„Das Herz am rechten Fleck tragen“ beschreibt das Herz als Sitz der Gefühle und symbolisiert u. a. Mitgefühl und positive soziale Verhaltensweisen. Die Redewendung ist seit etwa 1786 erstmals schriftlich erwähnt und sollte damals die positiven Eigenschaften von Rittern umschreiben [1].

In der Kinderkardiologie resp. in der Auseinandersetzung mit angeborenen Herzfehlern (im weiteren Kinderkardiologie) ist dies die erste Frage in der anatomischen Beschreibung des Situs: Liegt das Herz am rechten Fleck? Besteht eine Dextro‑, Mesokardie oder ein Situs inversus? Heute sind diese grundsätzlichen Fragen in der Regel mittels Echokardiographie leicht zu beantworten. Kinderkardiologie ist aber so viel mehr als die reine Primärdiagnostik angeborener Herzfehler. Das Fach definiert sie sich auch nicht allein am Alter des Patienten, sondern an der Präsenz eines Herzfehlers (ob korrigiert oder unkorrigiert) und den daraus resultierenden Konsequenzen für das Individuum, ganz zu schweigen von den vielen erworbenen Herzerkrankungen im Kindesalter.

Der Komplexität des Faches wurde in Deutschland bereits früh Rechnung getragen, es war die erste Teilgebietsbezeichnung in der Pädiatrie. Hier soll Herr Prof. Dr. Bodo-Knuth Jüngst, der ehem. Leiter der Pädiatrischen Kardiologie in Mainz, genannt sein, der in den 1960er- und 1970er-Jahren die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) mitbegründet hat und sich auch um die bundesweite Etablierung der Teilgebietsbezeichnung „Kinderkardiologie“ verdient gemacht hat.

Moderne Kinderkardiologie umfasst die Diagnostik und Therapie angeborener Herzfehler und deren Konsequenzen, immer häufiger schon von intrauterin an (in Zusammenarbeit mit der Pränataldiagnostik) und begleitet die betroffenen Menschen weit über das 18. Lebensjahr hinaus bis ins hohe Alter. Darüber hinaus beschäftigt sich die Kinderkardiologie mit der Diagnostik und Therapie von erworbenen Herzerkrankungen wie Myo‑, Endo‑, Perikarditiden, von Rhythmusstörungen sowie auch der kardiovaskulären Beteiligung bei systemischen Erkrankungen. Kinderkardiologie ist ein unverzichtbares Element zwischen den pädiatrischen Subdisziplinen und übergreifend bis in die innere Medizin (Kardiologie), Gynäkologie und Geburtshilfe und nicht zuletzt in die chirurgische Versorgung angeborener Herzfehler mit spezialisierten Kollegen der Herzchirurgie.

Moderne Kinderkardiologie begleitet die betroffenen Menschen weit über das 18. Lebensjahr hinaus

Wegen der beeindruckenden Fortschritte in der Diagnostik und Therapie der kardialen Fehlbildungen leben seit ca. 2008 europaweit heute mehr Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler (EMAH) als Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Das Wissen um dieses sehr spezifische Patientenkollektiv hat 2021 bundesweit zur Einrichtung einer weiteren Teilgebietsbezeichnung für die Behandlung von EMAH geführt.

Die Verbesserung der Langzeitüberlebenswahrscheinlichkeit von Menschen mit einem angeborenen Herzfehler ist besonders auf Fortschritte in der herzchirurgischen Versorgung und der herzkathetergestützten Therapien zurückzuführen. Zudem haben die Ein- und die gewissenhafte Durchführung der Vorsorgeuntersuchungen im Neugeborenenalter die Prognose von Kindern mit angeborenen Herzfehlern erheblich verbessert.

Über ein Jahrzehnt, bevor Katheterinterventionen an den Herzkranzgefäßen möglich waren, wurden bereits im Säuglingsalter angeborene Herzfehler mithilfe des Herzkatheters durch Kinderkardiologen behandelt; dies hat z. B. bei der einfachen Transposition der großen Arterien (Rashkind-Manöver) die Einjahresmortalität von 99 % auf unter 30 % senken können. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es am 12.09.2000, also vor mehr als 22 Jahren, dem Kinderkardiologen Philipp Bonhöffer als Erstem gelang, eine mit Firmen gemeinsam entwickelten Herzklappe in Pulmonalisposition per Herzkatheter zu implantieren [2], lange bevor Alain Cribier vergleichbare Erfolge bei Katheterklappen in Aortenposition (Transkatheter-Aortenklappenimplantation, TAVI) an Erwachsenen aufweisen konnte. In Langzeituntersuchungen von per Herzkatheter implantierten Pulmonalklappen konnte nachgewiesen werden, dass die Haltbarkeit dieser Klappen, verglichen mit chirurgisch implantierten Klappenbioprothesen, mindestens gleichwertig ist.

