FormalPara Infobox 1 Stellungnahme

Diese Stellungnahme wurde von den genannten Autorinnen und Autoren verfasst. Folgende Fachgesellschaften unterstützen die Stellungnahme:

figure a

Die Menschheit schuldet dem Kind das Beste, was sie zu geben hat. (UN-Kinderrechtskonvention, Erklärung vom 20.11.1959)

Die Klimakrise ist real und die größte Herausforderung unserer Zeit

Der Klimawandel ist eine stille Krise und die größte Bedrohung unserer Zeit. Es hat nichts mit Idealismus zu tun, dass wir uns dieser Krise mit langem Atem und einer grundlegenden Neuordnung von Prioritäten widmen müssen. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) prognostiziert Zukunftsszenarien („shared socioeconomic pathways“, SSP; [1]). Diese versuchen, die Folgen und Ausmaße des Klimawandels zu modellieren sowie in den Kontext von Vulnerabilitäten und Möglichkeiten zu Anpassung und Minderung des Klimawandels zu setzen.

Aktuell, so auch das Ergebnis des Glasgow Climate Pact der UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), steuern wir auf eine Erderwärmung von 2,7 °C zu und nehmen die Zerstörung von Lebensräumen und Ökosystemen in Kauf. Um diese Szenarien abzuwenden, braucht es nicht nur ein rasches und umfängliches Agieren der Politik. Auch unser Selbstverständnis als Ärztinnen und Ärzte muss neu gedacht bzw. als Akteur:innen und Botschafter:innen geschärft und das eigene Handeln hinterfragt werden. Es ist außerdem an der Zeit, dass auch wir als junge Vertreter:innen der Fachgesellschaften mehr zu Protagonist:innen werden.

Kinder sind in besonderer Weise von der Klimakrise betroffen

Die Warnungen aus der Wissenschaft werden immer deutlicher. Das World Economic Forum bewertet in seiner jährlichen globalen Risikoeinschätzung das Verfehlen von Klimaschutzmaßnahmen als wahrscheinlichste und größte Gefahr unserer Zeit [2]. Der Lancet Countdown, ein Review von Wissenschaftler:innen aus 43 führenden Instituten weltweit, zeigt immer deutlichere Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit [3]. Auch der IPCC-Report 2022 bestätigt für dieses Jahr wieder eine weltweite Zunahme der klimawandelassoziierten Morbidität und Mortalität sowie den Einfluss auf die psychische Gesundheit [1].

Als Ärzt:innen für Kinder- und Jugendgesundheit, Wissenschaftler:innen und an der Versorgung von Kindern und Jugendlichen Beteiligte stehen wir in besonderer Weise in der Verantwortung. Unsere Patient:innen gehören in Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels zu den vulnerabelsten Gruppen, die überdies noch am längsten mit den Folgen der Klimakrise leben müssen [4]. In der Versorgung unserer Patient:innen spielt Prävention eine wichtige Rolle, aber auch Aufklärung und Schutz dieser Patientengruppe.

Welchen Beitrag können und müssen wir als Gemeinschaft, insbesondere in unseren Fachgesellschaften, leisten, um Kindern und Jugendlichen eine lebenswerte Zukunft gewährleisten zu können?

Klimawandel und Auswirkungen auf die Kinder- und Jugendgesundheit

Hitze

Die schnell voranschreitende Erderwärmung ist die wohl am besten untersuchte, weitreichendste und bereits jetzt schon erfahrbarste Folge des Klimawandels. In Deutschland ist die Durchschnittstemperatur in den letzten Jahren um 1,5 °C gestiegen, aber auch eine Zunahme der Hitzetage und-wellen sowie der tropischen Nächte in Deutschland wurde beobachtet [5]. Als vulnerable Gruppen gelten Menschen über 65 Jahre, chronisch Kranke und Kinder. Neben den offensichtlich gesundheitlichen Risiken gibt es auch pädiatriespezifische und weniger bekannte Hitzefolgen.

