FormalPara Mitglieder der Arbeitsgruppe parenterale Ernährung von EFCNI, GNPI und ADKA

Dr. Jürgen Babl, Harald Erdmann, Prof. Christoph Fusch, Prof. Nadja Haiden, Prof. Roland Hentschel, Prof. Egbert Herting, Simone M. Hock, Dr. Julia Hoffmann, Dr. Johanna Kostenzer, Silke Mader, Prof. Walter Mihatsch, Dr. Johanna M. Pfeil, Dr. Brar Piening, Dr. Sebastian Schubert, Dr. Stephan Seeliger, Prof. Luc J.I. Zimmermann

Affiliationen siehe am Beitragsende.

Parenterale Ernährung ist bei einigen Frühgeborenen und kranken Neugeborenen für eine adäquate Versorgung mit Nährstoffen und ein normales Gedeihen notwendig. Eine sichere und bedarfsgerechte Anwendung ist erforderlich, um Komplikationen zu vermeiden. Die Leitlinien der „European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition“ (ESPGHAN) liefern evidenzbasierte Handlungsempfehlungen. Die vorliegende Arbeit versucht, die Implementierung der ESPGHAN-Leitlinien in deutschen Perinatalzentren und Krankenhausapotheken sowie Barrieren für die Umsetzung in der Praxis zu ermitteln.

Einleitung

Weltweit sind Frühgeburt und assoziierte Komplikationen die Hauptursache für die Kindersterblichkeit bei Kindern unter 5 Jahren [21]. In Deutschland werden jährlich 8–9 % aller Kinder vor 37 vollendeten Schwangerschaftswochen (< 370/7) und damit zu früh geboren [11, 16]. Trotz bedeutender Fortschritte in der medizinischen Versorgung stirbt jährlich etwa 1 % aller Frühgeborenen in Deutschland [11]. Deutschlandweit kommen jährlich über 10.000 Frühgeborene mit einem Gewicht < 1500 g auf die Welt und müssen intensivmedizinisch behandelt werden, wofür eine spezifische Ernährungstherapie erforderlich ist [9, 11, 24].

Bei einigen Frühgeborenen, die vor 35 vollendeten Schwangerschaftswochen (< 350/7) zur Welt kommen bzw. unter 1500 g Geburtsgewicht aufweisen, kann eine ausschließlich enterale Nahrungszufuhr aufgrund der Unreife des Gastrointestinaltrakts, des erhöhten Nährstoffbedarfs entsprechend der intrauterinen Nährstoffaufnahme, sowie durch die intensivmedizinischen Maßnahmen bedingten Limitationen in der enteralen Nahrungsaufnahme, nicht möglich sein [24]. Ein begleitender parenteraler Nahrungsaufbau kann eine ausreichende Energie‑, Flüssigkeits‑, Nähr- und Mineralstoffzufuhr und somit eine angemessene Versorgung und ein adäquates Wachstum ermöglichen. Allerdings sind individuelle Abweichungen stets zu berücksichtigen. Da eine fehlerhafte Anwendung von parenteraler Ernährung (PE) schwerwiegende und teilweise lebensbedrohliche Komplikationen nach sich ziehen kann, wird die Nahrungsverabreichung über die PE als „High-alert“-Medikation eingestuft [12]. Die Sicherheit der Anwendung und Verabreichung ist eine große Herausforderung und hängt von mehreren, sich beeinflussenden Faktoren ab, wie z. B. der Expertise der verordnenden Person, der exakten Indikationsstellung, der exakten Verordnung, der exakten Zubereitung, der Verfügbarkeit und Bereitstellung von qualitätsgesicherten Lösungen, sowie der Art und Pflege des venösen Zugangs [7]. Im Verlauf der letzten 10 Jahre wurden für viele dieser Prozesse gravierende Fehler berichtet [12].

Nationale und internationale Leitlinien liefern evidenzbasierte und konkrete Handlungsempfehlungen für eine adäquate Zusammensetzung und Applikation von PE bei Frühgeborenen und kranken Neugeborenen [9, 10, 24]. Eine repräsentative Umfrage, an der 74 % aller neonatologischen Intensivstationen (englisch: „neonatal intensive care units“ (NICU)) in Deutschland, Italien, UK und Frankreich teilnahmen, zeigte, dass die Anwendung von PE häufig nicht den Empfehlungen entspricht. Diskrepanzen wurden insbesondere hinsichtlich der frühen Anwendung in den ersten Lebenstagen berichtet [17]. Die Umfrage wurde 2009 und 2010 durchgeführt und beruht auf Leitlinien aus dem Jahr 2005. Seitdem wurde die nationale LeitlinieFootnote 1 überarbeitet und im Jahr 2014 veröffentlicht [9]. Eine aktualisierte Version der internationalen Leitlinie, die in Zusammenarbeit der „European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition“ (ESPGHAN), der „European Society for Clinical Nutrition and Metabolism“ (ESPEN), der „European Society for Paediatric Research“ (ESPR) und der „Chinese Society of Parenteral and Enteral Nutrition“ (CSPEN)Footnote 2 erarbeitet wurde, ist seit 2018 verfügbar [24].

