Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags …

  • sind Ihnen die komplexen neurokardiovegetativen pathophysiologischen Mechanismen als Ursache synkopaler Zustände bekannt.

  • können Sie die meisten dieser neurokardiovegetativen Zusammenhänge mithilfe einer strukturierten Anamnese identifizieren.

  • sind Sie für die Patientengruppe sensibilisiert, die eine weiterführende Diagnostik benötigt.

  • sind Ihnen therapeutische Ansätze bekannt.

Einleitung

Die Synkope ist definiert als ein vorübergehender Bewusstseinsverlust mit Verlust des Muskeltonus infolge einer globalen transienten zerebralen Hypoperfusion. Sie ist charakterisiert durch:

  • rasches Einsetzen,

  • kurze Dauer sowie gewöhnlich

  • spontane und vollständige Erholung.

Wenngleich Synkopen in jedem Lebensalter auftreten können, finden sich ein Ereignisgipfel im Kleinkindalter und ein weiterer bei Adoleszenten. Im typischen Manifestationsalter zwischen dem 12. und 19. Lebensjahr sind sie am häufigsten.

Einteilung von Synkopen

Den neuesten Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) folgend werden nur noch 3 große ursächliche Gruppen für Synkopen unterschieden. Dies sind die Reflexsynkopen, die Synkopen aufgrund einer orthostatischen Hypotension und die kardialen Synkopen [1]. In Tab. 1 sind diese 3 großen Gruppen dargestellt. Reflexsynkopen sind die bei Weitem häufigsten, da sie aber öfter einen „overlap“ mit den orthostatischen Regulationsstörungen aufweisen, wurden diese beiden Gruppen bezüglich der Häufigkeiten zusammengefasst (gemeinsam etwa 75 %). Des Weiteren werden die kardialen Ursachen einer Synkope in strukturelle und rhythmogene unterteilt. Auch die nichtsynkopalen Ereignisse sind als wichtige Differenzialdiagnosen kursorisch angeführt.

Tab. 1 Häufigkeit von Synkopenursachen gemäß den Guidelines der European Society of Cardiology. (Adaptiert nach Brignole et al. [1])

Reflexsynkopen

Allgemeine Pathophysiologie

Die Begriffe Reflexsynkope (RS) und vasovagale Synkope (VVS) sind Synonyme. Charakteristisch für alle RS ist die Auslösung durch bestimmte Trigger. In Tab. 2 sind bekannte – z. T. sehr unterschiedliche – Trigger von RS zusammengefasst. Mit dem bekannten Bezold-Jarisch-Reflex allein lassen sich nur wenige dieser Trigger, nämlich die in Gruppe 1 erklären.

Tab. 2 Trigger bei Reflex-/vasovagalen Synkopen und deren pathomechanistische Zuordnung

Gruppe 1: Pathomechanismus „Hirnnerven“, reflektorisch

Bezold und Hirt konnten 1867 durch i.v.-Verabreichung des Alkaloids Veratrum viride bzw. Viscum album eine triadenartige Reaktion aus Bradykardie, Hypotension und Apnoe auslösen [2]. Jarisch griff 1940 diese experimentellen Ansätze auf und bezeichnete diese als „vom Herzen ausgehende Kreislaufreflexe“, nachdem zwischenzeitlich viele Chemo- und Barorezeptoren praktisch überall in den Bereichen der Herzhöhlen, der großen Gefäße sowie der oberen und unteren Luftwege beschrieben worden waren [2].

Eine überschießende Aktivierung von Chemo-, Baro- und Mechanorezeptoren unter Einbeziehung der entsprechenden Hirnnerven (Geruch, Niesen: N. olfactorius; Schlucken: N. glossopharyngeus; Husten: N. trigeminus, N. glossopharyngeus, N. vagus; Karotissinusdruck: N. glossopharyngeus; [2]) führt zur afferenten Signalweiterleitung zum medullären Kreislaufzentrum. Eine kompensatorische Aktivierung des N. vagus führt zu einer Bradykardie/Asystolie (kardioinhibitorische Form) und/oder eine Hemmung des N. sympathicus resultierend in einem Blutdruckabfall (vasodepressorische Form).