Hitze in Bezug auf genetisch bedingte Epilepsien

Die Häufigkeit von Epilepsien, v. a. genetisch bedingten Epilepsien, kann durch die Erderwärmung beeinflusst werden. Die meisten genetischen Epilepsien sind auf dysfunktionale Kanäle zurückzuführen. Eine Temperaturerhöhung kann die Wärmeregulation des Gehirns und epileptische Entladungen beeinflussen sowie Anfälle in Modellen auslösen, die bestimmte pathogene Genvarianten z. B. in SCN1A (Dravet-Syndrom), GABRG2, STX1B u. Ä. tragen. Empirische und Modelldaten zeigen direkte Auswirkungen höherer Temperaturen auf die biophysikalischen Eigenschaften und die neuronale Dynamik u. a. von Natriumkanälen [6].

Auswirkungen extremer Hitzeperioden auf die Frühgeburtlichkeit

Die Klimakrise stellt eine Gefahr für die Gesundheit von Schwangeren, Früh- und Neugeborenen dar. Durch physiologische und anatomische Veränderungen während der Schwangerschaft sind die Mechanismen der Thermoregulation eingeschränkt, wodurch Hitzewellen einen frühzeitigen Blasensprung, Frühgeburtlichkeit, ein geringes Geburtsgewicht und Fehlgeburten bedingen können [7]. Frühgeburtlichkeit ist ein bedeutender Risikofaktor für Entwicklungsstörungen und andere chronische Erkrankungen [8]. Nicht zuletzt stellen extreme Wetterphänomene wie Dürreperioden oder Flutkatastrophen ein physisches und psychisches Gesundheitsrisiko für Schwangere dar, insbesondere wenn der Zugang zur medizinischen Versorgung eingeschränkt ist [9].

Luftverschmutzung

Kinder sind aufgrund der höheren Atemfrequenz und des höheren Atemminutenvolumens in Relation zum Körpergewicht einer größeren Menge an Luftschadstoffen ausgesetzt. Luftschadstoffe (Ozon, Kohlenmonoxid, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und Feinstaub [„particulate matter“: PM10, PM2,5]) führen neben akuten und chronischen Atemwegserkrankungen zu einer erhöhten Sterblichkeit von Säuglingen und Kleinkindern [10, 11]. Bereits die pränatale Exposition gegenüber Feinstaub und Stickstoffdioxid ist mit embryonalen genetischen Veränderungen, intrauteriner Wachstumsretardierung, Frühgeburtlichkeit, Entwicklungsverzögerung und Leukämien assoziiert [12].

Allergien und Asthma

Längere und wärmere Sommer sowie Extremwetterereignisse verlängern und intensivieren die Pollenflugdauer [13]. Durch neu angesiedelte Pflanzenarten wie z. B. Ambrosia steigt die Allergenexposition, wodurch die Entstehung von Allergien und Asthma begünstigt wird. Feinstaub und Ozon verstärken die Allergenität der Pollen zusätzlich [14]. Asthma stellt eine der häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen dar und geht mit einer Einschränkung der Lebensqualität für die Betroffenen und deren Familien einher.

Infektiöse Erkrankungen

Durchfallerkrankungen wie Cholera sind weltweit mit etwa 1,6 Mio. Todesfällen/Jahr die häufigste Todesursache bei Kindern unter 5 Jahren [15]. Höhere Raten der Gastroenteritiden aufgrund steigender Temperaturen wurden bereits dokumentiert [16]. Extremwetterereignisse erleichtern durch den Ausfall der Infrastruktur die Übertragung infektiöser Erkrankungen [17]. Steigende Temperaturen führen nicht nur zum Anstieg vektorübertragener Krankheiten in den endemischen Gebieten, sondern auch zu einer Ausbreitung in Gebiete mit bisher geringem Risiko [18]. Regionen des globalen Südens sind von den Entwicklungen am stärksten betroffen. Bei weltweit steigenden Temperaturen ist die Ausbreitung nach Europa jedoch zu erwarten [19].