Gemeinsam mit 19 internationalen Expertinnen und Experten hat die „European Foundation for the Care of Newborn Infants“ (EFCNI) 2019 ein Positionspapier erarbeitet, mit dem Ziel, eine qualitätsgesicherte Anwendung der ESPGHAN-Leitlinien europaweit voranzutreiben und die Implementierung auf nationaler Ebene zu fördern.

Aktuell wird die Anwendung dieser aktualisierten Leitlinien in deutschen NICUs nicht evaluiert. Vor diesem Hintergrund hat die EFCNI in Zusammenarbeit mit der „Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin“ (GNPI) und dem „Bundesverband deutscher Krankenhausapotheker e. V.“ (ADKA) und unter Beteiligung von 11 Expertinnen und Experten eine Umfrage in Deutschland initiiert.

Diese Studie zielte darauf ab, die Anwendung und Umsetzung der ESPGHAN-Leitlinien in NICUs und Krankenhausapotheken in Deutschland anhand eines Online-Fragebogens zu evaluieren und Barrieren abzubilden, die die Leitlinienumsetzung erschweren.

Methodik

Zielgruppe

Die Umfrage richtete sich an Perinatalzentren der Level 1 und 2 und Krankenhausapotheken und sollte von a) Pädiaterinnen/Pädiatern (PÄD) im Idealfall mit Weiterbildungsschwerpunkt Neonatologie, b) Krankenhausapothekerinnen/Krankenhausapothekern (KHA) und c) Pflegenden ausgefüllt werden.

Beteiligung und Projektdurchführung

Die EFCNI organisierte in Kooperation mit der GNPI und der ADKA eine Arbeitssitzung, in der deutschsprachige Expertinnen und Experten aus den Bereichen Pädiatrie, Neonatologie, Pharmazie, Krankenhaushygiene, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Laktation und Ernährung zusammenkamen, mit je einer/einem oder mehreren Vertreterinnen und Vertretern der Institutionen. In dieser Arbeitssitzung wurde die Umfrage erarbeitet. In einem nachgeschalteten Korrekturprozess wurde die Umfrage ausführlich von allen beteiligten Expertinnen und Experten, aber auch den damaligen Vorständen der Institutionen auf Vollständigkeit, Leitlinienkonformität und fachliche Genauigkeit geprüft. Die Projektdurchführung wurde seitens der EFCNI koordiniert. Die ADKA ermöglichte Kontakt zu 372 zu diesem Zeitpunkt in Deutschland gelisteten Krankenhausapotheken über ihren E‑Mail-Verteiler und unterstützte in der Datenerhebung. Nach der Datenerhebung beteiligten sich Vertreterinnen und Vertreter der GNPI, ADKA, EFCNI, aber auch alle Expertinnen und Experten in mehreren Arbeitssitzungen intensiv an der Datenanalyse, Ergebnisdiskussion und -interpretation und waren an der Manuskripterstellung und Korrektur beteiligt.

Datenerhebung

Mithilfe der Umfrage-Software SurveyMonkey® (SurveyMonkey Inc., Geschäftstelle Berlin, Deutschland) wurde die Umfrage in das Online-Format übertragen und die Datenerhebung durchgeführt. Vorab wurde eine Liste aller relevanten deutschen Perinatalzentren, basierend auf den online verfügbaren Informationen des „Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen“ und des „Gemeinsamen Bundesausschusses“, erstellt [13]. Anhand von Internetrecherchen konnten insgesamt 186 Perinatalzentren gültige E‑Mail-Adressen zugewiesen werden. Zusätzlich wurde der ADKA-Verteiler herangezogen, in dem 372 Krankenhausapotheken gelistet waren. Basierend auf beiden Registern wurde per E‑Mail ein Link zur Umfrage verschickt. Diese E‑Mails waren jeweils an die Leitungsebene der Krankenhausapotheken und NICUs adressiert, mit der Bitte, die Umfrage jeweils an praktizierende PÄD, KHA und Pflegende weiterzuleiten. Die Beantwortung der Umfrage erfolgte anonym.

Die Umfrageeinladung wurde erstmals im März 2020 verschickt. Zwei weitere Erinnerungs-Mails wurden je im Mai und im September 2020 versendet. Am 21.09.2020 wurde die Datenerhebung beendet.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren, daher war kein Ethikvotum erforderlich. Die Datenspeicherung erfolgt gemäß der DSGVO auf einem gesicherten Server der EFCNI.

Fragebogen

Der Fragebogen enthielt insgesamt 33 Fragen, davon 26 mit mehreren Antwortmöglichkeiten, 15 Fragen, bei denen „Sonstige“-Antworten in einem Textfeld angegeben werden konnten, und eine offene Frage (Zusatzmaterial online: Appendix A). Einige Fragen bezogen sich auf die Inhalte und die Art der Umsetzung der Leitlinien. Neben dem Klinikprofil und Charakteristika der Befragten wurden routinemäßige Prozesse rund um die PE von der Berechnung, Herstellung, Bereitstellung, Applikation bis hin zu Aufklärung von Betroffenen abgefragt. Außerdem wurden die Art der verwendeten Lösungen und Verfügbarkeit, die Kenntnis von nationalen und internationalen Leitlinien und Gründe für ein Abweichen von den Leitlinien erhoben. Zudem konnten Verbesserungsanregungen für die praktische Umsetzung der PE in einer offenen Frage beschrieben werden.

