Meningokokken sind gramnegative Bakterien der Art Neisseria meningitidis. Es sind 12 Serogruppen unterscheidbar, wobei in der Bundesrepublik Deutschland etwa zwei Drittel der Fälle an invasiven Infektionen durch die Serogruppe B (MenB) und ca. 15 % aller Fälle durch die Serogruppe C verursacht werden. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Screeninguntersuchungen zeigen, dass bei ca. 10 % gesunder Personen eine Besiedlung der Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum mit Meningokokken nachweisbar ist. Bei Jugendlichen werden Kolonisationsraten bis 25 % gefunden. Nur in Ausnahmefällen führt eine Besiedlung zu einer invasiven Erkrankung. Durch die Besiedlung werden bakterizide Antikörper induziert, die sowohl vor erneuter Besiedlung mit dem gleichen molekulargenetischen Feintyp als auch vor invasiver Erkrankung schützen können. Invasive Erkrankungen werden durch unspezifische Schädigungen der Schleimhäute begünstigt. Besonders gefährdet sind Personen mit Immundefekten, insbesondere bei Komplementdefekten, oder Asplenie.

Klinisch äußert sich die invasive Meningokokkeninfektion in Form einer Meningitis und/oder einer Sepsis. Das Spektrum schließt sowohl asymptomatische Bakteriämien als auch foudroyante septische Verläufe ein, die innerhalb weniger Stunden zum Tod führen können (Purpura fulminans, Waterhouse-Friderichsen-Syndrom).

Epidemiologie in Deutschland

In den Jahren 2016–2019 (http://www.meningococcus.uni-wuerzburg.de) wurden jährlich 227 bis 282 Fälle invasiver Meningokokkenerkrankungen an das Robert Koch-Institut gemeldet. Davon waren die meisten (ca. 60 %) durch Serogruppe B ausgelöst, was im Vergleich zu den Jahren 2012–2017 (https://www.dakj.de/stellungnahmen/impfprophylaxe-invasiver-erkrankungen-mit-meningokokken-der-serogruppe-b/) einen leichten Rückgang darstellt (Tab. 1, [1]). Interessant ist der deutliche Rückgang der invasiven Meningokokkeninfektionen um nochmals die Hälfte im Jahr 2020. Dies wird erklärt durch die Präventionsmaßmaßnahmen wie Abstands- und Hygieneregeln zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie.

Die Gesamtinzidenz der invasiven Meningokokkeninfektionen hat sich mit 0,31/100.000 Einwohner im Jahr 2019 im Vergleich zum Jahr 2016 mit 0,41/100.000 weiter reduziert, womit sich der abfallende Trend seit dem Jahr 2004 fortsetzt. Eingeschränkt verwertbar und beurteilbar ist die weitere Reduktion der Inzidenz im Jahr 2020 auf 0,17/100.000 Einwohner, da dies wahrscheinlich auf die außergewöhnlichen Hygienemaßnahmen zurückzuführen ist und keinen allgemeinen Trend darstellen wird. Weiterhin betreffen 20–30 % der gemeldeten Fälle Kinder unter 5 Jahren. Mit einer mittleren jährlichen Inzidenz von 2,8 Erkrankungen /100.000 Einwohner tritt die invasive Meningokokkeninfektion am häufigsten bei Kindern unter einem Jahr auf. Im Alter von 15 bis 19 und 20 bis 24 Jahren werden weitere Erkrankungsgipfel mit einer Inzidenz von 0,5/100.000 bzw. 0,6/100.000 beobachtet. Danach sinkt sie weiter ab und beträgt bei älteren Erwachsenen noch 0,2/100.000 (Zahlen für das Jahr 2019) [12].

Tab. 1 Meningokokkenerkrankungen nach Altersgruppen 2016–2020 (https://www.hygiene.uni-wuerzburg.de/meningococcus/startseite/berichte/berichte-meningokokken)

Die invasive Erkrankung verlief in 60 % (n = 117) der 196 gemeldeten bzw. auswertbaren Fälle im Jahr 2019 als Meningitis, in 75 % (n = 147) als Sepsis, und bei 35 % (n = 68) der Fälle wurde eine Sepsis mit Meningitis beobachtet. Etwa ein Viertel der auswertbaren invasiven Meningokokkeninfektionen (n = 196) zeigte das fulminante Krankheitsbild einer Purpura fulminans (n = 12, 6 %) oder eines Waterhouse-Friderichsen-Syndroms (n = 33, 17 %) [1, 2].

Im Jahr 2019 verstarben 10 % der Patienten an den Folgen einer invasiven Meningokokkenerkrankung. Damit war die Mortalität im Vergleich zu den Vorjahren unverändert. Bei einer Infektion mit Serogruppe C lag die Letalität in allen Altersgruppen mit 15 % höher als bei Erkrankungen durch Serogruppe B mit etwa 6 % [2].