Onkologische Erkrankungen

Die Assoziation von onkologischen Erkrankungen und der Klimakrise wird in zwei Richtungen diskutiert. Einerseits schafft der Klimawandel günstige Bedingungen für die verstärkte Exposition durch Karzinogene wie UV-Strahlen-Exposition, Luftverschmutzung, abnehmende Ernährungsqualität oder auch veränderte Verhaltensweisen von Menschen, die wahrscheinlich mit steigenden Krebsinzidenzen einhergehen, andererseits werden Probleme bei der Versorgung von Krebserkrankten befürchtet [20].

Die Verknappung von Ressourcen, eine Verzögerung von Krebsbehandlungen oder eine verspätete Diagnose werden als indirekte Auswirkungen der Klimakrise befürchtet ([21], s. Abschn. „Sozioökonomisches Ungleichgewicht“).

Klimawandel und Ernährung

Die Ernährung von Kindern und Jugendlichen in Zeiten des Klimawandels spielt eine besondere Rolle, da sie sowohl Einfluss auf dessen Verlauf hat, als auch von diesem selbst beeinflusst wird. So stellt eine auf pflanzliche Produkte fokussierte Ernährung wie die „planetary health diet“, die auch für Kinder geeignet ist, eine wirksame Möglichkeit dar, CO2 einzusparen [21]. Die durch den Klimawandel beeinflusste Urbanisierung wiederum hat eine reduzierte körperliche Aktivität der Kinder zur Folge und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken [22]. Durch den Klimawandel bedingte Dürren und Naturkatastrophen werden dazu führen, dass mehr als 150 Mio. Kinder (Stand: 2017) weltweit, v. a. in den Ländern mit niedrigen Einkommen, an Unterernährung leiden werden [23].

Mentale Gesundheit

Die Klimakrise gefährdet die mentale Gesundheit Heranwachsender. In diesem Zusammenhang werden bereits neue Begrifflichkeiten wie „eco-anxiety“, „eco-paralysis“ und „Solastalgie“ verwendet. Eco-anxiety beschreibt die Angst vor dem direkten Erleben des Klimawandels [24]. Während diese Angst bei manchen Jugendlichen eine Veränderung hin zu umweltfreundlichem Verhalten zur Folge hat, fallen andere in eine eco-paralysis. Das Wissen über den Klimawandel kann zu einer lähmenden Angst und dessen Leugnung führen. Auch Traumata durch das Erleben von Extremwetterereignissen oder eine erzwungene Umsiedelung lösen psychische Belastungen bei Jugendlichen aus [25]. Neben der Eco-anxiety fällt immer häufiger der Begriff der Solastalgie, der den existenziellen Schmerz durch die Erfahrung unwiederbringlicher klimabedingter Veränderungen der Umwelt beschreibt [26]. Umfragen zeigen, dass die Zukunftsangst unter Heranwachsenden in den letzten Jahren zugenommen hat [27].

Sozioökonomisches Ungleichgewicht

Durch die Klimakrise verstärkt sich weltweit die soziale Ungleichheit. Die Bevölkerung des globalen Südens leidet aktuell am meisten unter steigenden Temperaturen, Extremwetterereignissen, Infektionskrankheiten, Wasser- und Nahrungsknappheit sowie in weiterer Folge an Konflikten um beschränkte Ressourcen. Kinder zählen zu den vulnerablen Gruppen und werden von den Folgen des Klimawandels und der damit verbundenen Armut mit am schwersten getroffen.

In Deutschland wird die Klimakrise v. a. durch Extremwetterereignisse und Hitze in Erscheinung treten. Die einkommensschwache Bevölkerung wird damit hauptsächlich belastet, z. B. durch das ökonomisch erzwungene Leben an großen Straßen oder auf beengtem Wohnraum oder durch die steigenden Kosten für Grundbedürfnisse. Kinder aus einkommensschwachen Familien werden gesundheitlich und sozial noch stärker benachteiligt sein [28].