Je nach Berufsgruppe erhielten die Befragten eine Auswahl der 33 Fragen, angepasst an ihr Arbeitsumfeld. Während an PÄD 32 Fragen gerichtet wurden, beantworteten Pflegende insgesamt 23 und KHA 22 Fragen.

Statistik

Umfragen von Personen, die nicht mindestens ihren Beruf sowie ihre Berufserfahrung angaben, wurden als ungültig bewertet. Die Antworten von Teilnehmenden aus Zentren der Versorgungsstufen III (perinataler Schwerpunkt) und IV (Geburtsklinik) wurden aus den Analysen ausgeschlossen.

Lediglich 2 Pflegende beantworteten die Umfrage. Da diese Berufsgruppe somit unterrepräsentiert wird, wurden ihre Antworten von den Analysen ausgeschlossen.

„Sonstige“-Antworten wurden vereinheitlicht und, wenn möglich, den bestehenden Auswahlmöglichkeiten zugewiesen. Aus den Antworten der offenen Frage wurden Kategorien abgeleitet und als absolute Zahl angegeben.

Die Auswertung folgte einem explorativen, deskriptiven Ansatz. Einzelne Fragen wurden als relative Häufigkeiten (%) in Bezug auf die Anzahl der Antworten auf die jeweilige Frage angegeben. Mehrfachantworten (MA) wurden als Anzahl an Antworten pro Befragte je Kategorie dargestellt. Dies kann dazu führen, dass die Summe der Antworten pro Kategorie 100 % überschreitet. In Subgruppenanalysen wurden Unterschiede nach Berufsgruppe (PÄD vs. KHA) und neonatologischer Versorgungsstufe näher beleuchtet. Da es in Deutschland sehr viele neonatologische Abteilungen der Versorgungsstufe „Perinatalzentrum Level 1“ gibt, die sich stark in der durchschnittlichen Anzahl behandelter Frühgeborener pro Jahr unterscheiden, wurde diese Gruppe weiter in „Level 1 >50 Frühgeborene <1500g/Jahr“ und „Level 1 50 Frühgeborene <1500g/Jahr“ unterteilt.

Analysen wurden mittels des Statistikprogramms SPSS (IBM SPSS Statistics for Windows, Version 27.0, IBM Corp, Armonk, NY, USA) und Microsoft Excel 2019 durchgeführt.

Ergebnisse

Rücklauf und Charakteristika der Kliniken und Befragten

Insgesamt wurden 186 Perinatalzentren und 372 Krankenhausapotheken zur Umfrage eingeladen. Nach Ausschluss ungültiger Angaben lagen 196 Umfrageantworten vor (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Rücklauf der Umfrage. KHA Krankenhausapotherkerinnen/Krankenhausapotheker, PÄD Pädiaterinnen/Pädiatern

Die Mehrheit aller Befragten hatte > 10 Jahre Berufserfahrung, wobei leichte Unterschiede auf Klinikebene und je nach Berufsgruppe vorlagen (Zusatzmaterial online: Appendix B1).

Anwendung und Umsetzung von Leitlinien

Anwendung in NICUs und Krankenhausapotheken

Alle befragten PÄD gaben an, in den NICUs ihrer Klinik nach Leitlinien zu arbeiten. Die meisten bezogen sich auf die ESPGHAN- und/oder die nationale bzw. eine klinikinterne Leitlinie. Die Antworten unterschieden sich leicht auf Zentrumsebene (MA; Tab. 1A).

Tab. 1 Anwendung von Leitlinien in A) NICU und B) Krankenhausapotheken

Insgesamt gaben 83 % (n = 85/102) aller KHA an, in Krankenhausapotheken nach Leitlinien zu arbeiten. Etwa die Hälfte bezog sich auf die ESPGHAN-Leitlinien und/oder die nationale Leitlinie, während interne Leitlinien seltener herangezogen wurden (MA; Tab. 1B). Die Antworten der KHA unterschieden sich leicht je nach Zentrum.

Adhärenz mit Nährstoffzufuhrempfehlungen

Etwa 90 % aller PÄD gaben an, die ESPGHAN-Empfehlungen bezüglich der Energie‑, Flüssigkeits‑, Kohlenhydrat- und Aminosäurezufuhr während der ersten 5 Lebenstage „fast immer“ umzusetzen (Zusatzmaterial online: Appendix B2). Eine geringere Adhärenz lag hinsichtlich der Lipidzufuhr vor, die von 22 % aller PÄD nur „teils, teils“ oder „sehr selten“ eingehalten wird. Die Angaben unterschieden sich jeweils leicht zwischen den Zentren (Zusatzmaterial online: Appendix B2).

Von 30 % aller PÄD wird die parenterale Zufuhr beendet, sobald die enterale Zufuhr 120 ml pro kg Körpergewicht und Tag erreicht (Zusatzmaterial online: Appendix B3). Einen höheren Grenzwert geben 55 % der befragten PÄD an, und 15 % vermerkten, keine festgesetzte Zielvorgabe heranzuziehen. Von der überwiegenden Mehrheit der PÄD wird keine Sicherheitszeitspanne von X Tagen nach dem Erreichen der jeweiligen enteralen Nahrungsmenge angesetzt (Zusatzmaterial online: Appendix B3).

