Definition und Basisinformation

Der plötzliche Säuglingstod ist definiert als der rasch eintretende Tod eines Säuglings, der nach der Anamnese unerwartet war, bei dem die Auffindesituation und die äußere Besichtigung des Körpers keine Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod ergaben und bei dem eine nach einem definierten wissenschaftlichen Protokoll durchgeführte postmortale Untersuchung (Autopsie) keine Befunde ergab, die aus klinischer und histologisch-pathologischer Sicht als todesursächlich gelten können. Ganz vereinzelt können auch noch jenseits des ersten Lebensjahres Kinder mit den Merkmalen des plötzlichen Säuglingstodes versterben.

Obwohl die pathogenetischen Abläufe der unter diesem Begriff zusammengefassten Todesfälle noch nicht hinreichend geklärt sind, konnten epidemiologische Risikofaktoren identifiziert werden, deren Vermeidung z. B. in Deutschland zwischen 1991 und 2020 zu einem Rückgang der Rate der unter der Diagnose „plötzlicher Säuglingstod“ verstorbenen Kinder um 93 % von 1,5481/1000 auf 0,1086/1000 Lebendgeborene geführt hat (in absoluten Zahlen: 1285 vs. 84 Fälle; Zahlen des Statistischen Bundesamts, www.gbe-bund.de).

Diagnostik

Nach dem plötzlichen Tod eines Säuglings sollten eine ausführliche Anamnese (z. B. Auffindesituation, Fütterungs- und Pflegegewohnheiten, vorausgehende Symptome u. a.) und eine Obduktion nach einem definierten wissenschaftlichen Protokoll durchgeführt werden, da nur so eine definitive Todesursache diagnostiziert werden kann bzw. der Todesfall im Sinne einer Ausschlussdiagnose als definitiver „plötzlicher Säuglingstod“ klassifiziert werden kann (s. Abschn. „Definition“).

Bislang gibt es keine diagnostische Methode, die mit ausreichender Sensitivität und Spezifität eine allgemeine Identifikation von verstärkt säuglingstodgefährdeten Kindern ermöglichen würde.

Aktuell gibt es keine Evidenz, die zeigen konnte, dass Heimmonitore geeignet sind, das SIDS-Risiko zu senken [1,2,3,4,5,6,7,8,9]. Dies gilt auch für die noch relativ neue Entität des neonatalen SIDS, d. h. für Fälle, die in den ersten 24 h nach der Geburt auftreten (s. unten).

Prävention

Bislang ist nur für die Primärprävention, d. h. für die Aufklärung aller Eltern von Säuglingen über Möglichkeiten der Risikoreduktion, gezeigt worden, dass es hierunter zu einem deutlichen Rückgang des Sterberisikos kommt. Daher ist dies derzeit die einzig empfohlene Maßnahme zur Prävention des plötzlichen Säuglingstodes.

Folgende Empfehlungen gelten als gesichert und sollten den Eltern aller Neugeborenen zugänglich gemacht werden:

  • Legen Sie Ihr Kind zum Schlafen auf den Rücken; benutzen Sie dabei eine feste und horizontale (d. h. keine schräge) Unterlage.

  • Legen Sie Ihr Kind tagsüber, solange es wach ist und Sie es gut beobachten können, regelmäßig für kurze Zeit auch auf den Bauch, um die motorische Entwicklung zu fördern und einer asymmetrischen Kopfform (abgeflachter Kopf, lagebedingter Plagiozephalus) vorzubeugen.

  • Vermeiden Sie Überwärmung: Während der Nacht ist eine Raumtemperatur von 18 °C optimal, anstelle einer Bettdecke empfiehlt sich die Verwendung eines Baby-Schlafsacks in altersentsprechender Größe. Im Zweifelsfall fühlen Sie zwischen den Schulterblättern, ob sich die Haut warm, aber nicht verschwitzt anfühlt: Dann ist es Ihrem Kind weder zu warm noch zu kalt.

  • Falls Sie keinen Schlafsack verwenden möchten, achten Sie darauf, dass Ihr Kind nicht mit dem Kopf unter die Bettdecke rutschen kann, indem Sie es so ins Bett legen, dass es mit den Füßen am Fußende anstößt.

  • Verzichten Sie auf Kopfkissen, Fellunterlagen, „Nestchen“, gepolsterte Bettumrandungen und größere Kuscheltiere, mit denen sich Ihr Kind überdecken könnte [27,28,29,30,31].

  • Wickeln Sie Ihr Kind zum Schlafen nicht fest ein.