Klimawandel und Gesundheitswesen

Alle Gesundheitswesen dieser Welt zusammen genommen sind der fünftgrößte Klimaemittent [29]. Trotz allem erfahren Gesundheitseinrichtungen in Deutschland in der öffentlichen Debatte über Ressourceneinsparungen noch wenig Beachtung. Es ist also an der Zeit, dass auch wir als Akteur:innen des Gesundheitswesens klimabewusst handeln. Eine aktuelle Umfrage, an der etwa 400 Kinder- und Jugendärzt:innen aus ganz Deutschland teilnahmen, ergab, dass die meisten Befragten den Klimawandel als relevanten Einfluss auf die Kinder- und Jugendgesundheit wahrnehmen [30].

Trotzdem führen 76 % der Befragten bislang keine entsprechenden Präventionsmaßnahmen durch. Als häufigster Grund wurde Zeitmangel genannt. Die Befragten gaben darüber hinaus an, dass sie sich über das Thema Klimawandel und Gesundheit am ehesten durch Fachzeitschriften informieren. Die Umfrage zeigt beispielhaft, dass das Bewusstsein einer Mitverantwortlichkeit gestärkt werden muss und Fortbildungs- und Unterstützungsbedarf für die Umsetzung besteht.

Beitrag zum Klimaschutz im Gesundheitswesen

Die Evidenz legt nahe, möglichst rasche und umfassende Maßnahmen im Sinne des klimabewussten Arbeitens einzuleiten. Trotzdem sind gesetzliche Klimaschutzmaßnahmen im deutschen Gesundheitssystem kaum etabliert, sodass es noch immer an privaten Initiativen oder krankenhausinternem Engagement hängt, sich dieser Belange anzunehmen. Fest steht: Die Politik müsste durch Gesetze und Subventionen die entscheidenden Impulse setzen. Fest steht jedoch auch, dass Klimaschutz überall möglich ist, wenn Prioritäten neu gedacht werden.

Ärztliches Handeln

Erfreulicherweise gibt es bereits viele einfache Maßnahmen, die ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand in den Arbeitsalltag integriert werden können. Ein Beispiel ist das Projekt Klimaretter – Lebensretter (https://projekt.klimaretter-lebensretter.de), das Anreize und konkrete Vorschläge zum klimabewussten Arbeiten gibt. Beispielsweise werden Mitarbeiter:innen zu klimafreundlicher Mobilität und Ernährung oder zum Energiesparen motiviert. Ein ähnliches Projekt in Österreich macht es möglich, Punkte durch die Nutzung von Fahrgemeinschaften sowie durch Bus- oder Radfahren zu sammeln; diese können im regionalen Handel eingelöst werden (https://ummadum.com/de/).

Besonders in Praxen wäre eine einfache Maßnahme, das Verteilen von (Papier)Flyern und kleinen Geschenken für die jungen Patient:innen im Sinne der Nachhaltigkeit kritisch zu überdenken und kreativ anzupassen.

Eine Mitgliedschaft in örtlichen oder überregionalen Vereinen, wie z. B. die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (https://www.klimawandel-gesundheit.de) oder der Bewegung Scientists for future (https://scientists4future.org) ermöglicht die Vernetzung mit Gleichgesinnten und den Austausch über laufende Projekte.

Institutionen der Gesundheitsversorgung

Verschiedene Initiativen haben sich bereits dem Ziel des Klimaschutzes im Gesundheitswesen verschrieben. Eine der deutschen Initiativen sind die KlimaDocs (https://www.klimadocs.de/klimaschutz-was-kann-ich-tun), die das Ziel verfolgen, Informationsmaterial zu Maßnahmen einer klimafreundlicheren Lebensführung über die ambulante Versorgung an Patient:innen weiterzugeben. Innerhalb Deutschlands gibt es das Projekt KliK green (https://www.klik-krankenhaus.de/startseite), um Klimamanager:innen, die Emissionsquellen und Einsparmaßnahmen identifizieren, ausbilden zu lassen. Hierbei konnte festgestellt werden, dass die größten Einsparungen im Bereich Energieversorgung möglich sind [31]. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat 2022 ein Maßnahmenpapier veröffentlicht, in dem 10 Punkte ausgearbeitet wurden, die Krankenhäuser kurz- und mittelfristig umsetzen können [32]. Die wohl wichtigste Maßnahme ist, klare Zuständigkeiten zu schaffen. Klimaschutz ist auch ökonomisch sinnvoll: Die Maßnahmen benötigten zwar eine Anfangsfinanzierung, auf lange Sicht führten aber alle zu finanziellen Einsparungen, die die Anfangsinvestitionen sogar übertrafen. Im internationalen Kontext ist die Initiative „health care without harm“ (https://noharm.org) zu nennen, auf deren Internetseite Best-Practice-Beispiele zu den verschiedenen Bereichen wie Energie, Müllentsorgung, Plastikverbrauch, Ernährung und Gebäude zu finden sind.