Monitoring von anthropometrischen Parametern und Laborparametern

Nach Eigenangaben kontrollieren nahezu alle PÄD (n = 67/68; 99 %) das Wachstum bzw. den Ernährungszustand der Frühgeborenen während der ausschließlichen oder Teil-PE in regelmäßigen Abständen.

Die Mehrheit aller PÄD gab an, die Länge und den Kopfumfang „einmal pro Woche“ zu erheben, während das kindliche Gewicht von der Mehrheit „täglich“ gemessen wird (Zusatzmaterial online: Appendix B4).

Während die meisten PÄD angaben, die Flüssigkeitsbilanz und Elektrolyte im Serum „täglich“ bis „einmal pro Woche“ zu messen (Tab. 2A), wurden Parameter des Eiweiß- und Fettstoffwechsels (Tab. 2B) sowie indirekte Parameter des Knochenstoffwechsels (Tab. 2C) weit seltener kontrolliert. Hierfür lagen Unterschiede in den Angaben der Perinatalzentren vor.

Tab. 2 Monitoring von Laborparametern A) Flüssigkeitsbilanz und Elektrolyte, B) Eiweiß und Fettstoffwechsel C) Knochenstoffwechsel

Gründe für ein Abweichen von Leitlinien

Befragte gaben als häufigste Gründe für ein Abweichen von Leitlinien „begründete klinische Fälle, die nicht in der Leitlinie abgedeckt sind“ bzw. „eigene Erfahrungen“ an (MA, Tab. 3). Insbesondere von Zentren der Level 1 50 Frühgeborene <1500g/Jahr und Level 2 wurde angegeben, dass „keine Apotheke zur Verfügung steht, die die Station kontinuierlich mit PE versorgt“ bzw. dass „am Wochenende keine PE zur Verfügung steht“, weshalb es gelegentlich zum Abweichen von Leitlinienempfehlungen kommt. Die Angaben unterschieden sich jeweils hinsichtlich der Berufsgruppe (MA, Tab. 3).

Tab. 3 Gründe für ein Abweichen von Leitlinien in Abhängigkeit vom Level des Perinatalzentrums und der Berufsgruppe

Praktische Anwendung von parenteraler Ernährung

Organisatorische Prozesse

In Tab. 4 sind Angaben zu organisatorischen Prozessen von NICUs (Tab. 4A) und Krankenhausapotheken (Tab. 4B) hinsichtlich Berechnung/Kontrollberechnung von Laufrate und parenteraler Verordnung dargestellt.

Tab. 4 Organisatorische Prozesse bezüglich Laufrate und Verordnung in Abhängigkeit vom Level des Perinatalzentrums (A) NICU; B) KHA)

Als Berechnungstool sowohl für die Berechnung der Laufrate als auch der Verordnung wurde von der Mehrheit aller PÄD ein elektronisches Medium (Excel oder Verordnungsprogramm) angegeben (MA). Für die Berechnung der Verordnung wurden von 44 % aller PÄD aus Level-1-Kliniken beider Kategorien elektronische Verordnungsprogramme verwendet, während diese in Level-2-Kliniken nicht herangezogen werden (Tab. 4A). In Level-2-Kliniken wurde der Taschenrechner als häufiges Berechnungsmedium der Verordnung genannt.

Die Kontrollberechnung der Laufrate und Verordnung erfolgt überwiegend nach dem Vier-Augen-Prinzip (Tab. 4A). 10 % aller PÄD gaben an, dass die Berechnungen der Laufrate und Verordnung nicht kontrolliert werden. Die Angaben unterschieden sich je nach Level der Perinatalzentren. Beispielsweise wird von Level-2-Kliniken nicht angegeben, dass keine Kontrollberechnung stattfindet (Tab. 4A).

Die Übermittlung der Verordnung an die Krankenhausapotheke geschieht laut Angaben der KHA am häufigsten mittels Excel-Tabelle, gefolgt von der Verwendung eines „computer order entry system“ (CPOE, Tab. 4B). Der Anteil an handschriftlichen Übermittlungen ist in Level-2-Kliniken höher und die Verwendung eines CPOE geringer als in Level-1-Kliniken (Tab. 4B).

Verwendung von individuell hergestellten vs. Standardlösungen

Insgesamt 52 % aller befragten PÄD und KHA gaben an, bei ≥ 60 % aller Patientinnen/Patienten Standardlösungen zu verwenden, während 45 % auf individuellFootnote 3 hergestellte Lösungen zurückgreifen (Tab. 5A). Diese werden laut Angaben fast ausschließlich in Krankenhausapotheken hergestellt, anhand von Einkammerbeuteln (in der Regel Kohlenhydrat- und Eiweißlösung kombiniert in einem Beutel, Lipide separate Verabreichung) und innerhalb eines geschlossenen Systems verabreicht. Unterschiede zwischen Zentrumskategorien waren gering (Tab. 5A).