Rekurrierende invasive Meningokokkeninfektionen

Rekurrente invasive Meningokokkeninfektionen wurden als Einzelfallberichte in der Literatur beschrieben und in einer aktuellen Arbeit für den Zeitraum 2002–2018 für Deutschland ausgewertet [3]. Risikofaktoren scheinen Komplementdefekte, bestimmte Lymphomerkrankungen (M. Waldenström) sowie IgG2-Subklassen-Defekte zu sein [4, 5]. Insgesamt zeigte sich, dass das Risiko, nach einer Meningokokkeninfektion erneut zu erkranken, um das 50-Fache erhöht ist [3].

In dem oben genannten Zeitraum wurden 5854 Fälle invasiver Meningokokkeninfektionen analysiert, und das mediane Alter lag bei 9,4 Jahren (IQR: 3,9–13,7 Jahren). Bei 13 Fällen wurden 2 Episoden und bei einem Patienten 3 Episoden identifiziert. Das mediane Intervall von der ersten zur zweiten Erkrankung lag bei 19,9 Monaten (IQR: 11,7–36,1 Monate). 10 der 14 Patienten mit rekurrierenden Meningokokkeninfektionen waren jünger als 18 Jahre. Bei 5 der 14 Patienten wurde bei der ersten Infektion Serogruppe B identifiziert. Von diesen 5 Patienten zeigte sich bei 4 Patienten auch bei der zweiten Episode Serogruppe B bei dieser, allerdings mit einem anderen Subtyp bei 3 der 4 Patienten. Bei allen anderen Infektionen wurde bei der zweiten bzw. der dritten rekurrierenden Infektion eine jeweils andere Serogruppe nachgewiesen. Im Vergleich zu singulären invasiven Meningokokkeninfektionen wurden bei rekurrierenden Infektionen die in Deutschland häufigsten Serogruppen B und C signifikant seltener gefunden [3].

Die Gesamtinzidenz für rekurrierende invasive Meningokokkeninfektionen lag bei 29,4 (IQR: 29,3–29,5) pro 100.000 Personenjahre der Überlebenden der ersten Episode und war am höchsten im ersten (74,8/100.000) und im zweiten Jahr (101,2/100.000) nach der initialen Erkrankung. Verglichen mit der Gesamtinzidenz der invasiven Meningokokkeninfektionen von 0,54/100.000 Personenjahre im untersuchten Zeitraum lag das relative Risiko für eine rekurrierende invasive Meningokokkeninfektion bei 52,5 (IQR: 52,3–52,7). Die multivariate Modellanalyse ergab eine noch höhere mediane Inzidenz von 39,1 (IQR: 35,2–43,1) pro 100.000 Personenjahre und ein relatives Risiko von 69,7 (IQR: 62,9–76,9) [3].

Prävention rekurrierender invasiver Meningokokkeninfektionen

Grundsätzlich können zwei Wege diskutiert werden, um rekurrierende invasive Meningokokkeninfektionen zu verhindern.

Eine Möglichkeit besteht im generellen Screening aller überlebender Patienten mit invasiver Meningokokkeninfektion auf Komplementdefekte und Impfung bei nachgewiesenem Komplementdefekt. Bei Berücksichtigung, dass nur bei der Hälfte der rekurrierenden invasiven Meningokokkeninfektionen überhaupt ein Komplementdefekt nachgewiesen wird, müssen 1818 Fälle gescreent („number needed to screen“) werden, um einen Fall einer rekurrierenden Infektion durch Impfung zu verhindern [3].

Die zweite Möglichkeit ist die generelle Impfung aller Patienten mit durchgemachter invasiver Meningokokkeninfektion. Die Kalkulation der Serotypenabdeckung durch Impfungen gegen Meningokokken B (Bexsero®, Trumenba®) und Meningokokken A, C, W, Y (Menveo®, Nimenrix®, MenQuadfi®) lag bei 78 % (Berechnung: Originalpublikation [3]). Daraus ergab sich eine „number needed to vaccinate“ (NNV) von 909 (Berechnung: Originalpublikation), um einen Fall einer rekurrierenden Infektion im ersten Jahr nach initialer invasiver Meningokokkeninfektion zu verhindern [3].

