammerflimmern nach Energydrinks

Anamnese

Es wird über eine 16-jährige Jugendliche, die während des Schulunterrichtes synkopierte, berichtet. Bei Pulslosigkeit wurde mit einer Laienreanimation begonnen. Beim Eintreffen des notärztlichen Teams zeigte sich ein therapierefraktäres Kammerflimmern. In der Notaufnahme erfolgte bei therapierefraktärem Kammerflimmern die Implantation eines extrakorporalen Life-Support-Systems. Nach insgesamt 65 min Reanimation wurde ein „return of spontaneous circulation“ erreicht und die Patientin intensivmedizinisch weitertherapiert.

Die initiale kardiovaskuläre Eigen- sowie Familienanamnese war leer, insbesondere keine Vorerkrankungen oder eine bestehende Dauermedikation. Die Patientin war eine gute Schülerin und betrieb regelmäßig Sport. Um sich für eine Prüfung und ein Referat vorzubereiten, habe die Jugendliche die letzten 3 Tage vor dem Ereignis bei mangelndem Schlaf große Mengen an Energydrinks konsumiert.

Klinischer Befund

Nach Aufnahme auf unsere pädiatrische Intensivstation zeigten sich im EKG ein Sinusrhythmus mit einer Herzfrequenz von 84 bpm sowie ein Rechtslagetyp. Frisch nach Reanimation wies die Patientin initial ein verlängertes QTc-Intervall mit 498 ms auf. Die übrigen Herzzeitmaße waren normalwertig. Der QRS-Komplex stellte sich linksschenkelblockartig dar. Diese Befunde normalisierten sich rasch. Echokardiographisch konnte eine gute biventrikuläre Pumpfunktion unter 2 l/min venoarterieller ECMO-Unterstützung sowie Suprarenindauertropfinfusion aufgezeigt werden. Ein Vitium cordis konnte ausgeschlossen werden. Eine Herzkatheteruntersuchung konnte etwaige Koronarpathologien ausschließen. In den entnommenen Myokardbiopsien zeigte sich jedoch der histopathologische Befund einer abgelaufenen Myokarditis mit multipler kleinfleckiger interstitieller Fibrosierung.

Therapie und Verlauf

Bei verbesserter kardialer Funktion konnte an Tag 2 die ECMO erfolgreich explantiert werden. Die Jugendliche zeigte leider zu keinem Zeitpunkt Zeichen einer adäquaten Funktion des Zentralnervensystems mit rasch progredienter Verschlechterung. An Tag 5 bestätigte die Hirntoddiagnostik den irreversiblen Ausfall der Hirnfunktionen. Es wurde eine anschließende Organentnahme zur Organspende durchgeführt.

Als möglicher Auslöser des therapierefraktären Kammerflimmerns kann die Kombination aus abgeheilter Myokarditis und Konsum größerer Energydrinkmengen in Betracht gezogen werden. Bereits das alleinige Vorliegen einer Myokarditis ist mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende ventrikuläre Arrhythmien assoziiert [16]. Dieses Risiko wird potenziell durch den simultanen Konsum größerer Energydrinkmengen weiterverstärkt.

Erhöhen Energydrinks das kardiovaskuläre Risiko?

Die Ergebnisse der EDUCATE-Studie legen nahe, dass der akute Energydrinkkonsum mit negativen Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion bei Kindern und Jugendlichen einhergehen kann. Der hohe Koffeingehalt in Energydrinks (32 mg/100 ml) könnte hierfür u. a. verantwortlich gemacht werden [10,11,12,13,14]. Durch seine positiv-inotrope sowie vasokonstriktorische Wirkung begünstigt Koffein eine akute Erhöhung des Blutdrucks und folglich der linksventrikulären Nachlast [13, 14]. Dies erklärt möglicherweise die signifikant niedrige kardiale Effizienz, welche nach Energydrinkkonsum aufgezeigt werden konnte [13]. Zur Aufrechterhaltung des linksventrikulären Schlagvolumens musste eine signifikant höhere Arbeit seitens des Myokards aufgewendet werden [13]. Möglicherweise resultierte die aufgezeigte Blutdruckerhöhung über eine Reizung der Barorezeptoren in einer parasympathischen Aktivierung, was die signifikant niedrigere Herzfrequenz nach Energydrinkkonsum erklären könnte [11, 14]. Das signifikant häufigere Auftreten von supraventrikulären Extrasystolen nach dem Energydrinkkonsum ist wahrscheinlich auf das arrhythmogene Potenzial des Koffeins zurückzuführen [11]. Zusätzlich zu Koffein und dessen Derivat Guarana enthalten Energydrinks eine Vielzahl an weiteren Substanzen (z. B. Taurin, Glucuronolacton, B‑Vitamine). Die Wirkungen dieser Substanzen, in alleiniger als auch in simultaner Gabe, auf das kardiovaskuläre System sind noch nicht gänzlich verstanden und bedürfen weiterer Untersuchungen [10,11,12,13,14].