Tab. 5 Parenterale Lösungen, A) Typ und B) Bezug

Um herstellungsbezogene Barrieren und Hygieneaspekte abzubilden, wurden Umfrage-Teilnehmende gefragt, wie die parenteralen Lösungen in der allgemeinen Routine und am Wochenende/Feiertag bezogen werden (Tab. 5B). Die Mehrheit aller Befragten gab an, die Lösungen in der Routine, wie auch am Wochenende, über Krankenhausapotheken zu beziehen. Am Wochenende/Feiertag führen mehrere Zentren, unabhängig von der Versorgungsstufe, eine Herstellung auf der Station durch, wobei meist anhand einer „standard operating procedure“ (SOP) unter einer Laminar-Air-Flow-Bank gearbeitet wird und nur selten die Herstellung am Krankenbett („bedside“) durchgeführt wird (Tab. 5B).

Hygienemaßnahmen bei der Anlage von Gefäßkathetern

Vor Anlage von zentralen Venenkathetern bei Säuglingen unter 2 Monaten wurde eine 0,1 %ige Octenidinlösung am häufigsten als Hautantiseptikum benannt. Seltener werden Alkohol oder andere Mittel als Hautantiseptika angegeben (Zusatzmaterial online: Appendix B5). Alkohol ist das am häufigsten genutzte Mittel zur Desinfektion von Katheterkonnexionsstellen, gefolgt von 0,1 %iger Octenidinlösung (Zusatzmaterial online: Appendix B5).

Sowohl zentraler Venenkatheter als auch periphere Venenkatheter als auch Nabelvenenkatheter finden häufig Anwendung. Anhand der Fragestellung lässt sich nicht ableiten, welcher Gefäßkathetertyp am häufigsten Anwendung findet (MA, Tab. 6).

Tab. 6 Gefäßkatheter und Applikation

Die Katheterkonnexionsstelle wird überwiegend mit transparenten semipermeablen Polyurethanpflastern abgedeckt, wohingegen sterile Gaze-Pflaster seltener Verwendung finden (Zusatzmaterial online: Appendix B5).

Während die Zuordnung der fertigen Lösungen zum Patienten bzw. zur Patientin vor der Applikation gewöhnlich anhand des Vier-Augen-Prinzips überprüft wird, gaben 15 % aller Befragten an, dass keine Identitätskontrolle vorab stattfindet (MA, Tab. 6).

Verordnungsverantwortung und Schulung

Laut Angaben der PÄD wird die PE von Assistenzärztinnen und Assistenzärzten, Fachärztinnen und Fachärzten (Pädiatrie mit oder ohne Weiterbildung „Neonatologie“) sowie Oberärztinnen und Oberärzten gleichermaßen verordnet (Daten nicht gezeigt).

Verordner werden meistens anhand von „Peer-to-peer“-Einführungen und/oder anhand klinikinterner SOPs geschult. Systematische Schulungen nach einem spezifischen Curriculum wurden nur selten angegeben (Daten nicht gezeigt).

Aufklärung von Eltern betroffener Kinder

Laut Angaben der PÄD werden Eltern betroffener Kinder überwiegend mündlich, gelegentlich schriftlich und äußerst selten überhaupt nicht über die Gründe der Anwendung von PE, Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt (MA, Tab. 7).

Tab. 7 Aufklärung von Eltern betroffener Kinder

Die Aufklärung erfolgt meistens unmittelbar nach der Geburt und gelegentlich auf Nachfrage. Einige PÄD gaben an, im Falle von Risikoschwangerschaften bereits vor der Geburt aufzuklären (MA, Tab. 7).

Wunsch nach Unterstützung

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden gefragt, welche Unterstützungsmöglichkeiten sie hinsichtlich PE gerne in Anspruch nehmen würden (vorgegebene Auswahlmöglichkeiten). Die häufigsten Angaben fielen auf eine interaktive Software, für die sich 60 % aller Befragten aussprachen. Am zweithäufigsten wurden ein Handbuch zur Übertragung der internationalen Leitlinien in die tägliche Praxis angegeben (48 %; MA), wobei sich hierfür prozentual mehr KHA als PÄD aussprachen. KHA benannten außerdem Schulungen häufiger als wünschenswerte Unterstützungsmöglichkeit (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Wunsch nach Unterstützungsmöglichkeiten. KHA Krankenhausapothekerinnen/Krankenhausapotheker, PÄD Pädiaterinnen/Pädiater. Mehrfachnennung pro Berufsgruppe (n = 67 PÄD, n = 78 KHA) in %

Als Antwort auf die offene Frage wurden 79 individuelle Wünsche zur Verbesserung der PE in der klinischen Routine geäußert. Diese wurden 14 Kategorien zugewiesen (Abb. 3). Am häufigsten wurde der Wunsch nach einer Software zu Verordnung, Übermittlung der Verordnung an die Apotheke bzw. als Unterstützung bei Visiten ausgesprochen. Zusätzlich wurden Wünsche hinsichtlich struktureller und organisatorischer Unterstützung geäußert, die mit Personalmangel, infrastrukturellen Problemen oder der problematischen Versorgung am Wochenende begründet wurden.