  • Lassen Sie Ihr Kind bei sich im Zimmer, aber im eigenen Kinderbett schlafen; dies gilt v. a. für die ersten 6 Lebensmonate. Kinder von Rauchern sind besonders gefährdet, wenn sie mit im elterlichen Bett schlafen.

  • Achten Sie auf eine rauchfreie Umgebung für Ihr Kind auch schon während der gesamten Schwangerschaft.

  • Stillen Sie im 1. Lebensjahr, möglichst mindestens 4 bis 6 Monate.

  • Bieten Sie Ihrem Kind zum Schlafengehen einen Schnuller an (kein Zwang; d. h. z. B. keine Replatzierung des Schnullers beim schlafenden Kind).

  • Die hier genannten Präventionsmaßnahmen gelten auch für die Zeit unmittelbar nach der Geburt: Sollte Ihr Kind auf Ihrem Körper liegen, achten Sie darauf, dass es stets freie Atemwege hat. Sollten Sie müde oder abgelenkt werden (z. B. durch das Handy), legen Sie es in Rückenlage in sein eigenes Bett.

Anmerkungen

Die frühe Einführung eines Schnullers bedroht nicht den Stillerfolg [10], ist jedoch bei regelmäßigem Gebrauch mit einer 30 %-igen Risikoreduktion assoziiert (Odds Ratio (OR) 0,71; 95 % Vertrauensbereich (95  %-KI) 0,59–0,85) [11]. In der deutschen SIDS-Studie war Schnullergebrauch sogar mit einem um 60 % reduzierten Risiko verbunden (OR 0,39; 95  %-KI 0,31–0,50) [12]. Daher erscheint in Abwägung von Nutzen und möglichen Nebenwirkungen der Schnullergebrauch einen eindeutigen Vorteil zu bringen, ohne dass dadurch der Stillerfolg gefährdet wäre; dies gilt zumindest ab dem Zeitpunkt erfolgreichen Stillens, d. h. jenseits der ersten 2 bis 3 Lebenswochen. Pathogenetisch wird die protektive Wirkung des Schnullers bezüglich des SIDS-Risikos mit einer Erweiterung der oberen Atemwege oder einer geringeren Schlaftiefe erklärt. Für ausführliche Informationen sei auf Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Kinderheilkunde verwiesen [7, 8].

Zusätzlich gibt es die Empfehlung, Säuglinge nicht fest einzuwickeln, d. h., das sog. Swaddling (Pucken) zu vermeiden. Dies basiert auf einer aktuellen Metaanalyse, die für Swaddling v. a. in Verbindung mit Bauch- oder Seitenlage eine deutliche Erhöhung des SIDS-Risiko fand [13].

Das Schlafen im gemeinsamen Zimmer, aber im eigenen Kinderbett, ist mit einer signifikanten SIDS-Risiko-Reduktion assoziiert. Da das SIDS-Risiko in den ersten 6 Monaten am höchsten ist, sollten Kinder gleichlautend zu den aktuellen Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Kinderheilkunde (AAP, American Academy of Pediatrics) in diesem Zeitraum möglichst in der Nähe der Eltern, aber im eigenen Kinderbett schlafen.

Beachtet werden sollte, dass plötzliche Todesfälle oder Zyanosezustände mit Interventionsbedarf bereits in den ersten Stunden nach der Geburt auftreten können, wobei diese Ereignisse v. a. mit dem initialen Bonding in Bauchlage des Kindes auf der mütterlichen Brust und Primipara-Status assoziiert waren [14,15,16,17]. Hier werden in der Literatur die Weitergabe der Empfehlung an die Eltern, stets auf freie Atemwege bei ihrem Neugeborenen zu achten, und eine engmaschige klinische Überwachung des Neugeborenen im Kreißsaal als empfohlene Maßnahmen genannt [18].

Biomechanische Untersuchungen haben gezeigt, dass eine schräg gestellte Bettunterlage zu einer schnelleren muskulären Erschöpfung führen kann – mit dem Risiko, dass sich das Kind aus einer für die Atemwege ungünstigen Position schlechter selbst befreien kann. Dies ist besonders relevant, wenn sich der Säugling beispielsweise das erste Mal allein in die Bauchposition gedreht hat [19,20,21].

Mehrere Studien deuten darauf hin, dass eine regelmäßige Bauchlage beim wachen Säugling unter Beobachtung hilft, einem lagebedingten Plagiozephalus vorzubeugen und die motorische Entwicklung zu fördern [22,23,24,25,26].