Gruppe 2: Pathomechanismus „Gehirnselbstschutztheorie“

Die VVS scheint nur beim Menschen vorzukommen. Folgende Gründe werden angenommen [3]:

  • aufrechter Gang und, damit zusammenhängend, ein großes venöses Kapazitätssystem sowie

  • überproportionale Hirnmasse des Homo sapiens.

Das menschliche Gehirn repräsentiert 2 % der Körpermasse, benötigt 20 % des Herz-Zeit-Volumens (bei Giraffen <1 %), 20 % des zirkulierenden Sauerstoffs und 25 % der zur Verfügung stehenden Glucose; die metabolische Reserve reicht für eine Dauer von 5–6 s [4].

Aus diesen Überlegungen entwickelte sich die „Gehirnselbstschutztheorie“, mit deren Hilfe eine RS nicht als paradoxe, sondern als „physiologische“ Reaktion erklärt werden kann [5]: Die kritische und extrem perfusionsabhängige metabolische Reserve des Gehirns führte evolutionär zu einem Selbstschutzmechanismus. Eine drohende zerebrale Minderperfusion bewirkt die zentral ausgelöste Sympathikushemmung und Parasympathikusaktivierung, mit dem Ziel, den „Patienten“ von einer aufrechten Haltung in eine horizontale Position zu bringen und damit augenblicklich die zerebrale Perfusion zu verbessern.

Die Trigger Stehen, Wärme, Alkohol, Fieber/Krankheit sind – oft gemeinsam mit einer orthostatisch-hypovolämischen Komponente – mögliche Ursachen für eine drohende zerebrale Minderperfusion mit nachfolgender Auslösung der Gehirnselbstschutzmechanismen. Auch bei der Postmiktionssynkope dürften mehrere Mechanismen beteiligt sein.

Die Synkope unmittelbar nach körperlicher Belastung fällt pathomechanistisch in diese Gruppe und wird als „belastungsassoziierter Kollaps“ beschrieben. Während der Belastung ist der periphere Gefäßwiderstand erniedrigt; ein abrupter Stopp führt bei zumeist aufrechter Körperhaltung zum venösen Pooling in den Beinen, der bei verzögertem Reagieren der Barorezeptoren eine orthostatische Hypotension und einen Kollaps auslösen [6].

Hyperventilation verringert die zerebrale Durchblutung durch Vasokonstriktion; eine mögliche Synkope könnte daher mit dem Aktivieren des Gehirnschutzmechanismus erklärt werden. Allerdings führt eine forcierte Hyperventilation aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks zur Verbesserung des peripheren-venösen Rückflusses. Synkopenähnliche Zustände durch Hyperventilation sind wahrscheinlich eher in die Gruppe Panikattacken einzuordnen und wären dann auch durch emotionale oder psychogene Trigger erklärbar (Overlap mit den Gruppen 3–4).

Gruppe 3: Pathomechanismus „Emotionen – neuroviszerales Integrationsmodell“

Ein weiterer evolutionärer Aspekt der Hirnentwicklung des Homo sapiens ist das im Vergleich zu anderen Spezies überentwickelte Großhirn. Es entfallen 80 % der Hirnmasse auf den Neokortex, den präfrontalen Kortex inkludierend; Regionen, die allgemein als „Sitz des Denkens und der Emotionen“ bekannt sind. Die enge Verbindung zwischen Gehirn und Herz im Zusammenhang mit Emotionen wurde bereits 1867 von Bernard beschrieben. Den Erkenntnissen der Neurowissenschaften folgend wurden die äußerst komplexen Zusammenhänge in dem „neuroviszeralen Integrationsmodell“ zusammengefasst [7].