Abb. 3
figure 3

Wunsch nach Verbesserungsmöglichkeit; n = 79 Freitextangaben vereinheitlicht und kategorisiert. Dargestellt ist die Anzahl aller Nennungen pro Kategorie. EPA elektronische Patientenakte, SOP „standard operating procedure“

Diskussion

Diese Studie zielte darauf ab, die Anwendung der ESPGHAN-Leitlinien in Krankenhausapotheken und NICUs in Deutschland anhand einer Online-Umfrage zu evaluieren. Erhobene Daten zeigen Probleme und Barrieren, welche die Implementierung in die Praxis erschweren. Diese können in 3 Kategorien eingeteilt werden: A) Kenntnis der Leitlinien, B) Barrieren in der klinischen Anwendung, C) strukturelle und organisatorische Hindernisse.

Kenntnis der Leitlinien

Die Ergebnisse zeigen, dass die ESPGHAN-Leitlinien unter den meisten Befragten bekannt sind und in den NICUs regelmäßig Anwendung finden, was mit älteren Umfragedaten übereinstimmt [17]. Befragte wenden die ESPGHAN-Leitlinie häufiger an als die nationale Leitlinie [9] oder klinikinterne Leitlinien, deren Grundlage im Rahmen dieser Umfrage nicht geklärt wurde. Allerdings liegt in der Verteilung der Antworten eine Variabilität je nach Berufsgruppe und Level der Perinatalzentren vor. Auch kann nicht abgeleitet werden, auf welche Leitlinienversion sich die Befragten jeweils beziehen, bzw. wie ausgeprägt Detailwissen vorhanden ist. Daher bleibt es essenziell, dass alle Berufsgruppen regelmäßig über die in Deutschland aktuell gültigen Leitlinien informiert und zu deren Inhalten geschult werden. Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommen auch Lapillonne und Kermorvant-Duchemin [20], die betonen, dass das Wissen über die Verfügbarkeit von Leitlinien dringend verbessert werden muss, um die klinische Umsetzung zu vereinfachen.

Personen, die in der Verantwortung stehen, PE zu verordnen, werden überwiegend durch eine Peer-to-peer-Einführung oder klinikinterne SOP geschult. Systematische Schulungen finden nur selten statt. Auch existiert deutschlandweit kein einheitliches Schulungskonzept, um in der Verantwortung stehende Personen hinreichend einzuführen oder weiterzubilden. Daher scheint es erforderlich, ein wissenschaftsbasiertes Schulungskonzept zu erarbeiten, welches Fachpersonal über die aktuellen Leitlinienempfehlungen informiert und Hintergründe und Änderungen für die Praxis darlegt. Da insbesondere unter KHA der Wunsch nach Schulungsmöglichkeiten betont wurde, wird der Bedarf für nichtärztliches Personal ebenso deutlich.

Eigene Erfahrungen oder eine besondere klinische Indikation, die in der Leitlinie nicht abgebildet ist, führen zum Abweichen von Leitlinien. In diesem Zusammenhang beschreibt eine klinische Evaluationsstudie des Uniklinikums Saarland, dass die leitlinienkonforme Anwendung der PE bei Frühgeborenen stark von subjektiven Erfahrungswerten der betreuenden Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegenden abhängt [29].

Barrieren in der klinischen Anwendung

Aus vorliegenden Daten geht eine eher mäßige Adhärenz mit den Lipidzufuhrempfehlungen hervor, welche einen Beginn einer frühzeitigen Lipidzufuhr empfehlen [10, 19]. Angst vor möglichen Komplikationen, die aufgrund der verminderten oxidativen Kapazität bei Frühgeborenen bzw. der oxidativen Eigenschaften von Lipiden ausgelöst werden können [8, 19], sind eine mögliche Erklärung dafür. Dem stehen der hohe Evidenzgrad der Empfehlungen sowie die inzwischen verfügbaren und weniger oxidationsanfälligen Mehrkomponentenlipidemulsionen mit oder ohne Fischöl gegenüber [8, 19]. Inwieweit die Abweichung von Lipidzufuhrempfehlungen auf unzureichende Kenntnis oder auf eine abweichende Interpretation der verfügbaren Evidenz zurückzuführen ist, wurde im Rahmen der Umfrage nicht geklärt.

Die parenterale Zufuhr wird von einigen Befragten relativ früh beendet, was möglicherweise zu Komplikationen führen kann. Beispielsweise kann eine frühzeitige Beendigung der PE das Risiko für eine postnatale Wachstumsretardierung erhöhen [1, 14, 25, 26]. Da auch eine zu lange PE erhebliche Komplikationen nach sich ziehen kann [6], empfiehlt es sich, die Zufuhr dem individuellen Bedarf und das Beenden dem Reifegrad und der Entwicklung des Kindes entsprechend anzupassen.

Das Monitoring von anthropometrischen Parametern wird, entsprechend den Leitlinien, regelmäßig durchgeführt. Allerdings entspricht das Monitoring einiger Parameter des Knochen‑, Fett- und Eiweißstoffwechsels nur bedingt den Empfehlungen [10, 24], obwohl dafür keine zusätzliche Blutabnahme erforderlich ist und diese innerhalb der Routineanalysen ohne größeren Mehraufwand durchgeführt werden könnten. Zu berücksichtigen bleibt allerdings, dass für diese Analysen ein höheres Blutvolumen benötigt wird, weshalb routinemäßige Blutentnahmen stets gegen das Risiko für eine Frühgeborenenanämie abgewogen werden müssen.