Ein weiteres fachübergreifendes Beispiel für moderne Behandlungsstrategien, die der Kinderkardiologie erwachsen sind, ist die Therapie der pulmonalen Hypertension. Wichtige therapeutische Fortschritte, insbesondere bezüglich der Wirkung und Wirksamkeit von Sildenafil auf die Pulmonalgefäße sind dem viel zu früh verstorbenen Ingram Schulze-Neick zu verdanken.

Zahlreiche Behandlungsstrategien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind der Kinderkardiologie erwachsen

Die stetigen Entwicklungen von neuen Therapieoptionen haben das Versorgungskonzept angeborener Herzfehler tiefgreifend verändert. Dies gilt nicht nur für die Indikation einer Intervention, sondern auch für die Wahl der Verfahren. Als Beispiel ist der interventionelle Verschluss eines Vorhofscheidewanddefektes (ASD II) zu nennen. Seit Einführung des sog. Amplatzer Occluder 1996 wurden weltweit mehr als 300.000 ASD allein mit diesem System verschlossen. Weit über 90 % aller zu verschließenden ASD II werden heute per Herzkatheter versorgt. Dies führte bei den Betroffenen zur erheblichen Reduktion der Morbidität und Mortalität. Erst später hat diese kinderkardiologische Technik Einzug in die Erwachsenenkardiologie gefunden, in der heutzutage z. B. der interventionelle Verschluss eines persistierenden Foramen ovale vor einem Rezidiv einer paradoxen Embolie mit Schlaganfall schützt und eine lebenslange Dauertherapie mit Vitamin-K-Antagonisten oder anderen Medikamenten überflüssig machen kann.

Obwohl die Geschichte der Kinderkardiologie und der Therapie der angeborenen Herzfehler zweifellos eine Erfolgsgeschichte ist, sind ihre Grenzen nicht von der Hand zu weisen. Nicht jeder angeborene Herzfehler kann kurativ behandelt werden, und selbst wenn eine anatomische Korrektur möglich ist, besteht immer noch das Risiko der Entwicklung von Spätkomplikationen, sei es durch pulmonale Hypertension oder durch postoperative Rhythmusstörungen bedingt. Andere komplexe angeborene Herzfehler, wie sog. Einherzkammersysteme („single ventricle“, z. B. Trikuspidal‑, Mitralatresien u. v. a.), sind auch in der heutigen Zeit nur palliativ durch eine Kreislauftrennung (Fontan-Hämodynamik) zu versorgen. Auf diese Patient*innen werden im Lebensverlauf Komplikationen zukommen, deren Behandlung manchmal, wenn überhaupt, nur noch in einer Herz-Lungen-Transplantation besteht.

Die in der vorliegenden Ausgabe der Monatsschrift Kinderheilkunde vorgestellten Leitthemenarbeiten befassen sich mit modernen Behandlungskonzepten der Kinderkardiologie:

In jeder pädiatrischen Notaufnahme und auch in der pädiatrischen Praxis werden regelmäßig Kinder mit tachykarden Herzrhythmusstörungen vorgestellt. Im Beitrag von Manfred Marx et al. wird kompetent auf die generationsübergreifende Betreuung von Patienten mit tachykarden Rhythmusstörungen eingegangen. Die Autor*innen geben eine eindrucksvolle Übersicht über die Ursachen und die Behandlungsmöglichkeiten von tachykarden Herzrhythmusstörungen, einschließlich der intrauterinen Therapieoptionen und der kathetergestützten Ablationstherapie als kurative Maßnahme, bei Kindern und Jugendlichen.

Zu den größeren Herausforderungen kinderkardiologischer Therapiekonzepte gehört die individualisierte Therapie der pulmonalen Hypertension im Kindesalter. Hierbei muss den anatomischen Gegebenheiten Rechnung getragen werden, und oft reichen medikamentöse Therapieansätze nicht aus, um ein Rechtsherzversagen abzuwenden. In diesen Fällen können ergänzend unterschiedliche interventionelle Behandlungsverfahren in Betracht gezogen werden. Ziel dieser individualisierten Strategien ist die Palliation ggf. vor einer Lungen- und oder Herz-Lungen-Transplantation. Sulaima Albinni et al. stellen in ihrem sehr eindrucksvollen Artikel „Interventionelle Behandlungsverfahren der pulmonalen Hypertension im Kindesalter“ die „Konzepte jenseits medikamentöser Therapien“ vor. Entscheidend für das Verständnis der therapeutischen Optionen sind die hämodynamischen Physiologien unterschiedlicher Herzfehler und die pathophysiologischen Konsequenzen, wie z. B. die interventionelle Konvertierung eines azyanotischen Herzfehlers in einen zyanotischen, um die Rechtsherzfunktion zu erhalten.