Das „neuroviszerale Integrationsmodell“ erklärt evtl. die individuell sehr unterschiedlichen Reaktionen auf emotionale Trigger (zusammengefasst in: [7]). Der präfrontale Kortex, das limbische System mit dem Gyrus cinguli, die Verschaltung mit den Mandelkernen, die Interaktion mit Hirnstammbereichen, die Verbindung zum Rückenmark und letztendlich die gesamte sympathische und vagale Vernetzung des Körpers führen zu komplexesten, zahlreichen Regelkreisen, die nicht mehr als einfache Feedback-Mechanismen beschrieben werden können, sondern eigentlich mit den Methoden der Chaostheorie betrachtet werden müssen.

Existenzielle Trigger wie Angst/Furcht/Panik zählen zu den stärksten emotionalen Belastungen des Menschen. Heutzutage bleibt oft nur die „vorübergehende Flucht aus einer momentan intolerablen Situation“, wobei diese Situationen individuell durchaus unterschiedlich bedrohlich wahrgenommen werden können und auch die bloße Vorstellung einer möglichen Gefahr das synkopale Event durch Aktivierung des neuroviszeralen Systems auslösen kann.

Auch die gegenteilige Emotion Freude kann diesen Mechanismus aktivieren, allerdings ist an diesem Empfinden auch eine peripher-vaskuläre Komponente im Sinne eines Abfalls des vaskulären Widerstands beteiligt.

Schmerz, ob heftig oder nur als heftig erwartet, ist ein typischer Trigger in dieser Gruppe. Die Beteiligung des parasympathischen Nervensystems ist augenscheinlich; seine Aktivierung kann allerdings nur mithilfe des „neuroviszeralen Integrationsmodells“ erklärt werden. Bemerkenswert ist, dass diese vasovagale Reaktion zumeist bei liegenden Patienten auftritt (z. B. Ziehen von femoralen Schleusen nach arterieller oder venöser Herzkatheteruntersuchung).

Die „Spritzen‑, Nadel- und Blutphobie“ ist eine sehr häufige Ursache der VVS, in 13 % der Fälle bei Frauen und in 3 % der Fälle bei Männern [8]. Etwa 3,5 % der US-amerikanischen Bevölkerung sind betroffen [9]. Bemerkenswert bei Kindern und Jugendlichen ist, dass diese zumeist keine Furcht vor der Blutabnahme an sich haben; sie haben anscheinend keine panische Furcht vor dem schmerzhaften Stich durch einen spitzen Gegenstand, und sie fürchten sich auch nicht primär vor dem Anblick von Blut. Bei den Betroffenen kommt es im Augenblick der Blutentnahme – auch wenn diese von ihnen nicht direkt beobachtet wird – zur VVS. Hier ist das Erklärungsmodell der „paläolithischen Bedrohungstheorie“ hilfreich. Personen, die beim Anblick spitzer Gegenstände oder Blut synkopierten, hatten einen evolutionären Selektionsvorteil [10]. Psychotherapeutische Ansätze zielen auf Situationskontrolle ähnlich wie bei Angststörungen ab [11].

Erwähnenswert ist eine Assoziation der Blutphobie mit Schlafsynkopen. Von den Patienten mit Schlafsynkopen haben 60 % auch eine Blutphobie. Schlafsynkopen sind Ereignisse, die in der Kindheit beginnen können, hauptsächlich jedoch im mittleren Erwachsenenalter und hier zumeist bei Frauen auftreten. Aus dem Schlaf heraus, zumeist in horizontaler Position treten Symptome von Vasodilatation (Schwitzen, Hitzegefühl, Palpitationen) und extremer Vagotonie (Übelkeit, Bauchschmerzen, dringender Harn- oder Stuhldrang) auf, gefolgt von dem synkopalen Ereignis. Träume sind zumeist nicht erinnerlich [12].