Obwohl die ESPGHAN-Leitlinien hinsichtlich Hautantiseptikum und Desinfektion von Katheterkonnexionsstellen klare Empfehlungen aussprechen [10, 15], weisen die vorliegenden Daten auf eine gelegentliche Verwendung von Alkohol als Hautantiseptikum hin, was insbesondere bei sehr untergewichtigen Frühgeborenen mit unreifer Haut nicht der aktuellen Empfehlungslage entspricht [15].

Lapillonne et al. [17] schlussfolgerten, dass sich die klinische Praxis der PE innerhalb der letzten Jahre aufgrund des Wissenszuwachses verändert hat; aber auch, dass die Praxis noch nicht immer mit den Leitlinienempfehlungen übereinstimmt [17], was auch unsere Studie zeigt.

Strukturelle und organisatorische Barrieren

Die Berechnung der Laufrate und Verordnung sowie die Kontrollberechnungen werden z. T. ohne elektronische Medien durchgeführt und sind demnach anfällig für menschliche Fehler. Eine Studie aus den USA, in der Fehler entlang des Bereitstellungsprozesses der PE festgehalten wurden, schreibt 40 % aller auftretenden Fehler den Berechnungen von Laufrate und Verordnung zu [28]. Obwohl hinreichend bekannt ist, dass die Verwendung von CPOEs die Fehleranfälligkeit maßgeblich senken kann und innerhalb der ESPGHAN-Leitlinien empfohlen wird [12, 23, 24], stehen nur etwa einem Drittel aller Befragten CPOEs zur Verfügung. Aus amerikanischen Umfragedaten ging hervor, dass in den USA bereits im Jahr 2011 etwa 30 % aller Befragten CPOEs verwendeten [3]. In unseren Daten stimmt die seltene Verwendung von CPOE mit der immer noch handschriftlichen Übermittlung der Verordnung an die Apotheken ebenso wie mit dem starken Wunsch in beiden Berufsgruppen nach einer interdisziplinären Software überein und stellt demnach eine strukturelle Hürde dar, die nur von oberster Klinikebene behoben werden kann.

Die ESPGHAN-Empfehlungen aus 2018 sprechen sich, anders als vor der Aktualisierung, für die Verwendung standardisierter Lösungen aus [27]. Nach Angaben der Befragten ist derzeit nur die Hälfte aller verabreichten Lösungen eine Standardlösung. Die häufige Verwendung individueller Lösungen erklärt Versorgungsengpässe und die Herstellung auf der Station am Wochenende. Aus organisatorischen oder strukturellen Gründen ist es Krankenhausapotheken häufig nicht möglich, individuelle Lösungen am Wochenende zu produzieren. Durch eine bessere interdisziplinäre Abstimmung zwischen KHA und PÄD könnten die Vorproduktion für das Wochenende hinreichend geplant und die Herstellung auf der Station reduziert werden. Eine leitlinienkonformere Versorgung werktags sowie auch am Wochenende kann durch ein Portfolio verschiedener Standardlösungen realisiert werden und ermöglicht eine dem individuellen Bedarf entsprechende Versorgung [27]. Verglichen mit der Herstellung individueller Lösungen ist die Herstellung von Standardlösungen für Apothekenpersonal zeitsparender. Aufgrund effizienterer Arbeitsprozesse innerhalb der Krankenhausapotheke könnte die Versorgung von Kliniken ohne PE-herstellende Apotheke zusätzlich ermöglicht und durch die Vermeidung des Mischens von Infusionen auf den Stationen somit letztlich ein höheres Maß an Sicherheit gewährleistet werden. Für diesen Ansatz zur Versorgung von Kliniken ohne PE-herstellende Krankenhausapotheken gibt es derzeit bundesweit allerdings noch keine einheitliche gesetzliche Regelung. Auch wenn Krankenhausapotheken gemäß § 13 des Arzneimittelgesetzes eine Herstellungserlaubnis zur Arzneimittelherstellung erhalten und damit nach § 14 andere Krankenhäuser mit parenteralen Ernährungslösungen versorgen können [4, 5], ist dies mit erheblichem Aufwand und teilweise strukturellen Hürden verbunden.

Dass medizinischem Personal und Pflegenden eine besondere Rolle in der Unterstützung der Eltern von Frühgeborenen zukommt, ist unumstritten [22], jedoch werden Eltern überwiegend mündlich und häufig unmittelbar nach der Geburt aufgeklärt. Ein ungünstiger Aufklärungszeitpunkt kann überfordern und dazu führen, dass der Aufklärungsinhalt nicht verstanden wird. Daher empfiehlt EFCNI als Elternvertretung, die individuelle Situation der Eltern zu berücksichtigen und neben einer mündlichen Aufklärung einfache schriftliche Informationen zur PE zur Verfügung zu stellen. Manche Kliniken bieten zusätzlich kurze Aufklärungsvideos an – auch dies wäre für die Elternaufklärung über PE ein sinnvoller Weg.