Klimaschutz ist auch ökonomisch sinnvoll

Die Welternährung verursacht ca. 26 % der Treibhausgasemissionen [33]. Eine pflanzenbetonte Ernährung kann die Treibhausgase durch Nahrungsmittel halbieren [34]. Mit einer Umstellung auf nachhaltigere Alternativen im Speiseplan könnten Krankenhauskantinen ein Vorbild für andere Großbetriebe sein und neben dem Umwelt- auch das Gesundheitsbewusstsein der Mitarbeitenden stärken. Ein konsequentes Angebot von Mehrweggeschirr reduziert den Verpackungsmüll.

Kunststoffe und Einwegmaterialien sind im Gesundheitssystem allgegenwärtig, was immense Müllberge verursacht. Die Herausforderung besteht darin, die notwendigen hohen Hygienestandards aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Herstellung, die Entsorgung und nach Möglichkeit das Recycling der Materialien nachhaltig zu gestalten. Zum Beispiel ruft die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V. (DTG) mit der Aktion „Nachhaltig Impfen“ dazu auf, ohne das Tragen von Einmalhandschuhen zu impfen, und beruft sich dabei auf die Einschätzungen des Robert Koch-Instituts [35]. Der Aspekt der Nachhaltigkeit sollte bei der Entwicklung von standard operating procedures (SOP) und bei der Herstellung von Medizinprodukten einen höheren Stellenwert bekommen.

Die Sektoren Energie und Gebäude machen einen erheblichen Anteil (> 50 %) der Treibhausgasemissionen in Deutschland aus [36]. Zu Dekarbonisierungsmaßnahmen zählen der Einbau von Bewegungsmeldern und LED-Beleuchtung. Die Wahl der Energieversorgung ist eine mittelfristige Maßnahme. Im Vergleich zu Strom aus fossilen Kraftwerken kann Solarstrom als annähernd klimaneutral betrachtet werden [37]. Gerade bei Krankenhäusern und Arztpraxen ergibt eine Nutzung der Dachflächen mit Photovoltaik(PV)-Anlagen doppelten Sinn. Durch den vorwiegenden Betrieb tagsüber und den damit korrelierenden Stromverbrauch am Tag ergänzt sich der Stromverbrauch gut mit der Stromproduktion aus PV-Anlagen.

Auch die Krankenhausmobilität muss im Sinne der Nachhaltigkeit überdacht werden. Elektromobilität verursacht einen geringeren Ausstoß an Treibhausgasen als fossile Kraftfahrzeuge. Ein Austausch der Fahrzeugflotte spart daher CO2 ein. Die Verfügbarkeit von Elektroladeinfrastruktur sowie sicheren und überdachten Fahrradstellplätzen fördert zusätzlich nachhaltige Mobilitätsformen bei Mitarbeiter:innen und Besucher:innen.

Klimaschutz muss auf verschiedenen Ebenen gedacht und ausgeübt werden

Neben Maßnahmen im klinischen Alltag spielt die Thematisierung in den Bereichen Lehre und Forschung eine wichtige Rolle. Bislang finden die Zusammenhänge von Klimawandel und Gesundheit noch wenig Platz in den Curricula der Universitäten. Seit 2019 bildet die Planetary Health Report Card (https://phreportcard.org) international ab, welche Universitäten bereits ein Curriculum implementiert haben. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Kinder- und Jugendgesundheit sind zudem noch nicht ausreichend erforscht. Entsprechende Forschungsprojekte sollten entwickelt und subventioniert werden.