Auch wenn die Mechanismen der Schlafsynkope noch nicht gänzlich verstanden werden, sind sowohl die „Blutphobie“ als auch die Schlafsynkope eindrucksvolle Beispiele von massiven vasovagalen Symptomen ohne Baroreflexbeteiligung, die letztlich nur annähernd durch das „neuroviszerale Integrationsmodell“ eingeordnet werden können.

Gruppe 4: Pathomechanismus „psychogen“

Die psychogene Pseudosynkope stellt definitionsgemäß eigentlich keine Synkope dar. Es treten keine vasovagalen Herzfrequenz(HF)- oder Blutdruckänderungen auf. Das Bewusstsein kann zwar eingeschränkt sein, im Gegensatz zum Bewusstseinsverlust bei Synkope oder bei komplex partiellen oder generalisierten epileptischen Anfällen sind iktale Erlebnisse den Patienten oft erinnerlich [13]. Die psychogene Pseudosynkope gehört in die Gruppe der psychogenen nichtepileptischen Anfälle und ist im Kindes- und Jugendalter eine wichtige sowie schwierige Differenzialdiagnose für den Pädiater.

Die oben genannten Pathomechanismen sind ebenfalls bei Synkopen von Säuglingen/Kleinkindern anwendbar; zum besseren Verständnis werden die synkopalen Ereignisse in dieser Altersgruppe im Folgenden detailliert beschrieben.

Pathophysiologische Besonderheiten beim Säugling

Diese können bei Säuglingen (und auch Kleinkindern) entweder als zyanotische oder blasse „breath-holding spells“ auftreten. Es handelt sich um nichtepileptische anfallsartige Ereignisse mit Bewusstseins- und Tonusverlust, die bei 0,1–4,6 % der gesunden Säuglinge auftreten und zumeist zwischen dem 6. und dem 18. Lebensmonat beginnen [14].

Bei den als „zyanotische Anfälle“ bezeichneten Zuständen kommt es – zumeist affektgetriggert (Gruppe 3) reflektorisch zu einer unfreiwilligen exspiratorischen Apnoe, sekundär gefolgt von kardialen Reaktionen. Der Terminus „breath-holding“ ist zumindest in der deutschen Übersetzung „Atem anhalten“ irreführend, zumal es sich um eine Apnoe handelt und diese Apnoe nicht willentlich herbeigeführt werden kann.

Der klinische Ablauf ist diagnostisch beweisend: Ein Stimulus (taktiler Reiz, Schmerz, Angst, Frustration; Gruppe 3) löst eine übersteigerte affektive (emotionalen) Reaktion aus, die vom Säugling selbst nicht kontrolliert werden kann. Die zyanotische Variante beginnt mit einer Apnoe, gefolgt von sekundären zirkulatorischen Veränderungen.

Bei den „blassen“ Zustände hat die Atmung keinen Anteil am pathophysiologischen Geschehen, sie stellt eine primär kardioinhibitorische Reaktion dar, diese Zustände sollten daher als kardioinhibitorische VVS des Säuglings bezeichnet werden [15]. Hier sind als Trigger Angst/Furcht/Panik (Gruppe 3), aber auch Niesen/Schlucken/Husten (Gruppe 1) sowie Wärme und Fieber (Gruppe 2) möglich.

Nachdem bei ein und demselben Säugling/Kleinkind sowohl blasse als auch zyanotische Episoden vorkommen können, wird eine Dysfunktion des autonomen Nervensystems und/oder eine mangelnde kortikale Impulskontrolle angenommen [16]. Möglicherweise drückt sich diese autonome Dysfunktion auch in einer sehr ausgeprägten respiratorischen Sinusarrhythmie bei Säuglingen mit gehäuften Attacken aus [17].

Die meisten dieser Patienten benötigen keine spezifische Therapie. Sehr selten ist bei einer ausgeprägten klinischen Symptomatik (häufige Episoden v. a. vom blassen Typ assoziiert mit Myoklonien, tonisch-klonischen Ereignissen oder Status epilepticus) und dokumentierter deutlicher Bradykardie oder protrahierter Asystolie eine Schrittmachertherapie nötig [18].

