Strukturierte, programmbasierte Intervention mit frühem Beginn (2–4 LJ) ist effektiv [7]. ASS-spezifische Frühintervention scheint sich auch auf neurobiologischer Ebene auszuwirken. Veränderung der zerebralen Konnektivität und Normalisierung der EEG-Aktivität wurden gezeigt [23].
Frühintervention
Strukturierte Elternanleitungsprogramme (elternvermittelte Intervention) zur Stärkung der Eltern-Kind-Interaktion auf Basis eines sensitiven Erkennens von Möglichkeiten, um Aufmerksamkeit und Wechselseitigkeit in Spiel und Alltag zu vermitteln, zeigten signifikante Effekte auf die soziale Kommunikation der ASS-betroffenen Kinder [24, 25].
In patientenzentrierten, verhaltenstherapeutischen Interventionen werden Spielangebote und Möglichkeiten zur sozialen Interaktion mit Orientierung am natürlichen Entwicklungsverlauf gesetzt.
Diese therapeutenvermittelten Programme arbeiten meist im Eins-zu-Eins-Setting mit hoher Intensität (15–20 h/Woche). Signifikante Verbesserungen mit mittleren Effektstärken für kognitive und sprachliche Entwicklungsfortschritte wurden gezeigt [24].
Verschiedene evidenzbasierte Programme inkludieren Elternarbeit und direkt therapeutenvermittelte Intervention (z. B. Joint Attention, Symbolic Engagement and Regulation [JASPER] oder Early Start Denver Model [ESDM], [7]).
Im deutschsprachigen Raum besteht bezüglich strukturierter, programmbasierter Frühintervention ein versorgungsrelevantes Defizit. Evaluierte Adaptierungen z. B. des ESDM sind aber zunehmend beobachtbar [26].
Unterstützende, das Umfeld und Zeitabläufe strukturierende Konzepte (z. B. TEACCH [treatment and education of autistic and communication handicaped children and adults], [27]) helfen, den Alltag in allen Lebensphasen zu stabilisieren.
Begleitung im Schulalter und im frühen Erwachsenenalter
Mit zunehmendem Lebensalter gewinnen Beziehungen zu Gleichaltrigen an Bedeutung, was oftmals zur Überforderung von Kindern mit ASS führt und sich in schwierigen Verhaltensmustern niederschlagen kann.
Der Einsatz von Bildgeschichten, z. B. im Sinne des Ansatzes der „social stories“, ist hilfreich, um auf zu erwartende Ereignisse vorzubereiten oder um durch Erklärung alltäglicher Abläufe soziales Verständnis zu fördern (Abb. 5; [28]).
Eine gute Einbindung der PädagogInnen und Aufklärung der Mitschüler sind wichtig, um die Entwicklung von unnötigen Traumatisierungen für betroffene Kinder hintanzuhalten und um entwicklungsfördernde Voraussetzungen zu etablieren.
Verbesserungen im Sozialverhalten bei Kindern im späten Vorschul- und Schulalter können durch gut strukturierte soziale Kompetenzgruppen erreicht werden [14].
Die sich oft mit zunehmendem Lebensalter verstärkt manifestierenden psychischen Probleme führen oft zur Behandlung mit Psychopharmaka [14] und spielen eine wesentliche Rolle bezüglich des Gelingens der Integration ins Arbeitsleben und der selbstständigen Lebensgestaltung.
Nur ein Viertel der von ASS betroffenen Erwachsenen mit durchschnittlicher Intelligenz lebt im eigenen Haushalt. Lebenspartnerschaften sind deutlich seltener als in der Allgemeinbevölkerung [7, 14].
Bei Jugendlichen mit zusätzlichen intellektuellen Einschränkungen stellt sich die Frage nach rechtlichen Vertretungsmöglichkeiten und Lebensformen mit dauerhafter Begleitung.
Therapie
Eine direkt die ASS-Kernsymptome adressierende medikamentöse Therapie ist derzeit nicht möglich. Sind verhaltensanalytische (z. B. ABC-Schema) und verhaltenstherapeutische Möglichkeiten ausgeschöpft, kann eine symptomorientierte medikamentöse Behandlung sinnvoll werden (Tab. 4). Grundprinzipien der medikamentösen Therapie sind hier v. a. klare Definition des Therapiezieles und der angedachten Therapiedauer, vorsichtige Aufdosierung und regelmäßige Überprüfung auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen.
Tab. 4 Exemplarische Auflistung möglicher Medikationsindikationen und ggf. geeigneter Medikamentengruppen. (Hyman et al. [14]) Diätetische Maßnahmen, darunter auch eine glutenfreie und kaseinfreie Diät, sind nicht ausreichend evidenzbasiert, um generell empfohlen werden zu können [7, 14]. Ähnliches gilt für viele weitere nichtevidenzbasierte Therapieansätze (z. B.: hyperbare Sauerstofftherapie, unterschiedliche Vitaminsubstitutionen etc.). Mit Familien, die sich dennoch für derartige Therapieansätze entscheiden, ist es wichtig, in respektvollem Kontakt zu bleiben, um ggf. Sekundärschäden zu vermeiden.
Arbeit mit Familien
Ein Kind mit Autismus prägt die Entwicklung einer gesamten Familie. Eltern berichten von höherer Stressbelastung und wirtschaftlichen Herausforderungen.
Es ist daher von großer Bedeutung, dass Kinderärzte/Kinderärztinnen oder Kinder- und Jugendpsychiater/-innen diesen Familien eine sozialmedizinische „Heimat“ bieten. Diese Heimat ist durchaus in Anlehnung an das Konzept des „medical home“ zu verstehen [29]. Dieses Modell geht von einer Partnerschaft zwischen Arzt/Ärztin und Familie aus, die sich u. a. in einer Kultur des gemeinsamen Entscheidungssuchens und -treffens („shared decision-making“) ausdrückt.
Ein weiteres Element des Medical home ist die Vernetzungsarbeit hin zu Selbsthilfeorganisationen und Einrichtungen der Sozialhilfe und des Bildungssystems. Dies ist umso bedeutungsvoller, wenn es gilt, Jugendliche mit ASS beim Gelingen des Übergangs ins Erwachsenenalter zu unterstützen.
Die Rolle des Medical home ist weniger mit einem spezifischen Setting als vielmehr an ärztliche Persönlichkeiten geknüpft, die Freude daran haben, mit Familien den Entwicklungsweg zu gehen und dabei dem Kind und den Eltern ihre Stärken bewusst zu machen, das Erreichen von Meilensteinen mitzufeiern und in Krisen Anlaufstelle zu sein, ohne die Familie zu bevormunden.