Der akute und exzessive Konsum von Energydrinks ist mit einem gehäuften Auftreten von z. T. schwerwiegenden Herzrhythmusstörungen assoziiert [4, 5]. Die scheint insbesondere dann der Fall zu sein, wenn zusätzliche prädisponierende Faktoren vorliegen [4, 5]. Mögliche prädisponierende Faktoren sind beispielsweise das Bestehen kardialer Erkrankungen, die simultane Einnahme von Partydrogen (z. B. Alkohol) und/oder Medikamenten (z. B. Methylphenidat), aber auch psychische Belastung oder sportliche Betätigung [4, 5]. In dem von uns vorgestellten Behandlungsbericht kann das Bestehen der abgeheilten Myokarditis als ein solcher prädisponierender Faktor gewertet werden. Bereits das alleinige Vorliegen einer Myokarditis ist mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende ventrikuläre Arrhythmien assoziiert [16]. Die zusätzliche Einnahme größerer Energydrinkmengen könnte das Risiko für schwerwiegende ventrikuläre Arrhythmien weiter verstärken. So konnten bereits mehrere Fallberichte aus der Literatur eine zeitliche Beziehung zwischen dem Konsum von Energydrinks und dem Auftreten schwerwiegender Herzrhythmusstörungen aufzeigen [2]. Um Einblicke in die akuten kardiovaskulären Wirkungsweisen des Energydrinkkonsums bei zusätzlichem Bestehen von prädisponierenden Faktoren zu erhalten, bedarf es weiterer systematischer Studien. So wurde beispielsweise die „Rhythm of the Night – Study“ (DRKS-ID: DRKS00031179) kürzlich initiiert, um die akuten kardiovaskulären Effekte des simultanen Energydrink- und Alkoholkonsums bei jungen, gesunden Erwachsenen zu untersuchen.

Bis dato fehlen systematische Studien bezüglich der kardiovaskulären Auswirkungen des chronischen Energydrinkkonsums im Kindes-, im Jugend- sowie im Erwachsenenalter. Dies gilt insbesondere für Risikogruppen, d. h. Kinder mit Vor- bzw. Begleiterkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Zuckerstoffwechselstörungen, Übergewicht) oder begleitender Medikation (z. B. Methylphenidat). Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der chronische Energydrinkkonsum auch bei Herzgesunden das kardiovaskuläre Risiko erhöht. Energydrinks enthalten oft einen sehr hohen Zucker- sowie Kaloriengehalt. In einer handelsüblichen 500-ml-Energydrink-Dose finden sich im Mittel 48,5 g Zucker und 220 kcal [7]. Durch den regelmäßigen Konsum von gesüßten Energydrinks wird folglich das Entstehen von Zuckerstoffwechselstörungen und Übergewicht begünstigt [13, 14]. Das vermehrte Auftreten von pathologischen Blutdruckspitzen aufgrund des chronischen Energydrinkkonsums könnte des Weiteren mit manifesten vaskulären und kardialen Veränderungen einhergehen [1, 6, 12,13,14, 19]. Eine energydrinkbedingte Reduktion der Schlafdauer könnte langfristig mit einer zusätzlichen Erhöhung des kardiovaskulären Risikos einhergehen [3, 12, 20].

Empfehlungen

Kindern und Jugendlichen sollte vom Energydrinkkonsum abgeraten werden, insbesondere dann, wenn ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko (z. B. abgeheilte Myokarditis, kardiale Hypertrophie, korrigierte angeborene Herzfehler, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Zuckerstoffwechselstörungen, Übergewicht) besteht oder eine Begleitmedikation (z. B. Methylphenidat) eingenommen wird [13, 14]. Des Weiteren sollten Minderjährige über energydrinkassoziierte Gesundheitsrisiken sowie über einen verantwortungsbewussten Konsum entsprechender Getränke aufgeklärt werden (z. B. mäßiger Konsum, kein simultaner Alkoholkonsum, keine Einnahme vor/während sportlicher Betätigung) [13]. Aus präventionsmedizinischer Sicht leuchtet ein generelles Verkaufsverbot von Energydrinks an Minderjährige, wie es in Litauen und Lettland bereits der Fall ist, ein [8, 9]. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der EDUCATE-Studie sollten hierbei durch entsprechende Entscheidungsträger herangezogen werden. Energydrinks werden seitens der Hersteller aggressiv vermarktet und in der Werbung oft mit sportlichen Erfolgen in Verbindung gebracht. Durch die Einschränkung entsprechender Werbemaßnahmen könnten Minderjährige vor einer solch verzerrten Darstellung geschützt werden. Profisportler sowie Veranstalter von Sportevents sollten sich hierbei ihrer Vorbildrolle bewusst sein.

Fazit für die Praxis

  • Der Konsum von Energydrinks ist unter Kindern und Jugendlichen weit verbreitet.

  • Der akute Konsum von Energydrinks ist mit negativen Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion bei Kindern und Jugendlichen assoziiert.

  • Kindern und Jugendlichen sollte vom Energydrinkkonsum abgeraten werden, insbesondere dann, wenn ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht.

  • Der Konsum von Energydrinks zusammen mit Partydrogen sowie vor/während sportlichen Betätigungen kann das kardiovaskuläre Risiko erhöhen und sollte gänzlich vermieden werden.