Orthostatische Hypotension

Eine inadäquate Reaktion des autonomen Nervensystems (funktionell oder durch organische Schädigung) auf Lageänderung bedingt den mangelnden Anstieg des peripheren Gefäßwiderstands (und evtl. der HF). Damit einher geht der Abfall des systolischen Blutdruckwerts um mehr als 20 mm Hg und des diastolischen Blutdruckwerts um mehr als 10 mm Hg oder ein anhaltender systolischer Blutdruckwert <90 mm Hg bei Erwachsenen. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Blutdruckabfalls in Bezug zum Lagewechsel werden die initiale orthostatische Hypotension (OH; 0–15 s), die klassische OH (<3 min), die verzögerte OH (>3 min), die orthostatische VVS und das posturale Tachykardiesyndrom (POTS, haltungs- bzw. lageänderungsbedingte Tachykardie) unterschieden [1].

Bei Letzterem reagieren v. a. weibliche Patienten mit Symptomen einer OH (Benommenheit, Unwohlsein, Palpitationen, Tremor, verzerrtes oder verschwommenes Sehen); es kommt jedoch nur zum deutlichen HF-Anstieg ohne signifikanten Blutdruckabfall. Bei Kindern und Jugendlichen ist erst ein Anstieg um mehr als 40 Schläge/min diagnostisch [19]. Die Pathophysiologie des POTS ist noch unklar, jedoch können bei diesen Patienten auch VVS auftreten.

Die häufigsten Ursachen einer orthostatischen Dysregulation sind Hypovolämie (primär oder medikamentös; Diuretika) und Störungen des autonomen Nervensystems im Sinne einer degenerativen neurologischen Grunderkrankung oder einer sekundären toxisch-metabolischen Neuropathie (Medikamente, Alkohol ….).

Kardiale Ursache

Die kardiale Synkope wurde in der Monatsschrift Kinderheilkunde bereits ausführlich behandelt; daher wird hier auf den Beitrag von Donner et al. verwiesen [20].

Die Basisdiagnostik besteht aus Anamnese, klinischer Untersuchung und einem EKG. Damit sollten Hinweise auf eine potenzielle lebensbedrohliche kardiale Erkrankung zwingend erkannt werden, um eine weiterführende kardiologische bzw. rhythmologische Diagnostik zu veranlassen. Dies ist insbesondere dann essenziell, wenn Anhaltspunkte auf ein Risiko für kardiogene Ereignisse vorliegen. In Infobox 1 sind entsprechende Alarmsymptome aufgelistet. Besonderes Augenmerk muss auf die genetischen Herzerkrankungen wie Long-QT-Syndrom (LQTS), arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie („arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy“, ARVCMP), katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie („catecholaminergic polymorphic ventricular tachycardia“, CPVT), Brugada-Syndrom, aber auch auf Kardiomyopathien und Laminopathien gerichtet werden, da diese nicht immer sofort erkennbar sein müssen. Die Suche danach muss stattfinden, wenn der Mechanismus des synkopalen Ereignisses nicht, wie oben beschrieben, erklärbar ist.

Infobox 1 Alarmsymptome, die eher mit einer kardialen Synkope assoziiert sein können

  • Schreck als Ereignis-Trigger

    • Wecker

    • Telefon

    • Akute emotionale Belastung

    • Kontakt mit kaltem Wasser

  • Synkope während körperlicher Belastung

  • Synkope ohne Prodromi

  • Synkope im Liegen (beachte: wenn nicht anders erklärbar)

  • Synkope unmittelbar folgend auf Brustschmerz, Tachykardie, Palpationen

  • Positive Familienanamnese für plötzlichen Herztod (<40. Lebensjahr)