Neben den strukturellen myokardialen Erkrankungen des Herzens, wie einer dilatativen Kardiomyopathie oder einer linksventrikulären „Non-compaxion“-Kardiomyopathie, können angeborene Herzfehler mit einem Links-rechts-Shunt einhergehen. Auch ein Zustand nach operativer Korrektur eines angeborenen Herzfehlers kann mit einer Herzinsuffizienz des Systemventrikels einhergehen. All diese Krankheitsbilder bedürfen manchmal passager oder auch im Langzeitverlauf einer medikamentösen Herzinsuffizienztherapie. Herzinsuffizienz bei erwachsenen Patienten beruht auf einer chronischen Erkrankung der Herzkranzgefäße im Sinne einer koronaren Herzkrankheit (KHK). Daher sind die therapeutischen Konzepte zur Behandlung der Herzinsuffizienz auf die kindliche Herzinsuffizienz nicht ohne Weiteres übertragbar; sie sind meist einer anderen Pathophysiologie zuzuordnen. Sogenannte moderne Herzinsuffizienztherapien, wie die Gaben von „Sodium-glucose-transporter-2“(SGLT-2)-Inhibitoren (Dapagliflozin oder Empagliflozin), von Medikamenten der Gruppe der Dipeptidylpeptidase-4(DPP-4)-Inhibitoren (Saxagliptin) oder anderen wie Vericiguat, haben inzwischen Einzug in die Empfehlungsklasse I in der erwachsenen Herzinsuffizienztherapie gehalten [3]. Für das Kindesalter liegen allerdings bislang weder Studien noch Dosierungen noch klare Vorstellungen über die Nebenwirkungen vor. Victoria Ziesenitz et al. beschreiben in ihrer Übersicht ausführlich und präzise die unterschiedlichen Konzepte einer auf pädiatrische Bedürfnisse angepasste Herzinsuffizienztherapie.

Über die ausgesprochen spannenden Übersichtarbeiten hinaus präsentieren wir in dieser Ausgabe 3 Kasuistiken aus dem Themenkomplex Kinderkardiologie.

D. Kielmayer und G. Tulzer beschreiben den sehr seltenen angeborenen Herzfehler eines sog. aortolinksventrikulären Tunnels– dies ist eine Verbindung vom linken Ventrikel zur Aorta neben der Aortenklappe – als Ursache einer Linksherzbelastung, seine Therapie und mögliche Komplikationen im Verlauf. Interessant ist, abgesehen von dem Seltenheitswert dieses Herzfehlers, die erste Verdachtsdiagnose eines Ventrikelseptumdefekts (VSD). Allerdings hat die nahezu ubiquitär verfügbare Sono- bzw. Echokardiographie die Auskultation eines angeborenen Herzfehlers abgelöst. Aortolinksventrikuläre Tunnel erzeugen vornehmlich ein lautes Diastolikum und ein leises Systolikum, anders als bei einem VSD mit einem je nach Ausdehnung lauten oder leiseren Systolikum.

Malte Frenzel et al. berichten eine neue Mutation im TNNT2-Gen, die bereits im Neugeborenenalter eine Kardiomyopathie auslöst. Beschreibungen solch seltener krankheitsverursachender Mutationen sind von großer Bedeutung, insbesondere in der genetischen Beratung und ggf. Therapie. Ungewöhnlich an diesem Verlauf ist die frühe Manifestation, üblicherweise werden Mutationen im TNNT2-Gen erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.

R. Schrewe et al. erläutern den erfolgreichen interventionellen Verschluss eines Ductus arteriosus bei einem ehemaligen Frühgeborenen mit einer bronchopulmonalen Dysplasie und pulmonaler Hypertension mithilfe eines Gefäßverschlusssystems. Sicherlich stehen bei der Wahl des zu verwendenden Occluder immer die anatomische Gegebenheit im Vordergrund; ideal ist es daher, über ein möglichst breites Spektrum an Implantaten zu verfügen, um die bestmögliche Erfolgsrate zu erreichen.

Liebe Leser*innen, wir hoffen, mit diesen Leitthemenbeiträgen aus einer wichtigen pädiatrischen Teildisziplin Ihre Interesse getroffen zu haben. Für uns war es eine spannende und lehrreiche Lektüre, und, wie immer, freuen wir uns sehr über Ihre Rückmeldungen.

Fred Zepp und Christoph Kampmann