Limitationen und Stärken der Arbeit

Die Datenerhebung basiert auf einer Online-Umfrage und hat methodische Grenzen. Auch wenn der Rücklauf unserer Umfrage vergleichbar mit Rücklaufquoten anderer Online-Umfragen im Gesundheitswesen ist [2], so geben dennoch weniger als 40 % aller angeschriebenen Kontakte gültige Daten an. Auch liegen keine Informationen von Nonrespondern vor. Daher kann keine Aussage getroffen werden, ob die vorliegende Stichprobe repräsentativ für Deutschland die Situation in NICUs und Krankenhausapotheken widerspiegelt. Ein Selektionsbias kann nicht ausgeschlossen werden [2]. Weitere methodische Limitationen von Umfragen i. Allg. sind nicht zu vernachlässigen [17, 18, 20]. So ist nicht auszuschließen, dass die Antworten von der Motivation der Befragten subjektiv beeinflusst wurden und nicht immer der praktischen Umsetzung entsprechen [17, 18, 20]. Dies spiegelt sich gelegentlich in Diskrepanzen zwischen Ergebnissen einzelner Fragen wider. Pflegende wurden in den allermeisten Fällen nicht in die Beantwortung einbezogen, sodass diese Berufsgruppe nicht ausreichend repräsentiert wird, was zum Ausschluss der Antworten führte. Aufgrund der Anonymität der Online-Umfrage ist nicht ersichtlich, wie viele Befragte aus der gleichen Klinik stammen. Deshalb wurden keine statistischen Tests durchgeführt. Es ist zu berücksichtigen, dass die Fallzahlen je nach Klinikkategorie stark variieren und dass in Level-2-Zentren eine parenterale Therapie insgesamt seltener erforderlich ist. Deshalb sind Vergleiche zwischen Zentren mit Vorsicht zu interpretieren und nicht hinreichend statistisch belegt. Fragen mit mehreren Antwortmöglichkeiten liefern keine sich ausschließenden Ergebnisse und müssen entsprechend vorsichtig interpretiert werden. Uns ist bewusst, dass von einzelnen Befragten teilweise nicht alle Fragen beantwortet wurden und dadurch eine Verzerrung nicht ausgeschlossen werden kann.

Die vorliegende Arbeit liefert Daten zur Umsetzung der ESPGHAN-Leitlinien und der allgemeinen Anwendung von PE in Deutschland. Flächendeckend wurden alle Krankenhausapotheken und ein Großteil aller NICUs in Deutschland zur Teilnahme eingeladen, wobei qualitative Daten von überwiegend langjährig praktizierenden Fachkräften erhoben wurden. Die Ergebnisse bilden komplexe Prozesse hinsichtlich der PE, einschließlich der Schnittstelle zwischen Krankenhausapotheke und NICUs, ab. Derzeit liegt für Deutschland kein vergleichbarer Datensatz vor. Die zuletzt veröffentlichte Studie evaluierte zwischen 2009 und 2010 die Anwendung der ESPGHAN-Leitlinien aus dem Jahr 2005. Verglichen mit dieser Erhebung beziehen sich die hier dargestellten Ergebnisse auf die klinische Anwendung der überarbeiteten ESPGHAN-Leitlinie aus 2018 und fokussieren sich weniger ausschließlich auf die Einhaltung der Nährstoffzusammensetzung als vielmehr auf komplexe Prozesse und Schnittstellen zwischen beteiligten Berufsgruppen. Die Identifizierung von Barrieren in der Umsetzung ist wertvoll, um praxisorientierte Lösungsansätze abzuleiten, die berufsgruppenspezifisch anwendungsorientierte Hilfestellung liefern können, um letztlich die Qualität der Versorgung mit PE in Deutschland nachhaltig zu verbessern.

Ausblick

In einer Kooperation aus GNPI, ADKA und mit Unterstützung durch ein multidisziplinäres Expertenpanel, bestehend aus 20 renommierten Expertinnen und Experten aus dem deutschsprachigen Raum, erarbeitet die EFCNI praxisorientierte Lösungsansätze. Diese werden in einem Toolkit zusammengefasst, das berufsgruppenspezifisch Handlungsanregungen und Materialien zur Verfügung stellen wird, um Personen, die am Bereitstellungsprozess von PE beteiligt sind, hinreichend zu unterstützen und die Überwindung der identifizierten Barrieren anzustoßen.

Fazit für die Praxis

  • Die ESPGHAN-Leitlinien sind unter Pädiaterinnen/Pädiatern und Krankenhausapothekerinnen/Krankenhausapothekern bekannt.

  • Viele ESPGHAN-Empfehlungen werden in deutschen NICUs und Krankenhausapotheken umgesetzt.

  • Klinische, strukturelle und organisatorische Hürden erschweren die Umsetzung der ESPGHAN-Leitlinien in der Praxis.

  • Als Grund für das Abweichen von Leitlinien wird am häufigsten der „besondere klinische Fall“ genannt.

  • Die Nutzung von Verordnungsprogrammen wird nur von etwa einem Drittel aller Befragten angegeben.

  • Die individuelle Situation von Eltern betroffener Kinder wird bei der Aufklärung oft noch unzureichend berücksichtigt.