  • Positive Familienanamnese für unklare Todesfälle

  • Vorliegen einer Herzerkrankung

  • Zustand nach Herzoperation

  • Zustand nach Kawasaki-Syndrom

Gesondert zu betrachten sind Patienten mit pulmonaler Hypertension (PHT), Eisenmenger-Physiologie, hochgradiger Aortenklappenstenose (AS) und hypertropher Kardiomyopathie (HCMP). Synkopen treten bei diesen unter körperlicher Belastung auf, werden als Folge eines verminderten ventrikulären Auswurfs oder als Folge von Arrhythmien interpretiert [21] und können damit auch für den plötzlichen Herztod verantwortlich sein. Die HCMP ist zwar die häufigste Ursache des plötzlichen Herztods bei jugendlichen Sportlern [22], aber es treten bei dieser Herzmuskelerkrankung auch relativ häufig Synkopen (15–25 % der Erkrankten) auf. Eine Erklärung im Sinne eines akuten Pumpversagens oder einer (malignen) Arrhythmie findet sich allerdings nur bei den wenigsten [23].

Allen genannten Ätiologien (PHT, AS, HCMP) gemeinsam ist der „limitierte ‚cardiac output‘“. Dieser ist unter körperlicher Belastung nur begrenzt steigerbar, geht mit einer drohenden zerebralen Minderperfusion einher und kann damit den Gehirnselbstschutzmechanismus für eine VVS triggern. Dieser Mechanismus, der bei ansonsten gesunden Menschen harmlos ist, kann bei diesen Grunderkrankungen ein sehr ernst zu nehmendes klinisches Zeichen sein, das als Hinweis auf eine weit fortgeschrittene Erkrankung mit entsprechenden therapeutischen Konsequenzen zu werten wäre, da eben der Cardiac output nicht mehr adäquat steigerbar ist.

Anders herum können emotionale Belastungen oder andere vasovagale Trigger, wie ein postprandiales heißes Bad oder postprandiale körperliche Aktivität, bei diesen Patienten auch eine klassische VVS auslösen. In diesem Fall kann aber eine protrahierte Hypotension/Bradykardie fatale Folgen im Sinne eines hypoxämisch getriggerten Pumpversagens oder einer malignen Arrhythmie auslösen [24, 25, 26]. Umso deutlicher muss auf die Vermeidung entsprechender Trigger hingewiesen werden, um diese vasovagale Komponente verhindern zu können.

Therapeutische Empfehlungen

Diese richten sich nach der Diagnose und dem damit verbundenen Pathomechanismus.

Patientenedukation

Für Betroffene, v. a. der Gruppen 1 und 2 in Tab. 2, ist die Erklärung der Theorie des „Selbstschutzmechanismus des Gehirns“ in der Praxis extrem hilfreich, da damit kardiale und zerebrale Grunderkrankungen verständlich ausgeschlossen werden können. Wenn ein Mechanismus als physiologisch angenommen wird, fällt der Leidensdruck weg, ein „Patient“ zu sein. Nichtsdestotrotz können/kann Verletzungsgefahr und/oder Selbst- und Fremdgefährdung bestehen. Sind die entsprechenden Trigger identifiziert, kann als Präventionsmaßnahme das Vermeiden dieser typischen Auslösesituationen hervorgehoben werden.

Bei Patienten mit Herzerkrankungen mit „limitiertem Cardiac output“ (AS, HOCMP, PHT) ist diese Triggervermeidung besonders wichtig. Hierzu zählen Situationen:

  • Hitze (Sauna),

  • Wärme (Urlaubsplanung),

  • plötzlicher Lagewechsel usw., aber auch

  • Obstipation.

Das Erkennen von Prodromi ist ein wichtiger Erfahrungsprozess, um mit entsprechenden Verhaltensmodifikationen wie isometrischen Muskelkontraktionen (Abb. 1) oder dem Einnehmen einer liegenden Körperhaltung rechtzeitig reagieren zu können (Klasse I C).