Fachgesellschaften

Immer mehr Fachgesellschaften beschäftigen sich mit dem Thema Klimawandel und überlegen, welchen Beitrag sie leisten können. Als eingetragene Vereine sind sie flexibler als die Institutionen des Gesundheitswesens, können evtl. besser auf das Thema aufmerksam machen und Änderungen im Kleinen bewirken.

Die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) analysierte ihre klimaschädlichen Emissionen und identifizierte, wenig überraschend, die jährlich stattfindende Jahrestagung als Emissionstreiber [38]. In Zusammenarbeit mit der Kongressagentur wurden erste Maßnahmen für eine klimafreundlichere Jahrestagung besprochen und bereits bei der DGEpi-Jahrestagung 2022 umgesetzt (https://2022.dgepi.de/klimaschutz/; Tab. 1). Wichtig ist, die Treibhausgasemissionen der Veranstaltung so weit wie möglich zu reduzieren und so viel erneuerbare Energien wie möglich zu nutzen. Dennoch bleibt eine gewisse Menge an Emissionen, die nicht vermeidbar sind, sodass diese im letzten Schritt kompensiert werden müssen. Hierzu werden beispielsweise bei der DGEpi die bei der Anreise zur Jahrestagung genutzten Verkehrsmittel erfasst und die zu kompensierenden CO2-Emissionen der Veranstaltung berechnet und finanziell kompensiert.

Tab. 1 Maßnahmen, die bei der Jahrestagung 2022 der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie bereits umgesetzt wurden (https://2022.dgepi.de/klimaschutz/)

Die Redaktionen von Fachzeitschriften könnten sich für die regelmäßige Berichterstattung aktueller Publikationen im Bereich Planetary Health in Bezug auf die Kinder- und Jugendgesundheit entscheiden, damit das Thema einer breiten Leserschaft zugänglich gemacht wird. Eine weitere Maßnahme wäre die offensivere Bewerbung des Online-Bezugs der Fachzeitschriften, z. B. über eine App, um Druckmittel und Papier zu sparen.

Je größer der Einfluss der Akteurinnen, desto größer ist die Verantwortung

In der Umfrage deutscher Pädiater:innen zum klimabewussten Handeln [30] wurde deutlich, dass sich viele Kolleg:innen mehr Informationen und Zugang zu dem Thema wünschen. Es könnten also regelmäßig Fortbildungen zum Thema Klimawandel und Kindergesundheit von Ärztekammern und Fachgesellschaften angeboten werden. Auch ist es wünschenswert, Informationsmaterial für Praxen und Krankenhäuser zu diesem Thema zur Verfügung zu stellen. Die Implementierung von Public/Environmental Health in die Curricula medizinischer Fakultäten sollte nicht nur im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin stattfinden, sondern auch für die nachfolgenden Generationen junger Ärzt:innen mitgedacht werden.

Je größer der Einfluss der Akteure, desto bedeutender sind die Maßnahmen, die durchgesetzt werden können. Auch in Deutschland wird gerade im Hinblick auf große Reform- und Sanierungsprojekte klar, dass diese ohne eine adäquate Förderung durch Bund und Länder nicht durchführbar ist. Trotzdem braucht es den Druck namhafter Gesellschaften und Organisationen auf die Politik, da diese, im Gegensatz zu privaten Organisationen oder der Fridays-for-Future-Bewegung bereits in den Gesundheitsausschüssen Gehör finden.

Seit 2022 besteht mit dem Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e.V. als Weiterentwicklung der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) mit neuer Mitgliederstruktur eine Möglichkeit, die Belange von Kindern und Jugendlichen interdisziplinär zu diskutieren und zu vertreten. Auch im Bereich Klimawandel und Kindergesundheit fordern wir einen Austausch aller Fachbereiche und eine gemeinsame Interessenvertretung gegenüber der Politik mit dem Ziel, den Kindern das zu ermöglichen, was wir ihnen schulden: eine lebenswerte Zukunft.