Infobox Verfahren zur Konsensbildung

Die vorliegende Leitlinie stellt eine aktualisierte Version der gleichnamigen Leitlinie vom 05.09.2017 dar (C. Poets, F. Kirchhoff, A. Kramer, S. Scholle, Th. Erler, B. Hoch, E. Paditz, Th. Schäfer, B. Schneider, B. Schlüter, M. S. Urschitz, A. Wiater). Die Autorinnen und Autoren wurden durch die Vorstände der DGSM, DGKJ, GNPI, DGGG, DGPM und der GEPS Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland mandatiert. Wir danken den ausgeschiedenen Autorinnen und Autoren für die Mitarbeit an der vorangehenden Version dieser Leitlinie.

  • 03.05.2022: Start der 1. Delphirunde, online

  • 24.06.2022: Start der 2. Delphirunde, online

  • 14.09.2022: Start der 3. Delphirunde, online

  • 26.09.2022: Konsentierung des überarbeiteten Entwurfs in zwei Delphi-Konferenzen (10 teilnehmende KinderärztInnen). Der 1. Entwurf erhielt 9 Zustimmungen bei einer Enthaltung aus zeitlichen Gründen. Der 2. Entwurf erhielt 10 Zustimmungen von 10 abgegebenen Stimmen. Der 3. Entwurf wurde mit 10 von 10 Stimmen bestätigt.

  • 06.11.2022: 4. Delphirunde mit Konsentierung des nochmals überarbeiteten Entwurfs mit 12/12 Stimmen, nachdem die DGGG zwei VertreterInnen für die Mitarbeit an dieser Leitlinie mandatiert hatte.

  • Nachtrag v. 17.11.2022: Zustimmung durch den Vertreter der DGPM zur Fassung v. 06.11.2022.

  • Erstellungsdatum: 06.11.2022

  • Letzte Überarbeitung: 11/2022

  • Nächste Überprüfung geplant: 11/2027

Die Endfassung dieser Leitlinie wurde von den Vorständen und Leitlinienbeauftragten der beteiligten Fachgesellschaften und der beteiligten Selbsthilfeorganisation bestätigt und zur Publikation freigegeben.

Deklaration von Interessenkonflikten

Die Interessenerklärungen aller AutorInnen wurden über das offizielle Online-Portal der AWMF abgegeben und von den beiden Koordinatoren der Leitlinie geprüft und bewertet. Die Bewertung der Erklärungen der Koordinatoren erfolgte durch gegenseitige Prüfung und Bewertung.

Bei thematischem Bezug zur Leitlinie oder bei Vorträgen für die Industrie wären Interessenkonflikte als gering eingeschätzt worden. Bei Berater- und Gutachtertätigkeit/Drittmittelforschung für die Industrie mit thematischem Bezug zu dieser Leitlinie wären Interessenkonflikte als moderat und bei Patenten sowie überwiegender Tätigkeit für die Industrie als hoch bewertet worden. Moderate und hohe Interessenkonflikte hätten Stimmenthaltung nach sich gezogen.

Die Autorinnen und Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Die vorliegende Leitlinie wurde von allen Autorinnen und Autoren unentgeltlich, ohne Zuschuss finanzieller Mittel erstellt. C.F. Poets ist Mitglied der Europäischen Gesellschaft zur Erforschung und Prävention des Plötzlichen Säuglingstodes (ESPID) und der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung und Prävention des Plötzlichen Säuglingstodes (ISPID; Edmonton, Kanada). M. Quante ist Mitglied der American Academy of Sleep Medicine. A. Wiater war während der Entwicklung dieser Leitlinie Vorstandsreferent der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e. V. (DGSM). T. Erler ist Mitglied der Ethikkommission der Landesärztekammer Brandenburg und Vorsitzender des Klinischen Ethikkomitees am Klinikum Ernst von Bergmann. E. Paditz ist Mitglied der Ethikkommission an der Technischen Universität Dresden, Vorsitzender des ehrenamtlich tätigen Vereins Babyhilfe Deutschland e. V., Mitglied des Regionalen Ärztlichen Dienstes Luzern der IV WAS Zentralschweiz und geschäftsführender Gesellschafter der kleanthes Verlag für Medizin und Prävention GmbH & Co. KG.

Rechtlicher Hinweis und Copyright

Die „Leitlinien“ der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen aber auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die „Leitlinien“ sind für Ärzte rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung. Die AWMF erfasst und publiziert die Leitlinien der Fachgesellschaften mit größtmöglicher Sorgfalt – dennoch kann die AWMF für die Richtigkeit des Inhalts keine Verantwortung übernehmen. Insbesondere für Dosierungsangaben sind stets die Angaben der Hersteller zu beachten!

© Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e. V. (DGSM).