Impfstoffe (s. auch Stellungnahme der Kommission 2018) [6]

Anfang 2013 wurde der Impfstoff Bexsero® (4CMenB) für die aktive Immunisierung von Personen im Alter ab 2 Monaten gegen invasive Meningokokkenerkrankungen durch Neisseria meningitidis der Gruppe B zugelassen und ist seit Dezember 2013 in Deutschland verfügbar. Der Impfstoff enthält 3 rekombinant hergestellte Proteine von Neisseria meningitidis der Gruppe B, nämlich das NHBA-Fusionsprotein (Neisseria-Heparin bindendes Antigen), das NadA-Protein (Neisseria Adhäsin A) und das fHbp-Fusionsprotein (Faktor H-bindendes Protein) sowie Vesikel der äußeren Membran („outer membrane vesicle“, OMV) vom Stamm NZ98/254. Alle Antigene sind an Aluminiumhydroxid adsorbiert. Die Zusammensetzung dieses Impfstoffes erfasst nicht alle zirkulierenden Stämme der Serogruppe B.

Ein weiterer MenB-Impfstoff, Trumenba®, wurde zur aktiven Immunisierung für Personen ab dem vollendeten 10. Lebensjahr gegen invasive Meningokokkenerkrankungen durch Neisseria meningitidis der Gruppe B Ende Mai 2017 zugelassen und ist seitdem in Deutschland verfügbar. Er enthält 2 rekombinant hergestellte Lipoproteine (Bivalent rLP2086): Faktor H-bindende Proteine (fHbp) der N.-meningitidis-Unterfamilie A und B, an Aluminiumphosphat adsorbiert.

Ausführliche Empfehlungen zu den Dosierungen von Bexsero® und Trumenba® wurden in der aktualisierten Stellungnahme der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (24. Januar 2019) zusammengefasst [6].

Zur Impfung gegen die Meningokokken Serotypen A, C, W, Y stehen aktuell 3 quadrivalente Impfstoffe zur Verfügung.

Menveo® wurde 2010 für eine aktive Immunisierung ab dem vollendeten 2. Lebensjahr zugelassen. Der Impfstoff enthält Oligosaccharide der Serotypen A, C, W-135, Y, die jeweils an Corynebacterium-diphtheriae CRM197-Protein konjungiert sind (Fachinformation Menveo®, Januar 2022, https://www.fachinfo.de/suche/fi/013142).

Mit Nimenrix® steht seit der Zulassung im April 2012 ein zweiter Konjugatimpfstoff zur Verfügung, der schon für Säuglinge ab 6 Wochen zugelassen ist. Der Impfstoff enthält Polysaccharide der Serogruppen A, C, W-135, Y und ist an Tetanustoxoid-Trägerprotein konjugiert (Fachinformation Nimenrix®, Februar 2021, https://www.fachinfo.de/suche/fi/015284).

MenQuadfi® wurde ist als jüngster Konjugatimpfstoff zur Immunisierung für Personen ab 12 Monaten im September 2020 zugelassen. Der Impfstoff enthält Polysaccharide der Serotypen A, C, W, Y und ist wie Nimenrix® an Tetanustoxoid-Trägerprotein konjugiert (Fachinformation MenQuadfi®, Dezember 2021, https://www.fachinfo.de/suche/fi/023174).

Tab. 2 gibt eine Übersicht über die empfohlenen Dosierungen und Impfschemata von Menveo®, Nimenrix® und MenQuadfi® in Abhängigkeit vom Lebensalter.

Tab. 2 Übersicht über die Dosierung und zugelassene Meningokokkenimpfschemata (A, C, W, Y) von Menveo®, Stand Fachinformation Januar 2022; Nimenrix®, Stand Fachinformation Februar 2021; und MenQuadfi®, Stand Fachinformation Stand Dezember 2021*

Zusammenfassung

Nach durchgemachter Meningokokkeninfektion besteht ein deutlich erhöhtes Risiko, sich erneut mit einem anderen oder dem gleichen Serotyp zu infizieren und schwer zu erkranken. Das Risiko einer solchen rekurrierenden Meningokokkeninfektion ist bei Patienten mit bestimmen Grunderkrankungen wie Komplementdefekten (50 % der rekurrierenden Meningokokkeninfektionen) besonders erhöht.

Stellungnahme der Kommission

Die dargelegten Daten zeigen, dass das Risiko für eine rekurrierende invasive Infektion mit Meningokokken nach erster Infektionsepisode erhöht ist.

Die Kommission hält daher folgendes Vorgehen für sinnvoll:

  • Kinder und Jugendliche ohne vollständigen Meningokokkenimpfstatus sollten unmittelbar nach Ausheilung einer invasiven Meningokokkenerkrankung eine Impfung mit 4CMenB (Bexero®, Trumenba®) und/oder eine Impfung gegen die Serogruppen A, C, W und Y (Menveo®, Nimenrix®, MenQuadfi®) nach Vorgabe der Fachinformationen (Tab. 1) erhalten.

  • Ein vorheriges isoliertes Screening auf Komplementdefekte ist für die Impfentscheidung bei diesen Patienten nicht erforderlich.