Abb. 1
figure 1

Physikalische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Blutdrucks bei drohender Synkope. a Überkreuzen der Beine und Anspannen der gesamten Bein‑, Glutäal- und Bauchmuskulatur, bc Anspannen der Armmuskulatur

Physikalische Maßnahmen wie ein Überkreuzen der Beine und Anspannen der gesamten Bein‑, Glutäal- und Bauchmuskulatur sowie der Armmuskulatur können in der Frühphase einer drohenden Synkope einen signifikanten Blutdruckanstieg induzieren und eine Bewusstlosigkeit verhindern. Die Effektivität dieser Maßnahme konnte für RS (Klasse I B) nachgewiesen werden und wird zur Prävention der OH (Klasse IIb) empfohlen [27, 28].

Medikamentöse Therapie

Neben den symptomatischen Empfehlungen einer adäquaten Flüssigkeitsaufnahme und eines ausreichenden Salzkonsums (Klasse I C) kann eine medikamentöse Therapie mit dem selektiven α1-Agonisten Midodrin-HCL (Erw. 5–20 mg, in 3 Einzeldosen; 1 %ige Lösung: >12 Jahre: initial 7 Trpf., 2- bis 3-mal täglich) zur Erhöhung des peripheren Gefäßwiderstands und Verhinderung des venösen Pooling in Einzelfällen mit ausgeprägter orthostatischer Komponente sinnvoll sein.

Das Mineralokortikoid Fludrocortison sollte bei Kindern nur als Substitutionstherapie bei entsprechender Grunderkrankung (M. Addison, adrenogenitales Syndrom mit Salzverlustsyndrom) eingesetzt werden.

Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sind bei Patienten mit emotionalen oder psychiatrischen Grunderkrankungen (Gruppen 3 und 4 in Tab. 2) in Einzelfällen zu erwägen.

Vielleicht können zukünftig Methylxanthine (Theophyllin oral; Zielserumspiegel: 12–18 μg/ml) bei Patienten mit dem seltenen idiopathischen, paroxysmalen atrioventrikulären AV-Block III eingesetzt werden. Diese Patienten sind herzgesund, reagieren aufgrund eines niedrigen Adenosinspiegels mit einer Upregulation der A1- und  A2-Adenosinrezeptoren (im Gegensatz zur VVS) und daher nach Adenosingabe durch die erhöhte Rezeptorzahl mit einer verstärkten Adenosinbindung und protrahiertem kompletten AV-Block. Theophyllin wirkt hier als nichtselektiver A1- und A2-Adenosinrezeptor-Antagonist [29].

β-Rezeptoren-Blocker haben in der Therapie der VVS keinen Stellenwert (Klasse III A).

Schrittmachernotwendigkeit

Die ventrikuläre Schrittmacherstimulation wirkt der kardioinhibitorischen Komponente einer RS entgegen und ist in Einzelfällen indiziert. Eine Schrittmachertherapie ist bei fehlendem Nachweis eines kardioinhibitorischen Reflexes nicht indiziert (Klasse III B). Sie ist aber gelegentlich schon bei Säuglingen und Kleinkindern mit blassen RS und extrem ausgeprägter Symptomatik eine Therapienotwendigkeit [30].

Fazit für die Praxis

  • Synkopen sind in der Pädiatrie häufig und können hier in jedem Lebensalter auftreten.

  • In 75 % der Fälle handelt es sich um die Ursache „Reflexsynkope“ ± orthostatische Intoleranz.

  • Die Theorie des „Selbstschutzmechanismus des Gehirns“ sowie das „neuroviszerale Integrationsmodell“ ergänzen die mechanistischen Vorstellungen vom Bezold-Jarisch-Reflex und ergeben durch die neue Erklärungsperspektive ein besseres Verständnis.

  • Die akribische Anamnese, die körperliche Untersuchung und das EKG lassen zumeist den Pathomechanismus erkennen.

  • Eine nichterklärbare Synkope muss weitere diagnostische Schritte nach sich ziehen.